Außerhäusliches Arbeitszimmer in einem Mehrfamilienhaus
Leitsatz
Ein-Raum-Appartement, das der Eigentümer eines Mehrfamilienhauses für seine selbständige Tätigkeit nutzt, ist ein sog. außerhäusliches Arbeitszimmer, das nicht von der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG erfasst wird, wenn der Eigentümer in dem Mehrfamilienhaus zusammen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern eine auf einer anderen Etage als das Appartement belegene Wohnung bewohnen und eine andere Wohnung an Dritte vermietet ist. Unerheblich ist eine Vermietung der anderen Wohnung an einen Angehörigen des das Arbeitszimmer Nutzenden, sofern das Mietverhältnis einem Fremdvergleich standhält.
Gesetze: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, EStG § 12 Nr. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden in den Streitjahren 1998 bis 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger verfügt über eine kaufmännische Ausbildung und erzielte nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) in den Streitjahren 1998 bis 2000 Einkünfte aus selbständiger Arbeit durch Datenverarbeitungs-Dienste für Großunternehmen. Als Betriebsausgaben im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit machte er mit den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre den Aufwand für ein zu seinen beruflichen Zwecken als Büro genutztes Arbeitszimmer in einem Mehrfamilienhaus geltend, das er im Jahre 1997 erworben hat und dessen Erdgeschosswohnung er zusammen mit der Klägerin und seinen Kindern bewohnt. Das Arbeitszimmer befindet sich in einem im ersten Stock des Hauses gelegenen 21 qm großen —1998 ausgebauten— Ein-Raum-Appartement mit Bad und Kochnische sowie ausschließlicher Zugangsmöglichkeit über eine eigene Eingangstür zum Treppenhaus. In demselben Stockwerk befindet sich auch eine 87 qm große Wohnung, die vom Kläger an seine Mutter vermietet wird und die sie zusammen mit ihrer als Pflegekind aufgezogenen 17-jährigen Enkelin bewohnt. Aufgrund einer im Jahre 1998 erteilten Baugenehmigung soll das bisher als Speicher und Trockenraum genutzte Dachgeschoss durch Aufstockung und Ausbau zu einer weiteren Wohneinheit umgestaltet werden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte den Arbeitszimmeraufwand zunächst mit den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre unter dem Vorbehalt der Nachprüfung als Betriebsausgabe (1998: 4 087 DM; 1999: 3 057 DM und 2000: 3 854 DM). Aufgrund einer Außenprüfung setzte er ihn aber mit Einkommensteueränderungsbescheiden jeweils nur noch mit einem Betrag von 2 400 DM an, weil der Aufwand lediglich ein häusliches Arbeitszimmer betreffe, das angesichts der Außendiensttätigkeit des Klägers nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit darstelle.
Dagegen erhoben die Kläger Einspruch, der nur wegen anderer Streitpunkte zu einer Teilabhilfe sowie hinsichtlich des Einkommensteuerbescheids für 2000 zu einer Änderung nach § 129 der Abgabenordnung führte. Im Übrigen wurde er mit der Begründung zurückgewiesen, der Arbeitsraum sei in die häusliche Sphäre des Klägers eingebunden, weil das Dreifamilienhaus im Eigentum des Klägers stehe und das Büro sich direkt über der Privatwohnung befinde. Der Zugang zur Appartement-Wohnung und damit zum Arbeitszimmer sei ohne Verletzung des vermieteten Wohnbereichs leicht möglich. Eine Störung oder Beeinträchtigung durch Dritte sei daher nicht gegeben.
Der daraufhin erhobenen Klage gab das FG mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 205 veröffentlichten Urteil statt.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Auf der Grundlage der Entscheidung des (BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428), nach der ein gemeinsames Treppenhaus mit fremden Dritten für ein außerhäusliches Arbeitszimmer spreche, hätte das FG angesichts der im Streitfall gegebenen Vermietung an einen nahen Angehörigen zu einem abweichenden Ergebnis kommen müssen. Im Übrigen hätte das FG auch in Erwägung ziehen müssen, dass der Kläger nur eine Fläche von 17,5 qm des 21 qm großen Appartements für Arbeitszimmerzwecke genutzt habe und nicht ausgeschlossen werden könne, dass Küche und Bad dieses Appartements auch von anderen Familienmitgliedern genutzt worden sein könnten.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie tragen im Wesentlichen vor, dass das —auch hinsichtlich Küche und Bad— ausschließlich als Arbeitszimmer genutzte Appartement aufgrund fehlender räumlicher Verbindung zur eigengenutzten Wohnung kein „häusliches Arbeitszimmer” i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass die weitere Wohnung im 1. Obergeschoss an die Mutter des Klägers vermietet sei, weil das bestehende Mietverhältnis unstreitig wie unter fremden Dritten abgeschlossen worden sei. Nur wegen der geringen Erheblichkeit hätten sie, die Kläger, davon abgesehen, die eigentlich gebotene vollständige flächenmäßige Erfassung des Appartements als Arbeitszimmer geltend zu machen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Zu Recht hat das FG den Abzug der streitigen Aufwendungen für das Arbeitszimmer als Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit anerkannt.
1. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Betriebsausgaben abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der letztgenannten Vorschrift u.a. dann nicht, wenn dem Steuerpflichtigen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird nach Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2 400 DM (im Streitjahr; jetzt: 1 250 €) begrenzt. Die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2 der Vorschrift).
Auf dieser Grundlage kann ein Steuerpflichtiger wie der Kläger, für den das Arbeitszimmer im Hinblick auf die prägende Außendiensttätigkeit ersichtlich nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (vgl. dazu , BFH/NV 2005, 1271; vom III R 17/03, BFH/NV 2005, 1537, m.w.N.), Arbeitszimmeraufwendungen über die Grenzen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG hinaus (2 400 DM) nur geltend machen, wenn es sich nicht um ein „häusliches” Arbeitszimmer handelt.
a) Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Der Rechtsprechung des BFH zufolge erfasst die Abzugsbeschränkung einen Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (, BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; vom XI R 89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185; vom VI R 164/00, BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350; vom IV R 30/03, BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775).
b) In die häusliche Sphäre eingebunden ist ein solches Arbeitszimmer regelmäßig nur, wenn es sich in einem Raum befindet, der zur privat genutzten Wohnung oder zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen einschließlich der Zubehörräume wie Ab-stell-, Keller- und Speicherräume gehört (, BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7; in BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185; in BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350; in BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428). Voraussetzung dafür ist, dass die für berufliche Zwecke genutzten Räumlichkeiten aufgrund der unmittelbaren räumlichen Nähe mit den privaten Wohnräumen des Steuerpflichtigen als gemeinsame Wohneinheit verbunden sind, wie dies bei einem Arbeitszimmer im Keller des vom Steuerpflichtigen und seiner Familie bewohnten Einfamilienhauses (BFH-Urteil in BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139), in einem nur vom straßenabgewandten Garten aus zu betretenden Anbau (BFH-Urteil in BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350), im Dachgeschoss eines Einfamilienhauses (, BFHE 202, 116, BStBl II 2004, 75), oder in einem zur Wohnung gehörenden Hobbyraum im Keller eines Mehrfamilienhauses (, BFHE 202, 114, BStBl II 2004, 74) der Fall ist.
c) Demgegenüber fehlt nach der Rechtsprechung des BFH die für die Annahme eines häuslichen Arbeitszimmers erforderliche innere, „häusliche” Verbindung mit der privaten Lebenssphäre regelmäßig, wenn der Steuerpflichtige in einem Mehrfamilienhaus —zusätzlich zu seiner privaten Wohnung— noch eine weitere Wohnung vollständig als Arbeitszimmer nutzt (BFH-Entscheidung in BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428 unter Bezugnahme auf das , BFHE 202, 101, BStBl II 2003, 515, nach dem ein separat angemieteter Kellerraum in einem Mehrfamilienhaus als außerhäusliches Arbeitszimmer nicht unter die gesetzliche Abzugsbeschränkung fällt). Danach kann eine innere Verbindung zur häuslichen Sphäre bei einem Mehrfamilienhaus nicht allein deshalb angenommen werden, weil sich eine als Arbeitszimmer genutzte Wohnung in demselben Haus und unter demselben Dach wie die Privatwohnung des Steuerpflichtigen befindet (vgl. im Einzelnen , BFHE 202, 104, BStBl II 2004, 69, und VI R 125/01, BFHE 202, 109, BStBl II 2004, 72 sowie in BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428).
Vielmehr kann sich die häusliche Sphäre der Privatwohnung auf eine zu beruflichen Zwecken angemietete weitere Wohnung im selben Haus nur erstrecken, wenn nach den tatsächlichen Feststellungen des FG bei wertender Betrachtung aufgrund besonderer Umstände ein innerer Zusammenhang zwischen beiden Wohnungen besteht. Einen solchen Zusammenhang hat der BFH allerdings nur in Fällen angenommen, in denen die Wohnungen in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander lagen, etwa weil die als Arbeitszimmer genutzten Räume unmittelbar an die Privatwohnung angrenzten oder weil sie ihr auf derselben Etage direkt gegenüberlagen (BFH-Urteile in BFHE 202, 104, BStBl II 2004, 69, und in BFHE 202, 109, BStBl II 2004, 72; in BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428). Die damit verbundene Besserstellung von Steuerpflichtigen, die auf einer anderen Etage belegene Räumlichkeiten als Arbeitszimmer anmieten, ist nach der Rechtsprechung des BFH gerechtfertigt. Denn die Möglichkeiten des Steuerpflichtigen, Kosten der privaten Lebensführung in den beruflichen oder betrieblichen Bereich zu verlagern, sind bei unmittelbar an die Privatwohnung angrenzenden Räumlichkeiten typischerweise deutlich größer, als wenn dem Steuerpflichtigen der Zutritt zu den Räumlichkeiten außerhalb der Privatwohnung nur über ein auch von fremden Dritten benutztes, gemeinsames Treppenhaus möglich ist (BFH-Urteil in BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die angefochtene Entscheidung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Sie gründet sich zu Recht auf die BFH-Entscheidung in BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428, weil diese ebenso wie der Streitfall die gesonderte Nutzung einer weiteren Wohnung zu Arbeitszwecken auf einer anderen Etage als der Etage der Privatwohnung in einem Mehrfamilienhaus betraf, das auch durch Dritte genutzt wird.
Soweit das FA dagegen geltend macht, die Grundsätze der BFH-Entscheidung in BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428 könnten auf den Streitfall nicht angewendet werden, weil das FA eine —von den Klägern uneingeschränkt verneinte— Mitnutzung des für Arbeitszwecke genutzten Appartements durch Familienangehörige des Steuerpflichtigen (insbesondere von Kochnische und Bad) nicht bei seiner Würdigung berücksichtigt habe, handelt es sich um einen Sachvortrag, den das FA im Verfahren vor dem FG nicht geltend gemacht hat und der schon deshalb nach § 118 Abs. 2 FGO im Revisionsverfahren unbeachtlich ist.
Schließlich rechtfertigt auch der Hinweis des FA darauf, dass die Mieterin der anderen Wohnung im ersten Obergeschoss die Mutter des Klägers ist, keine andere Beurteilung. Denn die dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung zur Annahme eines außerhäuslichen Arbeitszimmers in einem Mehrfamilienhaus berücksichtigen den typisierenden Charakter des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, mit der der Gesetzgeber einer begrenzten Nachprüfbarkeit der tatsächlichen Nutzung durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte Rechnung tragen will (BFH-Urteile in BFHE 202, 104, BStBl II 2004, 69, und in BFHE 202, 109, BStBl II 2004, 72). Dementsprechend geht die Rechtsprechung —gleichfalls typisierend— davon aus, dass die Nutzung weiterer eigenständiger Wohnungen (auf anderen Etagen als der der Privatwohnung) zur Nutzung als Arbeitszimmer in Mehrfamilienhäusern wegen der entgeltlichen Nutzung anderer Wohnungen durch Dritte regelmäßig kein „häusliches” Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG betrifft. Ob der Nutzer des Arbeitszimmers Eigentümer der gesamten Immobilie ist und einen Teil der Wohnungen an Dritte vermietet hat oder das Mehrfamilienhaus im Eigentum eines anderen steht und der Nutzer die jeweiligen Wohnungen wie andere Mieter des Hauses nur angemietet hat, spielt für die Abziehbarkeit der Aufwendungen keine Rolle (vgl. , BStBl I, 2004, 143). Infolgedessen kann die Abziehbarkeit der Aufwendungen entgegen der Auffassung des FA nicht davon abhängen, ob die Mieter anderer Wohnungen in dem betroffenen Mehrfamilienhaus Angehörige des das Arbeitszimmer Nutzenden sind, sofern das jeweilige Mietverhältnis einem Fremdvergleich standhält.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EStB 2009 S. 60 Nr. 2
HFR 2009 S. 456 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 3/2009 S. 106
PAAAD-02663