Zuschläge zur Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit an Gesellschaftergeschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttung
Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: , 6 K 559/05
Gründe
I. Streitpunkt ist, ob an einen Gesellschafter-Geschäftsführer geleistete Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) sind.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine im Jahr 1982 gegründete GmbH, die in den Streitjahren (1999 bis 2002) ein Hotel mit Gaststätte und eine angeschlossene Stadthalle betrieb. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war X. Nach dem im Oktober 1996 geänderten Dienstvertrag erhielt X für eine wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden ein monatliches Festgehalt von 6 000 DM, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, eine Gewinntantieme von 10 v.H., eine Direktversicherung sowie Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge für tatsächlich geleistete und durch Aufzeichnungen nachgewiesene Arbeit in den begünstigten Zeiträumen. X erzielte in den Streitjahren jährliche Vergütungen (einschließlich Direktversicherung) zwischen 98 000 DM und 117 000 DM.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) rechnete dem Gewinn der Klägerin in den Streitjahren die an X geleisteten Zuschläge zur Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als vGA hinzu und erließ auf dieser Grundlage ertragsteuerliche Bescheide. Die dagegen gerichteten Klagen hat das Niedersächsische Finanzgericht (FG) mit Urteilen vom 6 K 566/05 und 6 K 559/05 abgewiesen.
Die Klägerin beantragt mit ihren Beschwerden die Zulassung der Revisionen gegen die FG-Urteile und begründet ihr Begehren mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssachen, mit der Abweichung der FG-Urteile von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und mit Verfahrensfehlern des FG.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerden zurückzuweisen.
II. Die vom Senat gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Nichtzulassungsbeschwerden sind unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Den Rechtssachen kommt keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu, weil die streitigen Rechtsfragen bereits durch den BFH geklärt sind.
a) Der Senat hat wiederholt entschieden, dass an einen Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte gesonderte Vergütungen für die Ableistung von Überstunden aus steuerrechtlicher Sicht regelmäßig vGA sind (z.B. , BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577; vom I R 40/00, BFHE 195, 243, BStBl II 2001, 655; Senatsbeschlüsse vom I B 106/04, BFH/NV 2005, 369; vom I B 69/06, BFH/NV 2007, 1192, und vom I B 65/07, BFH/NV 2008, 249). Diese Beurteilung gilt namentlich dann, wenn sich die Vereinbarung auf die Vergütung von Überstunden an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit beschränkt und wenn zudem eine Gewinntantieme vereinbart ist (Senatsurteil in BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577). Allerdings hat der Senat auch entschieden, dass Vergütungen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht immer als vGA anzusehen sind (, BFHE 206, 437, BStBl II 2005, 307; vom I R 7/05, BFH/NV 2006, 131).
b) Die von der Klägerin gegen diese Rechtsprechung, die das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken sind nach Auffassung des Senats offenkundig unbegründet und rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
aa) Dass das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht dadurch verletzt wird, dass an gesellschaftsfremde Geschäftsführer geleistete Zuschläge stets gewinnmindernde Betriebsausgaben sind, während an Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Zuschläge als vGA gewertet werden können, hat der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 195, 243, BStBl II 2001, 655 ausgeführt. Die an der dort gegebenen Begründung von der Klägerin geäußerte Kritik hält der Senat für nicht stichhaltig. Die Ungleichbehandlung ist dadurch gerechtfertigt, dass bei den Zuschlägen an Fremdgeschäftsführer, die nicht in einem Näheverhältnis zu einem Gesellschafter stehen, die Annahme einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis —anders als bei Gesellschafter-Geschäftsführern— schon von vornherein ausgeschlossen ist.
bb) Auch soweit die Klägerin das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG dadurch verletzt sieht, dass das FG einen sog. internen Fremdvergleich bei der Klägerin mangels Vorhandenseins eines weiteren (Fremd-)Geschäftführers bzw. eines nach Funktion und Gehaltsstruktur mit einem Geschäftsführer vergleichbaren Arbeitnehmers als nicht durchführbar angesehen hat, kann der Senat dem nicht folgen. Ein interner Fremdvergleich ist eine denkbare Möglichkeit der einzelfallbezogenen Veranlassungsprüfung; ist er in einem Betrieb durchführbar, in einem anderen aber mangels vergleichbaren Personals nicht, so ergibt sich daraus keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Es ist auch keineswegs so —wie die Klägerin in ihrer Argumentation suggeriert—, dass nach der vom FG angewendeten BFH-Rechtsprechung bei Undurchführbarkeit eines internen Fremdvergleichs zwingend eine vGA anzunehmen ist, während die Durchführbarkeit eines internen Fremdvergleichs stets zur Verneinung des vGA-Tatbestands führt. Vielmehr schließt selbst der Umstand, dass die Gesellschaft einem Fremdgeschäftsführer einen gleichartigen Vorteil gewährt, die Beurteilung der dem Gesellschafter-Geschäftsführer gewährten Leistung als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst nicht grundsätzlich aus (vgl. dazu z.B. Senatsurteil in BFHE 195, 243, BStBl II 2001, 655; Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz 1303).
cc) Es liegt in der Natur unbestimmter Rechtsbegriffe wie der vGA, dass für die handelnden Personen nicht immer vorhersehbar ist, ob die Finanzbehörden und Finanzgerichte ihr Verhalten letztlich im Einzelfall unter den betreffenden Gesetzestatbestand subsumieren werden oder nicht. Da aber aufgrund der Vielgestaltigkeit des Wirtschaftslebens auch im Bereich der Ertragsbesteuerung auf Gesetzestatbestände mit unbestimmten, ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen nicht verzichtet werden kann, liegt darin kein Verfassungsverstoß.
dd) Für das FG bestand keine Möglichkeit, die Rechtsfolgen der vGA aus Vertrauensschutzgründen im Streitfall nicht zur Anwendung kommen zu lassen. Zum einen existierten auch bereits vor Vereinbarung der streitbefangenen Regelungen im Oktober 1996 finanzgerichtliche Urteile, in denen die Beurteilung von Überstundenvergütungen an Gesellschafter-Geschäftsführer als vGA in Rede stand (vgl. z.B. , Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 676; weitere Nachweise im Senatsurteil in BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577, unter II.2.b). Zum anderen besteht weder ein verfassungsrechtliches Gebot noch eine gesetzliche Handhabe für die Finanzgerichtsbarkeit, geltendes Recht im Einzelfall nicht anzuwenden, weil über die betreffende Streitfrage bislang noch nicht gerichtlich entschieden worden ist.
ee) Schließlich kann die Klägerin verfassungsrechtlich nichts daraus für sich herleiten, dass in den für die Streitjahre geltenden Lohnsteuer-Richtlinien —anders als in den Lohnsteuer-Richtlinien 2007 zu § 3b des Einkommensteuergesetzes (Hinweis 30 der Lohnsteuerhinweise —LStH— 2007)— noch nicht erwähnt worden ist, dass Sonntags-, Feiertags- und Nachzuschläge an Gesellschafter-Geschäftsführer regelmäßig als vGA anzusehen sind und dass deshalb die Deklaration der an X geleisteten Zuschläge als steuerfrei in der Lohnsteuerprüfung der Streitjahre nicht beanstandet worden ist. Der Umstand, dass ein bestimmtes Rechtsproblem in den Lohnsteuer-Richtlinien oder -hinweisen nicht aufgegriffen wird, kann —abgesehen von der im Übrigen fehlenden Rechtsnormqualität von Steuerrichtlinien (vgl. z.B. Senatsurteil vom I R 48/02, BFHE 203, 71, BStBl II 2004, 425; , BFHE 213, 484, BStBl II 2006, 781)— schon prinzipiell kein Vertrauen dahin erzeugen, dass die Verwaltung das Problem in einer bestimmten Weise behandeln wird.
2. Die Zulassung der Revision ist nicht wegen einer Abweichung der FG-Urteile von anderweitiger Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die geltend gemachten Divergenzen zur BFH-Rechtsprechung bestehen nicht.
a) Die FG-Urteile weichen nicht vom Senatsbeschluss vom I B 52/00 (juris) ab. Dieser befasst sich lediglich mit den von der dortigen Vorinstanz getroffenen tatrichterlichen Feststellungen und der Beschwerdebegründung der dortigen Klägerin; er stellt keinen bestimmten abstrakten Rechtssatz auf, der über den dort entschiedenen Einzelfall hinaus von Bedeutung wäre. Die von der Klägerin dem Senatsbeschluss entnommene abstrakte Aussage, es sei ein Vergleich des Gesellschafter-Geschäftführers mit einem fiktiven, also nicht tatsächlich im Betrieb tätigen Arbeitnehmer „gestattet”, findet sich in den Beschlussgründen nicht.
b) Die angefochtenen Urteile weichen nicht vom Beschluss des Großen Senats des BFH zur Vererblichkeit des Verlustabzugs vom GrS 2/04 (BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608) ab. Mit den ab 1997 ergangenen Senatsentscheidungen zur Charakterisierung von Zuschlägen zur Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit an Gesellschafter-Geschäftsführer als vGA wurde keine langjährige gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung aufgegeben, so dass sich ein Vergleich mit der dem BFH-Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608 zugrunde liegenden Ausgangslage verbietet.
3. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen Verfahrensfehlern des FG zuzulassen. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet.
a) Die angefochtenen Urteile sind nicht deshalb als gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßende Überraschungsentscheidungen anzusehen, weil das FG dem Vortrag der Klägerin nicht gefolgt ist, wonach sie einem Fremdgeschäftsführer die gleiche finanzielle Ausstattung gewährt hätte. Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom I B 197/07, BFH/NV 2008, 1355, m.w.N.). Davon kann hier keine Rede sein; vielmehr musste die fachkundig vertretene Klägerin einkalkulieren, dass das FG nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu einem abweichenden Ergebnis kommt. Rechnen musste die Klägerin insbesondere auch mit dem Argument der fehlenden Kontrollmöglichkeit auf willkürliches Verhalten bei Fremdgeschäftsführern; denn dieses Argument findet sich schon im Senatsurteil in BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577.
Der von der Klägerin unterstellte Rechtssatz, die Zuschläge seien dann als Betriebsausgaben anzuerkennen, wenn es für den Gesellschafter-Geschäftsführer wichtiger sei, an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit zu arbeiten als zu normaler Tageszeit, lässt sich den angefochtenen Urteilen nicht entnehmen. Das FG hat —im Zusammenhang mit den fehlenden Kontrollmöglichkeiten gegenüber willkürlichem Verhalten von Fremdgeschäftsführern— lediglich ausgeführt, dass im Streitfall die Anwesenheit des X in den begünstigten Zeiten —anders als im Fall der Schichtarbeit (die Gegenstand des dem Senatsbeschluss in BFHE 206, 437, BStBl II 2005, 307 zugrunde liegenden Sachverhalts war)— nicht wichtiger war als die Anwesenheit in der regulären Arbeitszeit. Dass das FG mit dieser Feststellung —deren Richtigkeit von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird— deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat, ist nicht zu erkennen.
b) Das FG hat den Beweisantrag der Klägerin, es möge ein Sachverständigengutachten zu ihrem Vorbringen eingeholt werden, die Gesamtvergütung des X unterscheide sich nach Struktur und Höhe nicht wesentlich von der Vergütung, die die Klägerin einem fremden Dritten zu zahlen gehabt hätte, nicht verfahrensordnungswidrig übergangen. Denn nach der auf das Senatsurteil in BFHE 195, 243, BStBl II 2001, 655 gestützten, auf die Durchführung eines vorwiegend normativen Fremdvergleichs gerichteten materiellen Rechtsauffassung des FG —die der Prüfung auf Verfahrensfehler zugrunde zu legen ist— kommt es für die Streitfrage auf eine auf statistische Erhebungen gestützte Üblichkeit der Vergütung nicht entscheidend an. Damit hat das FG die Ablehnung weiterer Aufklärungsmaßnahmen auf der Basis seiner Rechtsauffassung hinreichend begründet.
c) Soweit die Klägerin schließlich rügt, das FG habe sich nicht mit der von ihr vorgelegten Aufstellung des Verdienstes deutscher Hoteldirektoren befasst, ist nicht zu ersehen, dass dieser aus dem Jahr 2006 stammenden Aufstellung, die keinerlei Rückschlüsse auf die Gewährung von Zuschlägen zur Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit an diese Berufsgruppe zulässt, auf der Basis der Rechtsauffassung des FG in irgendeiner Form Aussagekraft für die Veranlassungsprüfung bezüglich der im Oktober 1996 zwischen der Klägerin und X vereinbarten Zuschlagsregelung zukommen könnte. Die absolute Höhe der Gesamtausstattung des X im Vergleich zur Gesamtausstattung von Führungskräften anderer Betriebe der Branche kann nach dem vom FG angewendeten Fremdvergleichskonzept für die Beurteilung der Streitfrage keine wesentliche Rolle spielen.
Fundstelle(n):
StuB-Bilanzreport Nr. 3/2009 S. 111
PAAAD-01318