BFH Urteil v. - VII R 54/06

Kürzung der Ausfuhrerstattung als zusätzliche Sanktion bei Verenden von Tieren während des Transports

Leitsatz

1. Eine bei der Ausfuhr lebender Rinder zu gewährende Ausfuhrerstattung ist wegen Verendens von mehr als fünf Tieren infolge nicht tierschutzgerechter Durchführung eines aus mehreren Ausfuhranmeldungen bestehenden Sammeltransports nur dann um den Betrag weiter zu kürzen, der für die während des Transports verendeten Tiere nicht gezahlt wird, wenn jene Tiere zu den mit der betreffenden Ausfuhranmeldung angemeldeten Tieren gehörten.

2. Die materielle Feststellungslast hierfür trägt unbeschadet einer Pflicht des Ausführers zur Beweisvorsorge das HZA.

Gesetze: VO Nr. 615/98 VO Nr. 615/98 Art. 5

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat im November 1998 eine Ausfuhranmeldung für 28 lebende Rinder (Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 9000) abgegeben. Die Rinder sind zunächst per LKW und Eisenbahn transportiert und anschließend zusammen mit zahlreichen anderen, von der Klägerin gesondert zur Ausfuhr angemeldeten Tieren auf ein Schiff verladen worden. Auf dem Schiff sind acht von den insgesamt 535 Tieren während des Transports verendet, wie die Klägerin dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt —HZA—) zu ihrem bezüglich der eingangs genannten Sendung gestellten Zahlungsantrag mitgeteilt hat. Das HZA hat daraufhin die der Klägerin aufgrund dieses Zahlungsantrags zu gewährende Erstattung dahin berechnet, dass ihr nach Maßgabe des Durchschnittsgewichts der ausgeführten Rinder für acht Tiere keine Erstattung zu gewähren sei und dass darüber hinaus wegen des nicht tierschutzgerechten Schiffstransports eine weitere Kürzung der Erstattung um den nämlichen Betrag nach Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 (VO Nr. 615/98) der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 82/19) vorzunehmen sei.

Diese Vorschrift schreibt eine Kürzung des Erstattungsbetrages bezüglich des auf die verendeten Tiere entfallenden, nach Absatz 3 vorgenannter Bestimmung nicht zu zahlenden Erstattungsbetrages vor, wenn die Zahl der Tiere, für die nach jenem Absatz 3 keine Erstattung gezahlt wird,

- mehr als 3 % der in der angenommenen Ausfuhranmeldung genannten Zahl, jedoch mindestens zwei Tiere, oder

- mehr als fünf Tiere

beträgt.

Das HZA ist der Auffassung, die im zweiten Anstrich enthaltene Regelung sei hier anzuwenden; sie beziehe sich nicht wie der erste Anstrich auf die von der Ausfuhranmeldung der Klägerin erfassten Tiere, sondern auf die auf dem fraglichen Schiff insgesamt verendeten Tiere.

Auf die wegen der Kürzung der Ausfuhrerstattung nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) das HZA unter Aufhebung seiner entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, der Klägerin auf ihren Zahlungsantrag weitere Ausfuhrerstattung von ... DM zu gewähren. Das FG urteilte, es stehe nicht fest, dass die acht auf dem Schiff verendeten Tiere aus der verfahrensgegenständlichen Ausfuhranmeldung der Klägerin stammten. Eine solche Zuordnung habe die Klägerin auch nicht dadurch selbst vorgenommen, dass sie dem HZA das Verenden von acht Tieren zu dem zu dieser Ausfuhranmeldung gestellten Zahlungsantrag mitgeteilt habe. Der Sanktionstatbestand des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 sei mithin nicht erfüllt. Zwar fehle bei dem zweiten Anstrich eine ausdrückliche Bezugnahme auf die konkrete Ausfuhranmeldung, wie sie der erste Anstrich enthält. Die Annahme des HZA, der zweite Anstrich könne sich nicht auf die von der Ausfuhranmeldung erfassten Tiere, sondern nur auf die mit dem Transportmittel insgesamt beförderten Tiere beziehen, stehe jedoch in Widerspruch zu der in allen Teilen der Verordnung vorausgesetzten Maßgeblichkeit einer konkreten Ausfuhranmeldung und der Systematik der Verordnung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des HZA, zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen wird:

Art. 5 Abs. 4 zweiter Anstrich VO Nr. 615/98 enthalte ebenso wenig wie die entsprechende Vorschrift der Nachfolgeverordnung (EG) Nr. 639/2003 (ABlEG Nr. L 93/10) eine Bezugnahme auf die Ausfuhranmeldung. Deshalb komme als sinnvolle Bezugsgröße nur das jeweilige Transportmittel in Betracht. Dementsprechend sei in der fünften Begründungserwägung auch nicht von einer Ausfuhranmeldung, sondern von den Tieren einer Lieferung die Rede. Auch Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 habe nicht nur eine bestimmte Ausfuhranmeldung, sondern die gesamte Transportladung im Auge, wenn er vorschreibe, dass Ausfuhrerstattung nicht gezahlt werde für Tiere, die während des Transports verendet sind.

Das HZA wendet sich ferner gegen die Auffassung des FG, das HZA treffe die Feststellungslast dafür, dass die die Anwendung der Sanktion rechtfertigenden verendeten Tiere aus der von der Klägerin zur Ausfuhr angemeldeten Sendung stammen. Aus der strittigen Vorschrift ergebe sich vielmehr das Gegenteil. Die Kürzungsregelung habe auch nicht, wie das FG offenbar annehme, einen strafrechtlichen Charakter und sei nicht einem Ausschlusstatbestand gleichzusetzen. Die Verhängung der Sanktion sei vielmehr an dieselben allgemeinen objektiven Kriterien geknüpft wie die Gewährung der Ausfuhrerstattung, deren Voraussetzungen der Wirtschaftsbeteiligte nachzuweisen habe.

Im Übrigen weist das HZA darauf hin, dass die Rechtsauffassung des FG dazu führe, dass Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 praktisch ins Leere liefe. Eine Zuordnung während des Transports auf einem Schiff verendeter Tiere zu einer speziellen Ausfuhranmeldung sei dem HZA in der Regel nicht möglich, da es auf die Benennung der Ohrmarkennummern durch den Ausführer angewiesen wäre. Ohne Kenntnis dieser Ohrmarkennummer wäre eine Sanktionierung nur in dem Fall möglich, dass eine Ausfuhranmeldung 200 Tiere betreffe, mithin sechs Tiere nicht mehr als 3 % der Ausfuhranmeldung sind und damit nur der zweite Anstrich zum Zuge kommt. Dass eine solche Anmeldung in Deutschland jemals abgegeben worden wäre, sei dem HZA nicht bekannt.

II.

Die Revision des HZA ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das Urteil des FG entspricht im Ergebnis dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).

1. Nach Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 wird der Erstattungsbetrag gekürzt, wenn die Zahl der Tiere, für die nach Absatz 3 des Artikels keine Erstattung gezahlt wird, mehr als 3 % der in der angenommenen Ausfuhranmeldung genannten Zahl, jedoch mindestens zwei Tiere beträgt (so der erste Anstrich), oder mehr als fünf Tiere (zweiter Anstrich). Der Kürzungsbetrag ergibt sich nach dieser Vorschrift aus Absatz 3 des Artikels, beläuft sich also auf die Ausfuhrerstattung, die für diejenigen Tiere nicht gezahlt wird, die während des Transports verendet sind, oder bei denen die zuständige Behörde aufgrund der Unterlagen nach Absatz 2, der Berichte über die Kontrolle nach Artikel 4 und/oder sonstiger Informationen über die Einhaltung von Artikel 1 zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden ist.

Der eben zitierte Absatz 4 des Art. 5 VO Nr. 615/98 steht also —was auch das HZA anerkennt— in engem systematischen Zusammenhang mit Absatz 3; der Kürzungsbetrag ist der Betrag, um den die mit einer bestimmten Ausfuhranmeldung beantragte Erstattung nach Absatz 3 vermindert wird. Wenn Absatz 3 nämlich vorschreibt, dass die Ausfuhrerstattung nicht gezahlt wird für Tiere, die während des Transports verendet sind oder bei denen die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden ist, kann sich dieses Gebot sinnvoll nur auf einen bestimmten Zahlungsantrag und die ihm aufgrund der Ausfuhranmeldung zugeordneten Tiere beziehen. Dementsprechend geht es auch im Absatz 4 um die Zahl der einer bestimmten Ausfuhranmeldung zugeordneten Tiere, was im ersten Anstrich sogar ausdrücklich hervorgehoben wird, was aber auch, wie das FG richtig erkannt hat, im Falle des zweiten Anstrichs gelten muss, nach dem die Zahl der verendeten Tiere (bzw. der nicht tierschutzgerecht behandelten Tiere, von denen jedoch hier und im Folgenden abgesehen werden kann) mehr als fünf betragen muss, das heißt: die Zahl der aus der Ausfuhranmeldung verendeten Tiere, zu der die Nichtzahlung des mit ihr beantragten Erstattungsbetrages erfolgt ist.

