Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bei Vollzeiterwerbstätigkeit
Leitsatz
1. Durch das (BFH/NV 2005, 860) ist geklärt, dass eine Vollzeiterwerbstätigkeit neben einem ernsthaft und nachhaltig betriebenen Studium die Berücksichtigung als Kind in Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) nicht ausschließt. Das Senatsurteil vom III R 15/06 (BFHE 216, 74, BStBl II 2008, 56) weicht nicht von dieser Entscheidung ab.
2. Die neben dem Studium erzielten Einkünfte aus der Vollzeiterwerbstätigkeit sind daher bei der Prüfung, ob der Jahresgrenzbetrag überschritten wird, einzubeziehen.
Gesetze: EStG § 32 Abs. 4 Satz 2EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. aFGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 2
Instanzenzug: (Kg)
Gründe
I.
Der 1979 geborene Sohn (S) des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) studierte im Jahr 2004 Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft. Das Studium der Volkswirtschaft schloss er im Dezember 2004, das Studium der Betriebswirtschaft im Dezember 2005 ab. Von Januar bis April 2004 erzielte S Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt 1 303 €, von Mai bis Dezember 2004 einen Gewinn in Höhe von 30 631 € aus freiberuflicher Tätigkeit als Journalist.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) stellte ab Oktober 2004 die Kindergeldzahlungen ein. Mit Bescheid vom März 2006 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2004 auf, weil die Einkünfte und Bezüge des S die maßgebliche Einkommensgrenze überschritten hätten und forderte das für die Monate Januar bis September 2004 gezahlte Kindergeld zurück.
In seinem Einspruch machte der Kläger geltend, die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung sei für den Zeitraum bis einschließlich April 2004 rechtswidrig, da S in diesem Zeitabschnitt unterhalb der Einkommensgrenze hinzuverdient habe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung begehrt. S habe in den Monaten Januar bis April 2004 nur geringe Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt und sei daher in diesen Monaten beim Kindergeld zu berücksichtigen. Ab Mai habe S dagegen eine nachhaltige Beschäftigung ausgeübt, die typischerweise ausgereicht habe, seinen üblichen Lebensunterhalt sicherzustellen, so dass S ab diesem Monat wegen der Vollzeiterwerbstätigkeit nicht mehr beim Kindergeld zu berücksichtigen gewesen sei, und zwar unabhängig davon, dass die Erwerbstätigkeit parallel zum noch andauernden Studium aufgenommen worden sei. Außerdem habe das FG bei der Ermittlung der kindergeldschädlichen Einkünfte nicht die von S zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge sowie Renten- und Pflegeversicherungsbeiträge abgezogen, so dass insoweit eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung notwendig sei.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen.
1. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Aufnahme der Vollzeiterwerbstätigkeit ab Mai 2004 trotz der Fortführung des Studiums mangels typischer Unterhaltssituation zu einem Ausschluss der Berücksichtigung des S beim Kindergeld ab diesem Zeitpunkt führt, mit der Folge, dass der Kindergeldanspruch für die Monate Januar bis April 2004 erhalten bleibt, ist nicht klärungsbedürftig, da sie sich aus dem Gesetz ergibt und bereits durch den BFH entschieden ist.
a) Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind die Einkünfte des Kindes für alle Monate zu ermitteln, in denen es die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG erfüllt. Da sich S während des gesamten Kalenderjahres 2004 in Berufsausbildung befand, war er gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG durchgängig beim Kindergeld zu berücksichtigen. Sind im Fall des Überschreitens des Jahresgrenzbetrags die Einkünfte und Bezüge eines Kindes in den einzelnen Berücksichtigungsmonaten unterschiedlich hoch, ist es nach dem Jahresprinzip ausgeschlossen, Kindergeld für einzelne Monate zu gewähren, in denen keine oder nur geringe Einkünfte oder Bezüge zugeflossen sind ( (PKH), BFH/NV 2007, 2114).
Nur dann, wenn die Voraussetzungen für die Berücksichtigung als Kind nur in bestimmten Monaten des Kalenderjahres vorliegen, ermäßigt sich der Jahresgrenzbetrag für diese Monate ohne Kindergeldanspruch um je 1/12 (§ 32 Abs. 4 Satz 7 EStG) mit der Folge, dass die in diesen Kalendermonaten erzielten Einkünfte und Bezüge des Kindes außer Ansatz bleiben (§ 32 Abs. 4 Satz 8 EStG).
b) Zwar hat der BFH § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c EStG einschränkend ausgelegt und unter bestimmten Voraussetzungen Kinder, auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt waren, in den Monaten einer Vollzeiterwerbstätigkeit nicht berücksichtigt und folglich die in diesen Monaten erzielten Einkünfte bei der Prüfung, ob der Grenzbetrag überschritten ist, außer Betracht gelassen (vgl. z.B. , BFHE 191, 557, BStBl II 2000, 473; vom VI R 39/00, BFHE 197, 92, BStBl II 2002, 481; vom VI R 77/99, BFHE 197, 383, BStBl II 2002, 484; vom III R 67/04, BFHE 211, 452, BStBl II 2006, 305, und vom III R 8/05, III R 46/05, BFHE 212, 486, BFH/NV 2006, 1391). Diese Entscheidungen betrafen —anders als im Streitfall— allerdings nur Sachverhalte, in denen die Kinder nach Abschluss einer Schul- oder Berufsausbildung (vorübergehend) eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufgenommen hatten.
Wie der VIII. Senat des (BFH/NV 2005, 860) bereits entschieden hat, schließt aber eine Vollzeiterwerbstätigkeit neben einem ernsthaft und nachhaltig betriebenen Studium die Berücksichtigung als Kind in Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) nicht aus.
Von dieser Entscheidung in BFH/NV 2005, 860 ist der Senat in seinem Urteil vom III R 15/06 (BFHE 216, 74, BStBl II 2008, 56) nicht abgewichen. Die Aussage unter II. 2., dass ein Kind nach ständiger Rechtsprechung des BFH in den Monaten der Vollzeiterwerbstätigkeit nicht als Kind zu berücksichtigen sei, bezieht sich nur auf die bisher entschiedenen Fälle. Im vorgenannten Urteil wurde lediglich darum gestritten, ob das Kind, das seine Ausbildung abgebrochen hatte, trotz der aufgenommenen Beschäftigung seine Ausbildung fortführen wollte und deshalb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen war, bzw. ob es sich bei der Tätigkeit des Kindes um eine —die Berücksichtung ausschließende— Vollzeitbeschäftigung gehandelt hatte.
2. Soweit der Kläger eine Divergenz der Vorentscheidung wohl zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherungsbeiträge behauptet, ist die Beschwerde unzulässig. Hierzu hätte der Kläger substantiiert darlegen müssen, dass und in welcher Höhe überhaupt derartige Beiträge angefallen sind, dass er diese bereits in der Tatsacheninstanz geltend gemacht hat und dass das FG einen konkreten Rechtssatz gebildet hat, der von einem konkreten Rechtssatz des BVerfG oder des BFH abweicht. Im Übrigen ist bei der Höhe der von S erzielten Einkünfte nicht nachvollziehbar, wie ein Abzug der Sozialversicherungsbeiträge oder vergleichbarer privater Versicherungsbeiträge zu einer Unterschreitung des Jahresgrenzbetrags führen könnte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 37
BFH/NV 2008 S. 1932 Nr. 11
BFH/PR 2008 S. 467 Nr. 11
BStBl II 2011 S. 37 Nr. 1
DStRE 2008 S. 1325 Nr. 21
EStB 2008 S. 350 Nr. 10
FR 2009 S. 195 Nr. 4
HFR 2008 S. 1245 Nr. 12
NJW 2008 S. 3664 Nr. 50
SJ 2008 S. 6 Nr. 21
StB 2008 S. 390 Nr. 11
StBW 2008 S. 4 Nr. 20
StuB-Bilanzreport Nr. 18/2008 S. 725
FAAAC-90729