OFD Münster - akt. Kurzinfo ESt 1/2007

§ 46 EStG; Veranlagung von Arbeitnehmern

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1. Antragsveranlagung (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG)

§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG regelte bisher, dass der Antrag auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung bis zum Ablauf des auf den VZ folgenden zweiten Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen ist. Durch das JStG 2008 ist die Zweijahresfrist weggefallen. Nach § 52 Abs. 55j Satz 2 EStG ist diese Änderung erstmals ab dem VZ 2005 anzuwenden.

Außerdem ist sie für VZ vor 2005 anzuwenden, wenn der Antrag auf Veranlagung bis zum (= Tag der Verkündung des JStG 2008 im BGBl) beim Finanzamt eingegangen ist und über den Antrag am noch nicht bestandskräftig entschieden ist.

Die Neuregelung gilt somit nicht für Fälle, in denen der Antrag auf Veranlagung für einen VZ vor 2005 erst nach dem beim Finanzamt eingeht (vgl. auch Bericht des Finanzausschusses zum JStG 2008 vom , BT Drs. 16/7036 Seite 26, wonach für VZ vor 2005, für die die bisherige zweijährige Antragsfrist im Zeitpunkt der Gesetzesänderung bereits abgelaufen ist, ein Antrag auf Veranlagung grundsätzlich nicht mehr ermöglicht werden soll. Eine Ausnahme soll nur für bereits anhängige Fälle gelten). Entsprechende Anträge sind daher abzulehnen.

Einsprüche gegen die Ablehnungsbescheide ruhen nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren VI R 1/09. Dieses Verfahren richtet sich gegen das , in dem die Auffassung vertreten wird, dass die Weitergeltung der zweijährigen Antragsfrist für Kalenderjahre vor 2005 in Fällen, in denen die Einkommensteuererklärung erst nach dem beim Finanzamt eingegangen ist, verfassungsgemäß ist.

Einsprüche gegen die Ablehnung von Antragsveranlagungen wegen des Ablaufs der früheren Zweijahresfrist ruhten bisher nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO, da vor dem Bundesverfassungsgericht unter den Az. 2 BvL 55/06 und 2 BvL 56/06 Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit der früheren Zweijahresfrist bei der Antragsveranlagung anhängig waren. Die OFD bittet, die Bearbeitung der Einsprüche wieder aufzunehmen, da sich die o. g. Verfahren zwischenzeitlich erledigt haben. Die BFH-Verfahren, die den beiden Vorlagebeschlüssen zu Grunde lagen, wurden durch Beschlüsse vom und in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Kläger klaglos gestellt worden sind, indem die zuständigen Finanzämter unter Hinweis auf § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i. d. F. des JStG 2008 die beantragten Einkommensteuerveranlagungen durchgeführt haben.

Aufgrund der Änderung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG durch das JStG 2008 kann die Bearbeitung vorliegender Anträge auf Durchführung einer Veranlagung, die nach Ablauf der Zweijahresfrist, aber bis zum eingegangen sind, wieder aufgenommen werden. Dieses gilt auch für die Bearbeitung von Rechtsbehelfen, die sich gegen einen Bescheid wenden, durch den die Durchführung einer Antragsveranlagung mit der Begründung abgelehnt worden ist, dass der Antrag erst nach Ablauf der bisherigen Zweijahresfrist eingegangen ist. Dabei bittet die OFD Folgendes zu berücksichtigen:

a) Festsetzungsverjährung

Nach Wegfall der Zweijahresfrist kann der Antrag auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt werden. Diese beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 AO) und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, für das der Antrag auf Einkommensteuerveranlagung gestellt wird (§ 170 Abs. 1 AO). Der erstmalige Antrag auf Durchführung einer Veranlagung für den VZ 2005 kann somit noch bis zum gestellt werden.

Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist in Fällen, in denen eine Einkommensteuererklärung abzugeben ist, abweichend von § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Jahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Diese Regelung betrifft ausschließlich Fälle, in denen der Steuerpflichtige aufgrund einer gesetzlichen Regelung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet ist oder das Finanzamt ihn zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert hat. Die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gilt damit nicht, wenn ohne Aufforderung durch das Finanzamt eine Steuererklärung eingereicht wird, durch die der Antrag auf Einkommensteuerveranlagung gestellt wird.

Erstmalige Anträge auf Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG sind daher auch dann abzulehnen, wenn sie zwar bis zum , aber nach Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist beim Finanzamt eingegangen sind. Einsprüche gegen entsprechende Ablehnungsbescheide können ruhen, da das entschieden hat, dass die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO auch bei der Antragsveranlagung zu beachten ist und das Revisionsverfahren gegen diese Entscheidung unter dem Az. VI R 23/08 anhängig ist.

b) Bestandskräftige Ablehnung eines Antrags auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung

Hat das Finanzamt einen Antrag auf Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG bereits abgelehnt, weil der Antrag nach Ablauf der bisherigen Zweijahresfrist eingegangen ist, und stellt der Steuerpflichtigenach Bestandskraft des Ablehnungsbescheides einen erneuten Antrag, kann diesem nicht entsprochen werden. § 52 Abs. 55j Satz 2 EStG i. d. F. des JStG 2008 regelt ausdrücklich, dass § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i. d. F. des JStG 2008 für VZ vor 2005 nur anzuwenden ist, wenn über einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer am Tag der Verkündung des JStG 2008 noch nicht bestandskräftig entschieden ist.

Die Bearbeitung eines erneuten Antrags auf Einkommensteuerveranlagung, der unter Hinweis auf die Verfahren 2 BvL 55/06 und 2 BvL 56/06 vor dem Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit der früheren Zweijahresfrist bei der Antragsveranlagung eingereicht worden ist, konnte bisher zurückgestellt werden. Da sich die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich erledigt haben, bittet die OFD entsprechende Anträge nunmehr abzulehnen.

2. Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG

§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i. d. F. vor dem JStG 2007 regelte, dass eine Pflichtveranlagung u. a. durchzuführen ist, wenn die Summe der steuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach §§ 13 Abs. 3 und 24a EStG mehr als 410 € beträgt.

Mit Urteilen vom , u. a. und , hat der BFH entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung auch dann erfüllt sind, wenn die Summe der nicht dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfenden Einkünfte negativ ist und der Verlust 410 € übersteigt. Durch das JStG 2007 wurde § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG zur Klarstellung dahingehend geändert, dass die Summe der nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Einkünfte positiv sein muss. Diese Änderung ist nach § 52 Abs. 55j EStG i. d. F. des JStG 2007 auch für Veranlagungszeiträume vor 2006 anzuwenden.

Die Gesetzesänderung wird ggf. auch bei der Entscheidung des noch anhängigen Revisionsverfahrens VI R 63/06 zu berücksichtigen sein, in dem strittig ist, ob für einen Arbeitnehmer, der die Einkommensteuererklärung 2000 erst im fünften Jahr nach Ablauf des Veranlagungszeitraums beim Finanzamt eingereicht hat, auch dann eine Pflichtveranlagung durchzuführen ist, wenn die Summe der nicht dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfenden Einkünfte negativ ist und der Verlust 410 € übersteigt (in diesem Fall würde beim Bestehen einer Steuererklärungspflicht die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO eingreifen).

Beantragt ein Arbeitnehmer mit Verlusten aus Einkünften, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen, nach Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist unter Hinweis auf die die Durchführung einer Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG, ist der Antrag unter Hinweis auf den geänderten Gesetzeswortlaut und den Ablauf der Festsetzungsfrist abzulehnen.

Einsprüche gegen die Ablehnungsbescheide, die unter Hinweis auf das BFH-Verfahren VI R 63/06 eingelegt werden, ruhen nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes.

3. Antrag auf Festsetzung der Arbeitnehmer-Sparzulage

Durch das JStG 2008 ist nur die Zweijahresfrist für den Antrag auf Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG entfallen, nicht aber für den Antrag auf Festsetzung der Arbeitnehmer-Sparzulage. Nach § 14 Abs. 4 Satz 2 des 5. VermBG ist der Antrag auf Festsetzung der Arbeitnehmer-Sparzulage weiterhin spätestens bis zum Ablauf des zweiten Kalenderjahres nach dem Kalenderjahr zu stellen, in dem die vermögenswirksamen Leistungen angelegt worden sind. Einzelheiten zur Ablehnung eines verspäteten Antrags ergeben sich aus der Vfg vom S 2430 – 1002 – St 215 (OFD Rhld)/S 2430 – 16 – St 22 – 31 (OFD Ms).

Antragsveranlagung gem. § 46 (2) Nr. 8 EStG Änderung durch das JStG 2008 Übersicht über die verschiedenen Fallgestaltungen (Stand )

Die nachfolgende Übersicht verdeutlicht, in welchen Fallgestaltungen eine Antragsveranlagung abzulehnen bzw. durchzuführen ist sowie in welchen Fällen weiterhin ein Ruhen des Verfahrens in Betracht kommt.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bis einschließlich VZ 2004
Ablehnung des
Antrags
Durchführung der
Veranlagung
Bisher Ruhen des Verfahrens
aufgrund der bisher beim BVerfG
anhängigen Verfahren
Erneutes Ruhen des Verfahrens
aufgrund Revision (VI R 23/08)
gegen das Urteil des FG Düsseldorf
Erneutes Ruhen des Verfahrens
aufgrund Revision (VI R 1/09)
gegen das Urteil des FG Rheinland-
Pfalz
(Az 2 BvL 55/06 und
2 BvL 56/06)
 
 
Nunmehr Einspruchsentscheidung
– Einspruch unbegründet
(
Az. 12 K 4730/04 E)
(
Az. 6 K 1801/08)
Antrag bis zum eingereicht
 
 
 
 
 
innerhalb der vierjährigen [1] Festsetzungsfrist
 
x
 
 
 
außerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist
(Fälle bis einschließlich VZ 2002)
x
 
x
x
 
über Antrag wurde bereits bestandskräftig
ablehnend entschieden
x
 
x
 
 
Antrag nach dem eingereicht
x
 
x
 
x
Ab VZ 2005
 
 
 
 
 
Antrag innerhalb der vierjährigen
Festsetzungsfrist eingereicht
 
x
 
 
 
Antrag außerhalb der vierjährigen
Festsetzungsfrist eingereicht
x
 
 
 
 

OFD Münster v. - akt. Kurzinfo ESt 1/2007


Fundstelle(n):
RAAAD-13914

1Hat das Finanzamt den Steuerpflichtigen nicht zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert und auch keine Schätzungsveranlagung durchgeführt, beträgt die Festsetzungsfrist lediglich vier Jahre. Die Anlaufhemmung gem. § 170 (2) Nr. 1 AO ist mangels Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht zu berücksichtigen.