OFD Frankfurt/M. - S 2244 A - 52 - St 215

Einlagen des Gesellschafters als Anschaffungskosten i.S.d. § 17 EStG

Offene und verdeckte Einlagen des Gesellschafters in die Kapitalgesellschaft führen bei ihm zu nachträglichen Anschaffungskosten. Einlagen (Geld- und Sacheinlagen) in eine Kapitalgesellschaft sind durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Zuwendungen an die Gesellschaft.

I. Offene Einlagen

Offene Einlagen werden geleistet aufgrund gesetzlicher Regelungen, Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag bzw. Satzung oder aufgrund von Gesellschafterbeschlüssen, sie entsprechen den handelsrechtlichen Vorschriften. Fallen sie bei Gründung der Kapitalgesellschaft oder im Fall einer Kapitalerhöhung an, erhält der Gesellschafter als Gegenleistung Anteile an der Kapitalgesellschaft. In der Bilanz der Kapitalgesellschaft werden diese Einlagen als gezeichnetes Kapital (Grund- oder Stammkapital) ausgewiesen. Anschaffungskosten liegen nur insoweit vor, als die Einlage auch tatsächlich erbracht wurde. Wurde die Gründungseinlage nicht voll geleistet, weist die Kapitalgesellschaft dies in der Bilanz aus (z.B. auf der Aktivseite vor dem Anlagevermögen als „Ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kapital”, § 272 Abs. 1 Satz 2 HGB). Bei Veräußerung der Beteiligung kann daher eine Prüfung, ob das Nennkapital in voller Höhe erbracht wurde, durch Nachfrage im VTB der Kapitalgesellschaft und ggf. durch Zahlungsnachweis des Gesellschafters erfolgen. Spätestens bei Liquidation muss die Gründungseinlage in voller Höhe erbracht sein.

Zu den offenen Einlagen gehören auch Zahlungen in die Kapitalrücklage der Kapitalgesellschaft (§ 272 Abs. 2 HGB). Hierzu zählen u.a. Aufgelder (Agio), die im Rahmen der Gründung oder Kapitalerhöhung zusätzlich zum Stammkapital geleistet werden, Zuzahlungen von Gesellschaftern für Vorzugsrechte (z.B. zusätzliche Stimmrechte) oder freiwillige Leistungen des Gesellschafters aufgrund eines Gesellschaftsbeschlusses (z.B. zur Verlustabdeckung oder Liquiditätsverbesserung).

II. Verdeckte Einlagen

Eine verdeckte Einlage liegt vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahe stehende Person der Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Einlagen einen einlagefähigen (= bilanzierungsfähigen) Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (R 40 Abs. 1 KStR). Dies ist z.B. der Fall, wenn der Gesellschafter eine Verbindlichkeit der Kapitalgesellschaft als eigene übernimmt oder auf eine Forderung verzichtet.

Die Überlassung eines Wirtschaftsguts zum Gebrauch oder zur Nutzung kann mangels Bilanzierbarkeit des Nutzungsvorteils nicht Gegenstand einer Einlage sein (H 40 „Nutzungsvorteil” KStH 2006). Daher führen Nutzungsüberlassungen nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten.

Keine einlagefähigen Nutzungsvorteile sind insbesondere

  • eine ganz oder teilweise unentgeltliche Dienstleistung ( BStBl 1989 II S. 633)

  • eine unentgeltliche oder verbilligte Gebrauchs- oder Nutzungsüberlassung eines Wirtschaftsguts

  • der Zinsvorteil bei unverzinslicher und geringverzinslicher Darlehensgewährung ( BStBl 1988 II S. 348)

1. Übernahme von Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft

Übernimmt der Gesellschafter Verbindlichkeiten der Gesellschaft, in dem er z.B. eine Lieferantenverbindlichkeit der Gesellschaft von seinem privaten Konto tilgt, liegt eine gesellschaftliche Veranlassung und damit eine verdeckte Einlage vor. Die verdeckte Einlage führt in voller Höhe zu Anschaffungskosten des Gesellschafters.

2. Forderungsverzicht

Verzichtet ein Gesellschafter auf eine bereits realisierte Forderung gegen die Kapitalgesellschaft, liegt in aller Regel eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis und damit eine verdeckte Einlage vor ( BStBl 2002 II S. 436).

Beispiel:

Alleingesellschafter A gewährt der A-GmbH ein Darlehen i.H.v. 500.000 €. Die A-GmbH weist das Darlehen als Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter A in der Bilanz aus. Ein Jahr später verzichtet A auf die Darlehensrückzahlung.

Es handelt sich um eine verdeckte Einlage, die bei der GmbH handelsrechtlich als außerordentlicher Ertrag i.H.v. 500.000 € erfasst wird. Da Einlagen den steuerlichen Gewinn der GmbH nicht erhöhen dürfen (§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG), muss sie außerbilanziell wieder abgezogen werden (R 40 Abs. 3 KStR 2004). Die Einlage erhöht jedoch das steuerliche Einlagekonto der GmbH (§ 27 Abs. 1 KStG) und die Anschaffungskosten der Beteiligung des A um 500.000 €.

Ein Forderungsverzicht kann jedoch nur soweit zu einer verdeckten Einlage führen, als die Forderung noch werthaltig ist. Im Moment des Forderungsverzichts wird ein Zufluss des noch werthaltigen Teils der Forderung beim Gesellschafter angenommen (sog. Zuflussfiktion, BStBl 1998 II S. 307). Im gleichen Zeitpunkt wird eine verdeckte Einlage in Höhe der zugeflossenen Forderung angesetzt, die zu nachträglichen Anschaffungskosten führt.

Für die Bewertung der (nicht mehr vollwertigen) Forderung im Verzichtszeitpunkt ist der realisierbare Wert entscheidend („Was würde ein gedachter Erwerber dafür bezahlen?”). Sofern der Forderungsverzicht auch unter Berücksichtigung der stillen Reserven der Gesellschaft die bilanzielle Überschuldung nicht beseitigt, beträgt der Teilwert der Forderung regelmäßig 0 € ( BFH/NV 1998, 572). Beseitigt der Forderungsverzicht unter Berücksichtigung der stillen Reserven den nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag der Gesellschaft, ist in der Regel von der Werthaltigkeit der Forderung auszugehen, soweit sich ein positives Eigenkapital ergibt ( EFG, 1392).

Da sich der Forderungsverzicht sowohl auf die Besteuerung der Kapitalgesellschaft (Ertrag in Höhe des Verzichts, verdeckte Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung), als auch auf die Besteuerung des Gesellschafters auswirkt (Erhöhung der Anschaffungskosten in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung), ist eine Zusammenarbeit der VTB G und AN mit dem VTB K unerlässlich. Anhaltspunkte für die Werthaltigkeit der Forderung können sich z.B. aus den Steuerakten (z.B. Zeile 32/33 des Mantelbogens zur KSt-Erklärung) einschließlich der Vollstreckungsakten der Gesellschaft ergeben.

a) Verzicht auf Gehalts-, Zins- oder Mietforderung

Der Verzicht führt zum fiktiven Zufluss des werthaltigen Teils der Forderung beim Gesellschafter. Soweit seine Forderung aus Leistungen stammt, die bei der Gesellschaft zu Aufwand geführt haben, liegen beim Gesellschafter steuerpflichtige Einkünfte vor. Dies ist insbesondere der Fall bei Gehaltsforderungen (§ 19 EStG), Zinsforderungen (§ 20 EStG) und Mietforderungen (§ 21 EStG).

Beispiel:

Der nicht beherrschende Gesellschafter ist Geschäftsführer einer GmbH. Das Gehalt wird aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten der GmbH seit Januar 01 nicht ausgezahlt. Im Juli 02 verzichtet der Gesellschafter auf seine aufgelaufene Gehaltsforderung.

Der Verzicht führt in Höhe des werthaltigen Teils zum Zufluss des Gehalts beim Gesellschafter. Im VZ 02 muss dieser werthaltige Teil als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit versteuert werden. In gleicher Höhe liegt eine verdeckte Einlage vor, die beim Gesellschafter zur Erhöhung seiner Anschaffungskosten führt. In dieser Höhe muss auch das steuerliche Einlagekonto der GmbH erhöht werden.

Grundsätzlich sind Zahlungen an den Gesellschafter erst im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Auszahlung steuerlich bei ihm zu erfassen (§ 11 Abs. 1 EStG). Handelt es sich jedoch um einen beherrschenden Gesellschafter, wird ein Zufluss bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit angenommen, z.B. durch Gutschrift auf einem Verrechnungskonto. Dies gilt jedoch nur, sofern die Gesellschaft zahlungsfähig ist. Beherrschende Gesellschafter haben es aufgrund ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft selbst in der Hand, sich die fälligen Beträge auch auszahlen zu lassen ( BStBl 1999 II S. 223). Ist die Gesellschaft zahlungsunfähig, liegt weder bei Fälligkeit noch bei Gutschrift auf dem Verrechnungskonto ein Zufluss beim beherrschenden Gesellschafter vor.

Ist aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der GmbH kein Zufluss anzunehmen, erfolgt keine Besteuerung beim Gesellschafter. In der Folge liegt auch keine verdeckte Einlage seitens des Gesellschafters vor, so dass sich seine Anschaffungskosten der Beteiligung nicht erhöhen.

b) Verzicht auf eine Darlehensforderung

Verzichtet der Gesellschafter auf eine Darlehensforderung, handelt es sich um den fiktiven Rückfluss von zuvor gewährtem Kapital, so dass keine Versteuerung vorzunehmen ist. Der darlehensgebende Gesellschafter hat zunächst keine andere Stellung als jeder gesellschaftsfremde Gläubiger. Erst im Zeitpunkt des Verzichts leistet der Gesellschafter eine Einlage und seine Anschaffungskosten erhöhen sich.

Verzichtet der Gesellschafter auf ein eigenkapitalersetzendes Darlehen, bestimmen sich die nachträglichen Anschaffungskosten nach den Eigenkapitalersatzregeln. Der Verzicht hat auf die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten keine Auswirkung.

c) Verzicht auf eine Pensionsanwartschaft

Der Verzicht des Gesellschafter-Geschäftsführers auf seine Pensionsanwartschaft führt zu einem Zufluss des Forderungsbetrags, soweit die Forderung werthaltig ist, die Gesellschaft also im Zeitpunkt des Verzichts ihrer Zahlungsverpflichtung noch nachkommen kann. Dabei muss der Teilwert des Pensionsanspruchs nicht zwingend deckungsgleich mit der nach § 6a EStG passivierten Pensionsrückstellung sein.

Beispiel:

Der Gesellschafter-Geschäftsführer A hat gegenüber der A-GmbH einen unverfallbaren Pensionsanspruch. A will seine Anteile an der A-GmbH veräußern. Der Erwerber ist jedoch nicht bereit, die Pensionsverpflichtung zu übernehmen. Daher verzichtet A auf seine Pensionsansprüche. In der Bilanz ist die Pensionsrückstellung zutreffend mit 200.000 € passiviert, der Teilwert des Pensionsanspruchs beträgt nachweislich 220.000 €.

Der Verzicht führt beim Gesellschafter-Geschäftsführer zum Zufluss von Arbeitslohn in Höhe des werthaltigen Teils von 220.000 €. In gleicher Höhe liegt eine verdeckte Einlage vor, die zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S.v. § 17 EStG führt ( BStBl 1998 II S. 305).

Besteht eine Rückdeckungsversicherung und wird die Forderung der Gesellschaft gegen die Rückdeckungsversicherung an den Gesellschafter abgetreten, liegt insoweit kein Verzicht vor, da der Gesellschafter eine (teilweise) Abfindung für die Aufgabe seiner Pensionsansprüche gegenüber der Gesellschaft erhält. Die Übertragung des Pensionsanspruchs auf den Gesellschafter führt zum Zufluss von Arbeitslohn (R 40b.1 Abs. 3 LStR 2008), der als Arbeitslohn für mehrere Jahre nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt zu besteuern ist ( BStBl 1993 II S. 27). Es handelt sich insoweit nicht um eine verdeckte Einlage und damit auch nicht um nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung.

In Höhe der Pensionsansprüche, die nicht durch die Rückdeckungsversicherung abgedeckt sind, ist der Verzicht in der Regel gesellschaftlich veranlasst. Soweit diese Anwartschaft werthaltig war, führt sie zum Zufluss von Arbeitslohn und als verdeckte Einlage zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung. In Insolvenzfällen sind nicht rückgedeckte Pensionsansprüche jedoch regelmäßig nicht werthaltig, so dass weder ein Zufluss von Arbeitslohn noch nachträgliche Anschaffungskosten gegeben sind.

d) Forderungsverzicht gegen Besserungsschein

Bei einem Forderungsverzicht gegen Besserungsschein verzichtet der Gesellschafter unter der Bedingung, dass die Forderung (ggf. rückwirkend auch Zinsen) wieder auflebt, wenn bei der Kapitalgesellschaft die Besserung eintritt. Im Zeitpunkt des Verzichts finden die für den „normalen” Forderungsverzicht geltenden Grundsätze Anwendung (vgl. II. 2).

Tritt der Besserungsfall ein, gilt die verdeckte Einlage als an den Gesellschafter zurückgewährt ( BStBl 2003 I S. 648). Die zunächst erhöhten Anschaffungskosten des Gesellschafters mindern sich wieder. Voraussetzung ist jedoch, dass die Besserungsabrede eindeutig und klar im Voraus vereinbart ist. Der Besserungsfall muss so definiert sein, dass der Begriff des Besserungsfalls nicht auslegungsbedürftig ist. Wird dies nicht beachtet, handelt es sich bei den Zahlungen an den Gesellschafter um verdeckte Gewinnausschüttungen. Die Anschaffungskosten mindern sich in diesem Fall nicht.

3. Mittelbar verdeckte Einlage

Auch eine mittelbar verdeckte Einlage kann zu nachträglichen Anschaffungskosten führen, wenn sie z.B. durch eine dem Gesellschafter nahe stehende Person erbracht wird und in der Zuwendung an die Gesellschaft zugleich eine Zuwendung an den Gesellschafter zu sehen ist ( BStBl 2001 II S. 234).

Beispiel:

Die A-GmbH vergibt an die B-GmbH ein Darlehen, dessen Rückzahlung wegen der wirtschaftlichen Lage der B-GmbH von vornherein ausgeschlossen ist. Alleingesellschafter der A-GmbH ist A, Alleingesellschafterin der B-GmbH ist B. A und B sind verheiratet.

Der Grund für die Darlehensgewährung liegt allein in den ehelichen Beziehungen von A und B, so dass eine verdeckte Gewinnausschüttung der A-GmbH an ihren Gesellschafter A vorliegt. Dieser Vermögensvorteil gilt wiederum von A an seine Ehefrau B unentgeltlich zugewendet, damit diese ihn verdeckt in die B-GmbH einlegt. In Höhe dieser mittelbaren verdeckten Einlage hat B nachträgliche Anschaffungskosten.

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Fundstelle(n):
DAAAD-00269