BSG Urteil v. - B 3 KR 22/07 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB V § 115b Abs 1

Instanzenzug: LSG Rheinland-Pfalz, L 5 KR 205/06 vom SG Speyer, S 8 KR 716/04 vom

Gründe

I. Streitig ist die Abrechnung einer stationär durchgeführten Koloskopie als ambulante Leistung.

Die Klägerin ist Trägerin eines zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhauses, das nach der gemäß § 115b Abs 2 Satz 2 SGB V erforderlichen Mitteilung für das Jahr 2004 über die Zulassung zur Durchführung von ambulanten Operationen unter Einschluss der Koloskopie verfügte. In dem Krankenhaus war vom 6. bis der bei der Beklagten versicherte Suntharalingam Paramu - im Folgenden:

Versicherter - zur Durchführung einer am vorgenommenen Koloskopie stationär aufgenommen worden. Die Beklagte hielt die stationäre Versorgung für nicht erforderlich und beglich die von der Klägerin am nach der DRG-Fallpauschale G48B (Koloskopie ohne äußerst schwere oder schwere CC, ohne komplizierenden Eingriff) mit 1.503,65 Euro abgerechnete Krankenhausvergütung deshalb nicht. Einen zunächst überwiesenen Teilbetrag von 653,76 Euro erlangte sie durch Aufrechnung gegen spätere unstreitige Vergütungsforderungen zurück, den Restbetrag von 849,89 Euro zahlte sie von vornherein nicht.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin zunächst den Anspruch auf Vergütung einer stationären Behandlung weiter verfolgt und Zahlung von 1.503,65 Euro nebst Zinsen beansprucht. Nachdem sie damit nach Einholung eines ihr ungünstigen Sachverständigengutachtens erstinstanzlich ohne Erfolg geblieben war (Urteil des Sozialgerichts [SG] vom ), hat sie die Klage im Berufungsverfahren auf den Betrag beschränkt, der ihrer Ansicht nach bei einer ambulanten Operation angefallen wäre; im Übrigen hat sie die Klage zurückgenommen. Entsprechend einer im Berufungsverfahren vorgelegten Rechnung vom beansprucht sie nunmehr eine Vergütung der Koloskopie nach Nr 764 (Totale Koloskopie) und Nr 765 (Zuschlag für die Abtragung von Polypen) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM - hier anzuwenden in der bis zum geltenden Fassung) sowie von Untersuchungs- und anderen Nebenleistungen und gesondert ausgewiesenen Laborleistungen mit einem Gesamtbetrag von 516,14 Euro. Die Beklagte hält die Vergütung einer stationär durchgeführten Operation als ambulante Leistung für nicht zulässig und meint im Übrigen, dass ambulant allenfalls 179,54 Euro abgerechnet werden könnten. Das Landessozialgericht (LSG) ist der geänderten Rechtsauffassung der Klägerin nicht gefolgt und hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom ): Zutreffend habe das SG entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung der Behandlung des Versicherten unter dem Gesichtspunkt einer stationären Behandlung habe. Ihr stehe auch kein Anspruch nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zu. Verstoße eine Leistung gegen Vorschriften des Leistungserbringungsrechts, bestehe weder ein Vergütungs- noch ein Bereicherungsanspruch.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Ihr stehe nach § 115b Abs 2 Satz 4 SGB V ein gesetzlicher Anspruch auf Vergütung der Koloskopie als ambulante Operation zu. Zumindest könne sie nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen eine Vergütung wie bei einer ambulanten Operation beanspruchen.

Die Klägerin beantragt,

die und des SG Speyer vom zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr 516,14 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Zu Unrecht hat das LSG entschieden, dass die vollstationäre Versorgung des Versicherten einem Anspruch auf Vergütung der Koloskopie als ambulante Operation grundsätzlich entgegensteht (dazu 1. bis 3.). Die vom LSG getroffenen Feststellungen erlauben dem Senat aber nicht, über den Vergütungsanspruch abschließend selbst zu entscheiden (dazu 4.).

1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das LSG davon aus, dass die Unterbringung und Versorgung des Versicherten im Krankenhaus als vollstationäre Krankenhausbehandlung zu bewerten ist. Die Abgrenzung zwischen vollstationärer, teilstationärer und ambulanter Krankenhausbehandlung hat nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) von dem Merkmal der geplanten Aufenthaltsdauer im Krankenhaus auszugehen. Danach ist eine Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses gegeben, wenn sich der Aufenthalt zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Mit dieser Definition ist die vollstationäre Krankenhausbehandlung erfasst. Demgemäß findet ein Eingriff in der Regel nur ambulant iS des § 115b SGB V (hier anzuwenden in der bis zum geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom , BGBl I 2626) statt, wenn der Patient die Nacht vor und die Nacht nach dem Eingriff nicht im Krankenhaus verbringt (BSGE 92, 223 = SozR 4-2500 § 39 Nr 1 RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 10 f). Das war hier nicht der Fall; bereits bei Aufnahme war ein durchgehender Verbleib des Versicherten im Krankenhaus über mehrere Tage geplant, so wie er auch erfolgt ist. Tatsächlich hat die Klägerin mithin eine vollstationäre Leistung erbracht.

2. Weiter zutreffend hat das LSG entschieden, dass die Klägerin für die vollstationäre Behandlung einen Vergütungsanspruch nicht erworben hat; das zieht sie zwischenzeitlich selbst nicht mehr in Zweifel. Dem steht § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V iVm § 115b SGB V und dem auf dieser Rechtsgrundlage geschlossenen "Vertrag nach § 115b Abs 1 SGB V - Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus" (im Folgenden: VAOK - hier anzuwenden in der ab geltenden Fassung [DÄ 2003, Beilage zu Heft 37]) entgegen.

a) Der nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich unmittelbar durch die Inanspruchnahme der Leistung seitens des Versicherten ausgelöste und auf § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V beruhende Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses für eine stationäre Behandlung (vgl BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3; BSGE 90, 1, 2 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20) entsteht nur, soweit die stationäre Versorgung iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich gewesen ist. Das setzt voraus, dass die notwendige medizinische Versorgung nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses durchgeführt werden kann und eine ambulante ärztliche Versorgung nicht ausreicht, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (vgl Urteil des erkennenden Senats vom - B 3 KR 19/05 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 13; -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 16 ff; BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4 RdNr 13; BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2 RdNr 9 mwN). Das ist bei ambulant durchführbaren Operationen und sonstigen stationsersetzenden Eingriffen nach § 115b SGB V in der Regel nicht der Fall. Diesbezüglich haben die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam, die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe vereinbart (§ 115b Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V). Darin sind diejenigen ambulant durchführbaren Operationen und stationsersetzenden Eingriffe gesondert benannt, die in der Regel ambulant durchgeführt werden können, und allgemeine Tatbestände zu bestimmen, bei deren Vorliegen eine stationäre Durchführung erforderlich sein kann (§ 115b Abs 1 Satz 2 SGB V). Dadurch sind die bis dahin grundsätzlich Vertragsärzten vorbehalten gewesenen ambulanten Operationen für Krankenhäuser geöffnet worden, um Anreize für medizinisch nicht erforderliche und teure vollstationäre Maßnahmen abzubauen und damit zur Kostensenkung beizutragen (vgl BT-Drucks 12/3608, S 103).

b) Der Vorrang des ambulanten Operierens vor der stationären Versorgung steht dem nunmehr auch von der Klägerin selbst nicht mehr verfolgten Anspruch auf Vergütung der Koloskopie als stationäre Leistung entgegen. Die totale Koloskopie einschließlich der Abtragung von Polypen (Nr 764 und Nr 765 EBM) ist von den Parteien des VAOK nach dessen Anlage 1 als eine bei Erwachsenen regelmäßig ambulant durchführbare Operation qualifiziert worden. Gründe für eine gleichwohl vollstationäre Leistungserbringung lagen nach den vom LSG in Bezug genommenen, von der Klägerin nicht angegriffenen und für den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des SG nicht vor. Ansprüche aus § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit den dazu geschlossenen Landesverträgen sind deshalb nicht entstanden.

