Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art 103 Abs 1; SGG § 62; SGG § 153 Abs 4 Satz 2
Instanzenzug: LSG Berlin-Brandenburg, L 3 R 1495/06 vom SG Berlin, S 28 R 746/05 vom
Gründe
I
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zeit vom bis als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der dabei erzielten Arbeitsentgelte.
Der am 1946 geborene Kläger ist Ingenieur (Urkunde vom ) und war bei dem Volkseigenen Betrieb (VEB) G Werke T. beschäftigt, zuletzt ab als Abteilungsleiter Grundsatz Technologie. In seinem Sozialversicherungsausweis wird der Arbeitgeber ab mit G Werke T. bezeichnet, ab mit S Anlagenbau T. GmbH.
Mit Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung der Zeit vom bis als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech ab.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin (SG) mit Urteil vom abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der geltend gemachte Anspruch scheitere daran, dass der Kläger am nicht in einem VEB oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei, sondern in einer GmbH. Der VEB G Werke T. sei am aufgrund der an diesem Tage erfolgten Eintragung in das Handelsregister erloschen. Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit des Handelsregisters. Aufgrund der Umwandlungserklärung vom , nach der der VEB G Werke T. ua in die G Werke T. GmbH umgewandelt werden sollte, sei die entsprechende Eintragung der GmbH in das Handelsregister am beantragt worden. Aufgrund des Eintragungsantrags sei die Eintragungsverfügung am erfolgt. Die Eintragung in das Handelsregister selbst sei am vorgenommen worden. Soweit die Eintragungsverfügung am abgezeichnet worden sei, sprächen keine Anhaltspunkte dafür, dass erst zu diesem Zeitpunkt die Eintragung erfolgt sei.
Hiergegen hat der Kläger am Berufung beim Landessozialgericht Berlin Brandenburg (LSG) eingelegt.
Mit Schreiben vom hat das LSG mitgeteilt, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 153 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss zurückzuweisen.
Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom die Berufung begründet und weiterhin geltend gemacht, dass die Eintragung der G Werke T. GmbH in das Handelsregister nicht am , sondern erst am erfolgt sei.
Nach Beiziehung der Handelsregisterakten betreffend den VEB G Werke T. und einer in einem anderen Verfahren erteilten Auskunft des Amtsgerichts Potsdam (Richterin am Amtsgericht N.) vom hat das LSG mit Schreiben vom nochmals auf seine Absicht hingewiesen, die Berufung nach § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom hat der Kläger beantragt, im Wege der Beweisaufnahme bei dem Amtsgericht Potsdam anzufragen, auf welche Weise sichergestellt worden sei, dass vorgenommene Registereintragungen auch am gleichen Tage durch den Registerrichter (Vertragsrichter) unterzeichnet worden seien.
Nachdem das LSG mit Schreiben vom mitgeteilt hatte, dass es keinen Anlass sehe, von der beabsichtigten Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG abzusehen, hat der Kläger mit Schriftsatz vom (Eingang am selben Tag) um Fristverlängerung von drei Wochen gebeten, um die ladungsfähige Anschrift des ehemaligen Mitarbeiters der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Potsdam, Herrn F. S., ermitteln und sodann eine korrekte Zeugenbenennung vornehmen zu können.
Mit Beschluss vom hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Zugehörigkeit zur AVItech scheitere daran, dass der Kläger am nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen sei. Nach der nunmehr vorliegenden Kopie des Original-Registerblatts HRB 129 des früheren Kreisgerichts Potsdam sei die Eintragung der G Werke T. GmbH am erfolgt. Die Eintragung sei mit dem Namen N. - Vertragsrichter für Registerführung - unterschrieben. Nach der vom Senat eingeführten Auskunft der Richterin am Amtsgericht Potsdam N. vom erweise sich der vom Kläger implizit erhobene Vorwurf der Falschbeurkundung im Amt durch Rückdatierung der Eintragung als unhaltbar. Der Kläger könne sich für seine Auffassung zum Zeitpunkt der Eintragung nicht auf die Eintragungsverfügung stützen. Er habe keine Tatsachen vorgetragen, die einen Anhaltspunkt dafür ergäben, dass entsprechend der Verfügung vom die Eintragung in das Handelsregister nicht am vorgenommen und vom Vertragsrichter unterzeichnet worden sei. Die Ausführungsverfügung des Mitarbeiters der Geschäftsstelle S. vom habe einen anderen Erklärungsinhalt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensfehler und trägt zur Begründung vor: Das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Selbst wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausgehe, dass der mit Schriftsatz vom gestellte Antrag lediglich eine Anregung zur weiteren Ermittlung darstelle, hätte das LSG ihm vor seiner Entscheidung den mit Schriftsatz vom beantragten Schriftsatznachlass von drei Wochen einräumen müssen, denn dort habe er einen konkreten Beweisantrag einschließlich Zeugenbenennung angekündigt. Innerhalb dieser Frist hätte er die ladungsfähige Anschrift des ehemaligen Geschäftsstellenmitarbeiters F. S. ermitteln und sodann eine korrekte Zeugenbenennung vornehmen können. Zu einem ordnungsgemäßen Beweisantrag gehöre auch die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Zeugen.
II
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Der gerügte Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes, § 62 SGG iVm § 153 Abs 4 Satz 2 SGG) liegt vor.
Das LSG hat bei seiner Entscheidung durch Beschluss dem in § 153 Abs 4 Satz 2 SGG gesondert geregelten Anhörungsgebot nicht hinreichend Rechnung getragen. Denn das LSG hat am über die Berufung entschieden, ohne zuvor über den mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom gestellten und an diesem Tage auch eingegangenen Antrag auf Fristverlängerung von drei Wochen zu entscheiden.
§ 153 Abs 4 SGG ist eng und in einer für die Beteiligten möglichst schonenden Weise auszulegen und anzuwenden (Senatsbeschluss vom , SozR 4-1500 § 153 Nr 1 RdNr 6; , Juris RdNr 15). Das LSG musste daher vor Erlass des Beschlusses auf den mit Schriftsatz vom gestellten Antrag des Klägers auf Fristverlängerung reagieren. Hätte das LSG Zweifel an der Zulässigkeit oder Begründetheit dieses Antrags gehabt, hätte es den Kläger unverzüglich vor seiner Sachentscheidung darauf hinweisen müssen. Zweifel hätten insoweit bestehen können, weil ein Beweisantrag unter individualisierter Benennung eines Zeugen auch ohne Angabe der ladungsfähigen Anschrift den Anforderungen des § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 373 der Zivilprozessordnung genügt (, Juris RdNr 20; NJW 2000, 945, 946; NJW 1993, 1926, 1927 f), und es dem Kläger daher bereits zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre, durch die Benennung des namentlich bereits bekannten Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung des Zeugen stattfinden sollte (Beweisthema), den beabsichtigten Zeugenbeweis anzutreten. Indes hat das LSG einen entsprechenden Hinweis mit der Mitteilung, dass es weiterhin keine Veranlassung habe, von der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss abzusehen, unterlassen. Ohne Bescheidung des Antrags des Klägers vom durfte es aber vor Ablauf des in diesem genannten Verlängerungszeitraums nicht in der Sache entscheiden (vgl , Juris RdNr 13; aaO; , Juris RdNr 12). Aus dem Schweigen des Gerichts zu der beantragten Stellungnahmefrist musste der Kläger nicht zwangsläufig schließen, seiner Bitte um weiteres Zuwarten werde nicht entsprochen. Vielmehr durfte er darauf vertrauen, dass das LSG ihn vor einer Ablehnung unterrichten und ihm Gelegenheit geben würde, sich hierauf einzustellen (vgl DVBl 1999, 97). Ob ausnahmsweise ein solcher Hinweis - etwa bei ohne jede Begründung oder wiederholt gleichförmig eingereichten Verlängerungsbegehren - unterbleiben kann, bedarf keiner weiteren Erörterung. Anhaltspunkte für einen derartigen Ausnahmefall liegen hier nicht vor.
Der die Berufung des Klägers zurückweisende Beschluss des LSG kann auch auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht - ggf nach weiteren Ermittlungen aufgrund eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags des Klägers - zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre.
Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen hat der Senat die Sache im Beschlusswege nach § 160a Abs 5 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
KAAAD-15908