BFH Urteil v. - I R 35/08

Vergütungen, die ein Arbeitnehmer von der Bundesrepublik Deutschland für eine nichtselbständige Tätigkeit im Dienst internationaler Organisationen erhält, sind nicht gemäß § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei; Anwendung des Kassenstaatsprinzips gemäß Art. 16 Abs. 3 Satz 1 DBA-Jugoslawien

Leitsatz

Die von der Bundesrepublik Deutschland einem Arbeitnehmer gezahlten Vergütungen für Dienste in internationalen Organisationen sind nicht gem. § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei, wenn sie aus einem Titel geleistet werden, aus dem Personalausgaben für zeitlich befristete Einsätze für die OSZE bestritten werden. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG erfasst nur die Erstattung solcher Aufwendungen, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind. Art. 16 Abs. 3 DBA Jugoslawien setzt nicht voraus, dass zwischen der Gebietskörperschaft oder dem Vertragsstaat und dem Empfänger der Vergütung ein Dienstverhältnis besteht. Auch Art. 19 Abs. 1 DBA Jugoslawien verlangt kein Dienstverhältnis zwischen Kassenstaat und Vergütungsgläubiger.

Gesetze: EStG § 3 Nr. 12, EStG § 19, DBA Jugoslawien Art. 16

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden in den Streitjahren 2001, 2003 und 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war ab dem im Rahmen einer Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als Administrative & Budget Officer im Landesteil Kosovo der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien tätig. Sie hielt sich in den Streitjahren länger als jeweils 183 Tage im Kosovo auf. Ihre Wohnung in Deutschland, in der der Kläger weiterhin wohnte, behielt sie bei. Von der OSZE erhielt die Klägerin ein Tagegeld für die Kosten von Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 95 US-$ je Tag. Zudem trug die OSZE die Fahrtkosten der Klägerin von Wien in das Missionsgebiet und zurück jeweils zu Beginn und am Ende des Einsatzes. Die Klägerin schloss mit der Bundesrepublik Deutschland (BRD), vertreten durch das Auswärtige Amt, am eine Zuwendungsvereinbarung ab. Ergänzend zu den Leistungen der OSZE sagte die BRD der Klägerin vorbehaltlich des Bereitstehens ausreichender Haushaltsmittel als pauschalierten Aufwendungsersatz Zahlungen in Höhe von monatlich 6 000 DM zu. Nach § 3 Abs. 1 Satz 6 der Vereinbarung sollte die Klägerin für die ordnungsgemäße Versteuerung des Aufwandsersatzes selbst verantwortlich sein. Ein Arbeits- oder Dienstverhältnis zwischen den Beteiligten sollte nicht zustande kommen, wie in § 3 Abs. 6 der Vereinbarung ausdrücklich klargestellt wird.

Auf der Grundlage dieser Vereinbarung erhielt die Klägerin im Jahr 2001 36 000 DM, im Jahr 2003 30 700 € und im Jahr 2004 36 840 €. Die Zahlungen wurden im Jahr 2001 aus dem Haushaltstitel 2302 687 12 und im Jahr 2003 aus dem Titel 0502 687 29 des Bundeshaushaltsplans geleistet. Der entsprechende Haushaltstitel für Zuwendungszahlungen an Sekundierte, die für die OSZE in Ländern außerhalb Südosteuropas tätig sind (Kaukasus, Zentralasien), enthält den Vermerk: „Aus den Ausgaben können Personalausgaben für zeitlich befristete Einsätze geleistet werden.” Dieser Vermerk wurde laut einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom auf die Titel 2302 687 12 und 0502 687 29 entsprechend angewandt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) behandelte die Zahlungen des Auswärtigen Amtes an die Klägerin als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Die Kläger sind demgegenüber der Auffassung, dass hinsichtlich der Zahlungen des Auswärtigen Amtes § 3 Nr. 12 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingreife mit der Folge, dass diese Bezüge steuerfrei belassen werden müssten. Jedenfalls aber stehe Deutschland kein Besteuerungsrecht hinsichtlich der Zahlungen des Auswärtigen Amtes an die Klägerin zu.

Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg wies die Klage mit Urteil vom 12 K 2459/05 B, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1100, ab.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung vom sowie die Einkommensteuerbescheide 2001, 2003 und 2004 vom dahingehend zu ändern, dass im Jahr 2001 36 000 DM, im Jahr 2003 30 700 € und im Jahr 2004 36 840 € nicht als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit erfasst werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die von der Klägerin vom Auswärtigen Amt bezogenen Zahlungen in Deutschland steuerpflichtig sind.

1. Die Klägerin hat durch ihre Tätigkeit für die OSZE Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG erzielt. Sie war weisungsgebunden und trug selbst kein unternehmerisches Risiko. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zählt auch die vom Auswärtigen Amt bezogene Vergütung. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit können auch bei Zahlungen von dritter Seite vorliegen. Maßgeblich ist, dass die Leistung „für eine Beschäftigung” gewährt wird, und der Arbeitnehmer den erlangten Vorteil wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachten kann (, BFHE 184, 474, BStBl II 1999, 323; Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Aufl., § 19 Rz 37, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des FG gegeben, denn die Klägerin hat die Zuwendungen des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf ihre Tätigkeit für die OSZE als ergänzende Vergütung erhalten.

2. Da die Klägerin in den Streitjahren im Inland einen Wohnsitz hatte, unterliegt sie mit diesen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 19 EStG) der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 der AbgabenordnungAO—).

3. Das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich dieser Einkünfte ist nicht durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom DBA-Jugoslawien— (BGBl II 1988, 745), das nach der Vereinbarung der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Jugoslawien vom (BGBl II 1997, 961) auch nach dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien weiter anzuwenden ist, ausgeschlossen.

a) Da die Klägerin in den Streitjahren im Inland einen Wohnsitz hatte, ist sie abkommensrechtlich in Deutschland ansässig (Art. 4 Abs. 1 DBA-Jugoslawien). Dies gilt auch dann, wenn sie in den Streitjahren in Jugoslawien, wo sie sich jeweils länger als 183 Tage aufhielt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben und daher auch dort ansässig gewesen sein sollte. Denn gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-Jugoslawien gilt eine Person, die in beiden Vertragsstaaten ansässig ist, in dem Staat als ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt.

b) Grundsätzlich können Einkünfte aus unselbständiger Arbeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 DBA-Jugoslawien im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Tätigkeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden. Hiervon abweichend können jedoch nach Art. 16 Abs. 3 Satz 1 DBA-Jugoslawien, der der Anwendung des Art. 16 Abs. 1 und 2 DBA-Jugoslawien vorgeht, Vergütungen, die ein Vertragsstaat oder eine seiner Gebietskörperschaften an eine natürliche Person für unselbstständige Arbeit zahlt, nur in diesem Staat (Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers) besteuert werden, es sei denn, die Person ist auch im Tätigkeitsstaat ansässig und nicht ausschließlich deshalb dort ansässig geworden, um die unselbständige Arbeit auszuüben.

c) Die Klägerin hat von Deutschland Vergütungen für eine unselbstständige Arbeit erhalten. Da sie in Jugoslawien über keinen Wohnsitz verfügte und sich dort nur im Rahmen und für die Dauer ihrer Mission aufhielt, greift die Rückausnahme des Art. 16 Abs. 3 Satz 2 DBA-Jugoslawien nicht ein, so dass diese Zahlungen ausschließlich in Deutschland versteuert werden. Zwar wurde für die Tätigkeit kein Dienstverhältnis zwischen ihr und dem Auswärtigen Amt begründet. Vielmehr bestand ein solches zwischen der OSZE und der Klägerin fort. Art. 16 Abs. 3 DBA-Jugoslawien setzt aber seinem Wortlaut nach nicht voraus, dass zwischen der Gebietskörperschaft oder dem Vertragsstaat und dem Empfänger der Vergütung ein Dienstverhältnis besteht. Er erfordert nur, dass es sich um eine Vergütung handelt, die für eine unselbständige Arbeit gewährt wird, und dass der Kassenstaat Schuldner der Vergütung ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsstaaten insoweit von einem abweichenden Abkommensverständnis ausgehen, sind nicht ersichtlich.

Auch Art. 19 Abs. 1 des für die Streitjahre noch maßgeblichen OECD-Musterabkommens aus 1977 (OECDMustAbk), der über den Wortlaut des Art. 16 Abs. 3 Satz 1 DBA-Jugoslawien hinausgehend zusätzlich verlangt, dass die Vergütung für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft geleisteten Dienste gezahlt werden, verlangt kein Dienstverhältnis zwischen Kassenstaat und Vergütungsgläubiger (Rodi, Recht der internationalen Wirtschaft 1992, 484; Herlinghaus, EFG 2008, 1101). Ausreichend ist vielmehr, dass die Vergütung mit Rücksicht auf die Dienstleistungen bezahlt wird und die Leistung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. Senatsurteil vom I R 65/95, BFHE 184, 98, BStBl II 1998, 21 zu Art. 18 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom , BGBl II 1968, 10, BStBl I 1968, 297). Vergütungen, die —wie hier— einer der Vertragsstaaten für eine Tätigkeit im Dienst internationaler Organisationen leistet, werden daher regelmäßig von der Vorschrift erfasst (Waldhoff im Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Aufl., Art. 19 Rz 29; Herlinghaus, EFG 2008, 1101).

Soweit die Kläger geltend machen, das Auswärtige Amt habe lediglich im abgekürzten Zahlungsweg Leistungen der OSZE an die Klägerin ausgezahlt, kann dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Wie vom FG bereits zutreffend ausgeführt, setzte dies voraus, dass die Klägerin einen Anspruch gegen die OSZE auf eine entsprechende Zahlung gehabt hätte. Das FG hat jedoch einen derartigen Anspruch der Klägerin nicht feststellen können. Die Kläger haben vor dem FG dafür nichts vorgetragen.

4. Die vom Auswärtigen Amt gezahlten Vergütungen sind nicht nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei.

a) § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG greift nicht ein, weil die der Klägerin gezahlte Vergütung weder in einem Bundes- oder Landesgesetz noch in einer Bestimmung, die auf einer Ermächtigung in einem Bundes- oder Landesgesetz oder einer Rechtsverordnung beruht, noch durch die Bundesregierung oder eine Landesregierung festgesetzt worden ist. Zudem ist sie nicht aus einem Titel geleistet worden, der ausdrücklich als „Aufwandsentschädigung” bezeichnet wurde und Empfänger und Höhe der zu leistenden Entschädigungen nennt (vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 3 Nr. 12 EStG Rz 10). Vielmehr wurde sie zu Lasten eines Titels gezahlt, aus dem Personalausgaben für zeitlich befristete Einsätze für die OSZE bestritten wurden (vgl. auch Herlinghaus, EFG 2008, 1101).

b) Das FG hat auch die Voraussetzungen des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Danach sind steuerfrei Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigt. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG erfasst nur die Erstattung solcher Aufwendungen, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind (, BFHE 216, 163, BStBl II 2007, 308).

Das FG hat hierzu ausgeführt, die Vorschrift könne ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorlägen, bereits deshalb nicht eingreifen, weil nicht ersichtlich sei, dass die Zahlungen des Auswärtigen Amtes den Charakter von Werbungskostenersatz gehabt hätten. Die Aufwendungen der Klägerin für Verpflegung und Unterkunft sowie die Kosten für die Fahrten von Wien in das Missionsgebiet und zurück jeweils zu Beginn und Ende eines Einsatzes habe die OSZE getragen. Soweit die Klägerin vortrage, dass die Entschädigung die Kosten für Zwischenheimfahrten habe abgelten wollen, hätten die Kläger nicht nachgewiesen oder auch nur glaubhaft gemacht, dass die Klägerin ihre Aufenthalte durch Zwischenheimfahrten unterbrochen hätte. Im Übrigen greife jedenfalls der in § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG genannte Ausschlusstatbestand ein, nach dem eine Steuerfreiheit nicht in Betracht komme, wenn die Zahlungen den Aufwand, der dem Empfänger erwachse, offenbar überstiegen. Der Senat halte es für ausgeschlossen, dass der Klägerin Kosten für Zwischenheimfahrten annähernd in der Höhe der vom Auswärtigen Amt erhaltenen Zahlungen erwachsen seien.

Die Kläger haben gegen diese Würdigung revisionsrechtlich keine durchgreifenden Einwände erhoben. Sie behaupten lediglich, abweichend von der Beurteilung des FG hätte mit den Zahlungen der Mehraufwand der Klägerin, der ihr durch den Einsatz im Kosovo entstanden ist, abgedeckt werden sollen. Die Steuerpflicht der Vergütung werde daher der Interessenlage nicht gerecht. Sie zeigen jedoch nicht auf, dass die Würdigung des FG einen Verstoß gegen Denk- und allgemeine Erfahrungssätze enthält oder verfahrensfehlerhaft zustande gekommen wäre. Die Würdigung ist daher für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie schließt die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG aus (ebenso Herlinghaus, EFG 2008, 1101).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 26 Nr. 1
HFR 2009 S. 348 Nr. 4
CAAAC-97220