BAG Urteil v. - 10 AZR 219/08

Leitsatz

[1] Der Hinweis in einem Formulararbeitsvertrag, wonach die Gewährung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum monatlichen Gehalt erbringt, freiwillig und mit der Maßgabe erfolgt, dass auch bei einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird, hindert das Entstehen eines Anspruchs des Arbeitnehmers auf Zahlung von Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung.

Gesetze: BGB § 151; BGB § 307 Abs. 1; BGB § 308 Nr. 4; AGBG § 23 Abs. 1

Instanzenzug: LAG Berlin-Brandenburg, 20 Sa 1636/07 vom ArbG Berlin, 6 Ca 1781/07 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über Weihnachtsgeld für das Jahr 2006.

Die Beklagte handelt mit Fahrzeugen. Die Klägerin ist bei ihr seit dem aufgrund eines schriftlichen Formulararbeitsvertrags vom gegen ein monatliches Bruttogehalt iHv. zuletzt 1.662,00 Euro als Disponentin beschäftigt. In § 3 des Arbeitsvertrags heißt es:

"§ 3

Vergütung und Urlaub

Der Arbeitnehmer erhält ein monatliches Gehalt von 3.250,00 DM brutto. Die Vergütung wird dem Arbeitnehmer jeweils bis zum 5. des Folgemonats ausbezahlt. Die Gewährung sonstiger Leistungen (z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld, 13. Gehalt etc.) durch den Arbeitgeber erfolgen freiwillig und mit der Maßgabe, daß auch mit einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird.

..."

Die Beklagte zahlte der Klägerin in den Jahren 1999 bis 2005 ein halbes Bruttomonatsgehalt als Urlaubsgeld und mit dem Gehalt für November jeweils ein halbes Bruttomonatsgehalt als Weihnachtsgeld. Im Kalenderjahr 2006 erhielten die Arbeitnehmer der Beklagten nur Urlaubsgeld. In einem der Gehaltsabrechnung für November 2006 beigefügten Schreiben bat die Beklagte ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um Verständnis dafür, dass sie aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage im Jahr 2006 kein Weihnachtsgeld auszahlen könne.

Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte sei aufgrund betrieblicher Übung verpflichtet gewesen, ihr mit der Vergütung für November 2006 ein halbes Bruttomonatsgehalt als Weihnachtsgeld zu zahlen. Die Freiwilligkeitsklausel im Arbeitsvertrag sei unwirksam.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 831,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, die Regelung in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags habe das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindert. Die Klägerin habe deshalb aufgrund der Zahlung von Weihnachtsgeld in den Jahren 1999 bis 2005 keinen Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 aus betrieblicher Übung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht aus betrieblicher Übung Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 nicht zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, bei dem Freiwilligkeitsvorbehalt in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSd. §§ 305 ff. BGB. Die Klausel benachteilige die Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, sei deshalb ab dem gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam und falle ersatzlos weg. Der ersatzlose Wegfall der Freiwilligkeitsklausel führe jedoch nicht zu einem Anspruch der Klägerin auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 aus betrieblicher Übung. Auf das von den Parteien vor dem begründete Arbeitsverhältnis fänden die §§ 305 ff. BGB erst seit dem Anwendung. Bis zum sei der Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag deshalb wirksam gewesen und habe das Entstehen einer betrieblichen Übung bezüglich der Gewährung von Weihnachtsgeld verhindert. Ab dem fehle es an einer mindestens dreimaligen vorbehaltlosen Zahlung von Weihnachtsgeld, die ein Anspruch auf Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung voraussetze.

II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern, halten jedoch im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.

1. Wäre der Freiwilligkeitsvorbehalt in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags gemäß der Annahme des Landesarbeitsgerichts ab dem unwirksam geworden und ersatzlos weggefallen, hätte das Landesarbeitsgericht der Klage stattgeben müssen. Das Landesarbeitsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin von Beginn des Arbeitsverhältnisses im Jahre 1999 an bis einschließlich 2005 jeweils mit der Vergütung für November ein halbes Bruttomonatsgehalt als Weihnachtsgeld gezahlt hat. Hat die Klägerin im November 2003, im November 2004 und im November 2005 jeweils ein halbes Bruttomonatsgehalt als Weihnachtsgeld ohne wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt erhalten, fehlte es nicht an einer dreimaligen vorbehaltlosen Zahlung. Für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen gilt die Regel, dass eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt (vgl. - BAGE 118, 360, 369).

2. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, dass die Regelung in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags die Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und deshalb ab dem gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Diese Regelung hat auch nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes jede vertragliche Bindung der Beklagten bei der Gewährung von Sonderleistungen verhindert und ihr die Freiheit belassen, jedes Jahr über das Ob und Wie von Sonderzahlungen zu entscheiden. Deshalb halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis den Angriffen der Revision stand. Die Klägerin hat aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags keinen Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 aus betrieblicher Übung.

3. Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden (st. Rspr., vgl. - BAGE 106, 345, 350; - 10 AZR 385/05 - BAGE 118, 360, 368, jeweils mwN). Eine allgemeinverbindliche Regel, ab welcher Zahl von Leistungen der Arbeitnehmer erwarten darf, dass er die Leistung erhält, gibt es nicht. Allerdings ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen die Regel aufgestellt worden, dass eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt ( - BAGE 118, 360, 369). An einer solchen dreimaligen vorbehaltlosen Zahlung von Weihnachtsgeld fehlt es. Die Beklagte hat der Klägerin das Weihnachtsgeld in den Jahren 1999 bis 2005 nicht vorbehaltlos gezahlt. Die Parteien haben in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vereinbart, dass die Gewährung sonstiger Leistungen durch die Beklagte freiwillig erfolgt und dass auch mit einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch der Klägerin für die Zukunft begründet wird. Im Klammerzusatz haben sie als Beispiel für eine sonstige Leistung ausdrücklich Weihnachtsgeld genannt. Diese arbeitsvertragliche Abrede ist mit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes und der damit verbundenen Bindung an das AGB-Recht nicht unwirksam geworden.

4. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der sich nicht in dem bloßen Hinweis erschöpft, dass sich der Arbeitgeber "freiwillig" zur Erbringung der Leistung verpflichtet, ohne dazu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu sein ( - BAGE 103, 151, 155 mwN), wirksam das Entstehen eines Rechtsanspruchs des Zuwendungsempfängers auf künftige Sonderzahlungen hindern kann ( - BAGE 94, 204, 206 f.; - 10 AZR 840/98 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 223 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 158; - 10 AZR 883/95 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 193 = EzA BGB § 611 Gratifikaion, Prämie Nr. 141). Der Arbeitgeber kann außer bei laufendem Arbeitsentgelt (vgl. - BAGE 122, 182) grundsätzlich einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine in Aussicht gestellte Sonderzahlung ausschließen und sich die Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er künftig Sonderzahlungen gewährt (st. Rspr., vgl. - AP BGB § 307 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 26; - 10 AZR 48/02 - aaO.; - 9 AZR 255/99 - aaO., jeweils mwN). Daran hat der Senat auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am festgehalten, mit dem die Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG aufgegeben wurde. Er hat angenommen, der Arbeitgeber sei aufgrund eines klaren und verständlichen Freiwilligkeitsvorbehalts in einem Formulararbeitsvertrag, der einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung eindeutig ausschließt, grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung gewährt ( -; - 10 AZR 606/07 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 38; - 10 AZR 825/06 - aaO.; - 10 AZR 569/06 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 205 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 13; - 10 AZR 261/06 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 21).

a) Bei einem klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Sonderzahlung ausschließt, fehlt es an einer versprochenen Leistung iSv. § 308 Nr. 4 BGB. Dies gilt auch dann, wenn die Sonderzahlung ausschließlich im Bezugszeitraum geleistete Arbeit zusätzlich vergütet. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung wird auch in diesem Fall nicht eingeschränkt oder sonst verändert. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung wird unabhängig von dem mit der Sonderzahlung verfolgten Zweck von vornherein nicht begründet. Es mangelt an einem Angebot des Arbeitgebers iSv. § 151 BGB, das der Arbeitnehmer annehmen könnte. Mit Formulierungen, dass aus der Leistung einer Sonderzahlung keinerlei Rechte hergeleitet werden können oder wiederholte Zahlungen keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen, macht der Arbeitgeber hinreichend deutlich, dass er gerade keine Rechtsfolge im Sinne einer Erfüllungspflicht herbeiführen will. Deshalb verstößt ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der einen Rechtsanspruch auf die Sonderzahlung ausschließt, auch nicht gegen den allgemeinen Grundsatz "pacta sunt servanda" (Verträge sind einzuhalten), weil es zu keiner verbindlichen Zusage der Sonderzahlung gekommen ist. Ein Anspruch entsteht nur auf die jeweils zugesagte Sonderzahlung. Mit der Zahlung erlischt dieser Anspruch.

b) Der Einwand der Klägerin, die Ankündigung der Beklagten in dem der Gehaltsabrechnung für November 2006 beigefügten Schreiben, für das Jahr 2006 kein Weihnachtsgeld zu zahlen, habe sie überrascht, hilft ihr nicht weiter. Entgegen der Auffassung der Klägerin muss der Arbeitgeber nicht bereits zu Beginn des Bezugszeitraums unter Berufung auf die Freiwilligkeitsklausel ankündigen, dass er keine Sonderzahlung leisten will ( - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 38). Mangels eines Anspruchs des Arbeitnehmers bedarf es weder einer Ankündigung, um einen Anspruch des Arbeitnehmers zu Fall zu bringen ( - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 223 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 158), geschweige denn einer Präzisierung in der Vorbehaltsklausel, aus welchen Gründen der Freiwilligkeitsvorbehalt ausgeübt werden kann.

5. Der Freiwilligkeitsvorbehalt in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags vom ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Er verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Wortlaut der Vorbehaltsklausel ist eindeutig. Er schließt einen Rechtsanspruch auf Weihnachtsgeld aus. Diese klare und verständliche Regelung steht auch nicht zu anderen Abreden der Parteien in Widerspruch.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2009 S. 1024 Nr. 19
DB 2009 S. 907 Nr. 17
ZIP 2009 S. 1085 Nr. 22
ZAAAD-13972

1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein