BGH Urteil v. - 4 StR 152/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 64; StGB § 66; StGB § 66 Abs. 1; StGB § 73 c; BtMG § 35 Abs. 1

Instanzenzug: LG Bochum, vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 115fachen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, zum Teil in nicht geringer Menge, und wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, wobei ein Jahr und sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Außerdem hat es eine Sperre von vier Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis, den Verfall von Wertersatz in Höhe von 39.510 Euro und die Einziehung des Pkw des Angeklagten angeordnet.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er beanstandet "vor allem" die Strafzumessung des Landgerichts sowie die Verfalls- und Einziehungsentscheidung. Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil insgesamt im Rechtsfolgenausspruch an und rügt mit der Sachbeschwerde, dass neben der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht auch seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.

I.

Nach den Feststellungen der Strafkammer hat der nunmehr 60jährige, seit seinem 15. Lebensjahr straffällig gewordene Angeklagte, der bereits mehr als 18 Jahre an Haft verbüßt hatte, im Zeitraum von Juni 2006 bis Juni 2007 einen umfangreichen Handel mit Heroin betrieben. Als er am - ohne Fahrerlaubnis - in seinem Pkw ca. 450 g Heroingemisch und knapp 10 g Kokain aus den Niederlanden nach Deutschland verbrachte, wurde er festgenommen.

II.

Revision der Staatsanwaltschaft

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat im Wesentlichen Erfolg.

Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB bejaht. Daneben hat es festgestellt, dass auch die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB vorliegen. Der Angeklagte sei ein "Hangtäter"; von ihm seien - nach drei Vorverurteilungen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Jahren 1978, 2003 und 2005 zu insgesamt fast zehn Jahren Freiheitsstrafe - "prognostisch weitere Straftaten nach dem BtMG zu erwarten" (UA 25). Die Strafkammer meint jedoch, die angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erscheine als die im Verhältnis zur Sicherungsverwahrung mildere und noch ausreichende Maßregel, weil die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" Erfolg haben werde (UA 26).

Diese Würdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie berücksichtigt nicht, dass das Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit voraussetzt, dass mit der Unterbringung die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitigt werden kann (vgl. BGH NStZ 2007, 328; Fischer StGB 55. Aufl. § 72 Rdn. 2a m.w.N.). Das Landgericht hat aber festgestellt, dass die Drogenabhängigkeit des Angeklagten "nur verhältnismäßig schwach ausgeprägt" ist (UA 14) und er mit dem Rauschgifthandel zum großen Teil seinen Lebensunterhalt bestritten hat (UA 17). Da er nach den Feststellungen spätestens nach seiner Entlassung aus einer auf Grund des Urteils aus dem Jahre 2005 erfolgten stationären Therapiemaßnahme nach § 35 Abs. 1 BtMG im Juni 2006 sogleich bereit war, sich in neue umfangreiche Betäubungsmittelgeschäfte einzulassen, und er den Betäubungsmittelhandel auch während der anschließenden ambulanten Therapie fortsetzte, liegt es nicht fern zu folgern, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht allein ausreichen wird, die Allgemeingefährlichkeit des Angeklagten zu beseitigen. Bei einer solchen Sachlage verbleibt es bei dem Grundsatz, dass Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßregel zur kumulativen Anordnung der Maßregeln führen muss (vgl. BGH NStZ 2000, 587, 589; StV 2007, 633, 634).

III.

Revision des Angeklagten

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.

Der auf dem Geständnis des Angeklagten beruhende Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Dies gilt auch für die Rechtsfolgenentscheidung der Strafkammer. Hierzu ist im Hinblick auf das Revisionsvorbringen lediglich zu bemerken:

Das Landgericht hat alle bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) erörtert. Insbesondere hat es das bereits vorgerückte Alter des Angeklagten und damit seine Haftempfindlichkeit strafmildernd berücksichtigt und gesehen, dass im Fall III 116 das im observierten Pkw des Angeklagten befindliche Rauschgift sichergestellt wurde (UA 13 f., 16 f., 19). Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten hat die Strafkammer - entgegen der Auffassung der Revision - durchaus Feststellungen getroffen; denn im Urteil ist u.a. ausgeführt, dass der Angeklagte seinen Finanzbedarf zu einem erheblichen Teil aus dem Handel mit Heroin deckte (UA 18), er den nunmehr eingezogenen Pkw bar bezahlt hat (UA 11) und dass sein Konto bei der Postbank ein Guthaben von über 7.800 Euro aufwies (UA 14 f.). Die Beanstandung des Beschwerdeführers, es sei nicht berücksichtigt worden, dass sein Gesundheitszustand auf Grund mehrerer Leiden im orthopädischen Bereich "nicht der beste (sei)", ist zum einen urteilsfremd und daher auf die Sachrüge nicht zu berücksichtigen, zum anderen wäre eine entsprechende Feststellung auch kein gesondert zu erörternder bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt gewesen.

Die Verfalls- und die Einziehungsanordnung weisen ebenfalls keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Insbesondere hat das Landgericht die Vorschrift des § 73 c StGB nicht übersehen (UA 20) und bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigt, dass die Einziehung des Pkw, der einen Zeitwert von etwa 7.500 Euro hat (UA 15), den Angeklagten belastet (UA 17).

IV.

Das Urteil muss daher auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben werden, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung nicht angeordnet worden ist. Der Strafausspruch wird durch die Teilaufhebung nicht berührt, weil auszuschließen ist, dass die Strafen von dem Unterbleiben der Anordnung der Maßregel nach § 66 StGB beeinflusst sind (vgl. BGH NStZ 2007, 212, 213 m.w.N.).

Der neu entscheidende Tatrichter wird nunmehr - sachverständig beraten - in einer umfassenden Gesamtwürdigung zu prüfen haben, ob durch die bereits angeordnete Unterbringung nach § 64 StGB ein hohes Maß an prognostischer Gewissheit besteht, dass allein hierdurch die vom Angeklagten ausgehende Gefahr beseitigt werden kann.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
MAAAC-89387

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