Der Wortlaut des zweiten Anstrichs kann schwerlich gegen dieses Verständnis der Regelung angeführt werden, auch wenn er seinen Bezugspunkt —Ausfuhranmeldung— nicht wie der erste Anstrich ausdrücklich nennt; denn sinndeutendes Lesen wird auch ohne solche Wiederholung als nahe liegend empfinden, die zuvor im Einleitungssatz („Zahl der Tiere, für die nach Absatz 3 keine Erstattung gezahlt wird”) und noch einmal im ersten Anstrich klargestellte Bezugnahme auf die einzelne Ausfuhranmeldung auch beim zweiten Anstrich mitzulesen, nachdem anders als im ersten wegen der Benennung einer absoluten Zahl die Angabe der Bezugsgröße sprachlich nicht zwingend erforderlich ist, worauf die Klägerin mit Recht hingewiesen hat. Bezöge sich die Zahl fünf auf etwas völlig anderes, nirgends in der Verordnung namentlich Benanntes, nämlich ein Transportmittel, wäre auch, wenn zu diesem mehrere Ausfuhrabfertigungen aufgrund mehrerer Anmeldungen erfolgt sind, nicht bestimmbar, bei welchem Erstattungsantrag das Verenden der Tiere eine Kürzung des Erstattungsbetrages auslösen soll, ob dies bei jedem derselben, also mehrfach geschehen soll oder ob etwa der Kürzungsbetrag auf die Anmeldungen aufzuteilen ist, welche Unklarheiten zusätzlich gegen eine solche Deutung des zweiten Anstrichs sprechen.

Dass das HZA einen Nachweis dafür, dass von der Ausfuhranmeldung betroffene Tiere verendet sind, in der Regel nicht anhand der Erstattungsunterlagen führen kann, weil es allenfalls über die Ohrmarkennummern der angemeldeten Tiere, nicht aber über die Ohrmarkennummern der verendeten Tiere aus diesen Unterlagen Aufschluss erhält, zwingt nicht zu einer anderen Auslegung. Denn mit der im ersten Anstrich getroffenen Regelung sowie mit Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 mutet der Verordnungsgeber dem HZA offenkundig zu, diesbezügliche Feststellungen zu treffen; warum dies bei Anwendung des zweiten Anstrichs untragbar wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. Es kann auch schwerlich angenommen werden, dass der Verordnungsgeber im zweiten Anstrich gerade für den Fall nicht auf eine einzelne Ausfuhranmeldung, sondern auf die Ladung eines Transportmittels abstellt, dass nicht festgestellt werden kann, wie viele Tiere aus den einzeln angemeldeten Sendungen verendet sind, aber feststeht, dass mehr als fünf auf dem Transportmittel dieses Schicksal hatten. Denn in einem solchen Fall könnte die Kürzungsregel ohnehin nicht greifen, weil sich ein nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 nicht gezahlter Erstattungsbetrag nicht ermitteln ließe, um den aber, wie dargelegt, der zu zahlende Erstattungsbetrag gekürzt werden soll.

Was die Ohrmarkennummern der verendeten Tiere angeht, anhand derer eine Zuordnung verendeter Tiere in der Regel nur wird erfolgen können, wird das HZA zwar möglicherweise auf die Angaben des Ausführers angewiesen sein, sofern sich nicht aus einem Einfuhrnachweis, den dieser zu erbringen hat, und den dafür vorzulegenden Unterlagen die erforderlichen Rückschlüsse ziehen lassen. Dieser Umstand mag sich, wie noch zu erörtern ist, auf die Verteilung der Feststellungslast auswirken oder zumindest den Ausführer dazu verpflichten, bei Zusammenfassung mehrerer Ausfuhrsendungen auf einem Transportmittel Beweisvorsorge dafür zu treffen, dass eine Zuordnung auf diesem verendender Tiere zu jenen Sendungen möglich ist. Er rechtfertigt es hingegen nicht, Art. 5 Abs. 4 zweiter Anstrich VO Nr. 615/98 dahin auszulegen, dass eine Kürzung der hinsichtlich einer bestimmten Ausfuhranmeldung zu zahlenden Ausfuhrerstattung um den für verendete bzw. nicht entsprechend der genannten Richtlinie transportierte Tiere nicht gezahlten Erstattungsbetrag vorzunehmen ist, wenn auf dem Transportmittel, auf welches die betreffenden Tiere verladen worden sind, mehr als fünf Tiere verendet sind, ohne dass es darauf ankäme, ob es sich bei diesen Tieren um die nämlichen handelt, für die keine Erstattung gezahlt worden ist, die also mit der betreffenden Anmeldung zur Ausfuhr abgefertigt worden sind.

2. Der vom HZA dieser rechtlichen Beurteilung entgegengehaltene Einwand, sie lasse Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 in der Praxis ins Leere laufen, vermag den Senat nicht von der Richtigkeit der Auslegung des HZA zu überzeugen.

Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 nimmt das Verenden eines einzigen Tieres aus einer Ausfuhrsendung während des Transports in keinem Fall zum Anlass, die dem Ausführer zu gewährende Ausfuhrerstattung —abgesehen davon, dass ihm für das verendete Tier keine Ausfuhrerstattung gewährt wird— zu kürzen. Das beruht offenbar auf der Erwägung, dass das Verenden eines einzelnen Tieres keinen hinreichend wahrscheinlichen Rückschluss darauf zulässt, dass der Transport unter Verstoß gegen die Richtlinie 91/628/EWG durchgeführt worden ist, welche Verstöße zu sanktionieren jedoch das Anliegen des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 ist. Sind zwei Tiere verendet, wird gemäß Art. 5 Abs. 4 erster Anstrich VO Nr. 615/98 die Sanktion bei Ausfuhrsendungen von nicht mehr als 66 Tieren verhängt, weil in diesem Falle zwei Tiere mehr als 3 % ausmachen. Bei größeren Sendungen kann die Sanktion hingegen nur verhängt werden, wenn mehr als zwei Tiere verendet sind, bei Sendungen von mehr als 166 Tieren, wenn es deren mindestens fünf sind; denn fünf sind erst bei 167 mehr als 3 %, wobei der Umstand, dass der Verordnungsgeber vorgenannte Prozentregel neben das Erfordernis des Verendens von mindestens zwei Tieren stellt, darauf hindeuten dürfte, dass er mit größeren Sendungen als der im Streitfall angemeldeten nicht nur in seltenen Ausnahmefällen gerechnet hat.

Dies vorausgeschickt, zeigt sich allerdings, dass der zweite Anstrich des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 (Verenden von mindestens sechs Tieren) —wenn man ihn, wie es der Senat für richtig hält, auf die einzelne Ausfuhranmeldung bezieht— als Sanktionstatbestand neben dem ersten Anstrich (mehr als 3 %) nur dann Bedeutung hat, wenn eine Ausfuhrsendung, das heißt die Zahl der in der angenommenen Ausfuhranmeldung bestätigten Tiere, mehr als 200 Tiere umfasst; denn erst dann sind sechs Tiere nicht mehr als 3 %, so dass eine Sanktion nach dem ersten Anstrich nicht verwirkt ist, wohl aber nach dem zweiten Anstrich. Es erscheint nahe liegend, dass solche Ausfuhrsendungen häufiger nur bei Abgabe der Ausfuhranmeldung in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Verladung auf ein Schiff und mithin möglicherweise —jedenfalls in Deutschland— selten vorkommen werden. Es muss aber dahinstehen, ob der Verordnungsgeber dies bedacht hat, ob er sich also bewusst war, dass der zweite Anstrich nur bei außergewöhnlich großen Ausfuhrsendungen —wie sie offenbar im Zuständigkeitsbereich des HZA überhaupt nicht vorkommen— als Ergänzung des ersten Anstrichs einzugreifen vermag. Denn selbst wenn es anders wäre, könnte dies kein Grund sein, dem zweiten Anstrich eine Bedeutung beizulegen, die, wie ausgeführt, nach dem Wortlaut der Vorschrift und vor allem nach dem Kontext, in dem sie steht, fernliegend ist.

3. Das FG ist mit Recht sinngemäß davon ausgegangen, dass das HZA und nicht der Ausführer die Feststellungslast dafür trägt, dass die Sanktionsvoraussetzungen vorliegen, dass im Streitfall also mindestens zwei bzw. mehr als fünf Tiere der in der Ausfuhranmeldung der Klägerin bestätigten Tiere auf dem Transport verendet sind.

Welcher Beteiligte für bestimmte Tatsachen die (materielle) Feststellungslast trägt —das heißt das Risiko, dass sich diese Tatsachen mit der Folge der Unanwendbarkeit der Vorschrift, die auf sie abstellt, nicht feststellen lassen—, ist anhand jener Vorschrift zu ermitteln, die, sofern sie —wie Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98— die Feststellungslast nicht ausdrücklich einem Beteiligten zuweist, einer diesbezüglichen Auslegung bedarf. Hierbei sind bestimmte Auslegungsgrundsätze zu beachten, deren Inhalt und deren Rangverhältnis im Falle gegenläufiger Auslegungsergebnisse in Rechtsprechung und Schrifttum allerdings nicht immer einheitlich verstanden wird und sich nicht in eine einfache und für alle Vorschriften gleiche Formel fassen lässt. Vielmehr können bei der Ermittlung dessen, der jenes Risiko der Unaufklärbarkeit der tatsächlichen Voraussetzungen eines gesetzlichen Tatbestandes tragen soll, unterschiedliche Gesichtspunkte Bedeutung erlangen, wie das Regel-Ausnahme-Verhältnis von gesetzlichen Tatbeständen, welchem die dem Rechtsdenken geläufige Unterscheidung zwischen anspruchsbegründenden Tatsachen und anspruchshindernden oder -vernichtenden Einwendungen entspricht, ferner ob ein Beteiligter seinen Rechtsstatus lediglich verteidigen will, wie dies z.B. bei der Anwendung von Steuergesetzen, die Grundlage eines Eingriffs in sein Vermögen darstellen, der Fall ist, oder ob er selbst der „Angreifer” ist; bei der Beweislastverteilung wird aber vielfach mit Recht auch berücksichtigt, zu wessen Wahrnehmungs- und Einflusssphäre eine Tatsache gehört und wem folglich das Risiko ihrer Unerweislichkeit am ehesten zugemutet werden kann (vgl. zu allem Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Aufl., § 108 Rz 11 ff., mit zahlreichen Nachweisen).

Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 stellt auf Tatsachen ab, die, wie erörtert, im Allgemeinen nicht zur Wahrnehmungs- und Einflusssphäre des Hauptzollamts gehören; sie dürften allerdings in der Regel auch nicht in die Wahrnehmungssphäre des Ausführers fallen, der sich zur Durchführung eines Transports, soweit er diesen seinem Abnehmer schuldet, einer Spedition als Vertragspartner zu bedienen pflegt bzw., wenn er den Transport nicht zu verantworten hat —wie es im Streitfall aufgrund eines Verkaufs „fob” der Fall gewesen sein soll—, sich Kenntnis von diesen Tatsachen nur mittels seines Abnehmers verschaffen könnte. Hierauf entscheidend abzustellen und dem Ausführer wegen seiner gleichwohl größeren Beweisnähe zu den Tatsachen, die den Tatbestand des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 bilden, die Feststellungslast aufzubürden (gegen eine Beweislastverteilung mit Rücksicht auf die Verletzung einer Aufklärungspflicht grundsätzlich Kopp/Schenke, a.a.O., § 108 Rz 17 und die dort angeführten Stimmen), würde indes verkennen, dass Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 dem Hauptzollamt eine Eingriffsbefugnis verleiht, ihm nämlich das Recht gibt, einen —durch die Erfüllung der allgemeinen Erstattungsvoraussetzungen sowie der im Hinblick auf den Tierschutz in Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 normierten— von dem Ausführer verdienten Anspruch auf Ausfuhrerstattung zu „kürzen”, in diesen Anspruch also einzugreifen. Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 normiert also nicht etwa, wie das HZA meint, eine Voraussetzung für einen Anspruch auf Ausfuhrerstattung; denn es geht in der Vorschrift nicht darum, eine zusätzliche Voraussetzung zu definieren, wann ein Ausführer eine Ausfuhrerstattung verdient hat, was vielmehr nach deren Sinn und Zweck offenkundig bereits dann der Fall ist, wenn er erstattungsfähige Ware von gesunder und handelsüblicher Qualität unter Beachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten aus der Gemeinschaft ausgeführt hat und wenn (wie es bei differenzierter Erstattung bzw. lebendem Vieh zusätzlich gefordert wird) die Ware, gegebenenfalls unter Beachtung der Tiertransport-Richtlinie, das Bestimmungsdrittland erreicht hat. Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 enthält vielmehr die Rechtsgrundlage für die Verhängung einer (Verwaltungs-)"Strafe” oder, wenn man diesen Begriff mit dem HZA vermeiden will, einer Sanktion, die mittels ihrer abschreckenden Wirkung die Beachtung der vorgenannten Tiertransport-Richtlinie durchzusetzen helfen soll.

Es wäre mit dieser Struktur des Kürzungstatbestandes bei Berücksichtigung der oben erörterten allgemeinen Grundsätze der Beweislastverteilung, die auch bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht anwendbar sind, unvereinbar, demjenigen die Feststellungslast aufzubürden, der sich gegen eine solche Sanktion wehrt, die zu verhängen das HZA aufgrund eines Tatbestandes ermächtigt ist, der den allgemeinen und nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 bestehenden Erstattungsvoraussetzungen einwendungsartig als Ausnahmetatbestand gegenübersteht.

Die Ausgestaltung des Kürzungstatbestandes als Rechnungsposten bei der Festsetzung der Ausfuhrerstattung, die derjenigen der in der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen geregelten Sanktion bei falschen Angaben des Ausführers in der Ausfuhranmeldung gleicht (dazu Urteil des Senats vom VII R 32/03, BFHE 204, 527), ändert daran nichts. Sie betrifft nicht die für die Beweislastverteilung ausschlaggebende Normstruktur, sondern das Verwaltungsverfahren, in dem die Sanktionierung verwirklicht wird, und ist daher für die Beweislastverteilung ebenso belanglos wie die prozessuale Stellung der Beteiligten im Rahmen der hier verfahrensgegenständlichen Verpflichtungsklage.

Es trifft auch nicht zu, dass —wie das HZA meint— die Beweislast für die Zahl der aus einer Ausfuhrsendung verendeten Tiere deshalb beim Ausführer liegen müsste, weil dieser sie —genauer gesagt umgekehrt: die Beweislast für die Zahl der lebend angekommenen Tiere— bei Anwendung des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 zu tragen hat; es ist vielmehr nicht ungewöhnlich, dass für ein und dieselbe Tatsache, um die es sich dabei im Kern freilich handelt, auf die das Gesetz aber in unterschiedlichem Regelungszusammenhang abstellt, die Feststellungslast unterschiedlich verteilt ist, weil es sich einmal um eine anspruchsbegründende Tatsache und das andere Mal um eine Tatsache handelt, die den grundsätzlich begründeten Anspruch ausnahmsweise vernichtet bzw. sein Entstehen hindert und über den Verlust des Anspruches für die verendeten Tiere hinaus dem Betroffenen ein zusätzliches Übel, eine „Sanktion”, auferlegen will.

4. Mit der demnach dem HZA aufzubürdenden materiellen Feststellungslast ist freilich nichts darüber entschieden, ob nicht ein Ausführer gerade mit Rücksicht auf diese materielle Feststellungslast bei der Ausfuhr lebenden Viehs die Beweisführungslast (formelle Feststellungslast) (mit-)zutragen hat, weil ohne seine Mitwirkung bei der Feststellung, ob in einem für die Anwendung des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 relevanten Umfang aus einer Ausfuhrsendung Tiere auf dem Transport verendet sind, dies vom HZA nicht geprüft werden kann, was, wie erwähnt, zumal bei aus mehreren Ausfuhrsendungen bestehenden Transporten in der Regel zu besorgen sein dürfte.

Der erkennende Senat braucht indes mangels Entscheidungserheblichkeit nicht abschließend zu prüfen, in welchem Umfang einem Ausführer insofern eine Pflicht zur Beweisvorsorge obliegt, wie sie nach den Erläuterungen das HZA in der mündlichen Verhandlung offenbar inzwischen bei entsprechenden Transporten von den Ausführern tatsächlich erfüllt wird. Jedenfalls kann grundsätzlich ein Beteiligter, auch wenn er die materielle Feststellungslast für eine Tatsache nicht trägt, eine Vorsorge für die Aufklärung dieser Tatsache nicht ohne Folgen für die Feststellung dieser Tatsache verweigern, sofern ihm solche Vorsorge möglich und zumutbar ist und die betreffende Tatsache ohne seine Mitwirkung überhaupt nicht aufgeklärt werden könnte.

5. Der Klägerin kann jedoch nach den Umständen des Streitfalls nicht der Vorwurf gemacht werden, dass sie keine Vorsorge dafür getroffen hat, die Ohrmarkennummern der auf dem Schiff verendenden Tiere festzuhalten, um dadurch eine Zuordnung zu den auf dem Schiff transportierten Ausfuhrsendungen zu ermöglichen.

Nach der damaligen Rechtsansicht des HZA war eine solche Beweisvorsorge für die Anwendung des Art. 5 Abs. 4 zweiter Anstrich VO Nr. 615/98 nicht erforderlich. Wie sich aus dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens folgern lässt und von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden ist, entsprach es jedenfalls in dem Zeitraum, in dem die hier streitige Ausfuhr abgewickelt worden ist —also unmittelbar nach Inkrafttreten vorgenannter Verordnung—, der Verwaltungspraxis des HZA, im Einvernehmen mit den betroffenen Ausführern gegebenenfalls pauschale Abschläge von der Ausfuhrerstattung bei einer beliebigen der auf den Transportmitteln vereinigten Ausfuhrsendungen vorzunehmen, mag dies darauf beruht haben, dass man damals eine Zuordnung zu den einzelnen Ausfuhrsendungen rechtsirrtümlich als überflüssig, als tatsächlich nicht durchführbar oder zumindest als dem Ausführer nicht zumutbar angesehen hat, wenn er, wie es nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung beim Export lebender Rinder in den Libanon Handelsbrauch gewesen sein soll, „fob” verkauft und damit auf die Durchführung des Seetransports keinen unmittelbaren Einfluss hat. Bei Vernachlässigung von etwaigen Differenzen des Durchschnittsgewichts und des Erstattungssatzes führte diese Praxis in der Tat gegenüber einer Zuordnung der verendeten Tiere zu den einzelnen Ausfuhrsendungen im Hinblick auf die Anwendung des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 nicht zu unterschiedlichen Erstattungszahlungen. Die Klägerin hatte demgemäß weder ein wirtschaftliches Eigeninteresse an den jetzt vermissten Beweisvorkehrungen noch einen Anlass anzunehmen, das HZA lege auf die Mitteilung wert, aus welchen Ausfuhrsendungen welche Anzahl von Tieren verendet ist. Verwaltungsvorschriften oder sonstige Hinweise, dass es hierauf ankommen könnte und durch die die Ausführer insbesondere auch auf ihre in diesem Zusammenhang bestehenden oder zumindest denkbaren Mitwirkungspflichten (Pflicht zur Beweisvorsorge) aufmerksam gemacht worden wären, sind ohnehin nicht ersichtlich.

Die Klägerin konnte also allenfalls unmittelbar anhand des —im Übrigen erst kurze Zeit zuvor in Kraft getretenen— Art. 5 VO Nr. 615/98 auf den Gedanken kommen, dass sie die Ohrmarkennummern auf dem Transport verendender Tiere festhalten lassen müsse bzw. bei fob-Lieferungen ihre Abnehmer vorsorglich dafür in die Pflicht nehmen müsse, solche Feststellungen von den von ihnen mit dem Seetransport betrauten Reedereien für den Fall treffen zu lassen, dass dazu von ihr doch einmal Angaben verlangt werden würden. Dieser Gedanke musste sich ihr indes auch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 4 zweiter Anstrich VO Nr. 615/98 angesichts des im Wortlaut dieser Vorschrift nicht klar zum Ausdruck kommenden Regelungsgehalts derselben, der erst durch diese Entscheidung des erkennenden Senats geklärt wird, keineswegs aufdrängen. Anders hätte es sich im Hinblick auf Art. 5 Abs. 4 erster Anstrich und erst recht Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 verhalten müssen, wenn die Klägerin nicht insofern infolge der Praxis einer pauschalen Berücksichtigung der bei mehreren gemeinsam transportierten Ausfuhrsendungen nicht zu zahlenden Ausfuhrerstattung kaum Anlass zu einer eigenständigen Prüfung hatte, ob sie bei Sammeltransporten vorgenannter Art nicht doch (auch ungefragt und unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als dem des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98) irgendwelche Mitwirkungspflichten zu erfüllen haben könnte.

Unter diesen Umständen würde es eine Überspannung der Sorgfaltspflichten der Klägerin bedeuten, ihr eine schuldhafte Verletzung einer Beweisvorsorgepflicht vorzuwerfen. Einem in gutem Glauben, welcher der Klägerin zu unterstellen ist, handelnden Ausführer kann die Verletzung einer in Form der Pflicht zur Beweisvorsorge bestehenden Mitwirkungspflicht nicht vorgeworfen werden, wenn sich eine solche Pflicht aus den einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften nicht hinreichend deutlich ergibt und der Ausführer im Zeitpunkt der Durchführung des Ausfuhrgeschäftes, auf den es insofern allein ankommen kann, davon ausgehen musste, dass es auf die betreffenden Tatsachen nach der Rechtsansicht und Praxis der Behörde nicht ankommt und er von der Behörde auch nicht zumindest konkludent dazu aufgefordert worden ist, gleichwohl vorsorglich Beweise für diese Tatsachen zu sichern. Denn ein Wirtschaftsbeteiligter wie die Klägerin kann sich zwar nicht darauf berufen, ihm sei das für seine Geschäfte einschlägige Recht nicht bekannt gewesen oder er habe sich insofern auf die Richtigkeit der Rechtspraxis der Behörde verlassen. Er ist aber grundsätzlich nicht verpflichtet, ungeachtet der Rechtsansicht der Behörde anhand der Rechtsvorschriften und der von ihnen eröffneten Auslegungsmöglichkeiten, die er gleichsam durchspielen müsste, vorausschauende Überlegungen anzustellen, welche Tatsachen für die Behörde möglicherweise insoweit bedeutsam werden könnten, als diese eine Verwaltungsstrafe verhängen will und sich deren gegenwärtige Rechtsansicht zu den Voraussetzungen einer solchen Maßnahme als unzutreffend erweisen sollte, und ob ihn dann unter Umständen Mitwirkungspflichten bei der Feststellung jener Tatsachen treffen könnten, die der Behörde gegebenenfalls die Verhängung einer solchen Strafe gestatten, welche Pflicht er ungefragt und von sich aus ungeachtet der Feststellungslast der Behörde hierfür vorsorglich erfüllen müsse.

6. Es ist nicht festgestellt und es ist nach dem Vorbringen der Beteiligten davon auszugehen, dass sich auch nicht feststellen lässt, dass von den von der Klägerin mit der Ausfuhranmeldung, auf die sich der hier strittige Bescheid bezieht, zur Ausfuhr angemeldeten Rindern zwei oder mehr Tiere auf dem Transport in das Bestimmungsland verendet sind. Dementsprechend kann, wie das FG eingehend und zutreffend ausgeführt hat, die der Klägerin zu gewährende Ausfuhrerstattung nicht auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 4 erster Anstrich VO Nr. 615/98 gekürzt werden, weil dies, wie dargelegt, voraussetzte, dass mindestens zwei Tiere der von der hier betroffenen Ausfuhranmeldung erfassten Tiere verendet sind (was dann zugleich mehr als 3 % der Ausfuhrsendung wären).

Die der Klägerin zu gewährende Erstattung kann aber auch nicht gemäß Art. 5 Abs. 4 zweiter Anstrich VO Nr. 615/98 gekürzt werden, weil ihr für „mehr als fünf Tiere” keine Erstattung gezahlt wird. Denn diese Voraussetzung wäre nur dann erfüllt, wenn für mehr als fünf der von dem Beteiligten in der betreffenden Ausfuhranmeldung angemeldeten Tiere gemäß Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 keine Erstattung gezahlt wird. Das ist im Streitfall nicht festgestellt und lässt sich auch nicht mehr feststellen, ohne dass der Klägerin daraus nach den Umständen des Streitfalls ein Vorwurf gemacht werden könnte, der die grundsätzlich dem HZA obliegende Feststellungslast für die Voraussetzungen des Kürzungstatbestandes gegen sie kehren würde oder zumindest bei der Beweiswürdigung zu ihren Lasten berücksichtigt werden müsste.

Selbst wenn im Übrigen höhere Anforderungen an die gleichsam spontane Mitwirkungsbereitschaft der Klägerin zu stellen sein sollten, als eben ausgeführt, und der Klägerin deshalb der Vorwurf sollte gemacht werden müssen, ihre Beweisvorsorgepflicht fahrlässig verletzt zu haben, könnte gegen sie nicht die vom HZA angeordnete Sanktion verhängt werden. Denn dann könnte nicht etwa ohne weiteres zu Lasten der Klägerin unterstellt werden, dass alle acht verendeten Tiere oder zumindest zwei bzw. sechs aus der hier strittigen Ausfuhrsendung stammen; es müsste dann vielmehr der Sachverhalt unter Zuhilfenahme des Mittels der Schätzung (§ 162 der Abgabenordnung) festgestellt werden, welche der erkennende Senat sogar bei der Ermittlung der Voraussetzungen für die Gewährung von Ausfuhrerstattung für zulässig gehalten hat (Urteil vom VII R 44/92, BFHE 172, 190) und auf die zu Gunsten des Ausführers umso mehr zurückzugreifen ist, wenn es —wie hier— um die infolge der allenfalls leicht fahrlässigen Verletzung seiner verfahrensrechtlichen Pflichten (Pflicht zur Beweisvorsorge) im Ausfuhrverfahren anders nicht mögliche Ermittlung der Voraussetzungen für eine gegen ihn zu verhängende Verwaltungsstrafe (Sanktion) geht.

Eine solche Schätzung könnte schwerlich zu dem Ergebnis gelangen, dass zwei oder sogar mehr als fünf Tiere aus der strittigen Ausfuhrsendung während des Schiffstransports verendet sind. Wenn nämlich —wie im Streitfall— acht von 535 Tieren verenden, entfallen rechnerisch auf die 28 Tiere der strittigen Ausfuhrsendung (8 ./. 535 x 28 =) 0,41 Tiere. Die Zahl der Tiere, deren Verenden den Kürzungstatbestand überhaupt erst erfüllen würde, müsste folglich fast fünfmal höher sein, was selbst unter Berücksichtigung eines wegen des Vorwurfs der Verletzung einer Mitwirkungspflicht im Rahmen der erforderlichen Wahrscheinlichkeitsrechnung vorzunehmenden Unsicherheitszuschlags zu Lasten der Klägerin nicht im Schätzungswege angenommen werden könnte. Es liegt auf der Hand, dass der sonst ebenfalls nicht feststellbare Betrag, der der Klägerin für die verfahrensgegenständliche Ausfuhrsendung nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 nicht zu zahlen ist, erst recht nicht entsprechend dem angegriffenen Bescheid des HZA im Rahmen der Anwendung des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 dahin geschätzt werden kann, er ergebe sich nach Maßgabe des Durchschnittsgewichts von acht Tieren dieser Sendung, belaufe sich also nahezu auf das 20fache dessen, was der Wahrscheinlichkeit entspricht.

7. Da das HZA nach alledem für die tatsächlichen Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 den ihm obliegenden Nachweis nicht führen kann, hat das FG das HZA unter Änderung des von ihm erlassenen Erstattungsbescheides mit Recht zur Gewährung weiterer Ausfuhrerstattung an die Klägerin verpflichtet, so dass die dagegen gerichtete Revision des HZA gemäß § 126 Abs. 2 FGO unbegründet und zurückzuweisen ist.

Soweit diese Entscheidung auf einer Auslegung des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 615/98 beruht, hält der erkennende Senat den Regelungsgehalt dieser Vorschrift für eindeutig (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschafen —EuGH— vom Rs. 283/81 —C.I.L.F.I.T.—, EuGHE 1982, 3415). Ob der Klägerin der Vorwurf einer Verletzung ihrer Beweisvorsorgepflicht gemacht werden kann, ist, soweit in diesem Zusammenhang das Gemeinschaftsrecht, insbesondere das Gebot seiner effektiven Anwendung, zu berücksichtigen ist, eine —überdies für die Entscheidung des Senats nicht allein tragende— Frage der Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf den Einzelfall, so dass auch insofern ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nicht besteht.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 102 Nr. 1
BFH/PR 2009 S. 117 Nr. 3
DB 2008 S. 2746 Nr. 50
HFR 2009 S. 105 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 51/2008 S. 4793
RIW 2009 S. 256 Nr. 4
StB 2009 S. 11 Nr. 1
StBW 2009 S. 6 Nr. 1
EAAAC-97241