Umsatzsteuerbefreiung für Pflegeeinrichtungen (§ 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG)
Bezug:
Zur Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG ist das ergangen, das im BStBl 1997 I S. 957 veröffentlicht ist. Ergänzend zu den Ausführungen in dem BMF-Schreiben weist die OFD auf folgendes hin:
1. Abgrenzung zu § 4 Nr. 14 UStG (Absatz 1 des BMF-Schreibens)
Eine besondere Berufsausbildung des Unternehmers oder der von ihm beschäftigten pflegerisch tätigen Personen ist, anders als bei der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG, nicht erforderlich (vgl. jedoch Tz. 8). Sofern die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG nicht einschlägig ist, können einzelne der erbrachten Leistungen unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit sein.
2. Begünstigte Einrichtungen (Absatz 1 des BMF-Schreibens)
Unter dem Gesichtspunkt, dass durch die Steuerbefreiung vor allem die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung und der Sozialhilfe entlastet werden sollen, ist eine weitergehende Anwendung der Steuerbefreiung gerechtfertigt.
Einrichtungen im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 und 2 des BMF-Schreibens sind daher auch Subunternehmer, wenn sie alle erforderlichen Pflegeleistungen erbringen und selbst die Voraussetzungen für die Zulassung als Pflegeeinrichtung erfüllen (siehe hierzu Tz. 8).
Die Steuerbefreiung kommt jedoch nur in Betracht, wenn der Subunternehmer die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach Abs. 7 des BMF-Schreibens im Übrigen nachweisen kann.
Ein Subunternehmer wird in der Regel nach eigenen Vereinbarungen mit dem auftraggebenden Pflegedienst entlohnt. Legt der auftraggebende Pflegedienst seine Abrechnung der Pflegeleistungen mit der gepflegten Person, mit dem Sozialleistungsträger oder mit einem sonstigen Kostenträger dem Subunternehmer nicht offen, liegen insoweit für den Subunternehmer steuerschädliche Fälle vor.
3. Pflegebedürftige Personen (Absatz 2 des BMF-Schreibens)
Zum Begriff der „Pflegebedürftigkeit” wird auf die Vfg. S 7172 A – 36 – St 112 (USt-Kartei OFD Ffm, § 4 Nr. 16 Buchstabe d – S 7172 – Karte 11) verwiesen, deren Ausführungen entsprechend gelten.
4. Kostentragung (Absatz 3 des BMF-Schreibens)
Die Kostentragung „in mindestens vierzig vom Hundert der Fälle” wurde durch Art. 27 Pflege-Versicherungsgesetz -PflegeVG- vom (BStBl 1994 I S. 531) in § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG eingefügt und ist nach Art. 68 Abs. 1 PflegeVG am in Kraft getreten. Die Regelung ersetzt die vom bis gültige Regelung „in mindestens zwei Drittel der Fälle”. Dabei kommt es ausschließlich auf den Begriff der „Fälle” und nicht auf das Verhältnis der erbrachten Umsätze an. Jede gepflegte Person im Laufe eines Kalendermonats zählt dabei als ein Pflegefall.
5. Kosten eines Pflegefalles (Absatz 4 des BMF-Schreibens)
Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI und § 68 Abs. 5 Nr. 1 bis 3 BSHG (jetzt § 61 Abs. 5 Nr. 1 – 3 SGB XII) ist
im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung,
im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung,
im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Hauswirtschaftliche Versorgung nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI und § 68 Abs. 5 Nr. 4 BSHG (jetzt § 61 Abs. 5 Nr. 4 SGB XII) ist das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.
Zu den Kosten eines Pflegefalles zählen bei der ambulanten Pflege (Pflege von kranken und bedürftigen Personen in deren Wohnung) auch die im Rahmen der häuslichen Krankenpflege in Rechnung gestellten Aufwendungen für die Behandlungspflege.
Behandlungspflege sind medizinische Hilfeleistungen. Hierzu gehören alle vom behandelnden Arzt verordneten kurativen medizinischen Leistungen, deren Durchführung aber auf andere Berufsträger delegiert wird.
Die Behandlungspflege umfasst insbesondere Injektionen und Katheterisierung, Wundversorgung, Verbände anlegen und wechseln, Bewegungs-, Geh- und Atemübungen, Medikamenteneingabe und -überwachung, künstliche Ernährung und Schmerztherapie.
Bei Unterbringung in einer Einrichtung zur Kurzzeitpflege gehören zu den Kosten eines Pflegefalls auch die Kosten für Unterbringung und Verpflegung. Der (BFH/NV 2004 S 1047) entschieden, dass der Begriff der Pflegekosten i. S. d. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG entsprechend dem Begriff der „Leistungen” i. S. d. § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG zu definieren ist. Eine andere Definition ergäbe eine nicht zu rechtfertigende unterschiedliche Behandlung von Kurzzeitpflegeheimen und Dauerpflegeheimen.
6. Gesetzliche Träger der Sozialversicherung und Sozialhilfe (Absatz 5 des BMF-Schreibens)
Gesetzliche Träger der Sozialversicherung sind die gesetzlichen Krankenkassen für die Krankenversicherung, Berufsgenossenschaften für die gesetzliche Unfallversicherung, gesetzliche Pflegekassen für die Pflegeversicherung sowie die Versicherungsanstalten und die Bundesknappschaft für die Rentenversicherungen; Träger der Sozialhilfe sind Kreise und kreisfreie Städte und für besondere Aufgaben die Gesundheitsämter.
Neben sog. Sachleistungen – insbesondere aus der Pflegeversicherung – gehören auch das Pflegegeld bzw. Geldleistungen der o. g. Träger zum Kostenanteil, der den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung zuzuordnen ist und erhöhten Nachweispflichten unterliegt. Der Zeitpunkt der Kostenerstattung ist unmaßgeblich.
Kostenzuschüsse oder Kostenerstattungen anderer Einrichtungen, wie z. B. private Krankenkassen, Beihilfesteilen und Wohlfahrtsverbände, sind den eigenen Aufwendungen der gepflegten Person zuzurechnen.
7. Eng verbundene Umsätze i. S. d. § 4 Nr. 16 UStG
Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG umfasst die eng mit dem Betrieb der Pflegeeinrichtung verbundenen Umsätze. Es gelten die allgemeinen Ausführungen in Abschn. 100 UStR.
Die in der Vfg. S 7172 A – 7 – St 112 (USt-Kartei OFD Ffm, § 4 Nr. 16 – S 7172 – Karte 9) dargestellten Grundsätze zu den mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen eng verbundenen Umsätzen sind – sofern diese übertragbar sind – entsprechend anzuwenden.
Zu den eng mit den Pflegeleistungen verbundenen Umsätzen gehören auch Schulungskurse, Pflegeberatungen und Pflichtpflegeeinsätze. Diese Leistungen sind grundsätzlich nicht als Fall anzusehen und somit bei der Berechnung der 40 v. H.-Grenze nicht zu berücksichtigen. Sie sind dann steuerfrei, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr in mindestens 40 v. H. der Fälle die Kosten ganz oder zum überwiegenden Teil von der Sozialversicherung getragen worden sind.
Das Niedersächsische Finanzgericht hat in seiner Entscheidung vom (16 K 486/03) festgestellt, dass nach der Rechtsprechung des EuGH Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich Hilfsbedürftigen von einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden, eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen i. S. von Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g der MwStSystRL darstellen. Da die vorstehende Rechtsauffassung Gegenstand eines Revisionsverfahren ist (XI R 61/07), kommt im Rahmen eines Einspruchsverfahrens ggf. Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO in Betracht.
8. Anforderungen an einen Subunternehmer
§ 4 Nr. 16 Buchstabe e UStG verlangt zwar keine besondere Berufsausbildung, jedoch dürfen die Pflegekassen nach § 69 SGB XI Pflegeverträge nur mit den Trägem von Pflegeeinrichtungen nach § 71 SGB XI abschließen. Diese müssen jedoch nach § 71 Abs. 1 und 2 unter der ständigen Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft stehen. Für die Anerkennung als Pflegefachkraft ist nach § 71 Abs. 3 SGB XI neben dem Abschluss einer Ausbildung als Krankenschwester/-pfleger, als Kinderkrankenschwester/-pfleger oder als Altenpfleger(in) bzw. bei Pflege und Betreuung von Behinderten als Heilerziehungspfleger(in) oder Heilerzieher(in) eine praktische Berufserfahrung in dem erlernten Pflegeberuf von zwei Jahren innerhalb der letzten fünf Jahre erforderlich.
Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist der Subunternehmer ein begünstigter Unternehmer.
Die (USt-Kartei OFD Ffm. § 4 Nr. 16 – S 7172 – Karte 12) ist durch diese Vfg. überholt und kann ausgesondert werden. Die Änderungen sind kursiv dargestellt.
OFD Frankfurt/M. v. - S 7172 A - 26 - St 112
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
FAAAD-02487