Zum Vorsteuerabzug bei Gegenständen und Dienstleistungen, die sowohl für besteuerte als auch für steuerfreie Umsätze verwendet wurden
Leitsatz
[1] Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, die Rundungsregel des Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage anzuwenden, wenn der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach einer der besonderen Methoden des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a, b, c oder d dieser Richtlinie berechnet wird.
Gesetze: Sechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3; Sechste Richtlinie 77/388/EWG Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2
Instanzenzug: EuGH C-488/07 (Verfahrensverlauf)
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 und 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Royal Bank of Scotland Group plc (im Folgenden: Royal Bank of Scotland) und den Commissioners for Her Majesty's Revenue and Customs (im Folgenden: Commissioners), der im Vereinigten Königreich für die Erhebung der Mehrwertsteuer zuständigen Behörde, über den Umfang des Rechts dieser Gesellschaft auf Vorsteuerabzug.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Nach dem zwölften Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie "[müssen] die Pro-rata-Sätze des Steuerabzugs ... in allen Mitgliedstaaten auf gleiche Weise berechnet werden".
4 Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie lautet:
"Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.
Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.
Jedoch können die Mitgliedstaaten
a) dem Steuerpflichtigen gestatten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden, wenn für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen geführt werden;
b) den Steuerpflichtigen verpflichten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden und für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen zu führen;
c) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen;
d) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Vorsteuerabzug nach der in Unterabsatz 1 vorgesehenen Regel bei allen Gegenständen und Dienstleistungen vorzunehmen, die für die dort genannten Umsätze verwendet wurden;
e) vorsehen, dass der Betrag der Mehrwertsteuer, der vom Steuerpflichtigen nicht abgezogen werden kann, nicht berücksichtigt wird, wenn er geringfügig ist."
5 Art. 19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
"Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1 ergibt sich aus einem Bruch; dieser enthält:
- im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absätze 2 und 3 berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer;
- im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer. ...
Der Pro-rata-Satz wird auf Jahresbasis in Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz aufgerundet."
Nationales Recht
6 Regulation 101 der Value Added Tax Regulations 1995 (Mehrwertsteuerverordnung von 1995) bestimmt:
"1. Vorbehaltlich Regulation 102 ist ... der Vorsteuerbetrag, zu dessen Abzug ein Steuerpflichtiger berechtigt ist ..., der Betrag, der nach Maßgabe dieser Regulation besteuerten Umsätzen zuzuordnen ist.
2. Für jeden vorgeschriebenen Abrechnungszeitraum
...
d) wird den besteuerten Umsätzen derjenige Teil der Vorsteuer für die Gegenstände und Dienstleistungen, die der Steuerpflichtige bei der Bewirkung sowohl besteuerter als auch befreiter Umsätze verwendet oder verwenden wird, zugeordnet, der zum Gesamtbetrag der Vorsteuer im gleichen Verhältnis steht wie der Wert der von ihm bewirkten steuerbaren Umsätze zum Wert aller von ihm in diesem Zeitraum bewirkten Umsätze.
...
4. Der für den vorstehenden Absatz 2(d) berechnete Pro-rata-Satz wird als Prozentsatz ausgedrückt; ergibt dieser Prozentsatz keine ganze Zahl, wird er auf die nächsthöhere ganze Zahl aufgerundet.
..."
7 Regulation 102(1) der Value Added Tax Regulations 1995 bestimmt:
"Vorbehaltlich des nachstehenden Absatzes 2 sowie der Regulations 103, 103A und 103B können die Commissioners zulassen oder anordnen, dass der Steuerpflichtige eine andere als die in Regulation 101 bezeichnete Methode anwendet ..."
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
8 Die Royal Bank of Scotland ist das repräsentative Mitglied einer Unternehmensgruppe, deren wesentliche Tätigkeit das Bankgeschäft und die Erbringung sonstiger Finanzdienstleistungen ist. Diese Gesellschaft bewirkt im Rahmen ihrer Tätigkeit sowohl besteuerte als auch befreite Umsätze. Die Gegenstände und Dienstleistungen, deren Erwerb die Zahlung von Mehrwertsteuer durch die Royal Bank of Scotland ausgelöst hat, werden sowohl für steuerbare als auch für befreite Umsätze verwendet.
9 Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Teil der von der Royal Bank of Scotland getragenen Vorsteuer, der sich nicht ausschließlich entweder besteuerten oder befreiten Umsätzen zuordnen lässt, von den Parteien des Ausgangsverfahrens als "Restvorsteuer" bezeichnet wird.
