Leitsatz
[1] 1. Zur Eignung einer Straftat nach dem Außenwirtschaftsgesetz, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden.
2. Holen die Strafverfolgungsorgane zu dieser Frage eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes ein, so ist dieses allein gehalten, die aufgrund seiner besonderen Sachkunde dort bekannten, für die Beurteilung des konkreten Falles relevanten Tatsachen mitzuteilen; die Erstattung eines Rechtsgutachtens obliegt ihm nicht.
3. Zur Strafverfolgungskompetenz des Bundes und damit des Generalbundesanwalts und der Staatsschutzsenate der Oberlandesgerichte bei Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz.
Gesetze: AWG § 34 Abs. 2; AWG § 34 Abs. 6; GVG § 120 Abs. 2; AWV § 70 Abs. 5a; StGB § 25 Abs. 2; StGB § 53
Gründe
Der Angeschuldigte ist am festgenommen worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tage (1 BGs 115/2008). Mit Beschluss vom hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl aufrechterhalten und seinen weiteren Vollzug angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Angeschuldigten hat der Senat durch Beschluss vom (StB 19/08) verworfen. Mit Beschluss vom (1 BGs 212/2008) hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl neu gefasst. Am hat der Generalbundesanwalt gegen den Angeschuldigten Anklage zum Oberlandesgericht Koblenz erhoben.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1.
Der Angeschuldigte ist dringend verdächtig, mehrfach in strafbarer Weise gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) verstoßen zu haben:
Der Angeschuldigte ist langjähriger Geschäftsführer der C. GmbH (im Folgenden: C. GmbH) mit Sitz in B. ; bis Ende 2006 war er gleichzeitig Alleingesellschafter dieses Unternehmens. Seit Mai 2001 ist er außerdem an dem türkischen Unternehmen IN. Ltd. beteiligt; dessen Geschäftsführer und Mitgesellschafter ist der gesondert Verfolgte I. . Spätestens Anfang 2006 kamen der Angeschuldigte, I. und der gesondert Verfolgte H. überein, zukünftig regelmäßig hochwertiges Graphit verschiedener Güteklassen ohne die erforderliche Genehmigung über die Türkei an die iranische S. (im Folgenden: S. ) zu liefern. Derartiges Graphit fällt unter den Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 (Dual-Use-Verordnung); seine Ausfuhr ist deshalb genehmigungspflichtig. Das Material ist auch von dem am im Bundesanzeiger veröffentlichten Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 (Iran-Embargo-Verordnung) erfasst; eine Lieferung in den Iran ist seitdem verboten. Es findet bei der Herstellung von Mittel- und Langstreckenraketen Verwendung. Die S. ist am Programm des Iran für ballistische Raketen beteiligt; H. vertrat sie als zentraler Einkäufer. Die S. und H. sind in dem am im Bundesanzeiger veröffentlichten Anhang IV der Iran-Embargo-Verordnung aufgeführt; deshalb ist seit diesem Zeitpunkt die Lieferung jeglicher Waren an sie nicht erlaubt. Der Angeschuldigte beabsichtigte, sich durch die folgenden Taten eine dauerhafte, nicht unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen:
a)
Zwischen März 2006 und Januar 2007 lieferte der Angeschuldigte in Ausführung der mit I. und H. getroffenen Vereinbarung in sechs Fällen Graphit der beschriebenen Art aus Deutschland über die Türkei in den Iran. Zur Umgehung der Ausfuhrkontrollen wurde das Material in den Unterlagen als geringwertiges Graphit bezeichnet, das nicht unter die Dual-Use-Verordnung gefallen wäre und somit genehmigungsfrei hätte ausgeführt werden können. Bei mehreren Lieferungen wurde das hochwertige Graphit in den Transportbehältnissen mit minderwertigem Material bedeckt. Die Gesamtmenge des in den Iran gelieferten hochwertigen Graphits betrug 13.173 kg. Ein Kaufpreis für das angeblich geringwertige Material wurde auf Firmenkonten der C. GmbH gutgeschrieben; ein darüber hinausgehender Betrag wurde vereinbarungsgemäß auf Konten des Angeschuldigten auf den Seychellen transferiert.
b)
Im Februar/März 2007 vereinbarten der Angeschuldigte und I. , weitere insgesamt zehn Tonnen hochwertiges Graphit an die S. in den Iran zu liefern. Zur Umgehung der deutschen Exportkontrolle wandte sich der Angeschuldigte an den Geschäftsführer der in England ansässigen T. Ltd. (im Folgenden: T. Ltd.), den Zeugen D. . Diesem spiegelte er vor, es handele sich um eine Lieferung in die Türkei; er verheimlichte ihm, dass in Wahrheit Endabnehmer des Graphits die S. im Iran sein sollte. In Absprache mit dem Angeschuldigten bestellte I. bei der T. Ltd. 120 Graphitblöcke zu einem Gesamtpreis von 124.800 EUR. Der Angeschuldigte verpflichtete sich, bei Nichtbezahlung des Materials durch den türkischen Abnehmer dieses selbst zu übernehmen. In der Folgezeit wurde die Lieferung von Teilmengen vereinbart.
Im April/Mai 2007 wurde der erste Teil der Bestellung in die Türkei versandt. Aufgrund der unzutreffenden Angaben des Angeschuldigten beantragte die T. Ltd. keine Genehmigung für eine Ausfuhr in den Iran. H. verpflichtete sich, neben dem offiziellen Kaufpreis in Höhe von 36.680 EUR außerhalb der Buchführung weitere 60.000 EUR an den Angeschuldigten zu zahlen. Das Graphit verließ das EU-Gebiet im Mai 2007; es wurde durch den türkischen Zoll in Istanbul aufgehalten und im September 2007 zurückgesandt.
Danach entschieden der Angeschuldigte und I. , das für den Iran bestimmte Graphit erneut von der T. Ltd. in die Türkei versenden zu lassen. Der Angeschuldigte gab der T. Ltd. einen angeblichen neuen Empfänger in der Türkei vor und veranlasste, dass aus den Lieferpapieren die Angaben entfernt wurden, die einen Rückschluss auf "gelistetes" Material zuließen. Das Graphit verließ das EU-Gebiet kurz nach dem ; es wurde jedoch vom türkischen Zoll erneut angehalten und im Februar 2008 wieder nach England zurückgeschickt.
c)
In der Folgezeit erwarb der Angeschuldigte für die C. GmbH das Graphit von der T. Ltd. Er erörterte mit I. verschiedene Möglichkeiten der Lieferung an die S. . Sie entschieden, das Graphit über andere Drittstaaten in den Iran transportieren zu lassen; dabei wurde konkret eine Lieferung über Rumänien und Aserbeidschan angestrebt. Zu diesem Zweck nahm I. Kontakt zu einem dem Angeschuldigten bekannten "A. " in Rumänien auf. Sodann erörterten der Angeschuldigte und I. die Zahlung einer Provision an "A. ". Die Aufbewahrung des erworbenen Graphits erfolgte außerhalb des eigentlichen Lagers der C. GmbH in einem Zelt. Das Material wurde weder verarbeitet noch an andere Kunden verkauft und der Anweisung des Angeschuldigten entsprechend nicht in die übliche Lagerbuchhaltung aufgenommen. Es wurde anlässlich einer Durchsuchung am 19./ sichergestellt.
2.
Der dringende Tatverdacht ergibt sich vor allem aus den mitgeteilten Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes, den Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung, den Ergebnissen der Auswertung der sichergestellten EDV-Datenträger, den Aussagen mehrerer Zeugen und dem Inhalt zahlreicher schriftlicher Unterlagen sowie abgehörter Telefongespräche. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 20. Juni und , dessen Haftfortdauerentscheidung vom sowie die in der Anklageschrift vom aufgeführten Beweismittel verwiesen. Der Senat hat zudem in seinem Beschluss vom den dringenden Verdacht bezüglich der beabsichtigten Lieferung weiterer zehn Tonnen Graphit in den Iran ausführlich begründet. Die dortigen Ausführungen gelten fort; der Senat nimmt auf sie Bezug.
3.
Danach hat sich der Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wie folgt strafbar gemacht:
a)
In sechs Fällen (s. o. II. 1. a) führte er jeweils gewerbsmäßig entgegen Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 (Dual-Use-Verordnung) ohne die erforderliche Genehmigung Güter mit doppeltem Verwendungszweck aus, die im Anhang I dieser Verordnung aufgeführt sind; dadurch handelte er einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften über die Beschränkung des Außenwirtschaftsverkehrs zuwider. Da die erste Lieferung am und damit vor der Neufassung des Außenwirtschaftsgesetzes am durchgeführt wurde, richtet sich die Strafbarkeit insoweit nach § 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 2, § 33 Abs. 4 AWG aF; § 70 Abs. 5 a Nr. 1 AWV aF; § 25 Abs. 2 StGB. Für die weiteren fünf Taten gelten § 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 2, § 33 Abs. 4 AWG nF; § 70 Abs. 5 a Nr. 1 AWV; § 25 Abs. 2, § 53 StGB. Die Handlungen des Angeschuldigten waren geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden. Hierzu gilt Folgendes:
aa)
Das Merkmal der Eignung, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden, ist sprachlich sehr weit gefasst. Die auswärtigen Beziehungen umfassen diejenigen Sachverhalte, die für das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten oder zwischenstaatlichen Einrichtungen, insbesondere für die Gestaltung der Außenpolitik Bedeutung haben. Nach allgemeinem Verständnis können hierzu im konkreten Regelungszusammenhang auch Kontakte politischer, wirtschaftlicher und kultureller Art gehören. Trotz der damit gegebenen Konzentration auf die staatliche Ebene erstreckt sich das Merkmal auf eine praktisch nicht überschaubare Vielfalt von Beziehungen. Seine Verwendung ist deshalb verfassungsrechtlich mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG in hohem Maße problematisch (vgl. BVerfG NJW 2004, 2213, 2219) .
Allerdings zwingt das Bestimmtheitsgebot den Gesetzgeber nicht dazu, auf auslegungsfähige Begriffe vollständig zu verzichten. Welchen Grad an gesetzlicher Bestimmtheit der einzelne Straftatbestand haben muss, hängt von dessen Besonderheiten und den Umständen ab, die zu einer gesetzlichen Regelung führen (vgl. etwa BVerfGE 28, 175, 183 ; 75, 329, 341) . Vorliegend wird zum einen eine konkretere Fassung der Norm durch die Komplexität der internationalen Beziehungen und die Vielfalt der Konfliktmöglichkeiten erschwert. Zum anderen besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, die gemeinsamen Interessen, welche die Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten verbinden, gerade auch auf dem Gebiet der Außenwirtschaft - nötigenfalls durch Strafbestimmungen - zu wahren. Vor diesem Hintergrund begegnet der Straftatbestand letztlich zwar noch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken; indes begibt sich der Gesetzgeber mit der Verwendung eines derartigen Tatbestandselements in den Grenzbereich des verfassungsrechtlich Zulässigen. Den Anforderungen an eine ausreichende Bestimmtheit genügt somit nur eine enge, konkretisierende Auslegung des Tatbestandsmerkmals durch die Strafgerichte. Bereits von Verfassungs wegen ist somit eine restriktive Interpretation dahin erforderlich, dass nicht jede denkbare negative Reaktion irgendeines fremden Staates, sondern nur eine mögliche schwerwiegende Beeinträchtigung der eigenen Interessen der Bundesrepublik Deutschland eine erhebliche Gefährdung der auswärtigen Beziehungen darstellen kann (vgl. BVerfG NJW 1993, 1909, 1910 ; Diemer in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze 166. ErgLfG. AWG § 34 Rdn. 18).
Führt demnach schon der verfassungsrechtliche Kontext der Norm zur Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung, so wird dieses Ergebnis durch Überlegungen auf der Ebene des einfachen Gesetzes bestätigt (vgl. Wolffgang/Simonsen, Kommentar zum Außenwirtschaftsrecht Stand Februar 2008, AWG § 34 Rdn. 48, 58 ff.):
§ 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG setzt nicht voraus, dass die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland konkret gefährdet oder gar gestört werden; bei der Norm handelt es sich vielmehr um ein abstraktkonkretes Gefährdungsdelikt (vgl. BGH NJW 1999, 2129 ; Bieneck, Handbuch des Außenwirtschaftsrechts 2. Aufl. § 29 Rdn. 2; Hocke/Berwald/ Maurer/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht Stand Juni 2008 AWG § 34 Rdn. 26), so dass es genügt, wenn die Handlungen des Täters bei genereller Betrachtung ihrer Art nach typischerweise geeignet sind, eine solche Gefährdung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit herbeizuführen (vgl. Bieneck aaO § 29 Rdn. 17; Diemer aaO § 34 Rdn. 14). Jedoch kann die abstrakte Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik, anders als diejenige eines Individualrechtsgutes, nur mit Mühe an tatsächliche Sachverhalte angeknüpft werden. Durch das weitere Erfordernis, dass die Tat geeignet sein muss, die auswärtigen Beziehungen erheblich zu gefährden, kommt ein wertendes Element hinzu, das eine Abgrenzung zu Delikten mit minderer Gefährdungseignung erforderlich macht, für die - jedenfalls im Grenzbereich - kaum geeignete Beurteilungskriterien zur Verfügung stehen. Dies macht die Auslegung und Anwendung dieses Tatbestands- bzw. Qualifizierungsmerkmals, auf das sich auf der subjektiven Deliktsseite der Vorsatz oder zumindest die Erkennbarkeit der Gefährdungseignung (§ 34 Abs. 7 AWG) erstrecken muss, schon für sich einfachrechtlich außerordentlich schwierig.
Hinzu kommt, dass sich auch auf dieser Ebene die Notwendigkeit einer restriktiven Interpretation des Merkmals ergibt. Dies folgt zum einen schon aus dem eindeutigen Wortlaut der Norm, wonach die Handlung des Täters geeignet sein muss, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland nicht in irgendeiner Weise, sondern erheblich zu gefährden (vgl. Bieneck aaO § 29 Rdn. 25; Wolffgang/Simonsen aaO § 34 Rdn. 60). Zum anderen ist dieses Normverständnis aus der Gesetzessystematik herzuleiten: Im Fall des § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG führt die Erfüllung der Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals dazu, dass die Handlung des Täters nicht lediglich als Ordnungswidrigkeit nach § 33 Abs. 1, 4 oder 5 AWG zu bewerten, sondern als Straftat mit einem Strafrahmen, der von Geldstrafe bis Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren reicht, zu verfolgen ist. Diese erhebliche Verschärfung der angedrohten Sanktion ist nur bei einer adäquaten Erhöhung des tatbestandlichen Unrechts zu rechtfertigen; sie erfordert somit eine Auslegung, bei der dem Tatbestandsmerkmal ein erhebliches, das Tatunrecht wesentlich steigerndes Gewicht zukommt. Daneben ist lediglich auf diese Weise zu gewährleisten, dass der Straftatbestand des § 34 Abs. 2 AWG in sich stimmig ausgelegt und angewendet werden kann; denn in den übrigen Alternativen der Norm sind mit der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 AWG) und dem friedlichen Zusammenleben der Völker (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 AWG) Rechtsgüter von erheblichem Belang aufgeführt. Dem Merkmal der erheblichen Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland (§ 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG) muss deshalb eine vergleichbar hohe Bedeutung zukommen.
Diese Überlegungen gelten für den Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG entsprechend. Hier führt die Bejahung des Tatbestandsmerkmals zu einer erheblichen Verschärfung des Strafrahmens; dieser beträgt im Fall des § 34 Abs. 4 AWG sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe, während demgegenüber § 34 Abs. 6 AWG Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vorsieht. In den weiteren Alternativen des § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. a und b AWG sind im Übrigen ebenfalls die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und das friedliche Zusammenleben der Völker als Schutzgüter genannt.
Aus alldem folgt, dass eine erhebliche Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland nur dann anzunehmen ist, wenn anhand konkreter tatsächlicher Umstände (vgl. Hocke/Berwald/Maurer/Friedrich aaO § 34 Rdn. 29) festzustellen ist, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Tat in eine Lage gebracht werden kann, die es ihr unmöglich macht oder ernsthaft erschwert, ihre Interessen an gedeihlichen Beziehungen zu anderen Staaten zu wahren. Danach kann das Tatbestandsmerkmal der Eignung zur erheblichen Gefährdung beispielsweise erfüllt sein, wenn aufgrund der Tat ein Akt starker diplomatischer Missbilligung, eine feindselige Kampagne der führenden Medien eines wichtigen Landes der Völkergemeinschaft oder eine Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland in inter- bzw. supranationalen Gremien ausgelöst werden kann (vgl. OLG Hamm ZfZ 1992, 291, 292; Holthausen/Hucko NStZ-RR 1998, 225, 231; Wolffgang/Simonsen aaO § 34 Rdn. 58; Diemer aaO § 34 Rdn. 18, 20; vgl. auch die weiteren Beispiele bei Bieneck aaO § 29 Rdn. 25). Demgegenüber reicht nicht jede mögliche negative Reaktion eines fremden Staates, wie z. B. eine bloße Demarche, für sich allein bereits aus (für eine zurückhaltende Anwendung ebenso Hocke/Berwald/Maurer/ Friedrich aaO § 34 Rdn. 57).
bb)
Ob die Handlung des Täters nach diesen Maßstäben geeignet ist, eine erhebliche Gefährdung der auswärtigen Beziehungen herbeizuführen, ist aufgrund einer Gesamtschau der konkreten Einzelfallumstände zu entscheiden. Ein wichtiges Indiz hierbei ist, ob staatlichen deutschen Stellen ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass es zu dem Verstoß gegen die außenwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen kommen konnte (zweifelnd Bieneck aaO § 29 Rdn. 26); denn in diesen Fällen liegt es deutlich näher, dass die Bundesrepublik Deutschland negativen Reaktionen anderer Staaten oder internationaler Organisationen ausgesetzt ist, als bei Fallgestaltungen, in denen den staatlichen Organen kein Fehlverhalten anzulasten ist. Erst recht gilt dies, wenn diese durch ihr Eingreifen eine verbotene oder ohne die erforderliche Genehmigung geplante Lieferung eines Wirtschaftsgutes sogar verhindert haben. Daneben werden regelmäßig die sonstigen Umstände wie etwa Art und Menge der Ware, deren Verwendungsmöglichkeit und -zweck, das konkrete Empfängerland ebenso in die Gesamtbetrachtung einzustellen sein wie Umfang und Gewicht der konkreten außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland, die durch die Tat gefährdet werden können.
cc)
Der Generalbundesanwalt hat zur Klärung der insoweit aufgeworfenen tatsächlichen Fragen eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes eingeholt. Diese gibt zunächst Anlass zu folgendem klarstellenden Bemerken: Das Auswärtige Amt legt - möglicherweise veranlasst durch die entsprechende Fragestellung in dem Anschreiben des Generalbundesanwalts vom - zu Beginn seiner Ausführungen und an weiteren Stellen dar, nach seiner Meinung seien auf der Grundlage der ihm mitgeteilten Tatsachen sämtliche Handlungen des Angeschuldigten geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden. Auf diese Rechtsauffassung kommt es indessen nicht an (vgl. Bieneck aaO § 29 Rdn. 17). Holen die Strafverfolgungsorgane, was regelmäßig und vor allem in Zweifelsfällen in besonderem Maße angezeigt erscheint, eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes zu der in Rede stehenden Frage ein, so ist dieses gehalten, die aufgrund seiner besonderen Sachkunde dort bekannten Tatsachen mitzuteilen, soweit sie für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG im konkreten Fall relevant sind; die Erstattung eines Rechtsgutachtens ist nicht veranlasst. Die Funktion des Auswärtigen Amtes in dem Straf- bzw. Ermittlungsverfahren unterscheidet sich insoweit nicht von derjenigen sonstiger Sachverständiger oder Zeugen. Vielmehr obliegt es allein den Strafverfolgungsorganen, auf der durch das Auswärtige Amt vermittelten tatsächlichen Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die Handlungen des Täters geeignet waren, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden.
dd)
Soweit das Auswärtige Amt ausführt, wenngleich es nicht zu offiziellen Demarchen gekommen sei, sei die gegebene Konstellation typischerweise geeignet, Kritik von staatlicher israelischer Seite auszulösen und trage außerdem zur Verringerung der Akzeptanz der legalen Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Iran bei, würde dies sowie der Umstand, dass sich das zuständige US-amerikanische Generalkonsulat zur Klärung weiterer Einzelheiten an den Generalbundesanwalt gewandt hat, allein nicht ausreichen, um nach den dargelegten Maßstäben die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG zu erfüllen. Den vom Auswärtigen Amt mitgeteilten tatsächlichen Umständen ist bei einer Gesamtschau indes noch ausreichend zu entnehmen, dass in den Fällen, in denen das Graphit über die Türkei in den Iran geliefert wurde, die Handlungen des Angeschuldigten zur erheblichen Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland geeignet waren. In diesen Fällen haben sich die deutschen Exportkontrollbehörden über wesentliche Umstände täuschen lassen. Der Angeschuldigte lieferte jeweils eine erhebliche Menge Graphit, das beim Bau von Mittel- und Langstreckenraketen Verwendung finden kann. Jeder Einzelfall war Teil einer sich über längere Zeit hinziehenden Tatserie. Unter diesen Umständen waren die nicht verhinderten Lieferungen solchen Materials an die S. , einem an dem iranischen Raketenprogramm maßgeblich Beteiligten, in besonderem Maße geeignet, Zweifel an der Effektivität der deutschen Exportkontrolle aufzuwerfen. Hinzu kommt, dass die Politik des Empfängerlandes Iran insbesondere gegenüber Israel von einer aggressiven Grundhaltung geprägt ist. Mit Blick auf die in der Stellungnahme dargelegten besonderen außenpolitischen Interessen und Aktivitäten der Bundesrepublik Deutschland zur Stabilisierung der Region des Nahen und Mittleren Ostens waren die Handlungen des Angeschuldigten somit bei genereller Betrachtung ihrer Art nach typischerweise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geeignet, Akte starker diplomatischer Missbilligung oder Medienkampagnen gegen die Bundesrepublik Deutschland in wichtigen Partnerländern herbeizuführen.
b)
Durch das Verbringen der Teillieferung des Graphits in die Türkei im Mai und erneut Ende 2007 (s. o. II. 1. b) ist der Angeschuldigte dringend verdächtig, in zwei Fällen versucht zu haben, gewerbsmäßig entgegen Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 im Anhang IV dieser Verordnung aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen oder zugute kommen zu lassen, mithin jeweils versucht zu haben, einem im Bundesanzeiger veröffentlichten unmittelbar geltenden Ausfuhr-, Verkaufs-, Liefer-, Bereitstellungs-, Weitergabe-, Dienstleistungs-, Investitions-, Unterstützungs- oder Umgehungsverbot eines Rechtsakts der Europäischen Gemeinschaften zuwider zu handeln, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient (§ 34 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 6 Nr. 2 AWG nF; §§ 22, 23, 25 Abs. 2, § 53 StGB). Demgegenüber kommen versuchte Verstöße gegen Art. 2 Buchst. a i. V. m. Anhang I der genannten Verordnung nicht in Betracht, weil die betreffende Güterliste erst am und damit nach Begehung der Taten im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist. Die Publikation des Anhangs IV erfolgte indes bereits am und demnach vor den Taten.
Bei diesen Delikten ist kein dringender Verdacht dahin anzunehmen, dass der Angeschuldigte versucht hat, den Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG zu verwirklichen, oder in strafbarer Weise gegen die Dual-Use-Verordnung verstoßen hat (§ 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG); denn sie waren nach den oben dargelegten Maßstäben nicht geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden. Der Angeschuldigte veranlasste jeweils von Deutschland aus lediglich eine Lieferung des Graphits aus England, die nur bis in die Türkei gelangte. An dem Ausfuhrvorgang waren deutsche Behörden nicht beteiligt. Nach dem erhobenen Tatvorwurf wandte sich der Angeklagte vielmehr gerade deshalb an den Geschäftsführer der T. Ltd., um die strengen deutschen Exportkontrollbestimmungen zu umgehen. Seine Handlungen konnten deshalb allenfalls geeignet sein, Zweifel an der Effektivität der englischen Exportkontrolle hervorzurufen.
c)
Die Vereinbarung mit I. , das Graphit über Umwege doch noch in den Iran zu liefern (s. o. II. 1. c), begründet den dringenden Verdacht, dass der Angeschuldigte mit einem Anderen verabredet hat, gewerbsmäßig entgegen Art. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 im Anhang I dieser Verordnung aufgeführte Güter mit oder ohne Ursprung in der Gemeinschaft unmittelbar oder mittelbar an juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Iran zu verkaufen, zu liefern, weiterzugeben oder auszuführen und durch dieselbe Handlung mit einem Anderen verabredet zu haben, gewerbsmäßig entgegen Art. 7 Abs. 3 der genannten Verordnung den im Anhang IV dieser Verordnung aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen oder zugute kommen zu lassen, mithin verabredet zu haben, einem im Bundesanzeiger veröffentlichten unmittelbar geltenden Ausfuhr-, Verkaufs-, Liefer-, Bereitstellungs-, Weitergabe-, Dienstleistungs-, Investitions-, Unterstützungs- oder Umgehungsverbot eines Rechtsakts der Europäischen Gemeinschaften zuwider zu handeln, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient (§ 30 Abs. 2 StGB; § 34 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 6 Nr. 2 AWG nF; § 25 Abs. 2, § 52 StGB).
Bei dem hochwertigen Graphit handelt es sich um wirtschaftliche Ressourcen i. S. d. Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 423/2007. Hierunter fallen nach der Definition des Art. 1 Buchst. i derselben Verordnung Vermögenswerte jeder Art, unabhängig davon, ob sie materiell oder immateriell, beweglich oder unbeweglich sind, bei denen es sich nicht um Gelder handelt, die aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können. Der Senat verweist zur Begründung im Übrigen auf seine Ausführungen in dem Beschluss vom (StB 19/08 S. 8 f.), die weiterhin gelten.
An seiner Annahme, gegen den Angeschuldigten bestehe der dringende Verdacht eines Verbrechens nach § 34 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 6 Nr. 2 AWG i. V. m. Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) 423/2007 durch Erbringung von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit den in Anhang I zur Iran-Embargo-Verordnung aufgeführten Gütern (vgl. Beschl. vom S. 9 f.), hält der Senat indes nicht fest.
Ein dringender Verdacht eines Verstoßes gegen § 34 Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG besteht auch bezüglich dieser Tat nicht. Dem Angeschuldigten wird lediglich zur Last gelegt, mit einem Anderen eine verbotene Lieferung verabredet zu haben. Das bei der C. GmbH gelagerte Material wurde von den deutschen Behörden sichergestellt und damit durch diese eine Lieferung in den Iran gerade verhindert. Es ist - auch unter Berücksichtigung aller sonstigen maßgebenden Umstände des vorliegenden Falles - nicht zu erkennen, inwiefern diese Fallgestaltung geeignet gewesen sein soll, erhebliche, den auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zum Nachteil gereichende Reaktionen hervorzurufen.
4.
Da der Haftbefehl des Ermittlungsrichters vom ausdrücklich nur auf die dargestellten Taten gestützt ist, hat sich der Senat nicht damit zu befassen, ob der Beschuldigte dreier weiterer vollendeter Lieferungen hochwertigen Graphits in den Iran im Jahre 2005 (vgl. Taten 1. bis 3. der Anklageschrift vom ) dringend verdächtig ist.
5.
Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und damit auch diejenige des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs sowie des Oberlandesgerichts Koblenz ist gegeben (§ 120 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a, § 142 a Abs. 1 Satz 1 GVG; § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO).
a)
Wie dargelegt, waren in den sechs Fällen der vollendeten Lieferung des Graphits in den Iran (s. o. II. 1. a) die Taten nach den Umständen geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden. Damit ist für diese Taten auch das der materiellrechtlichen Regelung in § 34 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 6 Nr. 4 Buchst. c AWG entsprechende Kriterium des § 120 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a GVG erfüllt.
Dieser Umstand allein reicht nach der gesetzlichen Regelung allerdings nicht aus, um die Zuständigkeit der genannten Strafverfolgungsorgane des Bundes zu begründen. § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG setzt zusätzlich voraus, dass dem Fall eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. Hannich in KK 6. Aufl. § 120 GVG Rdn. 4 d). Diese hat der Generalbundesanwalt in den genannten sechs Fällen im Ergebnis mit Recht bejaht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats fällt die Strafverfolgung der in § 120 Abs. 2 GVG aufgeführten Delikte entsprechend dem in der Norm deutlich zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers sowie mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Maßstab des Art. 96 Abs. 5 GG (vgl. BGHR GVG § 120 Abs. 2 besondere Bedeutung 1) grundsätzlich in die Kompetenz der Bundesländer; dies gilt sogar dann, wenn sich die Tat gegen die Bundesrepublik als Gesamtstaat richtet. Die Zuständigkeit des Bundes und damit die Evokationsbefugnis des Generalbundesanwalts werden nur begründet, wenn dem Fall darüber hinaus eine besondere Bedeutung zukommt. Dies ist erst dann der Fall, wenn es sich unter Beachtung des Ausmaßes der Rechtsgutsverletzung um ein staatsgefährdendes Delikt von erheblichem Gewicht handelt, das seine besondere Bedeutung dadurch gewinnt, dass es die Schutzgüter des Gesamtstaates in einer derart spezifischen Weise angreift, dass ein Einschreiten des Generalbundesanwalts und eine Aburteilung durch ein Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Gericht geboten ist. An die Bejahung der besonderen Bedeutung sind strenge Anforderungen zu stellen, weil durch die Übernahmeerklärung nicht nur der gesetzliche Richter (Art. 101 GG) bestimmt, sondern auch in die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eingegriffen wird (vgl. etwa BGHSt 46, 238, 253 f. ; BGHR GVG § 120 Abs. 2 Besondere Bedeutung 1, 4; BGH NStZ 2008, 146, 147).
In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung wird in der Literatur (vgl. Kissel/Mayer, GVG 5. Aufl. § 120 Rdn. 6; Hannich in KK 6. Aufl. § 120 GVG Rdn. 3; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 120 GVG Rdn. 6; Frister in SK-StPO 50. Lfg. § 120 GVG Rdn. 10; Welp NStZ 2002, 1, 7 sowie 609, 610) zu Recht darauf hingewiesen, das Tatbestandsmerkmal der besonderen Bedeutung solle vermeiden, dass die in der Verfassung angeordnete Regelzuständigkeit der Landesjustiz durch einen ausufernden Gebrauch des Evokationsrechts in eine solche des Bundes umgekehrt wird (vgl. Frister in SK-StPO aaO). Es habe die Funktion eines Korrektivs, mit dem verhindert werden solle, dass sich die Regelzuständigkeit der Landesjustiz in eine Regelzuständigkeit des Bundes umkehre (vgl. Franke in Löwe/Rosenberg aaO). In § 120 Abs. 2 GVG normiere das Gesetz die besondere Bedeutung des Falles als zusätzliche Qualität der Katalogtaten. Die Bundeskompetenz beziehe sich nicht lediglich auf besonders schwerwiegende Delikte, sondern auf solche Taten, die die Bundesinteressen besonders nachhaltig berühren. Auch die Quantifizierung, die mit der besonderen Bedeutung des Falles verlangt sei, könne sich daher nur auf diesen Schutzzweck beziehen. Das Ausmaß der individuellen Rechtsverletzung und der Grad der Schuld seien daher für diese Frage nur insofern von Bedeutung, als sie das Gewicht des Angriffs auf das jeweils betroffene Rechtsgut des Gesamtstaates mitbestimmten (vgl. Welp NStZ 2002, jeweils aaO).
Hieraus folgt, dass eine Katalogtat des § 120 Abs. 2 GVG selbst dann, wenn sie nach Schwere oder Umfang erhebliches Unrecht verwirklicht und daher staatliche Sicherheitsinteressen in besonderer Weise beeinträchtigt hat, nicht allein aus diesem Grund das Evokationsrecht des Generalbundesanwalts zu begründen vermag (vgl. BGHR GVG § 120 Abs. 2 besondere Bedeutung 1; Rebmann NStZ 1986, 289, 293). Es besteht kein Anlass, von diesen für alle Alternativen des § 120 Abs. 2 GVG geltenden Grundsätzen gerade in den Fällen des § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG abzuweichen. Auch die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ist in erster Linie Aufgabe der Länder; die Zuständigkeit der Bundesgerichtsbarkeit ausübenden Organe ist daher nur bei einem spezifischen, ausreichend gewichtigen Angriff auf gesamtstaatliche Interessen gegeben.
Aus diesen Gründen kann der vereinzelt in der Literatur vertretenen Ansicht nicht gefolgt werden, es sei davon auszugehen, dass der Generalbundesanwalt die Strafverfolgung jedenfalls in den Fällen des § 34 Abs. 6 AWG grundsätzlich zu übernehmen habe, weil diese sowohl die Erheblichkeit als auch die besondere Bedeutung nach der gesetzlichen Bewertung gleichsam in sich trügen, ohne dass es eines weiteren Begründungsaufwandes bedürfe (vgl. Diemer aaO § 34 Rdn. 46). Gegen diese Auffassung spricht auch, dass etwa bei - in der Praxis häufig vorkommender - gewerbsmäßiger Begehung einer ansonsten nach § 34 Abs. 1, 2 oder 4 AWG strafbaren Tat (§ 34 Abs. 6 Nr. 2 AWG) die Zuständigkeit der Bundesjustiz begründet wäre, ohne dass es auf die sonstigen Umstände des Falles noch maßgebend ankäme. Dies würde dem dargelegten Regel-/Ausnahmeverhältnis in eklatanter Weise widersprechen. Es ist kein Anzeichen dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der durch das 2. Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom (BGBl I 3416) neu geschaffenen Regelung des § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG eine derart weitgehende Umverteilung der Zuständigkeit von den Ländern auf den Bund beabsichtigte. Nach den Gesetzesmaterialien soll dem Generalbundesanwalt vielmehr die Möglichkeit eröffnet werden, auch für Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz seine Ermittlungszuständigkeit zu begründen, um zu gewährleisten, dass die sicherheitspolitische Dimension dieser Straftaten erhellt wird; hierdurch könne ein wesentlicher Beitrag zur effektiven Gestaltung der Ermittlungen und damit zur Bekämpfung einer für die äußere Sicherheit und das Ansehen Deutschlands in der Staatengemeinschaft besonders nachteiligen Kriminalität geleistet werden. Der Gesetzgeber hat jedoch ausdrücklich auf die notwendige Staatsschutzqualität der betreffenden Straftaten - unabhängig von einem geheimdienstlichen Hintergrund - hingewiesen. Im Übrigen soll es bei der originären Zuständigkeit der Landesjustiz für Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz bleiben (vgl. BTDrucks. 16/3038 S. 27).
Demnach erfordert die Beurteilung der besonderen Bedeutung des Falles auch im Rahmen des § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG eine Gesamtwürdigung der Umstände und Auswirkungen der Tat unter besonderer Berücksichtigung des Gewichts ihres Angriffs auf den Gesamtstaat. Allein die Schwere der Tat und das Ausmaß der von ihr hervorgerufenen Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter vermag für sich die besondere Bedeutung nicht zu begründen; allerdings können die konkrete Tat- und Schuldschwere den Grad der Gefährdung bundesstaatlicher Belange durchaus mitbestimmen (vgl. Kissel/Mayer, GVG 5. Aufl. § 120 Rdn. 6). Von Bedeutung kann auch sein, ob aufgrund der Erheblichkeit des Delikts eine Verfolgung mit besonderer Sachkunde geboten und angesichts des Auslandsbezuges ein spezieller Ermittlungsaufwand erforderlich erscheint. Bei der Beurteilung der besonderen Bedeutung ist zudem zu erwägen, inwieweit die konkrete Tat den Gesamtstaat etwa durch eine Schädigung des Ansehens Deutschlands in der Staatengemeinschaft zu beeinträchtigen vermag (vgl. BTDrucks. 16/3038 S. 31).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Bejahung der besonderen Bedeutung des Falles durch den Generalbundesanwalt im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Angeschuldigte hat in insgesamt sechs Taten über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder hochwertiges Graphit in den Iran geliefert. Aufgrund der Verbindungen nach England und in die Türkei bestand ein vielschichtiger Auslandsbezug, der einen speziellen Ermittlungsaufwand erforderlich machte. Nach den konkreten Umständen - Lieferung in den Iran, potentielle Bedrohung von Israel - kann eine von den Taten ausgehende Schädigung des Ansehens Deutschlands in der Staatengemeinschaft nicht ausgeschlossen werden. Die Umstände und Auswirkungen der Taten stellen somit - jedenfalls bei einer Gesamtschau - einen derart gewichtigen Angriff auf die Interessen des Gesamtstaates dar, dass die Begründung der Bundesgerichtsbarkeit noch als vertretbar anzusehen ist.
