BGH Beschluss v. - IX ZB 212/07

Leitsatz

[1] Reicht der Schuldner einen zulässigen Insolvenzantrag ein, können unvollständige Angaben über seine Gläubiger zur Versagung der Restschuldbefreiung führen.

Gesetze: InsO § 290 Abs. 1 Nr. 5; InsO § 20 Abs. 1

Instanzenzug: AG Mannheim, 2 IN 3/06 vom LG Mannheim, 1 T 32/07 vom

Gründe

I.

Auf den Eigenantrag des Schuldners, der zugleich Restschuldbefreiung begehrt, wurde am über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. In seinem Antrag gab der Schuldner eine titulierte Forderung des Gläubigers in Höhe von 131.434,21 € zuzüglich Zinsen und Kosten nicht an. Der Gläubiger, der im Rahmen eines Vollstreckungsversuchs Kenntnis von dem Insolvenzverfahren erhielt, meldete nachträglich seine gegen den Schuldner bestehenden Forderungen an, die in Höhe von 164.565,06 € zur Tabelle festgestellt wurden.

Im Schlusstermin hat der Gläubiger beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen und das Amtsgericht angewiesen, dem Schuldner Restschuldbefreiung anzukündigen und einen Treuhänder zu bestellen. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Gläubigers.

II.

Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO) und unter dem Gesichtpunkt der Grundsätzlichkeit zulässige (§ 574 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht meint, der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO sei nicht erfüllt. Der Umstand, dass der Schuldner in der zusammen mit seinem Eröffnungsantrag eingereichten Gläubigerliste den beschwerdeführenden Gläubiger nicht berücksichtigt habe, stelle keine Verletzung seiner Auskunftspflichten dar, weil er in diesem Stadium nicht zur umfassenden Angabe sämtlicher Gläubiger verpflichtet sei. Die Liste habe in diesem Verfahrensstadium lediglich dazu gedient, den Eröffnungsgrund zu spezifizieren. Nur bei einer Aufforderung der Insolvenzverwalterin, nochmals seine Gläubiger anzugeben oder die eingereichte Gläubigerliste auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen, könnte angenommen werden, dass der Schuldner durch das Verschweigen des Gläubigers gegen die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten verstoßen habe.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Schuldner hat den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO verwirklicht.

a) Nach seinem Wortlaut greift § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ein, wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens sich aus der Insolvenzordnung ergebende Auskunfts- und Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt. Nach einhelliger Auffassung wird über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nicht nur ein Verstoß gegen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im eröffneten Verfahren, sondern schon ab Stellung eines zulässigen Antrags erfasst (, ZInsO 2005, 207, 208 m.w.N.). Mithin können unvollständige Angaben über die Gläubiger in einem Insolvenzantrag grundsätzlich den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausfüllen.

b) Der Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO setzt eine Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach der Insolvenzordnung voraus (, NZI 2006, 481, 482), wie sie etwa in §§ 20, 97, 98 oder 101 InsO geregelt sind (MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl. § 290 Rn. 71; FK-InsO/Ahrens, 4. Aufl. § 290 Rn. 42; HmbKomm-InsO/Streck, 2. Aufl. § 290 Rn. 31). Aus § 20 Abs. 1 InsO ergibt sich, dass der Schuldner dem Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren umfassend Auskunft über seine Vermögensverhältnisse zu erteilen, insbesondere ein Verzeichnis seiner Gläubiger und Schuldner vorzulegen und eine geordnete Übersicht seiner Vermögensgegenstände einzureichen hat (BGHZ 156, 92, 94). Die Nennung der Gläubiger ist schon deswegen erforderlich, um das Insolvenzgericht in den Stand zu setzen, entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtung (§ 30 Abs. 2 InsO) den Eröffnungsbeschluss den Gläubigern durch Zustellung bekannt zu machen (Jaeger/Gerhardt, InsO § 20 Rn. 3). Dieser Auskunftspflicht hat der Schuldner nicht genügt, weil er den über erhebliche Forderungen verfügenden Gläubiger bei der Antragstellung verschwiegen hat.

c) Zu Unrecht nimmt das Beschwerdegericht an, der Schuldner sei im Rahmen des Eröffnungsantrags nicht zu einer umfassenden Auskunftserteilung verpflichtet.

aa) Voraussetzung für das Entstehen der Auskunftspflicht ist gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 InsO die Zulässigkeit des Eröffnungsantrags. Die umfassende Auskunftspflicht des Schuldners setzt ein, sobald er einen zulässigen Antrag einreicht (, ZInsO 2005, 264). Ist der Antrag - wie im Streitfall - aufgrund eines ernsthaften Eröffnungsverlangens und der Darlegung eines Eröffnungsgrundes zulässig (BGHZ 153, 205, 207), entsteht die Auskunftspflicht mit der Antragstellung (Hess, InsO § 20 Rn. 13; Mönning in Nerlich/Römermann, InsO § 20 Rn. 11; Braun/Kind, aaO § 20 Rn. 7; Jaeger/Gerhardt, aaO). Die Auskunftspflicht setzt also nicht die ausdrückliche Feststellung der Zulässigkeit des Antrags durch das Insolvenzgericht voraus (MünchKomm-InsO/Schmahl, 2. Aufl. § 20 Rn. 25).

bb) Diese Auslegung entspricht allein dem Willen des Gesetzgebers. Die Regelung des § 20 InsO dient dem Zweck, die Bestimmung des § 104 KO, wonach der Schuldner bei einem Eigenantrag auch ein Verzeichnis der Gläubiger und Schuldner sowie ein Vermögensverzeichnis vorzulegen hat, auf Fälle eines Gläubigerantrags zu erstrecken (BT-Drucks. 12/2443 S. 115). Da der frühere Rechtszustand - erweitert um die Fälle eines Fremdantrags - folglich fortgilt, haben die beigefügten Unterlagen auch im Rahmen eines Eigenantrags die Vermögensverhältnisse des Schuldners zutreffend darzustellen.

cc) Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts liefe auf die nicht wünschenswerte Frage hinaus, dass die mit dem Eröffnungsantrag gemachten Angaben des Schuldners, die vielfach den gesamten weiteren Verfahrensablauf beeinflussen, nicht von der Wahrheitspflicht erfasst würden. Selbst bei dieser Betrachtungsweise wäre der Schuldner indessen weiterer, auf eine Korrektur zielender Auskünfte nicht enthoben. Vielmehr ist eine Verletzung der Auskunftspflicht auch anzunehmen, wenn der Schuldner im Rahmen der Antragstellung gemachte unrichtige oder unvollständige Angaben nachträglich nicht korrigiert oder ergänzt. Dazu ist der Schuldner, dem nach Einreichung des Verzeichnisses weitere Gläubiger erkennbar werden, ohne gerichtliche Aufforderung verpflichtet (MünchKomm-InsO/Schmahl, aaO § 20 Rn. 38; Jaeger/Gerhardt, aaO § 20 Rn. 6; Hess, aaO § 20 Rn. 15). Kommt er - wie im Streitfall - dieser Verpflichtung nicht nach, ist der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO gegeben.

d) Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Dem Schuldner ist die Restschuldbefreiung zu versagen, weil er nach den von dem Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt überprüfbaren Feststellungen des Amtsgerichts zumindest grob fahrlässig gehandelt hat. Angesichts eines Stands der Verbindlichkeiten in Höhe von 552.204,29 € ist es schlechthin unverständlich, warum der Schuldner seinen über Forderungen in Höhe von 164.565,06 € verfügenden größten Gläubiger nicht benannt hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
DStR 2009 S. 59 Nr. 1
WM 2008 S. 2298 Nr. 49
ZIP 2008 S. 2276 Nr. 48
OAAAC-96270

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja