Auslegung von Gewinnfeststellungsbescheiden und Klageschriften; keine Klagebefugnis einer vollbeendeten Personengesellschaft
Gesetze: FGO § 115, FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1, AO § 119, AO § 122, BGB § 133
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) —X-AG— war an der X-KG als Komplementärin ohne Anteil am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Alleiniger Kommanditist war Herr X (Beigeladener), der sich am verpflichtete, seine Anteile an der X-KG nach § 20 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 (UmwStG 1995) in die X-AG einzubringen. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung erhöhte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) mit Gewinnfeststellungsbescheid 1996 vom den aufgrund der Einbringung anzusetzenden Veräußerungsgewinn auf . DM. Der Bescheid ist an die Sozietät…adressiert und enthält im Kopfteil folgende Angaben: „für Firma X-AG als Rechtsnachfolgerin der Fa. X-KG…. Der Bescheid ergeht an Sie als Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten”. Im Regelungsteil werden „die Besteuerungsgrundlagen…für die an der vorbezeichneten Gesellschaft/Gemeinschaft Beteiligten…festgestellt” und im Anschluss hieran dem Beigeladenen in voller Höhe zugerechnet.
Den hiergegen von der „X-AG als Rechtsnachfolgerin der X-KG” erhobenen Einspruch hat das FA als Rechtsbehelf der X-AG sowie des Beigeladenen („Einspruchsführer”) gewertet. Der Einspruch führte lediglich zu einer Herabsetzung des laufenden Gewinns. Dieser sowie der nicht geänderte Veräußerungsgewinn und die nach § 32c des Einkommensteuergesetzes a.F. (EStG a.F.) begünstigten Einkünfte wurden im verfügenden Teil der Einspruchsentscheidung vom betragsmäßig ausgewiesen. Im Übrigen wurde u.a. bezüglich der Aufteilung der (geänderten und nicht geänderten) Besteuerungsgrundlagen auf eine der Einspruchsentscheidung beigefügte Anlage Bezug genommen, die —mit Ausnahme des nicht ausgefüllten Adressfelds— in ihrer formalen Gestaltung dem angefochtenen Änderungsbescheid vom entsprach.
Auch die hiergegen gerichtete Klage wurde im Namen der „X-AG…als Rechtsnachfolgerin der X-KG…(Klägerin)” erhoben. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil nach Vollbeendigung der X-KG nur die durch den angefochtenen Bescheid beschwerten Feststellungsbeteiligten prozessführungsbefugt seien. Letzteres treffe für die X-AG auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sie in dem Bescheid (fehlerhaft) als Rechtsnachfolgerin der X-KG bezeichnet werde, nicht zu.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Dabei legt der Senat die Beschwerde —zugunsten der Klägerin— dahin aus, dass mit ihr Verfahrensmängel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt werden (hier: fehlerhafte Abweisung der Klage als unzulässig; fehlerhafte Auslegung der Klage; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 80). Auch auf der Grundlage des hierdurch eröffneten —und nicht auf das Vorliegen grundsätzlicher Rechtsfragen i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO beschränkten— Prüfungsumfangs, kann die Revision nicht zugelassen werden, da das FG im Ergebnis zu Recht die Klage als unzulässig angesehen hat.
2. Auszugehen ist hierbei davon, dass —was auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt wird— mit dem Erlöschen der X-KG (hier: Anteilsvereinigung infolge Einbringung) auch deren gesetzliche Prozessstandschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO endete und nur noch die materiell von der Gewinnfeststellung (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung —AO—) betroffenen Gesellschafter der vormaligen X-KG einspruchs- und klagebefugt waren (ständige Rechtsprechung, vgl. Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 48 FGO Rz 96, m.w.N.).
3. Da mit dem angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid sowohl die festgestellten laufenden Einkünfte als auch die Veräußerungsgewinne sowie die weiteren Besteuerungsgrundlagen ausschließlich dem Beigeladenen (Herrn X) zugerechnet wurden, konnte der Bescheid die Klägerin (X-AG) nicht in ihren Rechten verletzen. Ihre Klage war damit —mangels eigener Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO)— unzulässig. Hieran vermag der Vortrag der Beschwerde nichts zu ändern, nach dem die X-AG im Streitfall deshalb klagebefugt sein soll, weil der Änderungsbescheid vom an sie als Rechtsnachfolgerin der X-KG gerichtet gewesen sei und sie deshalb durch diese „objektiv falsche Inhaltsadressierung” und die ihr gegenüber getroffenen („wirkenden”) Feststellungen in ihren Rechten verletzt sei.
Die Ausführungen lassen bereits im Ausgangspunkt außer Acht, dass sich ein Gewinnfeststellungsbescheid —ungeachtet dessen, ob im Zeitpunkt seines Erlasses die Personengesellschaft noch besteht oder bereits erloschen ist— seinem Inhalt nach stets gegen die Gesellschafter (Mitunternehmer) richtet, und es für die Wirksamkeit eines solchen Bescheids (nur) darauf ankommt, dass sich aus seinem gesamten Inhalt ergibt, für welche Personen der Gewinn festgestellt wird und wie hoch der Gewinnanteil der einzelnen Gesellschafter ist.
Demgemäß steht selbst der Umstand, dass eine nicht mehr existente Personengesellschaft in das Adressfeld des Bescheids aufgenommen wird, einer wirksamen Benennung der Inhaltsadressaten nicht entgegen, wenn sich aus dem Bescheid die weiteren Angaben über die Gesellschafter entnehmen lassen. Die Angabe der Gesellschaft ist mit anderen Worten lediglich als Sammelbezeichnung für die Gesellschafter zu sehen und bedeutet nicht etwa die Bezeichnung eines falschen Steuerschuldners. Entscheidend ist nur, dass aus dem Gesamtinhalt des Bescheids klar und eindeutig erkennbar ist, für welche Personen und in welcher Höhe die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden (vgl. , BFH/NV 1986, 647, m.umf.N.).
Demnach ist bereits für den Änderungsbescheid vom —abweichend von der Einschätzung der Beschwerde— davon auszugehen, dass er gegenüber der X-AG (Klägerin) keine Feststellungen getroffen hat, die geeignet sein könnten, die Rechte der Klägerin zu verletzen. Zwar haben die —für die Einlegung des Einspruchs— Bevollmächtigten mit der —inkorrekten und für sich genommen missverständlichen— Fassung des Kopfteils des Änderungsbescheids („X-AG als Rechtsnachfolgerin der Fa. X-KG”) die —wie ausgeführt unzutreffende— Vorstellung verbunden, die Klägerin sei in die verfahrensrechtliche Stellung der erloschenen X-KG eingerückt und damit nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO einspruchsbefugt gewesen. Gleichwohl konnten im Hinblick auf die eindeutigen Aussagen zu den festgestellten Besteuerungsgrundlagen sowie deren Aufteilung auf die namentlich bezeichneten Gesellschafter aus der Sicht eines verständigen Empfängers (sog. objektiver Empfängerhorizont) keine ernsthaften Zweifel daran bestehen, dass der Bescheid sich inhaltlich nicht gegen die X-AG als Rechtsnachfolgerin der X-KG, sondern an den Beigeladenen sowie die X-AG als Gesellschafter der vormaligen M-KG richtete und die festgestellten Besteuerungsgrundlagen der Klägerin (X-AG) in Höhe von jeweils null DM zugerechnet wurden.
Letztlich kommt es jedoch auf die Auslegung des Änderungsbescheids vom nicht an, da —was die Beschwerde gleichfalls nicht hinreichend gewürdigt hat— Gegenstand einer Klage, die nach Durchführung eines Vorverfahrens erhoben wird, der ursprüngliche Verwaltungsakt (hier: Bescheid vom ) in der Gestalt ist, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (hier: Einspruchsentscheidung vom ) erhalten hat (§ 44 Abs. 2 FGO; vgl. dazu auch Gräber/von Groll, a.a.O., § 44 Rz 31 ff.). Da aber im Kopfteil der Einspruchsentscheidung vom der Beigeladene sowie die Klägerin (ohne Rechtsnachfolgezusatz) als Einspruchsführer genannt werden und bezüglich der Aufteilung der im Verfügungsteil festgestellten Besteuerungsgrundlagen auf die Anlage zur Einspruchsentscheidung Bezug genommen wird, musste spätestens mit der Bekanntgabe der Rechtsbehelfsentscheidung des FA jeglicher Zweifel darüber entfallen, dass inhaltliche —und ggf. im Rahmen eines finanzgerichtlichen Verfahrens anzugreifende— Regelungen nur gegenüber den vormaligen Gesellschaftern der X-KG getroffen werden sollten. Unerheblich ist hierbei, dass auch im Kopfteil der Anlage zur Einspruchsentscheidung die Wendung „für Firma X-AG als Rechtsnachfolgerin der Fa. X-KG” enthalten ist. Dies vermag eine andere Einschätzung bereits deshalb nicht zu rechtfertigen, weil die Einspruchsentscheidung —wie dargelegt— auf diesen Teil der Anlage inhaltlich nicht Bezug genommen hat.
4. Nicht durchzugreifen vermag des Weiteren die Rüge, das FG habe es zu Unrecht unterlassen, Herrn X (Beigeladener) —als den von den Feststellungen materiell Betroffenen— zum Kläger des finanzgerichtlichen Verfahrens zu bestimmen.
a) Dabei kann offenbleiben, ob mit Rücksicht auf die Fassung der Einspruchsentscheidung sowie der dieser beigefügten Anlage Raum für eine rechtsschutzgewährende Auslegung oder Umdeutung der Klageschrift bleiben konnte (vgl. —einschließlich Abgrenzungen— , BFHE 220, 94, BStBl II 2008, 561; vom VIII R 70/98, BFH/NV 2003, 742; zur Umdeutung s. , BFH/NV 2000, 1074; vgl. Steinhauff in HHSp, § 48 FGO Rz 44 ff., m.w.N.). Jedenfalls setzt eine solche Auslegung —ebenso wie die Umdeutung der Klageschrift— voraus, dass der Bevollmächtigte —nachdem er von den Zweifeln an der Zulässigkeit der erhobenen Klage erfährt— im finanzgerichtlichen Verfahren eine entsprechende Erklärung abgibt (vgl. , BFH/NV 1996, 52; in BFH/NV 2000, 1074; Gräber/ von Groll, a.a.O., § 48 Rz 14). Hieran anknüpfend hat der Senat mit Beschluss vom IV B 158/00 (juris) erkannt, dass die Auslegung einer Klageschrift dahingehend, dass die Klage nicht von der Gesellschaft, sondern von einem ihrer Gesellschafter erhoben worden ist, dann ausgeschlossen sei, wenn der Prozessbevollmächtigte in Kenntnis der gerichtlichen Zweifel an der Klagebefugnis der Gesellschaft ausdrücklich deren Beteiligtenstellung klarstelle.
b) Die Rüge der Klägerin, das FG habe die Voraussetzungen zur Auslegung bzw. Umdeutung von Klageschriften verkannt, ist hiernach bereits deshalb unschlüssig, weil dem Beschwerdevortrag nicht entnommen werden kann, dass im finanzgerichtlichen Verfahren seitens der X-AG eine Erklärung zugunsten der Klägerstellung des Beigeladenen abgegeben worden ist. Hinzu kommt, dass —wie eine Durchsicht der Schriftsätze und Unterlagen des finanzgerichtlichen Verfahrens zeigt— die Klägerin, nachdem sie durch das Schreiben des FA vom auf die Zweifel an ihrer Klagebefugnis aufmerksam gemacht worden war und das FG diese Bedenken u.a. in dem Begleitschreiben vom sowie in der mündlichen Verhandlung am aufgegriffen hatte, an der Auffassung festgehalten hat, aufgrund der nach ihrer Ansicht fehlerhaften Adressierung des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids (bzw. der Fassung der der Einspruchsentscheidung beigefügten Anlage) zur Klageerhebung befugt zu sein.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 2039 Nr. 12
TAAAC-95279