3. Aus der fehlenden Vergütungsfähigkeit der vollstationären Leistung hat das LSG zu Unrecht abgeleitet, dass auch die darin enthaltene Untersuchungs- und Operationsleistung selbst nicht vergütet werden kann. Das ergibt sich aus den Vorschriften zum ambulanten Operieren nicht.

Sie gewähren dem nach § 115b Abs 2 Satz 1 SGB V zur Durchführung von ambulanten Operationen zugelassenen Krankenhaus einen - auf die ärztliche Leistung beschränkten - Vergütungsanspruch für eine ambulant durchführbare Operation vielmehr auch dann, wenn diese ohne ausreichenden medizinischen Anlass - wie hier - stationär erbracht worden ist. Ein vergütungsausschließender Verstoß gegen zwingende Vorschriften des Leistungserbringerrechts ist darin nicht zu erblicken.

a) Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der zum ambulanten Operieren zugelassenen Leistungserbringer ist § 115b SGB V iVm dem VAOK. Danach vereinbaren die Vertragsparteien gemäß § 115b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V im VAOK "einheitliche Vergütungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte" für den nach dem Vertrag zu bestimmenden Katalog ambulant durchführbarer Operationen. Gestützt darauf haben die nach § 115b Abs 1 Satz 1 SGB V berufenen Vertragspartner in § 7 Abs 1 VAOK bestimmt, dass die im Katalog ambulant durchführbarer Operationen aufgeführten Leistungen "auf der Grundlage des EBM und ggf. des BMÄ und der E-GO nach den für die Versicherten geltenden vertragsärztlichen Vergütungssätzen vergütet werden". Demzufolge erwirbt ein zum ambulanten Operieren zugelassener Leistungserbringer einen vertraglichen Vergütungsanspruch für eine ambulant durchführbare Operationsleistung nach Maßgabe der einschlägigen EBM-Gebührenlegende, sobald deren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Entsprechendes gilt für ein zum ambulanten Operieren zugelassenes Krankenhaus, das gemäß § 115b Abs 2 Satz 4 SGB V einen unmittelbar von den Krankenkassen zu vergütenden Anspruch nach Maßgabe der Bewertung durch den EBM in Höhe der vergleichbaren Vergütung einer Facharztpraxis (vgl BSG SozR 3-2500 § 115b Nr 2 S 6) erlangt, sobald es mit einer ambulant durchführbaren Operation eine nach dem jeweiligen EBM-Gebührentatbestand berechnungsfähige Leistung erbracht hat.

b) Im Bewertungsgefüge des EBM sind Operationsleistungen eines zum ambulanten Operieren zugelassenen Leistungserbringers auch dann wie eine ambulante Operation bewertet, wenn die Behandlung stationär erfolgte.

aa) Die Berechnungsfähigkeit einer im Krankenhaus erbrachten ärztlichen Leistung nach dem EBM knüpft unabhängig von der Form der Leistungserbringung grundsätzlich nur daran an, dass die in der maßgeblichen Gebührenlegende umschriebene Untersuchungs- oder Behandlungsleistung von einem für ihre Abrechnung zugelassenen Leistungserbringer tatsächlich erbracht worden ist. Ob der behandelnde Arzt ambulant oder stationär tätig war, ist nach den Gebührenlegenden regelmäßig - über die Zuschläge zum ambulanten Operieren nach EBM-Abschnitt A VI ist hier nicht zu entscheiden - ohne Bedeutung. Nicht vorausgesetzt ist deshalb, dass die ärztliche Behandlung im Sinne der Abgrenzung zwischen ambulanter und stationärer Krankenhausbehandlung ambulant durchgeführt worden ist und daher im Krankenhaus keine Aufnahme des versorgten Patienten für die Dauer einer Nacht und eines Tages stattgefunden hat. Generell ist vielmehr die ambulante Leistungserbringung keine Vergütungsvoraussetzung der im EBM bewerteten ärztlichen Leistungen. Das ist schon deshalb ausgeschlossen, weil der EBM auch die Vergütung der belegärztlichen Leistungen abdeckt und damit definitionsgemäß auch für ärztliche Leistungen gilt, die einen stationären Aufenthalt des Patienten im Krankenhaus voraussetzen (§ 121 Abs 2 SGB V; zu Einzelheiten BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 1 RdNr 5 ff).

bb) Auch nach den Leistungsanforderungen im Übrigen ist es für den EBM grundsätzlich irrelevant, ob eine ambulant durchführbare Operation ambulant oder stationär ausgeführt worden ist. Bedeutung hat die ambulante Durchführbarkeit von Operationen für ihre Berechnungsfähigkeit nach dem EBM allenfalls insoweit, als für das ambulante Operieren besondere Anforderungen an die Qualifikation des operierenden Arztes, die räumliche und sächliche Ausstattung der Praxis sowie für die Vor- und Nachsorge vor und nach Durchführung der Operation gestellt sind (vgl § 15 VAOK). Daran knüpft der EBM an und macht die Einhaltung der Qualitätsanforderungen zur Berechnungsvoraussetzung (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 115b Nr 3 S 9). Insoweit fehlt einer ambulant durchgeführten Operation die Vergütungsfähigkeit, wenn die für das ambulante Operieren vorgegebenen personellen und sächlichen Mindeststandards unterschritten sind. Offensichtlich ist eine Vergütung nach dem EBM hingegen nicht ausgeschlossen, wenn diese Standards - ohne dass dafür ein medizinisches Erfordernis bestand - durch stationäre Aufnahme des Patienten übererfüllt worden sind.

cc) Erfüllt eine Leistung die Abrechnungsvoraussetzungen nach dem EBM, ist die Vergütung auch der Höhe nach unabhängig davon, ob die abgegoltene Leistung ambulant oder stationär durchgeführt worden ist; sie ist immer auf die ambulante Leistungserbringung ausgerichtet. Die nach dem EBM bewertete Vergütung von ambulant durchführbaren Operationen deckt ausschließlich den ärztlichen Aufwand für die Operation selbst sowie grundsätzlich (vgl EBM, Allgemeine Bestimmungen A I 2.) die bei einer ambulanten Durchführung anfallenden Kosten ab; die Mehrkosten aufgrund eines zusätzlichen Pflege- und Infrastrukturaufwands bei stationärer Leistungserbringung sind nicht vergütungsfähig und verbleiben bei dem, der eine ambulant durchführbare Operation ohne medizinischen Anlass stationär durchgeführt hat. Für die Krankenkasse als Kostenträger nach § 115b Abs 2 Satz 4 SGB V ist es deshalb ohne Bedeutung, ob die ambulant durchführbare Operation im Krankenhaus tatsächlich ambulant oder ohne Grund stationär durchgeführt worden ist.

c) Dem Erwerb eines Vergütungsanspruchs nach den Vergütungsvorschriften zum ambulanten Operieren gemäß § 115b SGB V steht nicht entgegen, dass das Krankenhaus bei einer iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V medizinisch indizierten stationären Versorgung einen auf § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V gestützten Anspruch auf Vergütung der stationären Versorgung erworben hätte.

Zwar verdrängt der Anspruch aus § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V den Anspruch aus § 115b SGB V, wenn eine an sich ambulant durchführbare Operation aus medizinischen Gründen stationär durchgeführt werden musste und worden ist; in dieser Konstellation stehen beide Vorschriften in Anspruchskonkurrenz und ist der Anspruch aus § 115b SGB V von dem weitergehenden Anspruch aus § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V umfasst. Solche Verdrängungswirkungen entfaltet § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V aber nicht, wenn das Krankenhaus - wie hier - eine ambulant mögliche Operationsleistung ohne medizinische Erforderlichkeit stationär durchgeführt hat und deshalb ein Vergütungsanspruch nach § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V nicht entstanden ist. In diesem Fall ergibt sich weder aus § 115b SGB V und den darauf gestützten Vorschriften des VAOK noch aus systematischen Gründen, dass ein Anspruch aus § 115b SGB V trotz Erfüllung der dort normierten Tatbestandsvoraussetzungen nicht entstehen kann.

aa) Aus § 109 Abs 4 Satz 3 und § 115b SGB V und den darauf gestützten vertraglichen Regelungen folgt, welche Vergütung das Krankenhaus bei ordnungsgemäß erbrachten stationären und ambulanten Leistungen beanspruchen kann. Jedoch begründen die Regelungen keine Sperrwirkung in dem Sinne, dass eine zu Unrecht stationär durchgeführte Operation nicht als ambulante Leistung vergütet werden kann. Den gesetzlichen Vorschriften ist das schon im Ansatz nicht zu entnehmen. Aber auch der auf § 115b SGB V gestützte VAOK enthält ein solches Vergütungsverbot nicht. Ein solches Verbot ergibt sich insbesondere nicht aus dessen § 7 Abs 2. Dort ist geregelt, dass die Vergütung nach Maßgabe der für die stationäre Versorgung geltenden Vorschriften zu erfolgen hat, wenn "der Patient an demselben Tag in unmittelbaren Zusammenhang mit dem ambulanten Eingriff eines Krankenhauses stationär aufgenommen" wird. Diese Regelung löst die Konkurrenz zwischen dem ambulanten und dem stationären Vergütungsregime für den Fall, dass der zu Anfang als ambulant angelegten Operation aus medizinischen Gründen eine stationäre Aufnahme im Krankenhaus nachfolgen muss; unter dieser Voraussetzung ist die ambulant begonnene Operation nach § 7 Abs 2 VAOK insgesamt als stationäre Leistung zu vergüten. Daraus folgt aber nicht, dass eine von Anfang an ohne ausreichenden medizinischen Anlass stationär angelegte Operation nur nach dem stationären Vergütungsregime vergütet werden dürfte und deshalb ein Vergütungsanspruch vollständig ausfällt; diese Fallgestaltung ist von § 7 Abs 2 VAOK nicht umfasst.

bb) Auch die Regelungssystematik steht der Vergütung einer gegen den Vorrang des ambulanten Operierens zu Unrecht stationär erbrachten Operation als ambulante Leistung nicht entgegen.

Im Gegenteil verwirklicht sich mit der Begrenzung der Vergütung auf den von Anfang an bei einer ambulanten Leistungserbringung zu beanspruchenden Betrag der Regelungszweck des § 115b SGB V, um der Wirtschaftlichkeit der Versorgung willen auch die Krankenhäuser zur Durchführung von ambulanten Operationen anzuhalten und als stationär zu vergütende Leistungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Dieser Regelungszweck zwingt nicht dazu, dem Krankenhaus bei einem isolierten Verstoß gegen den Vorrang des ambulanten Operierens jeglichen Vergütungsanspruch zu streichen; er könnte dies im Übrigen auch nicht rechtfertigen. Ob etwas anderes gelten würde, wenn ein Krankenhaus systematisch gegen den Vorrang des ambulanten Operierens verstoßen und dadurch in das Wettbewerbsgefüge zu Lasten von anderen Leistungserbringern eingreifen würde, ist hier nicht zu entscheiden.

d) Diesem Ergebnis steht die Rechtsprechung des BSG zur Einhaltung des Leistungserbringungsrechts als Vergütungsvoraussetzung nicht entgegen. Zutreffend hat das LSG zwar auf die ständige Rechtsprechung des BSG hingewiesen, wonach einem Leistungserbringer grundsätzlich auch bereicherungsrechtliche Ansprüche nicht zustehen, wenn die Vergütung nach dem Leistungserbringungsrecht von formalen oder inhaltlichen Voraussetzungen abhängt und der Leistungserbringer hiergegen verstoßen hat (vgl BSG SozR 4-5570 § 30 Nr 1 RdNr 23; BSGE 74, 154, 158 = SozR 3-2500 § 85 Nr 6 S 35 f; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14; stRspr). So liegt es aber hier nicht. Die vorliegende Fallgestaltung entspricht auch ansonsten der Rechtsprechung des BSG, dass Leistungserbringer bei unwirtschaftlichem Verhalten auf das Maß der Vergütung bei wirtschaftlicher Leistungserbringung gekürzt werden, Kürzungen darüber hinaus aber grundsätzlich ausgeschlossen sind (vgl zur vertrags[zahn]ärztlichen Vergütung BSGE 62, 24, 31 = SozR 2200 § 368n Nr 48, S 156, 163; BSG SozR 2200 § 368n Nr 49, S 164, 168; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36, S 199, 207; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 38, S 209, 212).

Nicht einschlägig ist schließlich die Entscheidung des 6. Senats des (SozR 4-2500 § 39 Nr 3), wonach eine von einem Vertragsarzt ambulant durchgeführte Operation mit anschließendem stationären Aufenthalt des Versicherten nicht der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen ist. Maßgebend für diese Entscheidung war die Erwägung, dass durch eine derartige Koppelung von ambulanter und stationärer Behandlung die Vorgaben der nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz durchzuführenden staatlichen Krankenhausbedarfsplanung unterlaufen werden (vgl BSG, aaO, RdNr 13). Diese Grenze ist aber hier nicht berührt. Die ambulante Behandlung nach § 115b SGB V rechnet ebenso wie die stationäre Versorgung zu den Behandlungsformen, die im zugelassenen Krankenhaus nach Maßgabe seines Zulassungsstatus erbracht werden können (vgl § 39 Abs 1 Satz 1 SGB V). Die stationäre Durchführung einer Koloskopie ohne medizinische Notwendigkeit und damit unter Verstoß gegen den Vorrang des ambulanten Operierens ist zwar unwirtschaftlich und deshalb nicht vergütungsfähig, soweit die Kosten die bei einer ambulanten Operation anfallende Vergütung übersteigen. Jedoch verletzt das Krankenhaus nicht den ihm grundsätzlich vorgegebenen Behandlungsauftrag, wenn es die Grenzen der stationären Behandlungsmöglichkeiten irrtümlich verkennt.

4. Eine abschließende Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch ist dem Senat auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht möglich. Ihnen kann bereits nicht entnommen werden, ob die Vergütungsvoraussetzungen der Hauptleistung mit Nr 764 (Totale Koloskopie) und Nr 765 (Zuschlag für die Abtragung von Polypen) in jeder Hinsicht - vor allem in Bezug auf den zeitlichen Ablauf und die notwendige Aufklärung des Versicherten - erfüllt sind. Zudem fehlen nähere Feststellungen dazu, ob die weiteren Gebührenpositionen - etwa die Berechnungen von Zuschlägen für die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen zur Unzeit - und die gesondert berechneten Laborkosten abrechnungsfähig sind oder ob - wie die Beklagte meint - bei ambulanter Durchführung der Koloskopie nur 179,54 Euro zu vergüten sind. Dies wird das LSG abschließend festzustellen haben.

5. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren bleibt dem LSG vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz.

Fundstelle(n):
BAAAD-05478