Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 547 Abs. 2; BGB § 677; BGB § 684; BGB § 818 Abs. 2
Instanzenzug: LG Wuppertal, 9 S 57/05 vom AG Solingen, 12 C 590/03 vom
Gründe
Die Beklagte zu 2 war - zusammen mit ihrem Ehemann, dem ehemals Beklagten zu 1 - Mieterin einer um das Jahr 1750 errichteten Fachwerkdoppelhaushälfte der Kläger in S. . Die Miete belief sich auf 500 DM monatlich. Von November 1997 bis März 1999 führten die Beklagten Arbeiten an der Mietsache aus. Ihm wegen der Arbeiten zustehende Ansprüche hat der Beklagte zu 1 an die Beklagte zu 2 abgetreten.
Im Jahr 2000 sind die Beklagten rechtskräftig zur Räumung der Mietsache verurteilt worden. Mit ihrer - jetzt noch allein streitgegenständlichen - Widerklage macht die Beklagte zu 2 Ansprüche wegen der auf die Mietsache gemachten Verwendungen geltend. Sie trägt vor, vor Ausführung der Renovierungsarbeiten sei die Mietsache nicht benutz- oder betretbar gewesen. Der Wert der im Einzelnen bezeichneten und von ihnen, den Beklagten, durchgeführten Arbeiten belaufe sich auf mindestens 76.693,78 EUR.
Die Kläger behaupten, vor den von den Beklagten durchgeführten Arbeiten sei die Mietsache in einem bewohnbaren Zustand gewesen. Es sei lediglich eine übliche Schönheitsrenovierung erforderlich gewesen. Der Beklagte zu 1 habe Ende 1997 erklärt, ihm würden die Tapeten und die Ausgestaltung des Gebäudes nicht gefallen. Es sei den Beklagten daher freigestellt worden, dies bei der Durchführung von Schönheitsreparaturen anders zu gestalten. Es sei ihnen auch freigestellt worden, das Bad durch den Austausch der sanitären Installationen zu renovieren. In der Folge hätten die Beklagten noch weitere Arbeiten mitgeteilt, die sie durchführen wollten, wie den Austausch von Fliesen und die Verlegung von Dielen. Im Hinblick auf diese Arbeiten sei vereinbart worden, dass die Miete für fünf Jahre festgeschrieben werde. Zudem sei in Aussicht gestellt worden, dass während der Renovierung ein bis zwei Monate keine Miete gezahlt werden müsse. Die Beklagten hätten nur kurze Zeit Miete gezahlt. Sie seien während der Durchführung der Arbeiten wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die durchgeführten Arbeiten nicht den angekündigten Arbeiten entsprächen und über Schönheitsreparaturen hinausgingen. Diese Arbeiten hätten für die Kläger keinen Wert.
Das Amtsgericht hat der Widerklage nach Einvernahme von Zeugen und der Einholung eines Sachverständigengutachtens in Höhe von 6.000 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten zu 2 hat das Landgericht die Kläger zur Zahlung von 66.000 EUR verurteilt. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Mit der von ihnen erstrebten Revision verfolgen sie ihren auf Zurückweisung der Berufung gerichteten Antrag weiter.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Zutreffend habe das Amtsgericht einen Bereicherungsanspruch der Beklagten zu 2 aus § 547 Abs. 2 BGB aF, §§ 677, 684 Satz 1, § 818 Abs. 2 BGB bejaht. Indes sei die Wertsteigerung, die das Grundstück der Kläger durch die baulichen Maßnahmen der Beklagten erfahren habe, auf 66.000 EUR zu veranschlagen. Der Sachverständige habe ausgehend von einem Verkehrswert in Höhe von 130.000 EUR bei Besichtigung des Anwesens und unter Abzug des Verkehrswerts des bebauten Grundstücks vor Beginn der Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen in Höhe von 48.000 EUR eine Wertsteigerung infolge der Arbeiten und Leistungen der Beklagten um 82.000 EUR errechnet. Der Sachverständige habe diese Wertermittlungsmethode überzeugend und auch nachvollziehbar näher dargelegt. Dies gelte insbesondere auch, soweit der Sachverständige nicht nur den reinen Sachwert des bebauten Grundstücks zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten als Ausgangspunkt für seine Berechnungen genommen habe, sondern darüber hinaus auch den Verkehrswert maßgeblich in die Wertermittlung habe einfließen lassen. Das Amtsgericht sei bei seiner Entscheidung im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass es vorliegend darum gehe, den Wertzuwachs, den die Kläger durch die Arbeiten und Leistungen der Beklagten erfahren hätten, zu ermitteln und diesen letztlich nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen der Beklagten zu 2 zugute zu bringen. Sei aber der Verkehrswert des Grundstücks der Kläger infolge der Maßnahmen der Beklagten gestiegen, sei dies in die Wertermittlung einzubeziehen. Dem entspreche das Gutachten. Eine Betrachtung nur der Steigerung der Sachwerte genüge dagegen nicht.
Nicht berücksichtigt werden könne aber die Bodenwertsteigerung, deren Höhe der Sachverständige mit 16.000 EUR veranschlagt habe. Zwar habe er dargelegt, dass auch der Bodenwert durch bauliche Maßnahmen eine Wertsteigerung erfahren könne. Ob dies aber auch vorliegend gelte, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Die Kläger könnten dem Anspruch der Beklagten auch nicht mit dem Argument der so genannten "aufgedrängten Bereicherung" begegnen. Dies gelte allein schon deswegen, weil sie das Bauvorhaben unter Verwendung der Arbeiten der Beklagten fertig gestellt hätten.
1.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO) hat Erfolg.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist allerdings eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung (§ 544 Abs. 2 Satz 3, § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) geboten. Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts nur erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (BGHZ 151, 221, 225) . Die Kläger meinen, es sei die für eine Vielzahl weiterer Fälle bedeutsame Rechtsfrage zu klären, ob das Ertragswertverfahren zur Bestimmung der Höhe einer durch Verwendungen auf die Mietsache hervorgerufenen Wertsteigerung anwendbar sei; diese Frage sei höchstrichterlich noch nicht entschieden.
Das ist nicht richtig. Für die Aufstellung höchstrichterlicher Leitsätze besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGHZ aaO). Das ist vorliegend nicht der Fall. Das Amtsgericht und ihm folgend das Berufungsgericht bejahen einen Bereicherungsanspruch der Beklagten zu 2 aus § 547 Abs. 2 BGB aF, §§ 677, 684 Satz 1, § 818 Abs. 2 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Bemessung des Anspruchs auf Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB auf die Erhöhung des Verkehrswerts des errichteten, ausgebauten oder umgestalteten Gebäudes an (BGHZ 10, 171, 180 ; 17, 236, 239) . Auch zu einem - wie hier - auf der Grundlage von § 547 Abs. 2 BGB aF, §§ 677, 684 Satz 1, § 818 Abs. 2 BGB geltend gemachten Bereicherungsanspruch hat der Senat bereits entschieden, dass auf die durch die Verwendungen bewirkte Erhöhung des Verkehrswerts des Gebäudes abzustellen ist (Senatsurteil vom - VIII ZR 22/92, NJW-RR 1993, 522, unter II 4). Ob aber der Verkehrswert eines bestimmten Gebäudes unter Heranziehung des Ertragswertverfahrens oder nach anderen Wertermittlungsmethoden zu bestimmen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die der Aufstellung höchstrichterlicher Leitsätze entzogen ist.
3.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist aber begründet, weil das angegriffene Urteil den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert deshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
a)
Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht Vorbringen der Partei nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Dabei ist das Gericht nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Damit sich ein Verstoß gegen Art. 103 GG feststellen lässt, müssen besondere Umstände deutlich gemacht werden, die zweifelsfrei darauf schließen lassen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BGHZ 154, 288, 300 m.w.N.). Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet ferner das Recht der Verfahrensbeteiligten, vor einer gerichtlichen Entscheidung, die ihre Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Auf einen Gesichtspunkt, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen braucht, darf das Gericht ohne vorherigen Hinweis oder Erörterung mit den Parteien nicht abstellen (BVerfGE 84, 188, 190 ; 86, 133, 144 f. ). Eine in erster Instanz siegreiche Partei darf dabei darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO gibt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will (, NJW-RR 2007, 17, Tz. 4).
b)
Die Kläger hatten ausweislich des Urteils des Amtsgerichts, auf das das Berufungsgericht gemäß § 540 ZPO Bezug genommen hat, vorgetragen, dass hinsichtlich der Durchführung der Schönheitsreparaturen, des Austausches der sanitären Installationen und Fliesen und der Verlegung von Dielenboden eine Vereinbarung getroffen worden sei, wonach die Miete für fünf Jahre festgeschrieben werden sollte und für die zur Renovierung benötigten ein bis zwei Monate Mietfreiheit gewährt werden sollte. Aufgrund dieses Vortrags hat das Amtsgericht bei seiner Entscheidung einen Abschlag von der von ihm ermittelten Wertsteigerung in Höhe von 2.000 EUR für durchgeführte Schönheitsreparaturen vorgenommen. Das Berufungsgericht ist auf diese Frage in seinen Entscheidungsgründen nicht eingegangen. Seinem Urteil lässt sich nicht entnehmen, warum es den Vortrag der Kläger bei der Entscheidung nicht berücksichtigt hat. Angesichts der Tatsache, dass der - erhebliche - Vortrag der Kläger in der Entscheidung vollständig übergangen wurde, spricht viel dafür, dass er vom Berufungsgericht nicht erwogen wurde. Jedenfalls aber mussten die Kläger ohne einen gerichtlichen Hinweis nicht damit rechnen, dass das Berufungsgericht die Frage anders beurteilt als das Amtsgericht. Das Berufungsgericht hätte den Beklagten daher zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen.
c)
Das Urteil des Berufungsgerichtes beruht auch auf diesem Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht anders entschieden hätte, wenn es sich mit dem Vortrag auseinandergesetzt oder den Klägern Gelegenheit gegeben hätte, Stellung zu nehmen. Die Kläger hätten dann - wie jetzt in der Beschwerdebegründung vorgetragen - schon im Berufungsrechtszug darauf hingewiesen, dass bei der im Rahmen des § 818 Abs. 2 BGB zu ermittelnden Wertsteigerung die Arbeiten, die auf der Grundlage einer getroffenen Vereinbarung erfolgten, nicht hätten berücksichtigt werden dürfen.
Die Verletzung der Kläger in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Im neuerlichen Berufungsverfahren werden die Parteien auch Gelegenheit haben, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Es wird ferner zu prüfen sein, ob ein - weiterer - Abschlag von der vom Berufungsgericht angenommenen Wertsteigerung im Hinblick darauf gerechtfertigt ist, dass - wie die Kläger vorliegend geltend machen und sich auch aus dem Sachverständigengutachten (Band II, Blatt 466 der Akte) ergibt - sechs der von den Beklagten eingebauten Fenster von den Klägern bezahlt worden sind.
Fundstelle(n):
RAAAD-08043
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein