BGH Beschluss v. - StB 24/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 101 Abs. 7

Gründe

Der Generalbundesanwalt leitete im August 2003 gegen den Betroffenen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ("militante gruppe") ein, führte es nach der Entscheidung des Senats vom (BGHSt 52, 98) wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung fort und stellte es mit Verfügung vom mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Auf seinen Antrag ordnete der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschlüssen vom (1 BGs 286/2003) , (1 BGs 489/2003) , (1 BGs 502/2003 -mit Ergänzungsbeschluss vom [1 BGs 510/2003] ), (1 BGs 72/2004) und (1 BGs 174/2004) die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation einschließlich der Übermittlung der entsprechenden Verbindungsdaten bezüglich mehrerer Rufnummern und E-Mail-Accounts an. Die Anordnungen wurden zum Teil ausgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Nach Unterrichtung von der Verfahrenseinstellung und Belehrung über die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes beantragte der Betroffene mit Schriftsätzen vom 28. und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnungen der Telekommunikationsüberwachung und begründete dies damit, dass gegen ihn der hierfür erforderliche Tatverdacht von Anfang an nicht bestanden habe.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs festgestellt, dass die Anordnung sowie die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation sowie die Auskunftserteilung über Telekommunikationsverbindungen durch und aufgrund des Beschlusses des Ermittlungsrichters des ) rechtswidrig waren. Die weitergehenden Anträge hat er als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Betroffenen, mit der er sein ursprüngliches Begehren weiterverfolgt.

1.

Der Senat ist für die Entscheidung nach § 101 Abs. 7 Satz 3 StPO zuständig.

Zwar hat der Generalbundesanwalt unter dem Anklage zum Kammergericht Berlin gegen drei Beschuldigte erhoben, denen Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung "militante gruppe" vorgeworfen wird. Dies führt hier aber - anders als bei der dem Beschluss des Senats vom (StB 12-15/08 = NJW 2009, 454 [zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt]) zugrunde liegenden Verfahrensgestaltung - nicht dazu, dass damit die Zuständigkeit für den nachträglichen Rechtsschutz auch bezüglich des Betroffenen gemäß § 101 Abs. 7 Satz 4 StPO auf das Kammergericht Berlin übergegangen ist. Die Prüfung, ob die Erhebung der Anklage gegen einen oder mehrere Beschuldigte wegen der Beteiligung an einer terroristischen oder kriminellen Vereinigung dazu führt, dass für den nachträglichen Rechtsschutz gegen die Anordnung heimlicher Ermittlungsmaßnahmen und die Art und Weise ihres Vollzugs zum Nachteil anderer der Beteiligung Verdächtiger nicht mehr der Ermittlungsrichter, sondern das Gericht zuständig ist, vor dem Anklage erhoben worden ist, hat sich daran zu orientieren, ob bei Fortdauer der Zuständigkeit des Ermittlungsrichters die Gefahr divergierender Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Maßnahmen besteht, der nach dem Willen des Gesetzgebers durch § 101 Abs. 7 Satz 4 StPO begegnet werden sollte (BGH NJW 2009, 454 f. m. w. N. - zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).

Hier besteht kein Anlass zu der Befürchtung, eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der vom Betroffenen beanstandeten heimlichen Ermittlungsmaßnahmen durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs und (im Beschwerdeverfahren) durch den Senat könnte die Gefahr begründen, das Kammergericht werde im Rahmen der bei ihm anhängigen Strafsache die insoweit aufgeworfenen Rechtsfragen abweichend beantworten. Das vorliegende Verfahren hat der Generalbundesanwalt allein gegen den Betroffenen eingeleitet und geführt wegen des Verdachts, dieser sei - neben anderen, gesondert Verfolgten - Mitglied der "militanten gruppe". Als die Ermittlungen nichts zur Bestätigung des Verdachts erbracht hatten, hat er dieses Verfahren wieder eingestellt. Es ist nicht erkennbar, dass in seinem Verlauf durch die vom Betroffenen angegriffenen heimlichen Ermittlungsmaßnahmen Erkenntnisse gewonnen worden wären, die in dem gegen die drei vor dem Kammergericht Berlin angeklagten Beschuldigten von Bedeutung sein könnten.

2.

Dem Betroffenen ist auf seinen Antrag Wiedereinsetzung nach der Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren, da ihn an der Fristversäumung kein (Mit-)Verschulden trifft.

3.

In der Sache bleibt die sofortige Beschwerde ohne Erfolg. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen die Maßnahmen, die noch Gegenstand des Beschwerdevorbringens sind, rechtmäßig angeordnet worden waren. Diese zutreffenden Erwägungen werden durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet; der Senat schließt sich ihnen daher an.

4.

Soweit die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen für den Fall, dass "der Senat auch der Auffassung sein sollte, dass ein ausreichender Anfangsverdacht aufgrund des Verhältnisses meines Mandanten zu Herrn U. zum Zeitpunkt der Anordnungen bestanden hat", vollständige Akteneinsicht in die gegen Herrn U. geführten Ermittlungen beantragt hat, gilt Folgendes: Diese Akten sind nicht Bestandteil der hier vorhandenen Verfahrensakten. Sie liegen dem Senat nicht vor und haben auch dem Ermittlungsrichter erkennbar nicht vorgelegen. Die Tatverdachtsprüfung stützt sich ausschließlich auf die Akten des Ermittlungsverfahrens gegen den Betroffenen, in die die Verfahrensbevollmächtigte vollständige Einsicht erhalten hat. Zur Beiziehung anderer Akten zu dem Zwecke, in diese Einsicht zu gewähren, besteht deshalb keine Veranlassung.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
CAAAD-17924

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