Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses; Darlegung einer Divergenz und eines Verfahrensmangels; Anspruch auf rechtliches Gehör
Gesetze: AO § 95, AO § 284, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, FGO § 96 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Wegen rückständiger Steuern und steuerlichen Nebenleistungen wurde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass das FA die Entscheidung über die Ladung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ermessensfehlerfrei getroffen habe. Die vom Kläger im Rahmen einer versuchten Pfändung abgegebene Erklärung könne nicht als Vermögensverzeichnis i.S. des § 284 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) angesehen werden. Auch der Einwand des Klägers, dass die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu wirtschaftlichen Nachteilen führe, belege keinen Ermessensfehler. Seine Einwendungen, dass die der Vollstreckung zugrunde liegenden Forderungen nicht wirksam festgesetzt worden seien und dass Zahlungsverjährung eingetreten sei, könnten nur außerhalb des Vollstreckungsverfahrens, z.B. im Rahmen eines Abrechnungsverfahrens Berücksichtigung finden. Auch die Möglichkeit einer Änderung des Steuerbescheides oder eines späteren Erlasses der Steuerforderungen könnten für sich allein nicht dazu führen, die Aufforderung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als ermessensfehlerhaft anzusehen. Darüber hinaus sei jedenfalls hinsichtlich eines erheblichen Teils der vom FA geltend gemachten Steuerforderung keine Zahlungsverjährung eingetreten.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) und Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO). Sofern das Gericht der Ansicht sei, dass das FA den rückständigen Forderungsbetrag im angefochtenen Verwaltungsakt fehlerhaft aufgeführt habe, stelle sich die Frage, ob dieser Verwaltungsakt aufgrund der verbliebenen und zutreffenden Rückstände unverändert bestehen bleiben könne, wenn das Gericht diesen Betrag zur Rechtfertigung der Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als ausreichend erachte. Der Rechtsansicht, dass hinsichtlich eines Teils der vom FA geltend gemachten Steueransprüche die Zahlungsverjährungsfrist gemäß § 231 Abs. 1 AO unterbrochen worden sei, könne nicht gefolgt werden. Rechtsfehlerhaft habe das FG einen Anspruch des Klägers auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 257 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgrund eingetretener Verjährung unberücksichtigt gelassen. Anlässlich einer Mobiliarpfändung im September 2006 habe er, der Kläger, Auskunft über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erteilt. Dieser Umstand und der Umfang der Vollstreckungsakte belegten, dass dem FA die Vermögensverhältnisse hinreichend bekannt gewesen seien. Hätte das FG den Sachverhalt hinreichend durch die Auswertung der Vollstreckungsakten aufgeklärt, hätte es zu dieser Erkenntnis gelangen müssen.
Ferner habe das FG unberücksichtigt gelassen, dass hinsichtlich eines überwiegenden Teils der Steuerforderungen die Voraussetzungen für einen Erlass vorlägen, so dass sich die Vollstreckung als Verstoß gegen Treu und Glauben und daher als unbillig darstelle. Auch sei zu berücksichtigen, dass das FA bis zum heutigen Tage über den Erlassantrag nicht entschieden habe. Im Rahmen der Überprüfung einer Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung habe unter Berücksichtigung der drohenden Nachteile eine Güterabwägung zu erfolgen. Sofern ein Unvermögen des Schuldners zur Zahlung vorliege, überwiege dessen Interesse am Schutz vor wirtschaftlichen Nachteilen. Sofern das FG seine Entscheidung auf eine unzureichende Darlegung der wirtschaftlichen Nachteile gestützt habe, hätte es zuvor rechtliches Gehör gewähren und einen richterlichen Hinweis geben müssen. Schließlich sei die Auflistung der bestehenden Steuerrückstände im angefochtenen Bescheid fehlerhaft. Dieser Fehler könne nicht geheilt werden.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen der von ihm angeführten Zulassungsgründe in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt. Die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.
1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Die grundsätzliche Bedeutung hat der Kläger nicht einmal ansatzweise dargelegt; vielmehr beruft er sich auf die Entbehrlichkeit ihrer Darlegung aufgrund der vermeintlichen Offenkundigkeit. Worin die behauptete Offenkundigkeit liegen soll, ist der Beschwerde indes nicht zu entnehmen.
2. Soweit der Kläger eine Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) rügt, fehlt es an der Herausarbeitung und Gegenüberstellung von tragenden und abstrakten Rechtssätzen aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits (BFH-Beschlüsse vom X B 52/03, BFH/NV 2004, 80, und vom XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479) und damit an einer schlüssigen Darlegung der behaupteten Divergenz. Das bloße Vorbringen, die Ansicht des FG, dass die vom Kläger bereits abgegebenen Erklärungen nicht ausreichten und sich die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung daher als rechtsfehlerfrei erweise, sei rechtsfehlerhaft und stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH —ohne genaue Bezeichnung der in Bezug genommenen BFH-Entscheidungen— reicht nicht aus. Abgesehen davon hat der Kläger sich nicht mit der ständigen Rechtsprechung des Senats auseinandergesetzt, wonach nicht einmal eine freiwillig angebotene eidesstattliche Versicherung nach § 95 AO oder ähnliche Angaben des Steuerpflichtigen das FA hindern, nach § 284 AO vorzugehen (z.B. Beschluss vom VII B 52/01, BFH/NV 2002, 1413).
3. Auch die Rüge mangelhafter Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen Nichtberücksichtigung des Inhalts der Vollstreckungsakten ist nicht in der erforderlichen Weise erhoben.
Wird geltend gemacht, das FG hätte den Sachverhalt umfassender aufklären müssen, ist u.a. darzulegen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei der weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern bei der Beweiserhebung eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes auf der Grundlage des materiellen Rechtsstandpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Senatsbeschluss vom VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493, 494, m.w.N.). Schließlich gehört zur ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers mangelhafter Sachaufklärung nach ständiger Rechtsprechung auch der Vortrag, dass die nicht zureichende Aufklärung des Sachverhaltes in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. , BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und Senatsbeschluss vom VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung) hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust —z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde— zur Folge.
Die mangelnde Sachaufklärung kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die mangelhafte Sachaufklärung erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597). Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat der Prozessvertreter des Klägers in Bezug auf die jetzt für notwendig befundene Hinzuziehung des Akteninhalts und Auswertung der Vollstreckungsakten keine Anträge gestellt. Abgesehen davon ist die pauschale Behauptung, die Berücksichtigung des Akteninhalts hätte ergeben, dass über Jahre hinweg unzählige Vollstreckungshandlungen durchgeführt worden sein müssen und dass das FA seit Jahren zuverlässige Kenntnis über die Vermögensverhältnisse des Klägers gehabt habe, nicht ausreichend, um den behaupteten Verfahrensmangel hinreichend zu belegen. Die nicht näher substantiierte Behauptung des Klägers, das FA verweigere ihm die Akteneinsicht, vermag ihn nicht von seiner Darlegungspflicht in Bezug auf die wesentlichen Teile des Akteninhalts zu entbinden. Zumindest aus dem Gedächtnis hätte er die zurückliegenden Vollstreckungsversuche des FA und den vermutlichen Akteninhalt in Bezug auf seine Vermögenslage näher erläutern können.
4. Dem übrigen Vorbringen der Beschwerde hinsichtlich des Eintritts der Festsetzungsverjährung, des Erlassantrages und der unzutreffenden Angabe der Steuerrückstände vermag der Senat keinen Grund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO zu entnehmen, der zur Zulassung der Revision führen könnte. Einen solchen Grund hat der Kläger in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem Vorbringen auch selbst nicht benannt. Im Wesentlichen richten sich die Ausführungen gegen die vermeintlich unzutreffende Rechtsauffassung des FG. Der Kläger setzt seine Rechtsauffassung derjenigen des FG entgegen, ohne sich übrigens mit den Ausführungen des FG auseinanderzusetzen. Etwaige Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen jedoch nicht die Zulassung der Revision (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.).
5. Die behauptete Gehörsverletzung (§ 96 Abs. 2 FGO i.V.m. Art. 103 des Grundgesetzes) liegt nicht vor. Das FG musste den Kläger nicht ausdrücklich auf das Erfordernis einer schlüssigen Darlegung der drohenden wirtschaftlichen Nachteile im Falle der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hinweisen. Vielmehr hätte dem Kläger, der sich auf solche Nachteile ausdrücklich berufen hat, die Bedeutung eines substantiierten Vortrags klar sein müssen. Im Übrigen ist das Gericht nicht dazu verpflichtet, vor seiner Entscheidungsfindung seine Rechtsansicht mündlich oder schriftlich mitzuteilen bzw. die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte und Rechtsfragen im Voraus anzudeuten oder sogar umfassend zu erörtern (BFH-Entscheidungen vom I B 84/05, BFH/NV 2006, 1497, und vom VIII B 344/04, BFH/NV 2006, 78, m.w.N., sowie , BVerfGE 96, 189, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 2305). Auch hat das FG seine Entscheidung nur hilfsweise auf die Unsubstantiiertheit des klägerischen Vortrags gestützt. Getragen wird die Entscheidung bereits von den Ausführungen, dass —selbst belegte— wirtschaftliche Nachteile als vom Gesetzgeber bewusst so gestaltete Folge der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht zu einem Ermessensfehler des FA führen könnten.
Fundstelle(n):
OAAAD-03281