BGH Beschluss v. - VII ZB 25/08

Leitsatz

[1] Die Inanspruchnahme eines leistungsfähigen Unterhaltsverpflichteten auf Prozesskostenvorschuss geht der Prozesskostenhilfe jedenfalls dann vor, wenn der Vorschuss alsbald realisierbar ist.

Gesetze: BGB § 1610 Abs. 2; BGB § 1360 a Abs. 4; ZPO § 114

Instanzenzug: AG Lindau (Bodensee), M 2199/07 vom LG Kempten, 41 T 299/08 vom

Gründe

I.

Die minderjährige Gläubigerin, die bei ihrer Mutter lebt und durch das Kreisjugendamt in B. als Beistand vertreten wird, betreibt gegen ihren Vater die Zwangsvollstreckung wegen rückständigen Unterhalts. Sie hat für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Prozesskostenhilfe beantragt. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil die Gläubigerin trotz mehrfacher Aufforderung keine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ihrer Mutter vorgelegt hat. Hiergegen hat die Gläubigerin sofortige Beschwerde eingelegt. Die Einzelrichterin am Landgericht hat das Verfahren "dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat". Das Beschwerdegericht hat durch von drei Richtern unterschriebenen Beschluss die Beschwerde zurückgewiesen. Im Rubrum des Beschlusses heißt es, das Landgericht erlasse den Beschluss "durch die unterzeichnete Einzelrichterin". Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf eine unveröffentlichte und nicht mit einem Tatbestand versehene, nach Angabe der Gläubigerin aber abweichende Entscheidung des Landgerichts H. zugelassen. Die Gläubigerin verfolgt mit der Rechtsbeschwerde ihren Antrag weiter.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht führt aus, die Gläubigerin habe nicht ausreichend dargetan, dass sie im Sinne des § 114 ZPO bedürftig sei. Der Prozesskostenhilfe gehe die Pflicht der Mutter zum Prozesskostenvorschuss vor. Dass ein Vorschussanspruch nicht bestehe, müsse die Prozesskostenhilfe beantragende Partei dartun. Dieser Darlegungslast sei die Gläubigerin nicht nachgekommen. Die Darlegungslast entfalle auch nicht deshalb, weil sich ihre gesetzliche Vertreterin des Beistands des Kreisjugendamtes bedient habe.

2. Die Rechtsbeschwerde rügt, es komme zwar grundsätzlich ein Anspruch gegen die Mutter auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Betracht. Die Gläubigerin müsse sich auf diesen Anspruch aber nur dann verweisen lassen, wenn er so zügig zu realisieren sei, dass die Rechtsverfolgung nicht unbillig verzögert oder erschwert werde. Das Landgericht verkenne, dass zur Realisierung dieses Anspruchs ein Ergänzungspfleger bestellt werden müsste, wobei die Leistungsfähigkeit der Mutter ungewiss sei.

Zudem habe das Beschwerdegericht nach Seite 1 des angefochtenen Beschlusses durch eine Einzelrichterin entschieden. Sei davon auszugehen, dass die Einzelrichterin den Beschluss gefasst und die Zulassung der Rechtsbeschwerde ausgesprochen habe, sei die angefochtene Entscheidung bereits aus diesem Gunde aufzuheben.

3. Damit dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch.

a) Das Beschwerdegericht hat das Verfahrensgebot des gesetzlichen Richters nicht verletzt. Durch die offensichtlich fehlerhafte Bezeichnung der entscheidenden Richter im Rubrum der Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses ist die Gläubigerin nicht in ihrem Anspruch auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, zumal sich dieser Fehler in der vom Landgericht nunmehr übersandten, dem Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin abschriftlich mitgeteilten Urschrift des Beschlusses nicht findet.

b) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass sich eine Partei, die Prozesskostenhilfe begehrt, über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erklären muss (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Zutreffend ist auch die weitere Erwägung des angefochtenen Beschlusses, dass die Inanspruchnahme eines insoweit leistungsfähigen Unterhaltsverpflichteten auf Prozesskostenvorschuss der Prozesskostenhilfe jedenfalls dann vorgeht, wenn der Prozesskostenvorschuss alsbald realisierbar ist. Kommt in Betracht, dass die Partei einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss hat, muss sie daher darlegen, dass der Vorschusspflichtige den Vorschuss nicht aufbringen kann oder es ihr nicht zuzumuten ist, den Vorschuss geltend zu machen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Auflage, § 115 Rdn. 67 und 69).

Zu diesen Voraussetzungen hat die Gläubigerin nichts vorgetragen; vielmehr hat das Kreisjugendamt als ihr Vertreter lediglich Rechtsausführungen dazu gemacht, warum es der Gläubigerin nicht zuzumuten sei, einen eventuellen Vorschussanspruch zwangsweise durchzusetzen. Diese rechtliche Beurteilung obliegt jedoch dem Gericht. Aufgabe der Gläubigerin wäre es dagegen gewesen, die tatsächlichen Umstände mitzuteilen, auf die diese Beurteilung hätte gestützt werden können. Dazu hätte das Kreisjugendamt zumindest die Aufforderungen des Amtsgerichts, die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Mutter der Gläubigerin einzureichen, an diese weiterleiten und ihre Reaktion hierauf mitteilen müssen. Hierzu hätte es eines Ergänzungspflegers nicht bedurft.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 1531 Nr. 22
DAAAC-88862

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja