Zurückweisung einer englischen Limited als Prozessbevollmächtigter ohne Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit
Gesetze: FGO § 62 Abs. 2, StBerG § 3 Nr. 3, StBerG § 3 Nr. 4, StBerG § 3a, EG Art. 49, EG Art. 50
Instanzenzug:
Gründe
I. In dem Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) Köln 11 K 363/08 hat das FG die Prozessbevollmächtigte der Kläger (Beschwerdeführerin), eine nach englischem Recht gegründete Limited, die über Geschäftsadressen in Belgien und in den Niederlanden verfügt, gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO— (in der bis geltenden Fassung) zurückgewiesen. Zur Begründung hat das FG im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO seien Bevollmächtigte und Beistände zurückzuweisen, die geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisteten, ohne dazu nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) befugt zu sein. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Die Beschwerdeführerin leiste unbefugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen. Sie gehöre nicht zu dem Kreis der nach §§ 3 und 4 StBerG zur Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen.
Offen könne bleiben, ob die Beschwerdeführerin nach dem Recht der Staaten, in denen sie niedergelassen sei, zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sei. Sie erfülle nämlich die Voraussetzungen des § 3 Nr. 4 StBerG schon deshalb nicht, weil sie nicht nur vorübergehend im Inland tätig sei, wie ihre vielfältigen Tätigkeiten für mehrere Steuerpflichtige an verschiedenen Orten vor verschiedenen Finanzämtern und Finanzgerichten im Inland zeigen würden. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei somit auf eine geschäftsmäßige und dauerhafte Hilfeleistung im Inland gerichtet. Vom Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) seien aber nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) nur vorübergehende grenzüberschreitende Dienstleistungen erfasst. Daran habe weder die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Anerkennung von Berufsqualifikationen —Qualifikations-Anerkennungsrichtlinie— (Amtsblatt der Europäischen Union —ABlEU— Nr. L 255/22) noch die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt —Dienstleistungsrichtlinie— (ABlEU Nr. L 376/36) etwas geändert. Das FG hat ausdrücklich festgestellt, dass diese Richtlinien die Kriterien zur Beurteilung des vorübergehenden Charakters einer Dienstleistung nicht verändert haben und hat auch deshalb eine Vorlage an den EuGH wegen der unstreitigen Auslegung des Begriffs der Dienstleistung ausgeschlossen.
Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss des FG Köln aufzuheben. Sie macht geltend, der angefochtene Beschluss beruhe auf § 3 Nr. 4 StBerG und damit auf einer Bestimmung, die bei Beschlussfassung am längst aufgehoben gewesen sei.
II. Zwar trifft das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu, dass § 3 Nr. 4 StBerG im Zeitpunkt der Beschlussfassung außer Kraft gewesen ist. Dennoch ist die Beschwerde unbegründet.
An die Stelle von § 3 Nr. 4 StBerG ist seit dem § 3a StBerG getreten. Diese Bestimmung setzt die Qualifikations-Anerkennungsrichtlinie um, deren für die Entscheidung des FG maßgeblicher Inhalt vom FG in vollem Umfang berücksichtigt wurde.
Weil die Beschwerdeführerin auch unter Beachtung des § 3a StBerG im Inland nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, hat das FG die Beschwerdeführerin zu Recht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO zurückgewiesen.
1. Die Beschwerdeführerin kann eine Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nicht aus § 3 Nr. 3 StBerG herleiten. Sie ist nicht als eine der dort genannten Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften anerkannt. Die Rechtsform der Limited wird in § 49 Abs. 1 und 2 StBerG nicht genannt. Einer Wirtschaftsberatungsgesellschaft kommt unabhängig von ihrer Rechtsform ohnehin nicht die Befugnis zur Beratung in steuerlichen Angelegenheiten zu.
2. Die Befugnis der Beschwerdeführerin zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen folgt auch nicht aus § 3a StBerG.
Danach sind Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, zur vorübergehenden und gelegentlichen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befugt.
Wenn weder der Beruf noch die Ausbildung zu diesem Beruf im Staat der Niederlassung reglementiert ist, gilt die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen im Inland nur, wenn die Person den Beruf dort während der vorhergehenden zehn Jahre mindestens zwei Jahre ausgeübt hat.
a) Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdeführerin nach dem Recht der Staaten, in denen sie niedergelassen ist, zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist. Es bedarf auch keiner Prüfung, ob die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit im Staat der Niederlassung während der vorhergehenden zehn Jahre mindestens zwei Jahre ausgeübt hat und ob sie die in § 3a Abs. 2 Satz 1 StBerG enthaltene Meldepflicht erfüllt hat. Ebenso kann unentschieden bleiben, ob das zum Schutz der Steuerpflichtigen in § 3a Abs. 5 StBerG enthaltene Transparenzgebot und dessen Missachtung durch die Beschwerdeführerin ihre Zurückweisung rechtfertigen würden (vgl. zum früheren
§ 3 Nr. 4 Sätze 2 und 3 StBerG die Auffassung von Gehre/ v. Borstel, Steuerberatungsgesetz, 5. Aufl., § 3 Rz 18).
b) Die Beschwerdeführerin ist aufgrund folgender Überlegungen vom FG zu Recht als Prozessbevollmächtigte zurückgewiesen worden.
Von dem für § 3a Abs. 1 StBerG maßgebenden Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EGV werden nur grenzüberschreitende vorübergehende Hilfeleistungen in Steuersachen erfasst. Darunter fallen solche zeitlich begrenzten Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung (nach Art. 50 Satz 3 EGV: „vorübergehend”) in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden ( 205/84, Slg. 1986, 3755, 3801; vom Rs. C-215/01, Slg. 2003, I-14847; BFH-Beschlüsse vom VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422, m.w.N.; vom VII B 99/03, BFH/NV 2004, 827).
Der vorübergehende Charakter einer grenzüberschreitenden Dienstleistung ist nach § 3a Abs. 1 Satz 5 StBerG insbesondere anhand ihrer Dauer, Häufigkeit, regelmäßiger Wiederkehr und Kontinuität zu beurteilen und damit nach den Kriterien, die bereits unter Geltung des § 3 Nr. 4 StBerG zu beachten waren. Er schließt zwar nicht die Möglichkeit für den Dienstleistungserbringer i.S. des Art. 50 EGV aus, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (einschließlich eines Büros, einer Praxis oder einer Kanzlei) auszustatten, soweit diese Infrastruktur für die Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich ist. Wer jedoch in „stabiler” und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, fällt unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht und nicht unter die des Kapitels über die Dienstleistungen. Dies ist in den einführenden Erwägungen zur genannten Dienstleistungsrichtlinie in Tz 77 ausdrücklich klargestellt und wird entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin von den Entscheidungen des (BFH/NV 2008, Beilage 1, S. 5) und Rs. C-318/05 (BFH/NV 2008, Beilage 1, S. 14) in keiner Weise berührt.
c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das FG den vorübergehenden Charakter der Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Inland zutreffend verneint. Wer, wie die Beschwerdeführerin, im Inland nicht nur einzelne, sondern mehrere Steuerpflichtige an verschiedenen Orten berät und vor verschiedenen Finanzämtern und Finanzgerichten in einer Vielzahl von Verfahren vertritt, ist nicht nur vorübergehend im Inland tätig, sondern erbringt seine Leistungen in „stabiler” und kontinuierlicher Weise. Er überschreitet damit den durch die Dienstleistungsfreiheit gezogenen Rahmen.
Eine solche nicht nur vorübergehende Tätigkeit setzt nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht als unerlässliches Erfordernis voraus, dass die Beschwerdeführerin im Inland über (äußerlich als solche erkennbare und für potenzielle Mandanten zugängliche) Praxis- oder Kanzleiräume verfügt. Das Vorhandensein solcher Räumlichkeiten deutet zwar als (gewichtiges) Indiz auf eine nicht nur vorübergehende Tätigkeit im Inland i.S. von Art. 50 EGV hin, begründet aber für sich allein genommen eine solche Annahme nicht zwingend. Umgekehrt gilt Entsprechendes: Das Fehlen derartiger Räumlichkeiten mag zwar als Indiz für eine nur vorübergehende Tätigkeit im Inland sprechen, kann indessen —wie dies im vorliegenden Fall vom FG zu Recht angenommen wurde— durch gewichtige gegenläufige Umstände widerlegt sein.
3. Die diesen Überlegungen zugrunde liegenden Grundsätze beruhen auf einer gefestigten Rechtsprechung des EuGH und des BFH. Der angerufene Senat hat daher keine Zweifel daran, dass durch § 3a StBerG die in Art. 43 ff. EGV gewährleistete Niederlassungsfreiheit und die in Art. 49, 50 EGV garantierte Dienstleistungsfreiheit nicht unzulässig beeinträchtigt werden (vgl. auch BFH-Beschlüsse in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422; in BFH/NV 2004, 827; vom X B 179/05, BFH/NV 2007, 1197). Zu einer Vorabentscheidung über die Auslegung der für den Streitfall maßgeblichen Vorschriften des EGV besteht folglich kein Raum.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Der angefochtene Beschluss erweist sich unabhängig von der vom FG als maßgeblich angesehenen Rechtsnorm als richtig.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 415 Nr. 3
DAAAD-03250