BFH Urteil v. - IV R 31/06 BStBl 2009 II S. 142

Negative Kürzungen nach § 9 Nr. 3 GewStG auch bei Anwendung von § 32c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG

Leitsatz

Negative gewerbliche Einkünfte i.S. der Tarifbegrenzungsvorschrift des § 32c EStG a.F., die ein Kommanditist aus einer Beteiligung an einer Seeschifffahrtsgesellschaft erzielt, sind nach § 9 Nr. 3 GewStG um 80 v.H. zu kürzen.

Gesetze: EStG a.F. EStG a.F. § 32cGewStG § 9 Nr. 3

Instanzenzug: (EFG 2006, 1680) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob negative Einkünfte i.S. der Tarifbegünstigungsvorschrift des § 32c des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 1999 geltenden Fassung (EStG) um gewerbesteuerliche Kürzungsbeträge i.S. des § 9 Nr. 3 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) zu mindern sind.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, deren Unternehmensgegenstand der Bau und Betrieb eines Containerschiffs im internationalen Verkehr ist. Neben der Komplementär-GmbH sind an ihr 84 Kommanditisten beteiligt. Die Klägerin erzielt aus dem Betrieb des Schiffes Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG und ermittelt den Gewinn nach §§ 5, 4 Abs. 1 EStG.

Im Streitjahr erzielte die Klägerin einen Verlust, der sich nach den im Rahmen einer Betriebsprüfung getroffenen —nicht mehr streitigen— Feststellungen auf 5 180 261 DM belief. Dieser Verlust war nach § 15a EStG lediglich verrechenbar. Die Summe der Sonderbetriebseinnahmen der Gesellschafter übertrafen deren Sonderbetriebsausgaben um 345 207,88 DM. Die Höhe der „gewerblichen Einkünfte, die der Tarifbegünstigung nach § 32c EStG unterliegen” ermittelte der Prüfer in der Weise, dass er, soweit die Gesellschafter positive Einkünfte aus dem Bereich der Sonderbetriebseinnahmen und –ausgaben erzielten, diese im Hinblick auf die gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG nur in Höhe von 20 v.H. ansetzte. Soweit demgegenüber andere Gesellschafter negative Einkünfte aus diesem Bereich bezogen, setzte der Prüfer negative tarifbegünstigte Einkünfte in voller Höhe an. Der Saldo der positiven und negativen tarifbegünstigten Einkünfte belief sich nach dieser Berechnung auf 55 645 DM, also lediglich 16 v.H. der Gewinne aus dem Bereich der Sonderbetriebseinnahmen/Sonderbetriebsausgaben. Der Prüfer begründete sein Vorgehen damit, dass zwar die tarifbegünstigten Einkünfte nach § 32c Abs. 2 Nr. 1 EStG um die Kürzungsbeträge nach § 9 Nr. 3 GewStG zu vermindern seien, dass jedoch im Verlustfall bei Anwendung des § 32c EStG eine negative Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG nicht vorgenommen werden dürfe; denn die Vorschrift des § 32c Abs. 2 EStG beziehe sich nur auf positive Kürzungsbeträge.

Auf der Grundlage dieser Prüfungsfeststellungen änderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) den Gewinnfeststellungsbescheid für 1999.

Den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer setzte das FA mit inzwischen bestandskräftigem Gewerbesteuermess- und Gewerbesteuerbescheid für 1999 auf Null fest.

Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid wandte sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruch mit der Klage.

Sie vertrat die Auffassung, das FA habe zu Unrecht bei den Kommanditisten, bei denen nach Anwendung des § 15a EStG laufende negative Einkünfte festgestellt worden seien, eine Kürzung dieser Einkünfte nach § 9 Nr. 3 GewStG unterlassen. Das führe dazu, dass den betroffenen Kommanditisten die Privilegierung des § 32c EStG —zumindest für einen Teil ihrer Einkünfte— in einem überhöhten Maß genommen werde.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Entscheidung vom VII 165/05 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1680 veröffentlicht.

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der das FA die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, dass, soweit die Kommanditisten der Klägerin aus ihrer Beteiligung negative gewerbliche Einkünfte i.S. des § 32c EStG erzielt haben, diese nach § 9 Nr. 3 GewStG um 80 v.H. zu „kürzen” sind.

a) Nach § 32c Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ist, wenn in dem zu versteuernden Einkommen gewerbliche Einkünfte i.S. des Abs. 2 enthalten sind, deren Anteil am zu versteuernden Einkommen mindestens 93 744 DM beträgt, von der tariflichen Einkommensteuer ein Entlastungsbetrag nach Abs. 4 abzuziehen. Nach § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG sind gewerbliche Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift vorbehaltlich des Satzes 2 Gewinne oder Gewinnanteile, die nach § 7 oder § 8 Nr. 4 GewStG der Gewerbesteuer unterliegen. Ausgenommen sind gemäß § 32c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG insbesondere Gewinne und Gewinnanteile, die nach § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen sind. Die Regelung, die dazu dienen soll, mit der Senkung des Tarifs für gewerbliche Einkünfte einen Ausgleich für die Gewerbesteuerbelastung zu schaffen, ist nicht verfassungswidrig (, BVerfGE 116, 164).

aa) Unter der Summe der begünstigten gewerblichen Gewinne i.S. des § 32c Abs. 1 EStG ist nur eine positive Größe zu verstehen, weil nur aus ihr —wie in § 32c Abs. 1 EStG verlangt— ein positiver Anteil am zu versteuernden Einkommen in einer Mindesthöhe von 93 744 DM ermittelt werden kann.

bb) Allerdings ist zur Ermittlung des gewerblichen Gewinns i.S. des § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG insoweit eine Saldierung vorzunehmen, als alle nach § 7 und § 8 Nr. 4 GewStG der Gewerbesteuer „unterliegenden” Gewinne und Verluste zusammengefasst werden (siehe Schmidt/Glanegger, EStG, 27. Aufl., § 32c Rz 7, 8). Das ist dann von Bedeutung, wenn Einkünfte aus mehreren Gewerbebetrieben bzw. gewerblichen Beteiligungen bezogen werden und diese mindestens in einem Fall positiv sind. Zwar ließe sich gegen diese Betrachtung einwenden, dass auf Grund einer solchen Saldierung Gewinne, die der Gewerbesteuer unterlegen haben, gleichwohl von der Tarifbegünstigung nach § 32c EStG ausgenommen werden. Letztlich ausschlaggebend erscheint demgegenüber, dass Maßstab für die Tarifbegrenzung die nach einkommensteuerlichen Grundsätzen ermittelten Einkünfte sind; denn nach der in Abs. 3 vorgegebenen Gesetzestechnik werden die begünstigten gewerblichen Einkünfte zur Summe der Einkünfte ins Verhältnis gesetzt, um den gewerblichen Anteil und damit die Bemessungsgrundlage für die Tarifentlastung zu ermitteln (Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32c EStG Rz 29). Ob der Betrag i.S. von § 32c Abs. 1 EStG erreicht wird, kann nicht auf der Feststellungsebene der Gesellschaft, sondern nur auf der Ebene eines jeden Gesellschafters beurteilt werden. Das führt dazu, dass im Gewinnfeststellungsverfahren gegebenenfalls auch Verluste nach § 32c EStG gesondert festzustellen sind. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) zu den seinerzeit ebenfalls tarifbegünstigten Einkünften aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr (§ 34c Abs. 4 EStG a.F.) ausdrücklich entschieden (, BFHE 177, 79, BStBl II 1995, 692).

cc) Geht man dementsprechend davon aus, dass positive (gewerbesteuerbelastete) gewerbliche Einkünfte um negative gewerbliche Einkünfte zu mindern sind, so drängt sich die Konsequenz auf, dass die entsprechenden negativen Einkünfte ihrerseits um Kürzungsbeträge i.S. des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG zu mindern sind. Das gilt jedenfalls für Kürzungsbeträge nach § 9 Nr. 3 GewStG. Der (BFHE 102, 524, BStBl II 1971, 743) entschieden, dass der Teil des Gewerbeertrags i.S. des § 9 Nr. 3 GewStG, um den die Summe des Gewinns zu kürzen ist, auch ein auf die inländische Betriebsstätte entfallender Verlust sein kann (ebenso , BFHE 113, 242, BStBl II 1974, 752). Ein gewerbesteuerlicher Verlust mindert sich demnach um die Anteile, die nicht auf eine im Inland belegene Betriebsstätte entfallen. Dass es naheliegt, auch im Bereich des § 32c EStG so zu verfahren, zeigt der Streitfall. Geht man nämlich von der Möglichkeit aus, dass die Gesellschafter, für die das FA negative Einkünfte i.S. des § 32c EStG festgestellt hat, aus einer anderen Schifffahrtsbeteiligung positive Einkünfte erzielen, so sind diese nach dem Wortlaut des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG (i.V.m. § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG) nur in Höhe von 20 v.H. tarifbegünstigt. Gleichwohl sollen sie nach der Vorstellung des FA um Verluste aus der Beteiligung an der Klägerin in voller Höhe gekürzt werden. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass unter Zugrundelegung der Auffassung des FA positive Einkünfte aus Schifffahrtsbeteiligungen, die fünfmal so hoch sind wie die festgestellten Verluste, von der Tarifbegünstigung ausgenommen blieben, obwohl sie in Höhe von 20 v.H. mit Gewerbesteuer belastet waren.

b) Die hiergegen vom FA vorgetragenen Gesichtspunkte, die sich im Wesentlichen auf das rechtskräftige (EFG 2004, 1845) stützen, lassen nicht erkennen, warum eine andere Betrachtung geboten sein könnte.

aa) Es mag zutreffen, dass § 32c Abs. 2 EStG nicht versucht, eine spiegelbildliche Behandlung im gewerbesteuerlichen Bereich einerseits und im Bereich der einkommensteuerlichen Tarifbegrenzung andererseits herzustellen. Das FA leitet diese Schlussfolgerung in Übereinstimmung mit dem FG Münster (Urteil in EFG 2004, 1845) daraus her, dass § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG nicht auf alle Kürzungstatbestände des § 9 GewStG Bezug nimmt. Das spricht aber nicht dagegen, dort wo es der Gesetzeswortlaut zulässt, dem gesetzgeberischen Ziel der Tarifbegünstigung, nämlich der Kompensation der Gewerbesteuerbelastung in größtmöglichem Umfang Rechnung zu tragen.

bb) Gegen die Verminderung negativer Einkünfte um die in § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG aufgeführten Kürzungsbeträge lässt sich auch nicht die Gesetzessystematik ins Feld führen (so aber FG Münster, Urteil in EFG 2004, 1845; ebenso A-2-St II 25, Der Betrieb —DB— 2001, 839; Schmidt/Glanegger, a.a.O., § 32c Rz 17; Paus, Betriebs-Berater 1994, 2389, 2397; a.A. Müller, DB, Beilage 3/1998, 8). Es trifft zwar zu, dass „gewerbliche Einkünfte” i.S. des § 32c EStG nur positive Beträge sein können (s.o. unter II.1.a bb). Daraus lässt sich jedoch nicht der Satz ableiten, „im Rahmen des § 32c EStG” seien nur positive Einkünfte zu berücksichtigen. Im Rahmen der Saldierung (s.o. unter II.1.a bb) spielen auch negative Einkünfte aus einzelnen Gewerbebetrieben oder gewerblichen Beteiligungen eine Rolle. Sie werden bei gewerblichen Beteiligungen gesondert und einheitlich festgestellt, ohne dass bereits auf der Ebene des Feststellungsbescheides eine Saldierung möglich wäre. Die derart festgestellten Beträge mindern jedoch im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der betreffenden Gesellschafter deren tarifbegünstigte Einkünfte i.S. des § 32c EStG, und zwar gerade auch dann, wenn Letztere mit Gewerbesteuer belastet waren.

cc) Schließlich lässt sich die Auffassung des FA auch nicht aus dem Wortlaut des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG herleiten, wenn dieser unter Nr. 1 für die Tatbestände des § 9 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 3 etc. GewStG von „Gewinnen und Gewinnanteilen” und nicht —wie unter Nr. 3 für die Tatbestände nach § 9 Nr. 2 GewStG— von „Kürzungsbeträgen” spricht. In § 32c EStG ist überhaupt stets nur von Gewinnen und nicht von Verlusten die Rede. Gleichwohl spielen —wie mehrfach erwähnt— die Verluste aus einzelnen Gewerbebetrieben oder gewerblichen Beteiligungen im Rahmen der Saldierung eine Rolle. Nur wegen dieser —nicht aus dem Wortlaut, sondern aus der Gesetzessystematik herzuleitenden— Bedeutung der Verluste ergibt sich überhaupt die Notwendigkeit, die negativen Einkünfte um die in § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG aufgeführten Kürzungsbeträge zu vermindern.

Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 142
BFH/NV 2008 S. 1764 Nr. 10
BFH/PR 2008 S. 493 Nr. 12
BStBl II 2009 S. 142 Nr. 5
DB 2008 S. 1951 Nr. 36
DStRE 2008 S. 1135 Nr. 18
DStZ 2008 S. 659 Nr. 19
EStB 2008 S. 360 Nr. 10
FR 2009 S. 140 Nr. 3
HFR 2008 S. 1032 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2008 S. 3266
SJ 2008 S. 4 Nr. 20
StBW 2008 S. 3 Nr. 19
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2008 S. 686
EAAAC-88010