Fristbeginn bei Heilung von Zustellungsmängeln
Gesetze: FGO § 53, FGO § 116 Abs. 3, ZPO § 189
Instanzenzug:
Gründe
I. Die auf Befreiung von der Steuerberaterprüfung gerichtete Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wurde mit abgewiesen. Die vom FG durch die Post mit Zustellungsurkunde an den Kläger übermittelte Urteilsausfertigung ging dem Kläger spätestens am zu, die beigefügte Zustellungsurkunde wurde jedoch vom Postzusteller nicht angefertigt, denn sie befand sich —wie der Kläger vorträgt— unausgefüllt in dem Briefumschlag, mit dem das Urteil dem Kläger übersandt worden war. Nachdem der zwischenzeitlich bestellte Prozessbevollmächtigte des Klägers das FG am sowohl telefonisch als auch schriftlich auf den Zustellungsmangel hingewiesen hatte, veranlasste das FG eine nochmalige Zustellung der Urteilsausfertigung an den Prozessbevollmächtigten, die am bewirkt wurde.
Die Begründung der gegen das Urteil des FG am eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde ging am beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Auf den Hinweis der Geschäftsstelle des beschließenden Senats, dass von einer Zustellung des FG-Urteils am und somit vom Ablauf der Begründungsfrist am auszugehen sein dürfte, macht der Kläger geltend, dass die Urteilsausfertigung wegen Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften nicht bereits am zugestellt worden sei; die nachweisbare förmliche Zustellung sei vielmehr erst am erfolgt.
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Kläger die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) versäumt hat.
1. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils zu begründen. Im Streitfall begann diese Frist am zu laufen und endete daher mit Ablauf des . Die Beschwerdebegründung ist indes erst am eingegangen.
Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Schriftstücks nicht nachweisen oder (nicht „und”, wie die Beschwerde meint) ist das Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es nach § 53 FGO i.V.m. § 189 der Zivilprozessordnung (ZPO) in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Schriftstück der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Die Anwendung des § 189 ZPO setzt zwar voraus, dass das Dokument zugestellt werden sollte (sog. Zustellungswille, vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 53 Rz 136); es besteht jedoch in Anbetracht der Zustellungsverfügung des FG und des an den Kläger gerichteten Begleitschreibens vom sowie der beigefügten vorbereiteten Zustellungsurkunde kein Zweifel, dass auf Seiten des FG der Wille, die nach § 53 Abs. 1 FGO vorgeschriebene Zustellung des FG-Urteils zu bewirken, vorhanden war.
Auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 189 ZPO sind im Streitfall erfüllt. Bei der Zustellung des FG-Urteils an den Kläger ist die zwingende Zustellungsvorschrift des § 182 ZPO, wonach zum Nachweis der Zustellung eine Zustellungsurkunde anzufertigen ist, nicht beachtet worden. Da das FG-Urteil dem Kläger spätestens am tatsächlich zugegangen ist, wie sich aus dem unter diesem Datum gefertigten Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten und dessen Telefonat mit dem FG an diesem Tag ergibt, gilt es an diesem Tag als zugestellt, so dass die prozessualen Fristen in Lauf gesetzt wurden.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das FG das Urteil dem zwischenzeitlich bestellten Prozessbevollmächtigten ein weiteres Mal zugestellt hat. Das FG konnte die spätestens am bewirkte Zustellung, mit der prozessuale Fristen zu laufen begonnen hatten, weder nachträglich für unwirksam erklären noch wurde mit der zweiten Zustellung des FG-Urteils eine neue Rechtsmittel- bzw. Begründungsfrist in Lauf gesetzt (vgl. , BFH/NV 1991, 612).
Dass sich die am 19. und am zugestellten Urteilsausfertigungen unterscheiden und dass bei der zuerst zugestellten Ausfertigung —wie die Beschwerde behauptet— die Rechtsmittelbelehrung nicht von der Unterschrift der Richter gedeckt ist, trifft nicht zu. Beide Urteilsausfertigungen sind inhaltlich identisch; lediglich die Namen der unterzeichnenden Berufsrichter, die sich auf einer Ausfertigung noch auf S. 7 befinden, sind in der anderen Ausfertigung auf der S. 8 zu finden. Auf der insoweit maßgeblichen Urschrift des Urteils befinden sich die Unterschriften der Berufsrichter am Ende des Urteils unter der Rechtsmittelbelehrung.
2. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger war im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs des FG-Urteils am anwaltlich vertreten, weshalb davon auszugehen ist, dass die Folgen des tatsächlichen Zugangs für den Lauf der einzuhaltenden Begründungsfrist nicht ohne Verschulden verkannt werden konnten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 777 Nr. 5
OAAAD-13941