Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 26a; StPO § 27; StPO § 338; GG Art. 101 Abs. 1
Instanzenzug: LG Gera, vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 20 Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sowie wegen tateinheitlich begangener Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Schusswaffe und eine verbotene Waffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Es hat seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bei Vorwegvollzug eines Teils der Strafe angeordnet. Ferner hat es auf den Verfall von Wertersatz in Höhe von 246.430 Euro erkannt.
Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1.
Die Befangenheitsrügen (§ 338 Nr. 3 StPO) greifen nicht durch. Das gilt auch für das am von Rechtsanwalt M. -M. gestellte Ablehnungsgesuch.
a)
Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: Im Fortsetzungstermin am ist der Zeuge U. vernommen worden. Zu Beginn haben die Verteidiger des Angeklagten angeregt, den Zeugen gemäß § 55 StPO zu belehren. Nach dem Vortrag der Revision ist der Vorsitzende dem nicht sofort nachgekommen. Nach einem Disput über die Form des dieserhalb angekündigten Ablehnungsgesuchs hat Rechtsanwalt M. -M. mündlich einen Ablehnungsantrag gegen den Vorsitzenden der erkennenden Strafkammer gestellt. Unter dessen Mitwirkung hat die Kammer das Ablehnungsgesuch am als unzulässig verworfen, weil es ohne Rücksprache mit dem Angeklagten angebracht worden sei.
b)
Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch des Angeklagten im Ergebnis zu Recht verworfen. Dabei kann hier offen bleiben, ob die Kammer den Antrag unter Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden mit Recht als unzulässig behandelt hat.
aa)
Zwar ist in Fällen, in denen das Gericht über ein Ablehnungsgesuch in falscher Besetzung entschieden hat und dadurch das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt worden ist, allein deswegen der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO gegeben (BVerfG-NJW 2005, 3410, 3413 f. ; StraFo 2006, 232, 236 ; BGHSt 50, 216, 219 ; NStZ 2007, 161, 162). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26 a, 27 StPO führt nicht stets, sondern nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn die Vorschriften willkürlich angewendet werden, der abgelehnte Richter sich mithin zum "Richter in eigener Sache" macht, oder die richterliche Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt. Dagegen liegt bei einer "nur" schlicht fehlerhaften Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften ein Verfassungsverstoß nicht vor (vgl. BVerfG aaO).
Erfolgt wie hier die Verwerfung allein aus formalen Erwägungen, wurden die Ablehnungsgründe aber nicht inhaltlich geprüft, ist daher danach zu differenzieren, ob die Entscheidung des Gerichts auf einer groben Missachtung oder Fehlanwendung des Rechts beruht, ob also Auslegung und Handhabung der Verwerfungsgründe offensichtlich unhaltbar oder aber lediglich schlicht fehlerhaft sind (BGHSt 50, 216, 219 f.) . In letzterem Fall entscheidet das Revisionsgericht nach Beschwerdegrundsätzen sachlich über die Besorgnis der Befangenheit (BGH NStZ 2007, 161, 162; NStZ-RR 2008, 246, 247; Beschl. vom - 2 StR 281/08).
bb)
Eine grob fehlerhafte Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verkennende Anwendung des Befangenheitsrechts lag hier nicht vor. Dabei lässt der Senat dahinstehen, ob die Begründung des Landgerichts zutrifft; jedenfalls ist sie nicht willkürlich. Nach dem vorgetragenen Verfahrensablauf schloss sich - wie die Kammer in dem Verwerfungsbeschluss näher ausführt - der Befangenheitsantrag unmittelbar einem Disput mit dem Vorsitzenden an. Eine vorherige Kontaktaufnahme mit dem Angeklagten sei "erkennbar nicht erfolgt". Auch wenn in der Regel anzunehmen ist, dass der Verteidiger ein Ablehnungsgesuch im Namen des Angeklagten anbringt (Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 24 Rdn. 20), kann die Begründung der Strafkammer hier nach dem Verfahrensablauf nicht als willkürlich bezeichnet werden.
Die dem Senat damit eröffnete Prüfung des Ablehnungsgesuchs nach Beschwerdegrundsätzen ergibt keine die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigende Einstellung des abgelehnten Richters. Über die Frage, wann ein Zeuge gemäß § 55 Abs. 2 StPO zu belehren ist, entscheidet - jedenfalls zunächst - der Vorsitzende im Rahmen der ihm gemäß § 238 Abs. 1 StPO obliegenden Sachleitung nach pflichtgemäßem Ermessen; derartige Maßnahmen vermögen grundsätzlich nicht die Besorgnis der Befangenheit gemäß § 24 Abs. 2 StPO zu begründen (vgl. Meyer-Goßner aaO § 24 Rdn.17 f.; § 55 Rn. 14 f.; § 238 Rdn. 5); für ein sachwidriges Hinauszögern der Belehrung gibt der Revisionsvortrag schon deshalb nichts her, weil er eine gegen den Zeugen bestehende Verdachtslage nicht vorträgt.
Die Weigerung des Vorsitzenden, die mündlich vorgetragenen Ablehnungsgründe in das Hauptverhandlungsprotokoll aufzunehmen, entspricht der Rechtslage; gemäß § 273 Abs. 1 StPO wird bei einem mündlich in der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungsgesuch lediglich der Antrag protokolliert (KK-Fischer StPO 6. Aufl. § 24 Rdn. 2).
2.
Die Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 246.430 Euro hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom ausgeführt:
"Die Nichtanwendung der Härtevorschrift des § 73 c StGB indessen ist nicht nachvollziehbar begründet. Zwar hat die Kammer die Höhe des Erlangten im Sinne des § 73 a StGB rechtsfehlerfrei festgestellt. Das Gericht kommt außerdem in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis, dass von dem Erlangten nur noch der PKW Volvo V 40 vorhanden ist (UA S. 27), so dass es zu Recht geprüft hat, ob die Anordnung nach § 73 c Abs. 1 StGB unterbleiben konnte. Indessen ermöglichen die Urteilsgründe nicht die revisionsgerichtliche Überprüfung, ob das Landgericht den Begriff der unbilligen Härte nach § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB richtig angewandt und sein Ermessen nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB fehlerfrei ausgeübt hat. Der Angeklagte verfügte vor seiner Festnahme über ein Nettoeinkommen von 690 Euro (UA S. 4). Soweit aus den Feststellungen im Urteil ersichtlich, waren außer dem PKW keine Vermögenswerte vorhanden. Der Angeklagte gewärtigt die Verbüßung einer langjährigen Freiheitsstrafe. Angesichts dessen dürfte sich seine Vermögenslage in absehbarer Zeit nicht verbessern, jedenfalls aber verhält sich das Urteil dazu nicht. Bei dieser Sachlage kommt es entscheidend darauf an, wie sich die Anordnung konkret auf sein Vermögen auswirkt. Dazu enthält das Urteil keine Feststellungen (vgl. BGHR StGB § 73 c Härte 3). Auch hat das Landgericht nicht in seine Erwägung einbezogen, ob eine Zahlungsverpflichtung von über 246.000 Euro im konkreten Fall möglicherweise die Resozialisierung nach einer Haftentlassung erschwert (BGH NStZ-RR 2003, 75)."
Dem tritt der Senat bei, weil er nicht ausschließen kann, dass der Tatrichter bei rechtsfehlerfreier Ermessensausübung nicht auf den vollen Verfallsbetrag erkannt hätte (vgl. auch ).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
TAAAD-07977
1Nachschlagewerk: nein