Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines nicht zu vertretenden Büroversehens
Gesetze: FGO § 56, FGO § 115 Abs. 2, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Instanzenzug:
Gründe
I. Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) Ansprüche, Forderungen und Rechte des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) und dessen Ehefrau bei einer Sparkasse und einer Landesbausparkasse gepfändet. Dagegen legten die Eheleute Rechtsbehelfe ein. Der Einspruch, den sie gegen die an die Sparkasse ergangene Pfändungs- und Einziehungsverfügung eingelegt hatten, erledigte sich durch die Aufhebung der Verfügung. Den weiteren Einspruch wies das FA mit der Begründung als unzulässig zurück, dass die Pfändung ins Leere gegangen und dass die Vollstreckungsmaßnahme damit beendet sei. Die daraufhin erhobene Klage legte das Finanzgericht (FG) aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung als Fortsetzungsfeststellungsklage aus, die jedoch unzulässig sei.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat nur der Kläger Beschwerde eingelegt, die er jedoch nicht fristgerecht begründet hat. Auf einen Hinweis der Senatsgeschäftsstelle, dass eine Fristverlängerung nicht gewährt werden könne, hat der Kläger einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) gestellt. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der zugleich Kläger ist, vor, dass er auf dem FG-Urteil sowie auf einem Zweitstück der bereits an den Bundesfinanzhof (BFH) übersandten Nichtzulassungsbeschwerde den handschriftlichen Vermerk: „Begründungsfrist , Wiedervorlage ” angebracht und die beiden Schriftstücke der für Rechtsstreitigkeiten zuständigen Sachbearbeiterin mit dem Hinweis weitergereicht habe, das Ende der Begründungsfrist in das Fristenkontrollbuch einzutragen und die Schriftstücke in der Wiedervorlagemappe aufzubewahren. Eine Abschrift des Urteils habe er zur Abfassung der Begründung in seinen Unterlagen behalten. Die zuständige Sachbearbeiterin habe die beiden Schriftstücke aus Versehen unter einem falschen Datum in die Wiedervorlagemappe eingelegt. Zudem sei aus unerklärlichen Gründen die Eintragung in das Fristenkontrollbuch unterblieben. Bei der Sachbearbeiterin handele es sich um eine äußerst zuverlässige und sorgfältige Bilanzbuchhalterin, der die Bedeutung und Wichtigkeit von Fristen bekannt sei. Grundsätzlich sei die Büroorganisation in der Kanzlei so gestaltet, dass Fristversäumnisse unter normalen Umständen ausgeschlossen seien. Die zusätzliche regelmäßige Überwachung des Fristenkontrollbuchs sowie die Tätigkeit der für das Fristenkontrollbuch verantwortlichen Mitarbeiterin von Seiten der Steuerberater (1 x wöchentlich) habe noch nie zu irgendwelchen Beanstandungen geführt. Es handele sich somit um ein Büroversehen in einem Einzelfall und nicht um einen unentschuldbaren Organisationsmangel.
Das FA ist dem Antrag auf Wiedereinsetzung und der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht fristgerecht begründet worden ist und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann.
Nach § 116 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils beim BFH unter Darlegung der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO schriftlich zu begründen. Im Streitfall ist die Begründungsfrist am abgelaufen. Erst nach Fristablauf hat der Kläger mit Schriftsatz vom einen Antrag auf Fristverlängerung gestellt. Da eine solche nicht gewährt werden konnte und auch dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entsprochen werden kann, war die mit Schriftsatz vom beim BFH eingereichte Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde verspätet.
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist wird abgelehnt.
a) Wiedereinsetzung ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist verhindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt voraus, dass innerhalb der in § 56 Abs. 2 FGO festgelegten Frist die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, vollständig, substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden (BFH-Entscheidungen vom X R 102/98, BFH/NV 1999, 1221, und vom VI R 60/90, BFH/NV 1993, 616, m.w.N.). Beruft sich ein Prozessbevollmächtigter auf ein von ihm nicht zu vertretendes Büroversehen, so muss er darlegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt. Hierzu hat er darzulegen, dass er alle Vorkehrungen dafür getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat. Der Prozessbevollmächtigte, der zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags vorbringt, dass er die Notierung und Kontrolle der Begründungsfrist einer zuverlässigen und erfahrenen Bürokraft überlassen hat, muss hiernach jedenfalls vortragen, durch welche Maßnahmen er gewährleistet hat, dass in seinem Büro die Fristen entsprechend seinen Anordnungen notiert und kontrolliert werden (vgl. , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001, 297). Dazu gehört auch der substantiierte Vortrag, wann und wie er seine Bürokräfte entsprechend belehrt und wie er die Einhaltung dieser Belehrungen überwacht hat (Senatsbeschlüsse vom VII B 118/02, BFH/NV 2003, 801, und vom VII B 150/01, BFH/NV 2002, 795).
b) Diesen Anforderungen an den Tatsachenvortrag genügen die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten nicht. Insbesondere legt er nicht hinreichend dar, dass im Streitfall ein Organisationsverschulden auszuschließen ist. Aus der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ergibt sich nämlich nicht, in welchen Zeitabständen und auf welche Weise in der Steuerberatersozietät Belehrungen und eine Überprüfung der Befolgung der zur Fristenkontrolle gegebenen Anweisungen stattfinden. Hierzu trägt der Prozessbevollmächtigte lediglich vor, dass die regelmäßige Überwachung des Fristenkontrollbuchs sowie die Überwachung der für das Fristenkontrollbuch verantwortlichen Mitarbeiterin (1 x wöchentlich) noch nie zu irgendwelchen Beanstandungen geführt hätten. Dieses Vorbringen reicht nicht aus. Zudem lässt sich aus der Erklärung der für das Fristenkontrollbuch verantwortlichen Mitarbeiterin lediglich entnehmen, dass sie nur zu Beginn ihrer Tätigkeit ausführlich über die Bedeutung und Wichtigkeit von Fristen sowie über die Berechnung der Fristen belehrt worden ist. Konkrete Maßnahmen zur fortlaufenden Überwachung erschließen sich auch aus dieser Stellungnahme nicht.
Anlass zu Zweifeln an der ordnungsgemäßen Organisation der Fristenkontrolle ergeben sich auch daraus, dass das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten nicht erkennen lässt, warum die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht bereits im Zusammenhang mit dem Eingang des erstinstanzlichen Urteils bzw. mit der Einlegung der Beschwerde notiert worden ist. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte die Rechtssache zunächst eigenständig bearbeitet. Erst nach Fertigstellung der Beschwerdeschrift und deren Übermittlung an den BFH hat er den Vorgang der für Rechtsstreitigkeiten zuständigen Sachbearbeiterin weitergereicht. Entgegen der Darstellung, dass die Fristenberechnung regelmäßig unmittelbar nach dem Posteingang erfolgt und dass der Fristablauf jeder einzelnen Rechtsbehelfsfrist eingetragen wird, lässt der Vortrag nur den Schluss zu, dass im Streitfall eine Eintragung des Ablaufs der Rechtsbehelfsfrist in das Fristenkontrollbuch —sowie eine gleichzeitige Eintragung des Ablaufs der Begründungsfrist— unterblieben ist.
Einen entsprechenden Auszug aus dem Fristenkontrollbuch zum Nachweis des behaupteten Versäumnisses hat der Prozessbevollmächtigte nicht vorgelegt. Zudem behauptet die mit der Führung des Fristenkontrollbuchs beauftragte Mitarbeiterin in der von ihr abgegebenen Erklärung selbst nicht, die Eintragung einer Frist versäumt zu haben. Ein solches Versäumnis ergibt sich lediglich aus der eidesstattlichen Versicherung der Bilanzbuchhalterin. Aus dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten wird nicht deutlich, warum die mit der Führung des Fristenkontrollbuchs eigentlich beauftragte Mitarbeiterin bei Eingang des erstinstanzlichen Urteils von dem Vorgang keine Kenntnis erlangt haben soll. Auch eine Abgrenzung der Aufgabenbereiche der beiden Bürokräfte wird nicht ersichtlich. Diese Unklarheiten in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags gehen zu Lasten des Klägers.
c) Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte, der in eigener Sache die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat, eine Abschrift des erstinstanzlichen Urteils in seinen Unterlagen behalten, um die Begründung zu verfassen. Es wäre ihm somit jederzeit möglich gewesen, den Ablauf der Begründungsfrist anhand der bei seinen eigenen Unterlagen befindlichen Abschrift des Urteils selbst zu überwachen, zumal er den Ablauf der Frist zuvor selbst berechnet und auf dem Urteil notiert hatte. Einer erneuten Vorlage des Urteils hätte es zur Überwachung der selbst berechneten Frist nicht bedurft. Somit kann im Streitfall davon ausgegangen werden, dass der Prozessbevollmächtigte von Anfang an in eigener Angelegenheit mit der Bearbeitung der Rechtssache befasst war. Die Einhaltung der Begründungsfrist wäre in diesem Sonderfall seine eigenständige Obliegenheit gewesen, so dass er sich auf ein Fehlverhalten seines Büropersonals nicht berufen kann.
2. Da aus all diesen Gründen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Begründungsfrist nicht gewährt werden kann, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 589 Nr. 4
FAAAD-09875