Vorrang der Anfechtungsklage vor der Feststellungsklage
Gesetze: FGO § 41 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) sieht sich vom Widerruf ihrer Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft durch die Beklagte und Beschwerdegegnerin (die Steuerberaterkammer) bedroht. Die Steuerberaterkammer beanstandet, dass der an der Klägerin ausschließlich beteiligte Verein die Kapitalbindungsvorschrift des § 50a des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) nicht erfülle. Die Steuerberaterkammer hat die Klägerin deshalb aufgefordert, bis zum diesbezüglich einen gesetzmäßigen Zustand herzustellen, anderenfalls der Widerruf ihrer Anerkennung erfolgen werde. Daraufhin hat die Klägerin Klage mit dem Antrag erhoben festzustellen, dass sie nach § 154 Abs. 1 StBerG Bestandsschutz genieße und nicht dazu verpflichtet sei, dass vorgenannter alleiniger Gesellschafter durch einen anderen ersetzt werde, der den Kapitalbindungsvorschriften des StBerG unterworfen sei. Hilfsweise hat die Klägerin begehrt, die Steuerberaterkammer zur Unterlassung des Widerrufs zu verurteilen, weiter hilfsweise, die vorgenannte Aufforderung, gesetzmäßige Zustände herzustellen, aufzuheben.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es hält sie mit allen Anträgen für unzulässig. Was den Hauptantrag angehe, fehle es am Feststellungsinteresse; es sei der Klägerin zumutbar, die Widerrufsentscheidung der Steuerberaterkammer abzuwarten und ihre Rechte im Rahmen der Anfechtungsklage zu verfolgen. Die Anfechtungsklage gegen die Aufforderung zur Wiederherstellung gesetzmäßiger Zustände sei unzulässig, weil es insofern an einem Verwaltungsakt fehle; denn die Aufforderung, für eine gesetzmäßige Beteiligungsstruktur zu sorgen, sei Teil des gesetzlich vorgeschriebenen Anhörungsverfahrens, in dem die Steuerberaterkammer die Klägerin darauf hinweise, dass deren Beteiligungsstruktur nach Auffassung der Steuerberaterkammer nicht den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes entspreche.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf folgende Fragen geltend gemacht wird:
„Ist es für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gem. § 41 Abs. 2 S. 1 FGO erforderlich, dass bereits das streitgegenständliche Verhalten des Klägers hinsichtlich seiner rechtlichen Zulässigkeit in Frage steht, oder reicht es aus, dass die Einhaltung von Rechtsvorschriften, nicht jedoch die Zulässigkeit der Tätigkeit selbst, in Frage steht?
Handelt es sich bei der nach § 55 Abs. 2 S. 1, 2. HS StBerG angeordneten Aufforderung zur Herstellung eines dem Gesetz entsprechenden Zustandes nebst Fristsetzung um einen Verwaltungsakt?”
II. Die Beschwerde nach § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren voraussichtlich eine Rechtsfrage zu klären sein wird, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer höchstrichterlichen Klärung bedarf. Ob es sich bei der von der Klägerin im Hinblick auf ihren Hauptantrag formulierten Frage um eine solche klärungsbedürftige Rechtsfrage handelt —und insofern auch den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO überhaupt genügt ist—, kann auf sich beruhen. Denn die von der Beschwerde aufgeworfene Frage könnte in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage jedenfalls unzulässig geworden ist, nachdem die Steuerberaterkammer die Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft tatsächlich widerrufen hat (Bescheid vom , der vom FG inzwischen aufgehoben worden und Gegenstand des Revisionsverfahrens VII R 39/07 ist). Das wegen dieses Bescheids anhängige Streitverfahren hat Vorrang vor der von der Klägerin erhobenen vorbeugenden Feststellungsklage (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO). Ob die Feststellungsklage zulässig gewesen ist, bevor der Widerruf ausgesprochen worden ist und jene Klage erhoben wurde, wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht zu klären.
Zu Unrecht hält die Beschwerde dem entgegen, es sei mit der Steuerberaterkammer vereinbart worden, dass ein Widerrufsbescheid vor Abschluss des Verfahrens über die Feststellungsklage nicht ergehen werde. Eine solche Vereinbarung, die der beschließende Senat im Übrigen nicht rechtlich zu bewerten braucht, kann eine nach dem Gesetz unzulässige Klage nicht zulässig machen; die Vorschriften der FGO mit dem Vorrang der Anfechtungsklage vor der Feststellungsklage stehen nicht zur Disposition der Beteiligten und dienen auch nicht nur deren Interessen. Überdies hat sich die Steuerberaterkammer jedenfalls an die angebliche Absprache mit der Klägerin nicht gehalten, ohne dass etwa deshalb die Feststellungsklage weiterhin als zulässig behandelt werden könnte.
2. Ob im Hinblick auf die Aufforderung der Steuerberaterkammer nach § 55 Abs. 2 StBerG eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, welche die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO rechtfertigen könnte, gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ausreichend dargelegt ist, kann ebenfalls dahinstehen. Denn die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang formulierte Frage ist, soweit sie sich in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde, nicht geeignet, der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu verleihen, weil sie offenkundig nur so beantwortet werden kann, wie sie das FG beantwortet hat.
Die in § 55 Abs. 2 Satz 1 StBerG vorgesehene Fristsetzung mag als Verwaltungsakt, gegen den Anfechtungsklage erhoben werden kann, anzusehen sei. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Streitverfahrens und dem angefochtenen Urteil ergibt, geht es der Klägerin jedoch nicht darum, die Frist als unangemessen kurz anzugreifen und eine längere Frist für die Veränderung ihrer Beteiligungsstruktur zu erreichen. Sie hat vielmehr ausweislich des angefochtenen Urteils ausdrücklich erklärt, diesem Verlangen zu entsprechen sei ihr schlechterdings unmöglich; dementsprechend ist die Prüfung der Angemessenheit der Fristsetzung auch nicht Gegenstand des Urteils des FG. Die Klägerin hat die Aufforderung der Steuerberaterkammer, binnen bestimmter Frist gesetzmäßige Zustände herzustellen, vielmehr erkennbar nur deshalb angegriffen, um eine Klärung darüber herbeizuführen, ob sie zu einer Änderung ihrer Beteiligungsstruktur verpflichtet ist. Diese Frage ist indes, wie sich aus den Ausführungen zu 1. ergibt, ausschließlich im Rahmen der gegen den Widerrufsbescheid der Steuerberaterkammer erhobenen Anfechtungsklage zu klären. Denn das FG hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die Aufforderung der Steuerberaterkammer, die ihrer Ansicht nach nicht gesetzmäßige Beteiligungsstruktur zu verändern, Teil des Verfahrens war, in dem der Klägerin rechtliches Gehör wegen des bevorstehenden Widerrufs ihrer Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft gewährt werden sollte. Solche, einen Verwaltungsakt vorbereitenden Maßnahmen können jedoch nicht selbständiger Gegenstand einer Anfechtungsklage sein, wenn anders nicht der vom Gesetz grundsätzlich vorgesehene Vorrang des Rechtsschutzes im Wege der Anfechtungsklage gegen die abschließende Behördenentscheidung ausgehebelt werden soll.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 422 Nr. 3
SAAAD-05562