Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BtMG § 29a; BtMG § 30; StGB § 25; StGB § 27; StGB § 52; StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4
Instanzenzug: LG Dresden, vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten Ah. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Nichtrevidenten C. F. , K. und I. A. hat es wegen Beihilfe zur Tat des Angeklagten Ah. zu geringeren Freiheitsstrafen verurteilt, deren Vollstreckung hinsichtlich K. und I. A. zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten Ah. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
1.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
a)
Der 22-jährige Angeklagte Ah. befand sich im Mai 2007 in finanziellen Schwierigkeiten. Er begehrte von seinem irakischen Landsmann K. ein Darlehen über 2.000 EUR. Nachdem K. dieses Ansinnen abgelehnt hatte, bat Ah. um Hilfe beim Ankauf von Drogen zum Gewinn bringenden Weiterverkauf. K. und I. A. fühlten sich auf Grund ihrer gemeinsamen kurdischen Volkszugehörigkeit verpflichtet, Ah. zu helfen, und erklärten sich bereit, die zum Erwerb von Drogen in der Tschechischen Republik notwendigen Kontakte herzustellen. K. erlangte noch an demselben Tag die Zusage des deutschen Drogenhändlers C. F. , am nächsten Tag mit den Irakern nach Teplice zu fahren.
K. vermittelte dort den Kontakt zu einem Rauschgifthändler, von dem Ah. 744 Gramm Crystal (437 Gramm Metamphetamin Base) erwarb und in seinem Pkw unter der hinteren Sitzbank versteckte. F. hatte das Rauschgift geprüft und dessen Qualität als gut befunden. Ah. reiste allein zurück. Bei einer Kontrolle nach Überschreiten der bundesdeutschen Grenze wurde das Rauschgift entdeckt und Ah. festgenommen.
b)
Der Angeklagte Ah. hat nach seiner vorläufigen Festnahme am - bestätigt bei seiner Aussage vor dem Ermittlungsrichter - gestanden, gegen eine Belohnung von 1.200 EUR "im Auftrag des C. " 250 Gramm Kokain nach Deutschland eingeführt zu haben. Nach einem Monat in Untersuchungshaft hat er seine Einlassung geändert und - wie auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung - vorgetragen, K. sei der Erwerber der Drogen gewesen und er sei nach Reparatur seines Wagens in seiner Abwesenheit unter Bedrohung mit einer Waffe durch I. A. zu dem Drogentransport genötigt worden. Diese Verteidigungsvariante hat das Landgericht unter Heranziehung objektiver Umstände widerlegt.
c)
Die Angeklagten K. und I. A. haben in ihren ermittlungsrichterlichen Vernehmungen vom jede Tatbeteiligung bestritten und geltend gemacht, in Teplice Frauen besucht zu haben. In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte K. über seinen Verteidiger Angaben gemacht, denen sich I. A. und F. angeschlossen haben und die das Landgericht den Schuldsprüchen zugrundegelegt hat.
2.
Die Würdigung des Landgerichts, mit der es die Einlassungen der Nichtrevidenten zum täterschaftlichen Handeltreiben als glaubhaft und die Einlassung des Revidenten als unglaubhaft erachtet hat, hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. Sie erfüllt nicht die besonderen Anforderungen, die in der auch hier insoweit gegebenen Konstellation Aussage gegen Aussage zu stellen sind (vgl. BGHR StPO § 261 Mitangeklagte 2; BtMG § 29 Beweiswürdigung 7; BGH StV 2000, 243, 244; 2007, 284, 285; Brause NStZ 2007, 505, 509 f.) und die es gebieten, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in seine Überlegungen einzubeziehen und in besonderem Maße eine Gesamtwürdigung aller Indizien vorzunehmen hat (vgl. BGH StV 2000, 599; 2002, 467, 468). Daran fehlt es hier.
Zwar hat sich das Landgericht zutreffend davon überzeugt, dass die zuletzt vom Angeklagten Ah. vorgetragene Verteidigungsversion - zum Drogentransport genötigt - nicht der Wahrheit entspricht. Damit war das Landgericht aber nicht von der weitergehenden Prüfung entbunden, welche Tatversion als Grundlage des Schuldspruchs für ein täterschaftliches unerlaubtes Handeltreiben genommen werden durfte. Die Würdigung des Landgerichts ist insoweit in mehrfacher Hinsicht lückenhaft.
a)
Es hat lediglich die Einlassung des Revidenten geprüft, ob diese darauf ausgerichtet sein konnte, dessen Tathandlung auf die Mitangeklagten "abzuwälzen" (UA S. 35). Indes hätten schon die festgestellten Umstände Anlass geboten, auch umgekehrt eine wahrheitswidrige Belastung des Revidenten durch die Nichtrevidenten in Erwägung zu ziehen.
Deren Einlassungen beruhten nämlich auf einer in Kenntnis des gesamten Verfahrensstoffes gefertigten schriftlichen Verteidigererklärung von minderer Überzeugungskraft (vgl. BGH NJW 2003, 2692, 2694) und bargen als interessengelenkte Aussagen ein unerörtert gebliebenes Falschbelastungsrisiko (vgl. BGH StV 2004, 578, 579 ; Brause aaO S. 510). Die Einlassungen bezweckten die jeweils eigene Verurteilung wegen Beihilfe, was indes nahezu zwingend die Verurteilung des Revidenten wegen täterschaftlichen Handeltreibens vorausgesetzt hätte.
b)
Das Landgericht hat es ferner unterlassen, die Plausibilität der Einlassungen der Nichtrevidenten kritisch zu prüfen (vgl. BGHSt 50, 80, 85 ; 51, 324, 325). Dabei hätte sich die Erörterung aufgedrängt, ob es nicht jeder kriminalistischen Erfahrung widerspricht (vgl. ), dass die kurdischen Nichtrevidenten aus Altruismus ein unverhältnismäßig hohes Bestrafungsrisiko eingegangen sind, nur um einen Landsmann, zu dem keine näheren Bindungen bestanden, in eher geringem Umfang finanziell besser zu stellen (vgl. auch BGH StV 2008, 182, 184).
c)
Schließlich hat das Landgericht die erste geständige Einlassung des Angeklagten Ah. - Einfuhr von Betäubungsmitteln als Kurier des damals hauptberuflich als Betäubungsmittelhändler tätig gewesenen Angeklagten F. (UA S. 12) - nicht erwogen, obwohl diese Tatvariante den Interessen dieser beiden Angeklagten in vollem Umfang entsprochen hätte.
3.
Der Senat schließt angesichts der noch zur Verfügung stehenden Beweismittel minderer Qualität aus, dass ein neues Tatgericht weitergehende als diese zuletzt genannten, dem angefochtenen Urteil zu entnehmenden Mindestfeststellungen zum Nachteil des Angeklagten wird treffen können (vgl. BGH StV 2007, 284, 285), dessen Vorsatz sich selbstverständlich auf das eingeführte Rauschgift bezog. Hiervon ausgehend ändert der Senat den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Das neue Tatgericht wird auf der Grundlage dieser Mindestfeststellungen und der zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen eine neue Strafe zu bestimmen haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
JAAAD-05471
1Nachschlagewerk: nein