BFH Beschluss v. - I B 107/08

Zurückweisung eines Bevollmächtigten mit ausländischem (Wohn-) Sitz

Gesetze: FGO § 62 Abs. 2, FGO § 76, StBerG § 3, StBerG § 3a

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Beschwerdeführer traten in einem finanzgerichtlichen Verfahren als Prozessbevollmächtigte auf. Die Beschwerdeführerin zu 3. ist eine in Großbritannien registrierte „Rechtsanwaltsgesellschaft Limited” mit einem „Büro” in den Niederlanden und einer „Beratungsstelle” in Deutschland. Ihre Schriftsätze sind vom Beschwerdeführer zu 2. unterzeichnet. In Deutschland ist sie nicht als Rechtsanwaltsgesellschaft anerkannt.

In dem Klageverfahren der X-GmbH (Klägerin) über die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz die Beschwerdeführer durch Beschlüsse in der mündlichen Verhandlung am 5 K 2353/05 als Bevollmächtigte zurückgewiesen. Dieser Zurückweisung war die Zurückweisung der früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin —einer in Großbritannien registrierten Y Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft Ltd. mit einem „Büro” in . (Belgien), deren Schriftsätze von der Beschwerdeführerin zu 1. unterzeichnet waren— vorausgegangen. Eine Beschwerde gegen diese frühere Zurückweisung blieb erfolglos (Senatsbeschluss vom I B 70/07, BFH/NV 2007, 2357; s.a. Senatsbeschluss vom I S 19/07, nicht veröffentlicht).

In den hier angefochtenen Zurückweisungsbeschlüssen hat das FG zu den Beschwerdeführern zu 1. und zu 2. auf rechtskräftige Zurückweisungen in anderen bei ihm anhängig gewesenen Verfahren verwiesen (zur Beschwerdeführerin zu 1.: Urteil vom in der Sache 5 K 2269/06 mit ; zum Beschwerdeführer zu 2.: Urteil vom in der Sache 5 K 1831/05 mit , BFH/NV 2007, 1195). Darüber hinaus hat es seine Zurückweisung damit begründet, dass alle Beschwerdeführer nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft, regelmäßig wiederkehrend und kontinuierlich im Inland steuerberatend tätig seien.

Die Beschwerdeführer haben an der mündlichen Verhandlung der Streitsache 5 K 2353/05 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht teilgenommen; einem Antrag auf Terminsverlegung hatte das FG nicht entsprochen. Die Beschwerdeführerin zu 3. hatte durch Schriftsatz vom erklärt, dass „die Klägerseite unter Protest am Termin, so er stattfindet, nicht teilnehmen wird, um dem garnicht erst den Anschein eines ordnungsgemäßen Verfahrens zu geben"; so sei die Ladung der Beschwerdeführer zu 1. und zu 2. „offenkundig nicht (erfolgt), um mit ihnen zu verhandeln; es wird klägerseits unterstellt, dass die beiden im Termin zurückgewiesen und damit 'mundtot' gemacht werden sollen”.

Mit ihrer Beschwerde —der das FG nicht abgeholfen hat— beantragen die Beschwerdeführer, den Beschluss aufzuheben. Es liege wegen fehlender Gewährung rechtlichen Gehörs eine „Überraschungsentscheidung” vor; die Befugnis der Beschwerdeführerin zu 3. werde im Übrigen nicht aus § 3 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) abgeleitet, sondern beruhe auf § 3 Nr. 1 StBerG.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das FG die Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigte nach der im Zeitpunkt des Beschlusses geltenden Regelung des § 62 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung —i.d.F. vor dem Inkrafttreten der Änderungen durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom (BGBl I 2007, 2840)— (FGO a.F.) zurückgewiesen, weil sie nicht zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen im Inland befugt waren.

1. Der Zulässigkeit der am erhobenen Beschwerde steht nicht entgegen, dass nach der im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung geltenden Rechtslage (seit dem ) eine Beschwerde gegen die Entscheidung über die Zurückweisung eines Bevollmächtigten nach § 62 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —nach dem Inkrafttreten der Änderungen durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom (BGBl I 2007, 2840)— (FGO) ausgeschlossen ist. Eine Einschränkung gilt für bereits anhängige Beschwerdeverfahren nicht.

2. Ein Verstoß des FG gegen die Pflicht, rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) zu gewähren, liegt nicht vor. Den Beschwerdeführern zu 1. und zu 2. war aus den vorausgegangenen —sie persönlich betreffenden— Zurückweisungsverfahren bekannt, dass eine Zurückweisung auch in dem jetzt anhängigen Rechtsstreit drohte. Sie brachten eine solche Maßnahme gerade auch in einen Zusammenhang mit der persönlichen Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung. Für die Beschwerdeführerin zu 3. lag durch den personalen Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer zu 2. jedenfalls nahe, dass das FG auch in ihrem Fall —wie bei der ursprünglich aufgetretenen Prozessbevollmächtigten als (ebenfalls) im Ausland registrierter Limited mit einem personalen Zusammenhang zur Beschwerdeführerin zu 1.— eine Zurückweisung erwägen könnte. Wenn unter diesen Voraussetzungen die Möglichkeit, die mit einer Zurückweisung zusammenhängenden Fragen im Zuge der mündlichen Verhandlung beim FG zu erörtern, von den Beschwerdeführern bewusst nicht genutzt wurde, sie damit nicht alles ihnen Mögliche veranlasst haben, sich Gehör zu verschaffen, können sie sich auf eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör bzw. eine zu ihren Lasten gehende unzulässige „Überraschungsentscheidung” nicht berufen (s. allgemein z.B. Senatsbeschluss vom I B 162/07, BFH/NV 2008, 1353). Im Übrigen war das FG nicht gehindert, die Zurückweisungsbeschlüsse erst in der mündlichen Verhandlung zu fassen. Auch aus § 76 FGO ist nicht abzuleiten, dass eine Zurückweisung stets im vorbereitenden Verfahren (bzw. vor einer Terminsladung) erfolgen muss. Dies gilt in besonderem Maße, wenn die Zurückweisung unter Hinweis auf tatsächliche Erkenntnisse erfolgt (z.B. die Frage, ob eine Dienstleistung nur gelegentlich im Inland erbracht wird), deren Gesamtbild sich gegebenenfalls auch erst in einem späteren Verfahrenszeitpunkt erschließt.

3. a) Zur Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Beschwerdeführer zu 1. und zu 2. verweist der Senat inhaltlich auf den gegenüber dem Beschwerdeführer zu 2. ergangenen (juris). In diesem Beschluss ist ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer zu 2. die nach Maßgabe des Steuerberatungsgesetzes notwendige Erlaubnis fehlt, da die Bestellung als Steuerberater widerrufen wurde (§ 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 3 Nr. 1 StBerG) und dass ein Erlaubnistatbestand für eine grenzüberschreitende Dienstleistung von der im Ausland gelegenen beruflichen Niederlassung aus nicht einschlägig ist. Dies gilt sowohl nach dem vom FG bei der Prüfung herangezogenen § 3 Nr. 4 StBerG i.d.F. vor der Änderung durch das Achte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (StBerG a.F.) als auch nach dem seit dem gültigen § 3a Abs. 1 Satz 1 StBerG (i.d.F. des Achten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes —8. StBerÄndG—, BGBl I 2008, 666 [StBerG n.F.]). Von einer —nur wiederholenden— Darstellung der rechtlichen Erwägungen in dem im Einzelnen sieht der Senat ab. Diese Erwägungen gelten uneingeschränkt auch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Beschwerdeführerin zu 1.

b) Auch der Beschwerdeführerin zu 3. fehlt die nach Maßgabe des Steuerberatungsgesetzes notwendige Erlaubnis zur unbeschränkten bzw. zur vorübergehenden bzw. gelegentlichen Hilfeleistung in Steuersachen. Die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen steht zwar auch Personen und Vereinigungen zu, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, soweit sie mit der Hilfeleistung eine Dienstleistung nach Art. 50 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) i.d.F. des Vertrags von Nizza erbringen (s. BFH-Beschlüsse vom VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422; Senatsbeschluss in BFH/NV 2007, 2357; , juris). Dies folgt aus § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG a.F. und nun aus § 3a Abs. 1 Satz 1 StBerG n.F.

Das 8. StBerÄndG dient nach dem amtlichen Hinweis der Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, geändert durch die Richtlinie 2006/100/EG des Rates vom . Eine zu Gunsten der Beschwerdeführerin zu 3. durchgreifende Rechtsänderung ist in der Neuregelung nicht zu erkennen. In dem schon vom FG herangezogenen Senatsbeschluss in BFH/NV 2007, 2357 ist zutreffend ausgeführt, dass der maßgebende Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EG nur grenzüberschreitende vorübergehende Hilfeleistung in Steuersachen erfasst (s. jetzt auch ausdrücklich § 3a Abs. 1 Satz 1 StBerG n.F.). Ob eine grenzüberschreitende Dienstleistung einen nur vorübergehenden Charakter hat, beurteilt sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität. Diese somit schon nach alter Gesetzesfassung maßgeblichen Merkmale sind nunmehr in das Gesetz aufgenommen (s. § 3a Abs. 1 Satz 5 StBerG n.F.). Nach den —unbestrittenen— tatsächlichen Feststellungen des FG ist die Beschwerdeführerin zu 3. nicht nur vorübergehend im Inland tätig.

Die Beschwerdeführerin zu 3. kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 3 Nr. 1 StBerG berufen. Für eine „Person oder Vereinigung, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland oder in der Schweiz beruflich niedergelassen ist und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten”, lässt sich eine Erlaubnis ausschließlich aus § 3 Nr. 4 StBerG a.F. bzw. aus § 3a Abs. 1 StBerG n.F. ableiten. Dass im Bereich der Dienstleistungsfreiheit Gesellschaften den natürlichen Personen gleichzustellen sind, kann angesichts der Spezialregelung in § 3 Nr. 4 StBerG a.F. den Rückgriff auf § 3 Nr. 1 StBerG (Berufsträger) nicht rechtfertigen; im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass zugunsten der Beschwerdeführerin zu 3. das Niederlassungserfordernis nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (vom , BGBl I 2000, 182, 1349) erfüllt ist.

Fundstelle(n):
AO-StB 2009 S. 70 Nr. 3
MAAAD-03649