Bestellung eines gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten wirkt auch für künftige Bescheide im Feststellungsverfahren
Gesetze: AO § 183 Abs. 1, AO § 110 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Im Streit ist, ob die Bekanntgabe eines Bescheides über die Feststellung des Gewinns einer zweiköpfigen Arztpraxis für das Streitjahr (2002) an nur einen Feststellungsbeteiligten „mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten” auch gegenüber dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als dem anderen Beteiligten wirksam war und ob ihm wegen Unkenntnis der Bekanntgabe gegebenenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist im Hinblick auf die versäumte Einspruchsfrist.
Das Finanzgericht (FG) ging in dem angefochtenen Urteil davon aus, dass dem Beigeladenen in der von beiden Feststellungsbeteiligten unterschriebenen Feststellungserklärung für das dem Streitjahr vorausgegangene Jahr 2001 eine Empfangsvollmacht für die Feststellungsbescheide erteilt worden war. Diese Empfangsvollmacht habe nach dem Text des Erklärungsvordrucks auch für künftige Feststellungen fortgegolten, da sie nicht widerrufen worden sei. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsbehelfsfrist könne nicht erfolgen, weil dem Kläger das Verschulden des Empfangsbevollmächtigten, der den Kläger nicht von der Bekanntgabe in Kenntnis gesetzt hatte, als Vertreterverschulden i.S. von § 110 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) zuzurechnen sei.
Der Kläger macht die Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend (Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung).
Bislang sei keine höchstrichterliche Entscheidung dazu ergangen, ob ein Verschulden vorliege in den Fällen, in denen sich die Feststellungsbeteiligten nicht über die Rechtswirkung der Bekanntgabe an einen Feststellungsbeteiligten bewusst seien und daher ein Betroffener keine Kenntnis vom Fristablauf habe.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
Unbeachtlich ist neuer Tatsachenvortrag im Beschwerdeverfahren, so zum wahrscheinlichen Überlesen der Erläuterungen zur Empfangsvollmacht in Zeilen 16 und 17 des Erklärungsvordrucks.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegen nicht vor.
1. Eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts ist erforderlich, wenn über bisher ungeklärte abstrakte Rechtsfragen zu entscheiden ist, insbesondere, wenn der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 41, m.w.N.). Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist jedoch bereits geklärt, dass die Bestellung eines gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten i.S. des § 183 Abs. 1 Satz 1 AO durch die Feststellungsbeteiligten regelmäßig auch für künftige Bescheide in Feststellungsverfahren wirkt (, BFHE 216, 399, BStBl II 2007, 369).
Der Kläger hält diesen Rechtssatz im Streitfall wegen der tatsächlichen Verhältnisse allerdings nicht für anwendbar. Die Fragen, die er in diesem Zusammenhang aufwirft, sind deshalb auch solche tatsächlicher Art —etwa nach dem Bestehen eines Vertretungsverhältnisses bei Erteilung der Empfangsvollmacht— oder solche zur Rechtsanwendung (Ausfüllung des Verschuldensbegriffs des § 110 AO) im Hinblick auf die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls. Weil die Entscheidung des Streitfalls somit —auch nach Auffassung des Klägers— maßgeblich von den tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls abhängt, ist die Rechtssache nicht über den konkreten Einzelfall hinaus bedeutsam (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 41). Der Umstand allein, dass zu der konkreten Fallgestaltung noch keine Entscheidung des BFH ergangen ist, begründet weder einen Klärungsbedarf noch das erforderliche Allgemeininteresse (, BFH/NV 2008, 753, m.w.N.).
Im Übrigen ist ein Zulassungsgrund grundsätzlich nicht mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils begründbar; das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (, BFH/NV 2007, 1335, m.w.N.).
2. Anders liegt die Sache nach der Rechtsprechung des BFH in den Ausnahmefällen, dass eine Entscheidung mit einem offensichtlichen Rechtsfehler von erheblichem Gewicht behaftet ist, der zudem geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, oder, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich ist (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 204; Gräber/Ruban, a.a.O., § 155 Rz 55, 68 und 70, jeweils m.w.N.). In der Streitsache liegt ein solcher Ausnahmefall aber nicht vor.
Dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung aus anderen Gründen eine Entscheidung des BFH erfordern würde, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist keine Divergenz des angefochtenen Urteils mit anderen gerichtlichen Entscheidungen dargetan.
Fundstelle(n):
WAAAD-13947