10 Am schlossen die Parteien des Ausgangsverfahrens eine Vereinbarung über die Bewilligung eines besonderen Verfahrens für die teilweise Befreiung hinsichtlich der Restvorsteuer der Mehrwertsteuergruppe der Royal Bank of Scotland (Framework Partial Exemption Special Method and Approval Agreement). In dieser Vereinbarung werden bestimmte Parameter festgelegt, anhand deren für jeden Tätigkeitsbereich dieser Gesellschaft ein besonderes Verfahren vereinbart werden kann. Die Vereinbarung sieht insbesondere vor, dass dann, wenn in dem Verfahren, das auf einen zur Geschäftstätigkeit der Royal Bank of Scotland gehörenden Tätigkeitsbereich oder einen Teil desselben anwendbar ist, der Vorsteuerabzug auf der Grundlage eines zu berechnenden Prozentsatzes vorzunehmen ist, dieser Prozentsatz auf zwei Dezimalstellen aufzurunden und Regulation 101(4) der Value Added Tax Regulations 1995 nicht anwendbar ist.
11 Später vertrat die Royal Bank of Scotland die Auffassung, die letztgenannte Bestimmung der Vereinbarung vom verstoße gegen die Art. 17 und 19 der Sechsten Richtlinie und sei daher unwirksam. Ihrer Ansicht nach schreibt die Sechste Richtlinie eine Aufrundung auf die nächsthöhere ganze Zahl vor; sie verlangte daher von den Commissioners die Zustimmung zu einer Aufteilungsberechnung zur Quantifizierung des Restvorsteuerabzugs für einen bestimmten ihrer Tätigkeitsbereiche mit einer Aufrundung auf die nächsthöhere ganze Zahl. Den daraufhin erlassenen Bescheid der Commissioners, mit dem diese die Anwendung einer solchen Methode ablehnten, focht die Royal Bank of Scotland vor dem VAT and Duties Tribunal an, das mit Entscheidung vom feststellte, dass eine vereinbarte besondere Methode, die die Aufrundung auf zwei Dezimalstellen vorsehe, sowohl mit dem Recht des Vereinigten Königreichs als auch mit der Sechsten Richtlinie vereinbar sei.
12 Die Royal Bank of Scotland legte gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel beim Court of Session (Scotland) ein. Da dieses Gericht der Auffassung ist, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung der Sechsten Richtlinie abhänge, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Verlangt Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie), dass der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs, den ein Steuerpflichtiger nach Art. 17 Abs. 5 geltend machen kann, auf Jahresbasis festgesetzt und auf einen die nächsthöhere ganze Zahl nicht übersteigenden Wert aufgerundet wird, wenn
a) dieser Pro-rata-Satz gemäß Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a oder b für einen Bereich der Tätigkeit des Steuerpflichtigen ermittelt worden ist und/oder
b) dieser Pro-rata-Satz gemäß Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c je nach der vom Steuerpflichtigen vorgenommenen Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen ermittelt worden ist und/oder
c) dieser Pro-rata-Satz gemäß Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. d für alle Gegenstände und Dienstleistungen, die vom Steuerpflichtigen für die in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 genannten Umsätze verwendet wurden, ermittelt worden ist?
2. Ermächtigt Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 die Mitgliedstaaten, vorzuschreiben, dass der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs, den ein Steuerpflichtiger nach Art. 17 Abs. 5 geltend machen kann, auf eine andere Zahl als die nächsthöhere ganze Zahl aufgerundet wird?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
13 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Rundungsregel des Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie anzuwenden, wenn der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach einer der besonderen Methoden des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a, b, c oder d dieser Richtlinie berechnet wird.
14 Nach ständiger Rechtsprechung ist das in den Art. 17 ff. der Sechsten Richtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden (vgl. Urteil vom , Kommission/Frankreich, C-243/03, Slg. 2005, I-8411, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
15 Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet daher völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. Urteil vom , Abbey National, C-408/98, Slg. 2001, I-1361, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
16 Soweit die von einem Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen für die Zwecke steuerbefreiter Umsätze oder solcher Umsätze verwendet werden, die nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, kann es somit weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen (vgl. Urteil vom , Wollny, C-72/05, Slg. 2006, I-8297, Randnr. 20).
17 Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie legt die Regelung fest, die auf das Recht auf Vorsteuerabzug dann anwendbar ist, wenn sich die Mehrwertsteuer auf Gegenstände und Dienstleistungen bezieht, die vom Steuerpflichtigen "sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht". In diesem Fall ist der Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten - besteuerten - Umsätze entfällt (Urteile Abbey National, Randnr. 37, und vom , Cibo Participations, C-16/00, Slg. 2001, I-6663, Randnr. 34).
18 Das Recht auf Vorsteuerabzug ist nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie auf der Grundlage eines Pro-rata-Satzes zu berechnen, der nach Art. 19 der Sechsten Richtlinie festgelegt wird.
19 Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie lässt jedoch Abweichungen von dieser Regel zu, indem er die Mitgliedstaaten ermächtigt, eine der anderen in diesem Unterabsatz aufgeführten Methoden zur Bestimmung des Rechts auf Vorsteuerabzug vorzusehen, nämlich die Festlegung eines besonderen Pro-rata-Satzes für jeden Tätigkeitsbereich, einen Vorsteuerabzug nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände und Dienstleistungen zu einer bestimmten Tätigkeit oder unter bestimmten Voraussetzungen sogar den Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug.
20 Diese Bestimmung enthält zu der Frage, nach welcher Methode die Mitgliedstaaten den in dieser Weise ermittelten Abzugsbetrag zu runden haben, keine spezifische Vorschrift.
21 Entgegen der Auffassung der Royal Bank of Scotland ist die Rundungsregel des Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie nicht anwendbar, wenn ein bestimmter Anwendungsfall einer besonderen Regelung nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 dieser Richtlinie unterliegt.
22 Wie sich klar aus dem Wortlaut der Art. 17 Abs. 5 und 19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie ergibt, verweist die letztgenannte Bestimmung nur auf den Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 dieser Richtlinie und legt damit nur für den in dieser Bestimmung bezeichneten Pro-rata-Satz eine detaillierte Berechnungsregel fest.
23 Dieses Ergebnis folgt auch aus der Systematik der fraglichen Bestimmungen. Während Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 2 für die Berechnung des Abzugsbetrags als Regel die Anwendung von Art. 19 vorsieht, ermächtigt Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3, der mit dem Wort "jedoch" beginnt, die Mitgliedstaaten, mehr oder weniger umfangreiche Ausnahmen von dieser Regel vorzusehen, darunter sogar den Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug.
24 Dies wird schließlich auch durch den Zweck von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a bis d der Sechsten Richtlinie bestätigt, nach dem, wie die Kommission geltend gemacht hat, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Tätigkeiten des Steuerpflichtigen den Mitgliedstaaten ermöglicht werden soll, zu präziseren Ergebnissen zu gelangen. Die Mitgliedstaaten müssen daher präzisere Rundungsregeln als die nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie anwenden können. Sie aus Gründen der Vereinfachung zu zwingen, Rundungen nach der letztgenannten Methode vorzunehmen, obwohl diese weniger präzise ist, würde dem Zweck dieser Ausnahmen zuwiderlaufen.
25 Folglich ist bei einem Anwendungsfall, der einer solchen Ausnahmeregelung unterliegt, die Anwendung der Regel des Art. 19 der Sechsten Richtlinie zur Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs ausgeschlossen. Die Mitgliedstaaten sind somit nicht verpflichtet, die Rundungsregel dieser Bestimmung anzuwenden, wenn sie die Berechnungsmethoden nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a, b, c oder d der Sechsten Richtlinie heranziehen, sondern können eigene Rundungsregeln aufstellen, wobei sie die Grundsätze zu beachten haben, auf denen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht (vgl. Urteil vom , Koninklijke Ahold, C-484/06, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 33).
26 Diese Feststellung wird entgegen der Auffassung der Royal Bank of Scotland keineswegs durch das im zwölften Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie vorgesehene Ziel dieser Richtlinie widerlegt, dass der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs in allen Mitgliedstaaten auf gleiche Weise berechnet werden muss. Zum einen verlangt dieser Erwägungsgrund nicht, dass die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs in allen Mitgliedstaaten auf identische Weise erfolgen muss. Zum anderen erlaubt es die Sechste Richtlinie, indem sie für die Mitgliedstaaten ausdrücklich die Möglichkeit vorsieht, durch Anwendung unterschiedlicher Methoden von der Berechnungsmethode des Art. 19 Abs. 1 abzuweichen, dass der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs in den Mitgliedstaaten auf unterschiedliche Art und Weise berechnet wird.
27 Zudem erfordern auch der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, in dem der Grundsatz der Gleichbehandlung zum Ausdruck kommt, und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht die Anwendung einer einzigen Rundungsmethode für alle diese Berechnungsmethoden (vgl. in diesem Sinne Urteil Koninklijke Ahold, Randnrn. 37 und 41).
28 Diese Feststellung wird schließlich entgegen der Auffassung der Royal Bank of Scotland auch nicht durch die Auslegung in Frage gestellt, die die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) erfahren mag, da diese Richtlinie, die am und damit nach den Vorgängen des vorliegenden Falls in Kraft getreten ist, nicht anwendbar ist.
29 Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, die Rundungsregel des Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie anzuwenden, wenn der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach einer der besonderen Methoden des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a, b, c oder d dieser Richtlinie berechnet wird.
Zur zweiten Frage
30 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie die Mitgliedstaaten ermächtigt, vorzuschreiben, dass der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs auf eine andere als die nächsthöhere ganze Zahl aufgerundet wird, wenn dieser Satz nach Art. 17 Abs. 5 dieser Richtlinie ermittelt wird.
31 Diese Frage nach der Auslegung von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie stellt sich nicht, da die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, die Rundungsregel dieser Bestimmung anzuwenden, wenn sie die Berechnungsmethoden des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 dieser Richtlinie heranziehen.
32 Daraus folgt in Anbetracht der Antwort auf die erste Frage und der vorstehenden Erwägungen, dass die zweite Vorlagefrage nicht zu beantworten ist.
Kostenentscheidung:
Kosten
33 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DAAAD-10822
1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg