BFH Urteil v. - IX R 19/07

Zustimmung des Gesellschafters einer GbR zu der Veräußerung des Grundstücks keine sonstige Leistung

Leitsatz

Sieht der Gesellschafter einer GbR die Veräußerung des Grundstücks der GbR wegen erwarteter weiterer Wertsteigerungen als verfrüht an und erhält er deshalb für seine Zustimmung zur Grundstücksveräußerung vom Veräußerungserlös einen höheren Betrag, als es seinem Anteil an der GbR entspräche, gehört der Mehrerlös nicht zu den Einkünften gem. § 22 Nr. 3 EStG.

Gesetze: EStG § 22 Nr. 3, BGB § 433, BGB § 709

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Eheleute im Streitjahr 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger und D waren jeweils zur Hälfte an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt, welche mit notariellem Kaufvertrag vom Juli 1988 ein Grundstück erwarb. Mit notariellem Kaufvertrag vom November 1990 wurde das Grundstück zu einem Kaufpreis von . DM an die K-GmbH veräußert. Darin war vereinbart, dass die K-GmbH an den Kläger einen Teilbetrag des Kaufpreises in Höhe von . DM und an D einen Teilbetrag in Höhe von . DM zu bezahlen hatte. Der Kläger erhielt danach einen um . DM höheren Betrag als es seinem Anteil an der GbR entsprochen hätte. Der Kläger hatte den Verkauf als verfrüht angesehen, weil er eine weitere Wertsteigerung des Grundstücks erwartete; D war hingegen auf der Grundlage des Angebots der K-GmbH verkaufsbereit gewesen, da ihm die Rendite des von ihm eingesetzten Kapitals genügte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) unterwarf mit Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr den Mehrerlös des Klägers in Höhe von . DM als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung. Die Klage hatte keinen Erfolg: D habe dem Kläger den Mehrerlös in Höhe von . DM aus seinem Anteil am Veräußerungserlös für die nach § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erforderliche Zustimmung des Klägers zu dem Verkauf des Grundstücks geleistet; die im Kaufvertrag mit der K-GmbH vereinbarte Aufteilung des Kaufpreises stelle eine Abkürzung des Zahlungswegs dar.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 1990 vom die Einkommensteuer ohne Einkünfte aus § 22 Nr. 3 EStG festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts (FG) ist (auch) der Mehrerlös des Klägers in Höhe von . DM Gegenleistung für eine nicht steuerbare Veräußerung des Anteils an einem Grundstück. Er entgilt nicht eine vom Kläger erbrachte sonstige Leistung und ist deshalb nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.

1. Nach § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. der Nrn. 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen. Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das

Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das eine Gegenleistung auslöst (, BFHE 214, 542, BStBl II 2007, 44); ausgenommen sind Veräußerungsvorgänge oder veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich (, BFHE 206, 174, BStBl II 2004, 874, m.w.N.). Für die Abgrenzung im Einzelfall ist nicht entscheidend, wie die Parteien diese Leistungen benannt, sondern was sie nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse wirklich gewollt und tatsächlich bewirkt haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 214, 542, BStBl II 2007, 44, m.w.N.).

2. Nach diesen Maßstäben liegt im Streitfall eine nicht steuerbare Veräußerung des Anteils des Klägers am Grundstück der GbR (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung; zur Bruchteilsbetrachtung bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften , BFHE 207, 24, BStBl II 2005, 324) vor; auch der Mehrerlös ist allein dem Veräußerungsvorgang zuzuordnen. Die Zustimmung des Klägers zu der Veräußerung des Grundstücks begründet —unter Berücksichtigung der tatsächlichen Würdigung des FG— kein wirtschaftlich eigenständiges Verhalten des Klägers, das von der Übertragung des Grundstücks abgespalten werden könnte.

a) Nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarungen ist der Mehrerlös in Höhe von . DM Teil des Veräußerungserlöses für den Grundstücksanteil des Klägers. Hätte der Kläger nicht den Mehrerlös erhalten, hätte er nach den tatsächlichen Feststellungen des FG —anders als der auf der Grundlage des Angebots der K-GmbH verkaufsbereite D— dem Verkauf des Grundstücks nicht zugestimmt, da er eine weitere Wertsteigerung des Grundstücks erwartete. Dem Kläger war letztlich der auf ihn —nach seiner Beteiligungsquote— entfallende Veräußerungserlös zu gering. Durch die von den Beteiligungsverhältnissen an der GbR abweichende Aufteilung des Kaufpreises hat der Kläger einen höheren Veräußerungserlös für seinen Grundstücksanteil erreicht, wenn auch auf Kosten des Kaufpreisanteils von D, der sich mit einem geringeren Veräußerungserlös für seinen Grundstücksanteil zufrieden gab. Bei wirtschaftlicher Betrachtung haben die Kläger und D ihre Grundstücksanteile lediglich zu unterschiedlichen Kaufpreisen an die K-GmbH veräußert.

b) Die Zustimmung des Klägers kann für die Veräußerung des Grundstücks nicht von dem —im Streitfall nicht steuerbaren— Veräußerungsvorgang getrennt beurteilt werden. Denn sie war die notwendige Voraussetzung für die Veräußerung des nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nur aus dem Grundstück bestehenden Gesellschaftsvermögens der GbR. Die Veräußerung war im Streitfall ohne die Zustimmung des Klägers nicht möglich, weil es sich dabei im Rahmen der GbR um ein Grundlagengeschäft handelte. Grundlagengeschäfte, wie die Veräußerung des wesentlichen Gesellschaftsvermögens (vgl. MüchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl., § 709 Rz 11, sowie , Neue Juristische Wochenschrift 1995, 596), gehören nicht zur Geschäftsführung; sie bedürfen grundsätzlich der Zustimmung aller Gesellschafter (Palandt/ Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., Vorb v § 709 Rz 1).

Gegenteiliges ergibt sich nicht —wie das FG meint— daraus, dass der Kläger nach seiner Beteiligungsquote nur die Hälfte des Veräußerungserlöses habe beanspruchen können. Änderungen des einmal vereinbarten Ergebnisverteilungsschlüssels sind durch entsprechenden Gesellschafterbeschluss (jederzeit) möglich (MünchHdb.GesR I/Grummert, 2. Aufl., § 15 Rz 15).

c) Eine solche Leistung des Klägers wäre auch dann nicht anzunehmen, wenn man den Mehrerlös des Klägers als Entschädigung für durch die —aus der Sicht des Klägers— verfrühte Veräußerung entgangene künftige Wertsteigerungen des Grundstücks betrachtete. Dies würde nichts daran ändern, dass der Mehrerlös für die endgültige Aufgabe des Grundstücksanteils des Klägers geleistet wurde. Wird indes das Entgelt dafür erbracht, dass ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird, gehört das Entgelt nicht zu den Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG (BFH-Urteil in BFHE 206, 174, BStBl II 2004, 874, m.w.N.).

3. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen; das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Es sind keine Einkünfte des Klägers aus § 22 Nr. 3 EStG in Höhe von . DM der Besteuerung zu unterwerfen, so dass der Klage stattzugeben ist. Die Berechnung der Einkommensteuer wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1820 Nr. 11
HFR 2009 S. 129 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 41/2008 S. 3822
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2008 S. 12
XAAAC-90146