BGH Beschluss v. - VII ZB 76/07

Leitsatz

[1] a) Ein als besondere Ausgestaltung des gerichtlichen Güteverfahrens durchgeführtes Mediationsverfahren hemmt nicht den Lauf der Berufungsbegründungsfrist.

b) Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Mediationsrichter ist unwirksam, wenn sie nach Ablauf der Begründungsfrist erfolgt ist und bis dahin kein Verlängerungsantrag gestellt worden war.

c) Der in einem gerichtlichen Informationsblatt zur Mediation erteilte Hinweis.

Gesetze: ZPO § 251; ZPO § 278 Abs. 2; ZPO § 522 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 2

Instanzenzug: OLG Dresden, 9 U 584/07 vom LG Dresden, 4 O 3105/06 vom

Gründe

I.

Die Klägerin hat von den Beklagten Zahlung von 42.502,56 EUR verlangt.

Das Landgericht hat die Beklagten wie Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 28.576,70 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten gegen das am zugestellte Urteil ist am bei dem Berufungsgericht eingegangen. Dieses hat mit Verfügung vom selben Tag auf die Möglichkeit eines Mediationsverfahrens vor dem dafür eigens eingerichteten 15. Zivilsenat hingewiesen. In den hierzu in dem "Informationsblatt zur Mediation" erteilten Hinweisen heißt es unter anderem:

"Das Mediationsverfahren wird beim Oberlandesgericht D. als Teil des gerichtlichen Verfahrens, und zwar als besondere Ausgestaltung der in § 278 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Güteverhandlung betrieben.

...

Während des Mediationsverfahrens soll die Berufung nicht begründet werden. Die Frist zur Begründung der Berufung wird auf Antrag entsprechend verlängert."

Bis zur Güteverhandlung im Mediationsverfahren am haben die Beklagten keinen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gestellt. In dieser Sitzung hat der Mediationsrichter im Einverständnis mit der Klägerin die Frist zur Begründung der Berufung für die Beklagten bis zum verlängert. Mit Schriftsatz vom haben die Beklagten die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum beantragt, die von dem Mediationsrichter gewährt wurde. Die Berufung ist am begründet worden.

Der 9. Zivilsenat des Berufungsgerichts, an den das Verfahren nach Scheitern der Mediation abgegeben worden ist, hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründungsfrist am abgelaufen gewesen und die Frist daher versäumt sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat er abgelehnt.

Mit der Rechtsbeschwerde begehren die Beklagten die Aufhebung dieser Entscheidung und die Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

II.

Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige ( § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

1.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Berufungsbegründungfrist habe, nachdem das Urteil des Landgerichts den Beklagten am zugestellt worden sei, mit Ablauf des (Dienstag nach Pfingsten) geendet. Da bis zu diesem Zeitpunkt weder eine Berufungsbegründungsschrift noch ein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung eingegangen sei, sei die Berufung mit Ablauf des unzulässig geworden. Da die Fristversäumnis nicht unverschuldet gewesen sei, sei auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Eine andere rechtliche Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil die Parteien zunächst ein gerichtliches Mediationsverfahren in Anspruch genommen hätten und der Mediationsrichter die Frist zur Berufungsbegründung mit Zustimmung der Klägerin am verlängert habe.

2.

Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Die Berufungsbegründungsfrist ist versäumt worden.

a)

Die Berufungsbegründungsfrist ist ohne eine wirksame Verlängerung am abgelaufen. Die Rechtsbeschwerde stellt zwar zur Überprüfung, ob die Begründungsfrist durch das Mediationsverfahren gehemmt worden ist. Sie vermag jedoch keine Grundlage für diese Hemmung zu nennen. Eine solche ist auch nicht ersichtlich. Das Mediationsverfahren ist als besonders ausgestaltetes Güteverfahren gemäß § 278 Abs. 2 ZPO durchgeführt worden. Gemäß § 278 Abs. 5 Satz 3 ZPO gilt § 251 ZPO entsprechend. Die im Einverständnis der Parteien durchgeführte, als Mediationsverfahren ausgestaltete Güteverhandlung hat gemäß § 251 Satz 2 ZPO auf den Lauf der in § 233 ZPO bezeichneten Frist zur Berufungsbegründung keinen Einfluss. Eine Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens mit der Wirkung, dass der Lauf der Berufungsbegründungsfrist aufhört, § 249 Abs. 1 ZPO, hat nicht stattgefunden.

b)

Die Berufungsbegründungsfrist ist durch den Mediationsrichter nicht wirksam verlängert worden.

Die Fristverlängerung war fehlerhaft, weil die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen und ein Verlängerungsantrag bis zum Ablauf der Frist nicht gestellt worden war (vgl. , BGHZ 116, 377). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Prüfung der Frage, ob eine fehlerhafte Fristverlängerung wirksam ist, in erster Linie auf den allgemeinen Grundsatz der Wirksamkeit verfahrensfehlerhafter gerichtlicher Entscheidungen sowie insbesondere auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes abzustellen. Danach darf die Prozesspartei, der eine beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gewährt worden ist, grundsätzlich darauf vertrauen, dass die betreffende richterliche Verfügung wirksam ist. Grenzen ergeben sich allerdings aus dem Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ( , NJW 2004, 1460 m.w.N.). Im Hinblick darauf kann eine Partei ein schützenswertes Vertrauen in die Wirksamkeit einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist grundsätzlich nicht bilden, wenn die Verlängerung nach Ablauf der Frist erfolgt und sie bis zu deren Ablauf keinen Antrag gestellt hat. Eine solche Verlängerung ist unwirksam ( , BGHZ 116, 377). Daran ändert sich nichts, wenn das Gericht die in § 278 Abs. 2 ZPO vorgesehene Güteverhandlung in besonderer Weise als Mediationsverhandlung ausgestaltet.

c)

Allein der Umstand, dass eine als Mediationsverfahren ausgestaltete Güteverhandlung stattfindet, begründet kein Vertrauen darauf, dass entgegen den gesetzlichen Regelungen die Berufungsbegründungsfrist nicht abläuft. Auch können die Beklagten keinen Vertrauenstatbestand aus dem vom Gericht überreichten Informationsblatt zur Mediation herleiten. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein solches Vertrauen überhaupt dazu verhelfen könnte, die fristverlängernde Verfügung des Mediationsrichters als wirksam anzusehen oder ob es lediglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen könnte.

Zwar legen die im Informationsblatt mitgeteilten Hinweise den Parteien nahe, während des Mediationsverfahrens die Berufung nicht zu begründen. Jedoch findet sich in dem unmittelbar anschließenden Satz der Hinweis, dass die Frist zur Begründung der Berufung auf Antrag entsprechend verlängert wird. Dieser Satz macht deutlich, dass es bei der gesetzlichen Regelung des § 520 Abs. 2 ZPO verbleibt, mit der Folge, dass ein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung zu stellen ist, um einen Ablauf der Frist während des Mediationsverfahrens zu verhindern.

3.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts zur Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu beanstanden, da eine unverschuldete Fristversäumung seitens der Beklagten nicht vorliegt. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mussten bedenken, dass die Berufungsbegründung innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO einzureichen war. Die gerichtlichen Hinweise zum Mediationsverfahren sind hinreichend klar formuliert, so dass diesen zu entnehmen ist, dass ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist rechtzeitig zu stellen ist.

4.

Die Annahme der Beklagten im Rechtsbeschwerdeverfahren, der Mediationsrichter habe den Beklagten im Gütetermin auf den von ihnen vermutlich gestellten Verlängerungsantrag eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, entbehrt jeder Grundlage. Eine solche Entscheidung ist nicht erkennbar. Es gibt auch keine Vermutung für eine solche Entscheidung von Amts wegen aufgrund des Umstandes, dass die Beklagten - wovon auszugehen ist - im Mediationstermin einen Verlängerungsantrag gestellt haben. Dieser stellte entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung nicht die Nachholung der versäumten Prozesshandlung dar ( , NJW 1995, 60 m.w.N.). Es kann nicht angenommen werden, dass der Mediationsrichter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein aufgrund des Verlängerungsantrags gewähren wollte, obwohl die Berufungsbegründung innerhalb der Antragsfrist hätte nachgeholt werden müssen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 1149 Nr. 16
HAAAD-15974

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja