Voraussetzungen für eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 96 Abs. 2, FGO § 119 Nr. 3
Instanzenzug:
Gründe
I. Streitpunkte sind Teilwertabschreibungen auf die Beteiligung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) an einer Schweizer Kapitalgesellschaft und auf eine Darlehensforderung gegenüber dieser Tochtergesellschaft in der Bilanz der Klägerin zum ; Streitjahre sind 1999 und 2000.
Die Klägerin, eine im Bereich der Unternehmensberatung tätige AG, gründete im Jahr 1996 —damals noch in der Rechtsform einer GmbH— als alleinige Gesellschafterin in der Schweiz die S-AG mit einem Grundkapital von 100 000 Schweizer Franken (sFr.). Die Anschaffungskosten der Beteiligung betrugen insgesamt 121 835,84 DM. Ab Oktober 1999 war X für die S-AG tätig, zunächst als Prokuristin und sodann als Mitglied des Verwaltungsrats. Sie akquirierte in erheblichem Umfang Aufträge für die S-AG, die indes aufgrund überteuerten Personaleinsatzes (Personalkosten und Honorare für freie Mitarbeiter) zu Verlusten führten. Da nach Auffassung des Vorstandes der Klägerin X die Tätigkeit für die S-AG dazu ausgenutzt habe, Personen aus ihrem Umfeld hohe Beratungshonorare zu verschaffen, wurde sie im November 2000 aus dem Verwaltungsrat der S-AG abberufen. In den Jahren 1999 und 2000 gewährte die Klägerin der seit 1998 Verluste erwirtschaftenden S-GmbH mehrere Darlehen im Gesamtbetrag von 492 755,50 DM. Im Februar 2001 stundete die Klägerin der S-AG Darlehensrückzahlungsforderungen und Zinsen bis zum .
Die Klägerin nahm in ihrer Bilanz zum Teilwertabschreibungen auf die Beteiligung an der S-AG im Betrag von 121 834,84 DM und auf die dieser gewährten Darlehen in Höhe von 492 754,50 DM vor. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erkannte die Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der S-AG bei der ertragsteuerlichen Behandlung des Jahres 2000 nicht an. Die an die S-AG ausgereichten Darlehen hat das FA als während der Krise gewährte kapitalersetzende Darlehen gewertet und als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung mit dem Nennwert aktiviert; eine Teilwertabschreibung auf die nachträglichen Anschaffungskosten hat das FA nicht anerkannt; die Aberkennung der Teilwertabschreibungen führte infolge der Verringerung des erklärten Verlustrücktrags für das Jahr 1999 zu einer Körperschaftsteuernachzahlung. Die dagegen gerichtete Klage hat das abgewiesen.
Die Klägerin beantragt die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil und stützt ihr Begehren auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Soweit die Klägerin ihr Rechtsmittel auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt, wären die von ihr zur Prüfung gestellten Rechtsfragen in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig bzw. klärungsfähig.
a) Die Klägerin wirft als von grundsätzlicher Bedeutung zunächst die Frage auf, ob eine die Zulässigkeit einer Teilwertabschreibung rechtfertigende „Fehlmaßnahme” gegeben sei, wenn die Geschäftsführung einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft über einen längeren Zeitraum betrügerisch gehandelt habe und dadurch die Tochtergesellschaft erheblich geschädigt worden sei. Nicht zu ersehen ist indes, inwiefern es sich dabei um eine im Streitfall klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage handelt. Anhand der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ist nämlich nicht ersichtlich, dass das FG seine Entscheidung auf den Rechtssatz gegründet hat, ein Schaden, der der Beteiligungsgesellschaft durch betrügerisches (oder sonst vorsätzlich schädigendes) Verhalten von Geschäftsleitungsorganen zugefügt worden ist, könne grundsätzlich nie zu einer eine Teilwertabschreibung rechtfertigenden Wertminderung der Beteiligung führen. Mit der Bemerkung in den Entscheidungsgründen, das von der Klägerin behauptete Hintergehen der Gesellschaft durch die Geschäftsleitung sei „kein außergewöhnliches Ereignis”, wollte das FG offenkundig nur zum Ausdruck bringen, dass ein derartiges Verhalten der Geschäftsleitung nicht ohne weiteres schon aufgrund seiner Verwerflichkeit stets zur Annahme einer die Teilwertabschreibung rechtfertigenden Fehlmaßnahme (vgl. zum Begriff der Fehlmaßnahme z.B. Senatsurteil vom I R 83/89, BFHE 164, 61, BStBl II 1991, 595, m.w.N.) eingestuft werden müsse. Denn nachfolgend führt das FG unter Bezugnahme auf konkrete Umstände des festgestellten Sachverhalts im Einzelnen aus, aus welchen Gründen seiner Beurteilung nach die von X ausgelösten Verlustgeschäfte nicht zu einem nachhaltigen, durch den Einsatz neuen qualifizierten Führungspersonals nicht mehr aufzuhaltenden Absinken des Teilwerts der Beteiligung an der S-AG unter die Anschaffungskosten geführt hat. Dass sich in Zusammenhang mit dieser —den Bereichen der Sachverhaltsermittlung und der Beweiswürdigung zuzuordnenden— tatrichterlichen Beurteilung Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen, ist weder ersichtlich noch von der Klägerin dargetan.
b) Ähnliches gilt für die des Weiteren von der Klägerin herausgestellte Frage, ob für den Nachweis einer Fehlmaßnahme ein Vergleich von Plan- und Istzahlen bzw. ein im Voraus erarbeiteter „Businessplan” erforderlich sei. Soweit das FG ausgeführt hat, zur Feststellung einer Fehlmaßnahme bedürfe es eines Vergleichs von „Planzahlen und Istzahlen”, so hat es damit die Selbstverständlichkeit umschrieben, dass es für eine nachträgliche Beurteilung der Anschaffung eines Wirtschaftsguts als Fehlmaßnahme erforderlich ist, die ursprünglich mit der Anschaffung verbundenen wirtschaftlichen Erwartungen mit den später tatsächlich eingetretenen Entwicklungen zu vergleichen (vgl. etwa , BFHE 126, 288, BStBl II 1979, 108); eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist daraus nicht abzuleiten.
Der Rechtssatz, ohne einen im Voraus erarbeiteten „Businessplan” könne der Nachweis einer Fehlmaßnahme später nicht geführt werden, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Dort heißt es lediglich allgemein, dass nach Auffassung des FG ein ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann vor einer Investition eine Prognose über die damit verbundene Gewinnerwartung in einem überschaubaren Kalkulationszeitraum erstelle und dass eine solche Planung betriebswirtschaftlich als „Businessplan” bezeichnet werde. Dass ein solcher Plan nach Auffassung des FG zwingende Voraussetzung für den späteren Nachweis einer Fehlmaßnahme sei und dass das Klagebegehren im Streitfall wegen des Unterlassens seiner Anfertigung gescheitert ist, geht aus den Entscheidungsgründen jedoch nicht hervor.
c) Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe den Begriff der Fehlmaßnahme verkannt, indem es ausgeführt habe, die Anfangsverluste der S-AG rührten von deren unprofessioneller Führung her, macht sie geltend, das FG habe materiellrechtlich falsch entschieden. Es fehlt indes an einer Darlegung, welcher abstrakte Rechtssatz des angefochtenen Urteils aus welchen Gründen insoweit von grundsätzlicher Bedeutung sein soll. Ein solches Vorbringen ist jedoch Voraussetzung für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.).
d) Im Hinblick auf die Bewertung der Darlehensforderungen hält die Klägerin die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob die Rechtsprechung des BFH zur Teilwertabschreibung auf kapitalersetzende Darlehen bei Betriebsaufspaltung (, BFHE 204, 438, BStBl II 2004, 416) auf Fälle übertragen werden könne, in denen weder ein kapitalersetzendes Darlehen vorliege noch eine Betriebsaufspaltung bestehe. Auf eine solche rechtliche Folgerung hat das FG seine Entscheidung indes nicht gestützt, sodass auch diese Frage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre. Das FG hat die Teilwertabschreibung auf die Darlehensforderungen mit der Begründung abgelehnt, dass die Forderungen zum Bilanzstichtag noch werthaltig gewesen seien, weil die Klägerin selbst nur von einer kurzfristigen Liquiditätskrise der S-AG ausgegangen sei. Das von der Klägerin in Bezug genommene BFH-Urteil in BFHE 204, 438, BStBl II 2004, 416 wird vom FG in Zusammenhang mit der Bewertung der Darlehensforderungen überhaupt nicht erwähnt. Das BFH-Urteil befasst sich auch nicht mit der Bilanzierung werthaltiger Forderungen; es geht vielmehr der Frage nach, unter welchen Voraussetzungen kapitalersetzende Forderungen gegen ein verbundenes Unternehmen trotz nachträglicher Verschlechterung der Bonität des Schuldnerunternehmens keiner Teilwertabschreibung zugeführt werden dürfen. Wegen der nach den Feststellungen des FG-Urteils zum Bilanzstichtag noch vorhandenen Werthaltigkeit der streitbefangenen Darlehensforderungen ist ein Bezug des BFH-Urteils zum Streitfall nicht ersichtlich.
2. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor.
Die Klägerin bringt insoweit vor, das FG habe in der mündlichen Verhandlung mehrfach deutlich zu erkennen gegeben, dass die Klage wegen der offenkundigen Wertlosigkeit der Beteiligung an der S-AG zumindest teilweise Erfolg haben werde; es habe sie vor Erlass des angefochtenen Urteils nicht auf seine aus den Entscheidungsgründen ersichtliche Auffassung zum Kriterium der „Fehlmaßnahme” (insbesondere Vergleich von Soll- und Istzahlen, „Businessplan”, Beurteilung des Hintergehens des Unternehmens durch Geschäftsführung als nicht außergewöhnlich) hingewiesen und folglich eine Überraschungsentscheidung getroffen.
Daraus kann eine Gehörsverletzung nicht abgeleitet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH liegt eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einige Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10, m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt jedoch nicht, dass das Gericht die maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend erörtert. Das Gericht ist grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet (Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10a, m.w.N.). Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss daher ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (, Deutsches Verwaltungsblatt 1995, 34). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt erst dann vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter —selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen— nicht zu rechnen brauchte (BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 1274/92, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1999, 3326; vom 1 BvR 2285/02, NJW 2003, 2524).
Nach diesen Maßstäben musste die bereits im FG-Verfahren fachkundig vertretene Klägerin damit rechnen, dass das FG die (ihrem Vorbringen nach) in der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung im Hinblick auf die Werthaltigkeit der Beteiligung an der S-AG ändert und sich der vom FA vertretenen Auffassung anschließt, wonach Beteiligung und Darlehensforderungen noch werthaltig waren. Das FG hat seine Überzeugung von der zum Bilanzstichtag noch vorhandenen Werthaltigkeit von Beteiligung und Darlehensforderungen im Wesentlichen auf den der Klägerin bekannten Inhalt der Akten und das Vorbringen der Beteiligten und damit auf Umstände gestützt, die auch von der Klägerin in Betracht zu ziehen waren.
Überdies hat die Klägerin nicht dargetan, was sie inhaltlich noch vorgetragen hätte, wenn sie vom FG rechtzeitig auf die Beurteilung ihrer Darlegungen als unzureichend hingewiesen worden wäre und dass bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre. Ein solcher Vortrag ist jedoch zur Darlegung der Kausalität einer auf rechtliche Einzelaspekte bezogenen Gehörsverletzung für das Verfahrensergebnis erforderlich (vgl. , BFH/NV 2007, 1697; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 14, m.w.N.).
Fundstelle(n):
OAAAC-95768