Feststellung eines Verkehrswerts durch das Vollstreckungsgericht und Feststellung eines Grundbesitzwerts durch das Finanzamt
Gesetze: BewG § 9, BewG § 145, BewG § 146, BewG § 138, ZVG § 74a
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Mutter des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) übertrug diesem mit notariell beurkundetem Vertrag vom schenkweise ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in X und behielt sich dabei den Nießbrauch vor. Der Kläger übernahm die dinglichen Lasten, die aus Geh-, Fahr- und Leitungsrechten sowie aus nicht valutierten Grundpfandrechten bestanden. Die Parteien erklärten zugleich die Auflassung und bewilligten bzw. beantragten die Umschreibung. Das Einfamilienhaus war vermietet.
Mit Bescheid vom stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) den Grundbesitzwert als Mindestwert gemäß § 146 Abs. 6 i.V.m. § 145 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung (BewG) auf 573 500 € fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Im März 2006 beantragte der Kläger, den Feststellungsbescheid u.a. gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und einen niedrigeren Grundbesitzwert festzustellen. Das FA habe erst nachträglich von dem Wegerecht, dem Garagenüberbau auf das Nachbargrundstück und den Entwässerungsproblemen erfahren. Das FA lehnte den Antrag mit Verfügung vom ab. Einspruch und Klage, mit denen der Kläger beantragt hatte, das Nießbrauchsrecht der Mutter sowie die sonstigen dinglichen Belastungen des Grundstücks zu berücksichtigen, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) verneinte die Voraussetzungen der einzigen in Betracht kommenden Änderungsnorm des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Sowohl bei der Bewertung nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG als auch bei der Feststellung des Mindestwerts nach Abs. 6 der Vorschrift spielten die vom Kläger vorgetragenen Belastungen und Rechtsmängel keine Rolle. Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nach Abs. 7 der Vorschrift wäre Sache des Klägers gewesen. Das FA hätte von sich aus keinen derartigen niedrigeren Wert zu ermitteln brauchen.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend. Er sieht in dem (Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport Zivilrecht —NJW-RR— 2006, 1389), wonach das Vollstreckungsgericht bei der Verkehrswertermittlung einem ernstzunehmenden Altlastenverdacht nachgehen muss, einen Umstand, von dem das FA erst nach Ergehen des Feststellungsbescheides erfahren habe. Daran knüpft er die Rechtsfrage an, ob und unter welchen Voraussetzungen die Behörde Zweifel an der Bewertung eines Grundstücks außer Acht lassen dürfe, weil das Gesetz nicht vorschreibe, den Zweifeln nachzugehen. Weiter sei zu klären, ob die Behörde auch dann noch untätig bleiben dürfe, wenn mittlerweile das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Änderung des Gesetzes vorgeschrieben habe, es aber zu der Änderung noch nicht gekommen sei. Zu diesen Fragen verweist der Kläger ergänzend auf das zu § 122 Abs. 2 AO ergangene (BFH/NV 1987, 274), wonach die Beseitigung von Zweifeln Sache der Behörde sei. Da die genannte Entscheidung des BGH in der mündlichen Verhandlung nicht zur Sprache gekommen sei, sei zudem das Recht auf Gehör verletzt. Außerdem berühre dies die Einheitlichkeit der Rechtsprechung.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Ein Grund, die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 Alt. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen, liegt nicht vor. Die Rechtsfrage, der der Kläger grundsätzliche Bedeutung beimisst, stellt sich im Streitfall nicht. Der Beschluss des BGH in NJW-RR 2006, 1389, an den sich die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage anschließt, ist für den Streitfall ohne rechtliche Bedeutung. Der Beschluss umschreibt die Pflichten eines Vollstreckungsgerichts, das nach § 74a Abs. 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) den Verkehrswert von Grundstücken von Amts wegen zu ermitteln hat (vgl. Böttcher, ZVG, Kommentar, 4. Aufl. 2005, § 74a Rz 27). Im Streitfall hatten aber weder das FA noch das FG von Amts wegen den Verkehrswert bzw. in der Terminologie des § 9 BewG den gemeinen Wert zu ermitteln. Ihre Aufgabe bestand gemäß § 138 Abs. 3 Satz 1 BewG vielmehr darin, abweichend von § 9 BewG einen Grundbesitzwert im typisierenden Verfahren nach § 146 Abs. 1 bis 6 BewG festzustellen bzw. dessen Feststellung auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen.
Gegen den solchermaßen zustande gekommenen Grundbesitzwert kann der Steuerpflichtige zwar nach § 146 Abs. 7 BewG vorbringen, der gemeine Wert/Verkehrswert sei niedriger; er muss dann aber den behaupteten Wert kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nachweisen. Da das BVerfG in seinem Beschluss vom 1 BvL 10/02 (BStBl II 2007, 192, 215) trotz der Unvereinbarkeit weiter Teile des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes mit Art. 3 des Grundgesetzes (GG) die Weiteranwendung des Gesetzes bis zu einer Neuregelung, die spätestens bis zum zu treffen ist, angeordnet hat, ist auch die weitere vom Kläger aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig, welche Bedeutung dem Beschluss des BVerfG für den Streitfall zukommt.
2. Auch der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO liegt nicht vor. Da die Aufgabenstellung der Vollstreckungsgerichte mit derjenigen der Finanzbehörden und -gerichte nicht vergleichbar ist, müssen Gerichtsentscheidungen zu der jeweiligen Aufgabenstellung notwendigerweise unterschiedlich ausfallen und können diese Unterschiede die Einheitlichkeit der Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht berühren.
3. Daran vermag auch die vom Kläger angeführte Vorschrift des § 122 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 AO nichts zu ändern. Nach dieser Vorschrift liegt die Nachweislast, dass Steuerbescheide zugegangen sind, beim FA. Der Gesetzgeber ist aber nicht gehindert, die Nachweislast in anderen Sachzusammenhängen anders zu verteilen und ggf. wie in § 146 Abs. 7 BewG dem Steuerpflichtigen aufzuerlegen.
4. Auch die gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor. Da das FG der (zutreffenden) Rechtsansicht war, die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert liege beim Kläger, bedurfte es weder einer weiteren Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) noch eines gerichtlichen Hinweises (§ 76 Abs. 2 FGO) auf den eine gänzlich andere Rechtslage betreffenden BGH-Beschluss. Da die Entscheidung des FG auch nicht auf dem o.a. Beschluss des BGH beruht, scheidet eine Verletzung des Rechts des Klägers auf Gehör im Zusammenhang mit diesem Beschluss ebenfalls aus.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1653 Nr. 10
PAAAC-89493