b)
Die Zuständigkeit der Strafverfolgungsorgane des Bundes erfasst auch diejenigen drei Taten (s. o. II. 1. b und c), bei denen die Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG nicht vorliegen, weil sie nicht geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu beeinträchtigen. Eine derartige Erstreckung erfordert vor dem Hintergrund der grundgesetzlichen Zuständigkeitsregelung zwar grundsätzlich, dass die betreffenden Straftaten mit zumindest einem die Bundeszuständigkeit begründenden Staatsschutzdelikt materiell- oder verfahrensrechtlich eine Tat bilden (vgl. BGHR GVG § 120 Zuständigkeit 1). Darüber hinaus besteht das Evokationsrecht des Generalbundesanwalts jedoch ausnahmsweise auch dann, wenn ein derart enger persönlicher und deliktsspezifischsachlicher Zusammenhang besteht, dass eine getrennte Verfolgung und Aburteilung auch unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern als in hohem Maße sachwidrig erscheint.
Ein solcher Ausnahmefall ist hier gegeben. Die drei genannten Taten waren Teil einer insgesamt einheitlichen Serie dem Angeschuldigten zur Last gelegter, gleichgerichteter, gewerbsmäßig begangener Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Als solche waren sie dem Grunde nach geeignet, unter den Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG die Bundeszuständigkeit zu begründen. Sie unterscheiden sich, soweit in diesem Zusammenhang von Relevanz, in tatsächlicher Hinsicht von den in Rede stehenden Staatsschutzdelikten im Wesentlichen nur dadurch, dass das Graphit nicht in den Iran gelangte. Die sie betreffenden Beweismittel sind - jedenfalls teilweise - mit denjenigen der Taten identisch, bei denen eine Gefährdungseignung i. S. v. § 120 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a GVG noch bejaht werden kann. Unter diesen Umständen widerspräche eine getrennte Verfolgung und Aburteilung in ganz besonderem Maße dem Gebot einer effizienten Strafverfolgung.
6.
Bei dem Angeschuldigten besteht aus den in den Haftbefehlen vom 20. Juni sowie und dem Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichthofs vom zutreffend aufgeführten Gründen der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Senat verweist insoweit auch auf seine Ausführungen in dem Beschluss vom . Die zu erwartende Strafe begründet einen erheblichen Fluchtanreiz. Der Angeschuldigte besitzt die Staatsangehörigkeit der Seychellen und verfügt dort über ein beträchtliches Grund- und sonstiges Vermögen. Dies und die weiteren, in den genannten Entscheidungen aufgeführten Umstände machen es wahrscheinlich, dass der Angeschuldigte sich, in Freiheit belassen, dem Verfahren entziehen wird. Weniger einschneidende Maßnahmen i. S. d. § 116 StPO kommen nicht in Betracht.
7.
Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Fortdauer der Untersuchungshaft. Nach der Festnahme des Angeschuldigten waren zahlreiche, zum Teil aufwändige und zeitintensive Ermittlungsmaßnahmen wie etwa die Auswertung eines großen Teils der Datenverarbeitung der C. GmbH und Maßnahmen der internationalen Rechtshilfe durchzuführen. Entgegen der Auffassung der Verteidigung gebot der Beschleunigungsgrundsatz es nicht, vorab eine Teilanklage bezüglich der Taten II. 1. b und c zu erheben. Die von der Verteidigung insoweit angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und verschiedener Oberlandesgerichte betreffen durchweg andere, mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbare Sachverhalte. Die weiteren Ermittlungsmaßnahmen betrafen hier insbesondere nicht nur Randbereiche; sie waren auch nicht lediglich geeignet, die bisherigen Ermittlungsergebnisse abzurunden. Sie bezogen sich vielmehr auf die gewerbsmäßig durchgeführten Lieferungen von Graphit in den Iran und damit auf Straftaten von erheblichem Gewicht, die für das Verfahren zentrale Bedeutung haben. Mit der zwischenzeitlichen Erhebung der Anklage bezüglich aller ermittelten Straftaten des Angeschuldigten ist das Verfahren insgesamt mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
8.
Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht zu den gegen den Angeschuldigten erhobenen Tatvorwürfen, die teilweise mit einer Strafdrohung von Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bedroht sind, nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 1681 Nr. 23
wistra 2009 S. 191 Nr. 5
KAAAD-13468
1Nachschlagewerk: ja