BGH Beschluss v. - I ZB 14/07

Leitsatz

[1] Bei einer Prozessbürgschaft ist der Nachweis der Sicherheitsleistung gegenüber dem Schuldner erbracht, wenn der Gerichtsvollzieher ihm die Bürgschaftsurkunde zugestellt hat; ein Nachweis der Bürgschaftsbestellung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Schuldners ist nicht erforderlich.

Gesetze: ZPO § 172 Abs. 1; ZPO § 751 Abs. 2

Instanzenzug: LG Köln, 31 O 394/05 vom OLG Köln, 6 W 146/06 vom

Gründe

I. Die Schuldnerin ist Herausgeberin der kostenlos verteilten "O. Sonntagszeitung". Durch wurde sie verurteilt, es zu unterlassen, mit Blick auf die "O. Sonntagszeitung" und die Angabe "verbreitete Auflage: über 220.588 Exemplare" mit der Behauptung "Auflagenkontrolle: durch unabh. Wirtschaftsprüfer zuletzt geprüft I. Quartal 2004" zu werben bzw. werben zu lassen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde die Festsetzung eines Ordnungsgelds bis 250.000 € oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht. Hinsichtlich des Unterlassungsantrags wurde das Urteil gegen Sicherheitsleistung von 50.000 € für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Berufung der Schuldnerin wurde vom zurückgewiesen.

Am stellte die Gläubigerin durch einen Gerichtsvollzieher der Schuldnerin persönlich eine selbstschuldnerische Prozessbürgschaft der Sparkasse O. bis zur Höhe von 50.000 € zu.

Soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse, hat die Gläubigerin Werbemaßnahmen der Schuldnerin vom 19. Februar, 26. April und als Verstoß gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot beanstandet und die Verhängung von Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, beantragt.

Das Landgericht hat dem Antrag der Gläubigerin stattgegeben und die Schuldnerin zu einem Ordnungsgeld verurteilt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihren Antrag auf Zurückweisung des Ordnungsmittelantrags weiter. Sie macht geltend, dass die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgelds nach § 890 Abs. 1 ZPO wegen der Verstöße vom 19. Februar, 26. April und nicht vorgelegen hätten, weil entgegen § 751 Abs. 2, §§ 191, 172 ZPO den Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin kein Nachweis über die Sicherheitsleistung zugestellt worden sei. Die Gläubigerin ist der Rechtsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 576 Abs. 1 ZPO).

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass § 751 Abs. 2 ZPO die Gläubigerin nicht verpflichte, die Originalbürgschaftsurkunde oder eine beglaubigte Abschrift davon auch an die Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin zustellen zu lassen. Mit der durch den Gerichtsvollzieher vermittelten Zustellung der Originalbürgschaftsurkunde am sei die Sicherheitsleistung wirksam erbracht worden und das Unterlassungsgebot vollstreckbar geworden. Dem Landgericht als Vollstreckungsgericht sei die Sicherheitsleistung durch die von dem Gerichtsvollzieher ausgestellte Zustellungsurkunde ordnungsgemäß i.S. des § 751 Abs. 2 ZPO nachgewiesen worden. Es hindere die Zwangsvollstreckung nicht, dass den Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin keine Urkunde zugestellt worden sei, mit der das Zustandekommen eines Bürgschaftsvertrags nachgewiesen werden konnte. Die Bürgschaftserklärung sei in erster Linie dem Schuldner persönlich und nicht dem Prozessbevollmächtigten zuzuleiten, da sie dem Abschluss eines rechtsgeschäftlichen Vertrags diene. Der Prozessbevollmächtigte müsse seinen Mandanten ohnehin über die vollstreckungsrechtlichen Konsequenzen des gegen ihn ergangenen Titels belehren. Er könne überdies, wenn der Mandant ihn nicht vom Zugang der Bürgschaftserklärung unterrichtet habe, bei Kenntnis von zwischenzeitlichen Vollstreckungsmaßnahmen die maßgeblichen Formalitäten unschwer im Nachhinein in Erfahrung bringen. Bei dieser verfahrensrechtlichen Interessenlage sei eine Doppelzustellung auch an den Prozessbevollmächtigten sinnlos.

2. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Das Ordnungsgeld ist zu Recht festgesetzt worden. Den Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin war die Bestellung der Bürgschaft nicht nachzuweisen.

a) Ein auf Unterlassung gerichtetes Urteil wird durchgesetzt, indem gegen den Schuldner unter den Voraussetzungen des § 890 Abs. 1 und 2 ZPO die vorgesehenen Ordnungsmittel verhängt werden. Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass das Urteil unbedingt - wenn auch gegebenenfalls nur vorläufig - vollstreckbar ist. Hat der Gläubiger, wie es hier der Fall war, eine Sicherheit zu leisten, so fehlt es an der Vollstreckbarkeit, solange die Sicherheit nicht erbracht ist. Ist das Urteil nur nach Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, darf ein Ordnungsmittel nach § 890 ZPO nur verhängt werden, wenn der Gläubiger in dem Zeitpunkt bereits Sicherheit geleistet hatte, in dem der Schuldner den Verstoß gegen das ihm auferlegte Verbot begangen hat (BGHZ 131, 233, 235 f.). Darüber hinaus setzt die Verhängung von Ordnungsmitteln in einem solchen Fall voraus, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung bereits über die Leistung der Sicherheit unterrichtet war und daher wusste, dass er mit Ordnungsmitteln rechnen musste, wenn er sich weiterhin nicht an das gegen ihn erlassene Gebot hielt. Der Bundesgerichtshof hat es bisher dahinstehen lassen, ob diese Unterrichtung in der Form des § 751 Abs. 2 ZPO geschehen muss. Er hat jedoch aus Gründen der Rechtsklarheit verlangt, dass die Benachrichtigung des Schuldners in ähnlicher Weise wie eine Zustellung formalisiert erfolgen muss (BGHZ 131, 233, 237).

b) Die vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschiedene Frage ist dahin zu beantworten, dass der Nachweis der Sicherheitsleistung gegenüber dem Schuldner erbracht ist, wenn ihm der Gerichtsvollzieher die Bürgschaftsurkunde zugestellt hat. § 751 Abs. 2 ZPO verlangt keinen weitergehenden Zustellungsnachweis und insbesondere keinen Nachweis der Bürgschaftsbestellung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Schuldners.

aa) Die Anforderungen an den nach § 751 Abs. 2 ZPO erforderlichen Nachweis der Sicherheitsleistung sind anhand von Sinn und Zweck dieser Vorschrift zu bestimmen. Danach soll der Schuldner vor Vollstreckungsmaßnahmen geschützt sein, solange ihm nicht die für die Vollstreckbarkeit des Urteils erforderliche Sicherheitsleistung nachgewiesen worden ist. Der Wortlaut des § 751 Abs. 2 ZPO beruht auf der ursprünglichen Regelung der Sicherheitsleistung in der Zivilprozessordnung, die als Regelfall die Hinterlegung von Bargeld oder Wertpapieren vorsah (§ 101 CPO 1877). Da Hinterlegungsstelle das Amtsgericht ist, erhält der Schuldner in diesem Fall nicht notwendig bereits im Zeitpunkt der Sicherheitsleistung Kenntnis von ihrer Bestellung. Deshalb sieht § 751 Abs. 2 ZPO vor, dass die Sicherheitsleistung dem Schuldner durch Zustellung einer Abschrift der Urkunde über ihre Bestellung nachzuweisen ist. Die ZPO-Novelle von 1924 hat die Möglichkeit der Sicherheitsleistung durch Bürgschaft geschaffen, die nach § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO nunmehr den Regelfall der Sicherheitsleistung darstellt. § 751 Abs. 2 ZPO ist dabei jedoch unverändert geblieben, so dass der Unterschied zwischen der Sicherheitsleistung durch Hinterlegung und durch Bürgschaft im Wortlaut der Vorschrift nicht berücksichtigt wird. Wird die als Sicherheitsleistung erforderliche Prozessbürgschaft abgeschlossen, indem die Bürgschaftserklärung wie vorliegend dem Schuldner im Original durch den Gerichtsvollzieher zugestellt wird, ist dem Schuldner mit der Begründung der Sicherheit zugleich deren Bestehen in formalisierter Weise nachgewiesen. Ein gesonderter Nachweis der Bürgschaft gegenüber dem Schuldner durch Zustellung einer Abschrift des bei Übergabe der Bürgschaftsurkunde aufgenommenen Zustellungsnachweises wäre zweckloser Formalismus (OLG Frankfurt NJW 1966, 1521, 1522; OLG Düsseldorf MDR 1978, 489; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 751 Rdn. 12; Walker in Schuschke/Walker, 3. Aufl., § 751 Rdn. 10; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 751 Rdn. 6; Musielak/Lackmann, ZPO, 5. Aufl., § 751 Rdn. 7; Handkomm.ZPO/Kindl, § 751 Rdn. 5; MünchKomm.ZPO/Heßler, 3. Aufl., § 751 Rdn. 27). Nur dem Vollstreckungsgericht, das bei der Unterlassungsvollstreckung Vollstreckungsorgan ist, muss die Bestellung der Bürgschaft gemäß § 751 Abs. 2 ZPO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden. Das geschieht in der Regel - wie auch hier - mit der vom Gerichtsvollzieher aufgenommenen Zustellungsurkunde über die Bürgschaftsurkunde.

bb) Auch aus § 172 Abs. 1 ZPO ergibt sich nicht, dass die Übergabe der Bürgschaftsurkunde an den Schuldner dessen Prozessbevollmächtigten nachzuweisen ist. Zwar bestimmt diese Vorschrift, dass in einem anhängigen Verfahren die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen hat, wobei das Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht zum ersten Rechtszug gehört. § 172 Abs. 1 ZPO regelt aber nur, wie eine erforderliche Zustellung zu erfolgen hat. Ob die Zustellung eines Nachweises der Übergabe der Bürgschaftsurkunde notwendig ist, ist nicht in § 172 Abs. 1 ZPO, sondern in § 751 Abs. 2 ZPO geregelt, dessen Auslegung ein solches Erfordernis gerade nicht ergibt (a.A. Wolf in Hintzen/Wolf, Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 2006, §§ 751.II, 752 Rdn. 3.311; Salzmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 751 Rdn. 14).

Der Zweck des § 172 Abs. 1 ZPO, eine Konzentration des gesamten Prozessstoffs in der Hand des Prozessbevollmächtigten zu gewährleisten, steht dem nicht entgegen. Eine solche Konzentration ist grundsätzlich erforderlich, um eine umfassende Beratung des Mandanten zu gewährleisten. Schon nach Verkündung eines Unterlassungsurteils hat der Prozessbevollmächtigte den Schuldner aber darüber zu belehren, dass nach Zustellung der Bürgschaftsurkunde über die für die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils erforderliche Sicherheit für jeden Verstoß gegen den Unterlassungstenor das angedrohte Ordnungsmittel verhängt werden kann. Ein weitergehender Beratungsbedarf des Schuldners, dem durch den Nachweis der an ihn erfolgten Zustellung der Sicherheitsleistung gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten Rechnung zu tragen wäre, ist nicht erkennbar. Der Schuldner ist nach der an ihn selbst erfolgten Zustellung der Bürgschaftsurkunde ausreichend vor den Folgen eines nachfolgenden Verstoßes gegen den Unterlassungstenor gewarnt.

cc) Da aus den dargelegten Gründen die Übergabe der Bürgschaftsurkunde an den Schuldner nicht gegenüber dessen Prozessbevollmächtigten nachzuweisen ist, ist unerheblich, dass der vom Beschwerdegericht in den Mittelpunkt seiner Argumentation gestellte Gesichtspunkt, eine Doppelzustellung an den Schuldner und an den Prozessbevollmächtigten zu vermeiden, regelmäßig nicht relevant sein dürfte, weil die Prozessvollmacht im Zweifel auch den Abschluss des Bürgschaftsvertrags für die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erforderliche Prozessbürgschaft umfassen wird (vgl. Zöller/Herget aaO § 108 Rdn. 11).

III. Danach ist die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW 2008 S. 3220 Nr. 44
WM 2008 S. 1898 Nr. 40
GAAAC-91287

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja