Leitsatz
[1] Die klageweise Geltendmachung des Anspruchs auf Wertersatz wahrt auch die Rechte für den nach Ablauf der Anfechtungsfrist im Berufungsrechtszug verfolgten Primäranspruch.
Instanzenzug: LG Kempten, 3 O 2426/05 vom OLG München, 14 U 224/06 vom
Tatbestand
Mit Vertrag vom kauften die Beklagte und deren Ehemann jeweils zur Hälfte vier in Kempten gelegene Grundstücke. Hinsichtlich zweier dieser Grundstücke schlossen die Eheleute am - vor dem dinglichen Vollzug des Vertrages - eine als Überlassung bezeichnete notarielle Vereinbarung zu Gunsten der Beklagten. Als Rechtsgrund hierfür wird in § 3 eine ehebedingte Zuwendung genannt. § 2 weist folgende Regelung auf:
..., im folgenden "der Veräußerer" genannt, überlässt hiermit an seine Ehefrau ..., im folgenden "Erwerber" genannt, seinen Hälfte-Miteigentumsanteil an dem in § 1 aufgeführten Vertragsgegen-stand mit allen Bestandteilen, Rechten und Zubehör. Die Vertragsteile sind sich über den Eigentumsübergang einig. Der Veräußerer bewilligt und der Erwerber beantragt die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch... Der Veräußerer tritt hiermit sicherungshalber seine Ansprüche auf Eigentumsverschaffung sowie alle Rechte und Ansprüche, auch solche rein schuldrechtlicher Art, aus der genannten Vorurkunde...an seine Ehefrau ab, welche die Abtretung annimmt...
Am wurde die Beklagte als Alleineigentümerin der beiden Grundstücke in das Grundbuch eingetragen. Die Kläger verfügen über vier gegen den Ehemann der Beklagten gerichtete Vollstreckungstitel und fechten das zwischen der Beklagten und deren Ehemann abgeschlossene Grundstücksgeschäft vom an.
Die Kläger haben am Klage beim Landgericht München I erhoben. Mit Beschluss vom hat das angerufene Landgericht sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Kempten verwiesen. Das Landgericht hat die auf Wertersatz (Sekundäranspruch) gerichtete Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren haben die Kläger hilfsweise auch die Duldung der Zwangsvollstreckung in die Grundstücke zum Zwecke der Befriedigung aus dem hälftigen Teil des Versteigerungserlöses wegen einer Forderung von 40.437 € nebst Zinsen (Primäranspruch) begehrt. Das Berufungsgericht hat den Hilfsantrag im Wesentlichen für begründet erachtet und im Übrigen das landgerichtliche Urteil bestätigt. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Im Hinblick auf eine zwischenzeitlich erfolgte Zahlung von 15.000 € beantragen die Kläger die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Schuldanerkenntnis vom nur noch in Höhe von 15.750,77 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu dulden ist. Insoweit haben die Parteien den Rechtstreit übereinstimmend für erledigt erklärt
Gründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Primäranspruch sei nicht untergegangen, weil der mit dem anfechtbaren Rechtsgeschäft übertragene Vermögensgegenstand sich noch im Vermögen der Anfechtungsgegnerin befinde. Das wirtschaftliche Ziel des Vertrages vom habe darin bestanden, der Anfechtungsgegnerin das alleinige Eigentum an beiden Grundstücken zu verschaffen. Durch diesen Vertrag habe nicht der schuldrechtliche Anspruch auf Verschaffung des Miteigentumsanteils, sondern der Miteigentumsanteil selbst übertragen werden sollen. Der Umstand, dass dieser Miteigentumsanteil durch Vereinigung mit dem eigenen Anteil der Beklagten zu deren Alleineigentum rechtlich nicht mehr bestehe, sei unbeachtlich. Maßgeblich sei allein, dass das wirtschaftliche Substrat dieses Eigentumsanteils nach wie vor im Vermögen der Anfechtungsgegnerin vorhanden sei und zum Zwecke der Befriedigung dem Anfechtungsgläubiger zur Verfügung gestellt werden könne.
Der geltend gemachte Primäranspruch sei auch nicht durch Ablauf der Anfechtungsfrist entfallen. Hinsichtlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom ergebe sich dies aus § 7 Abs. 2 AnfG, weil zum Zeitpunkt der Klageerhebung am der Titel noch nicht vorgelegen habe, die Kläger aber die später titulierten Kosten bereits in der Klagebegründung aufgeführt hätten, so dass eine ordnungsgemäße Anfechtungsankündigung vorliege. Aber auch hinsichtlich der übrigen Vollstreckungstitel sei die Anfechtungsfrist nicht abgelaufen. Mit der erhobenen Zahlungsklage sei auch die Frist für den nunmehr richtigerweise geltend gemachten Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gewahrt worden.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass den Anfechtungsgläubigern ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die beiden verfahrensgegenständlichen Grundstücke zusteht. Ein unmittelbarer Zahlungsanspruch als Wertersatzanspruch kommt nicht in Betracht.
a) Der Vertrag vom unterliegt gemäß §§ 1, 4 Abs. 1 AnfG der Anfechtung. Das Übertragungsgeschäft des Schuldners zu Gunsten seiner Ehefrau, der Beklagten, stellt eine unentgeltliche Zuwendung im Sinne des § 4 Abs. 1 AnfG dar. Der Umstand, dass die vertragsschließenden Parteien die Überlassung im Rahmen einer ehebedingten Zuwendung vorgenommen haben, vermag hieran nichts zu ändern. Eine ehebedingte oder unbenannte Zuwendung ist dadurch gekennzeichnet, dass eine rechtliche Verpflichtung dazu nicht besteht (BGHZ 71, 61, 64 ff). Anfechtungsrechtlich wird auch keine Gegenleistung erbracht. Daher sind derartige Leistungen als unentgeltliche Zuwendungen anzusehen (, ZIP 1999, 316, 317; OLG München WM 2004, 1044, 1045; Huber, AnfG 10. Aufl. § 4 Rn. 35; HK-InsO/Kreft, 4. Aufl. § 134 Rn. 12; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 134 Rn. 36; Jaeger/Henckel, InsO § 134 Rn. 23).
b) Der Gesichtspunkt, dass dem Schuldner zum Zeitpunkt des Abschlusses des Überlassungsvertrages vom kein Miteigentumsanteil an den beiden Grundstücken zustand und er daher der Beklagten lediglich schuldrechtliche Verschaffungsansprüche übertragen konnte, die mit dem Erwerb des Volleigentums der Beklagten untergegangen sind, ist nicht geeignet, einen Anspruch auf Wertersatz zu begründen.
aa) Ein Anspruch auf Wertersatz (sogenannter Sekundäranspruch) besteht nur, wenn der Anfechtungsgegner seine Pflicht aus § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG nicht erfüllen kann, weil es ihm aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich geworden ist, dem Gläubiger das anfechtbar Erworbene zum zwangsweisen Zugriff zur Verfügung zu stellen (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 134 Rn. 82; Jaeger/Henckel, aaO § 134 Rn. 110; Huber aaO, § 11 Rn. 37; Kübler/Prütting/Paulus, § 11 AnfG Rn. 13; offen gelassen in , ZIP 1990, 1420, 1423). Voraussetzung für die Pflicht, den Wert des Anfechtungsgegenstandes zu ersetzen, ist folglich die Unmöglichkeit, den Primäranspruch zu erfüllen. Bei der für das Anfechtungsrecht maßgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. dazu BGHZ 72, 39, 41 f; 116, 222, 226) ist ein mehraktig gestalteter Zuwendungsvorgang, der auf einem einheitlichen Plan beruht, als Einheit zu behandeln. Insbesondere kann dem Empfänger mit dem vertraglichen Erfüllungsanspruch im Ergebnis auch der erwartete individuelle Gegenstand der Erfüllung zugewendet werden (BGHZ 116, aaO; KG HRR 1937 Nr. 1421; Huber aaO, § 13 Rn. 17). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wurde der Beklagten durch den der Anfechtung unterliegenden Überlassungsvertrag nicht nur der Verschaffungsanspruch zugewandt, sondern auch dessen Gegenstand, der Miteigentumsanteil, den die Beklagte, als sie Volleigentum an beiden Grundstücken erwarb, übertragen erhielt. Anfechtbar erworben ist demzufolge nicht (nur) der Eigentumsverschaffungsanspruch, sondern der hälftige Miteigentumsanteil an beiden Grundstücken.
bb) Auch wenn das dem Schuldner zuzuordnende Bruchteilseigentum durch Erwerb des Volleigentums seitens der Beklagten als Vollstreckungsobjekt nicht mehr verfügbar ist, kann der Anfechtungsgläubiger von der nunmehrigen Alleineigentümerin die Duldung der Zwangsversteigerung des ganzen Grundstücks verlangen, allerdings nur zwecks Befriedigung aus dem Teil des Versteigerungserlöses, der dem Schuldner ohne die anfechtbare Rechtshandlung, also unter Berücksichtigung des ihm zuzuordnenden Miteigentumsanteils, zugestanden hätte (vgl. BGHZ 90, 207, 214; , ZIP 1985, 372, 375). Die Beklagte ist demzufolge weiterhin in der Lage, den Primäranspruch zu erfüllen.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass der erst in der Berufungsinstanz im Wege eines Hilfsantrages erhobene Primäranspruch binnen der vierjährigen Anfechtungsfrist gemäß §§ 4, 7 AnfG geltend gemacht wurde. Die Verfolgung des Primäranspruchs bedeutet gegenüber dem mit Klageerhebung vom Juli 2005 rechtzeitig begehrten Wertersatzanspruch (Sekundäranspruch) keine Klageänderung (§ 264 Nr. 2 ZPO).
a) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Insolvenzanfechtung ist anerkannt, dass die rechtzeitige Geltendmachung eines anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs in Natur zugleich die Frist für einen Wertersatzanspruch wahrt (BGHZ 89, 189, 197; , WM 1983, 1313, 1315; Urt. v. - IX ZR 199/97, ZIP 1998, 2165, 2167; ebenso Huber, aaO § 7 Rn. 13; HK-InsO/Kreft, aaO § 146 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 146 Rn. 15c; HmbK-InsO/Rogge, 2. Aufl. § 143 Rn. 121). Diese Grundsätze sollen aber auch dann gelten, wenn vom zunächst geltend gemachten Wertersatzanspruch auf den Primäranspruch übergegangen wird (OLG Hamm NZI 2001, 432, 433; HK-InsO/Kreft, aaO § 146 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 146 Rn. 15c).
b) Die zuletzt genannte Ansicht ist zutreffend.
aa) Der Anfechtungsanspruch kann verschiedene technische Ausprägungen erfahren, nämlich unmittelbar auf Rückgewähr des anfechtbar Erworbenen gerichtet sein oder, falls dieser Gegenstand dem Anfechtungsgegner nicht mehr zur Verfügung steht, auf Leistung von Wertersatz (§ 143 Abs. 1 InsO). Außerhalb des Insolvenzverfahrens - wie hier - tritt anstelle des Rückgewähranspruchs die Verpflichtung des Anfechtungsgegners, das vom Schuldner anfechtbar Weggegebene dem Zwangszugriff des Gläubigers wieder zur Verfügung zu stellen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG). Ist dies dem Anfechtungsgegner nicht möglich, tritt auch hier der Anspruch auf Wertersatz an die Stelle des Primäranspruchs. Für den Bereich der Verjährungshemmung (§ 204 BGB) ist anerkannt, dass bei Geltendmachung eines Anspruchs, der verschiedene technische Ausprägungen aufweist, alle Gestaltungen von der Hemmungswirkung erfasst werden (Erman/Schmidt-Räntsch, BGB 12. Aufl. § 204 Rn. 7). Dies gilt insbesondere für die gegen denselben Schuldner erhobene Zahlungsklage aus § 2325 BGB, die die Verjährung des Anspruchs auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus § 2329 BGB hemmt und umgekehrt (, NJW 1974, 1327 f). Zwischen dem auf Zahlung gerichteten Sekundäranspruch und dem auf Duldung der Zwangsvollstreckung bezogenen Primäranspruch des § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG besteht ebenso wie bei den vorgenannten Pflichtteilergänzungsansprüchen eine wesensmäßige Gleichheit, die keine unterschiedliche Beurteilung rechtfertigt. Der Umstand, dass es sich bei den Fristen aus dem Anfechtungsgesetz nicht um Verjährungsfristen, sondern um von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfristen handelt (Huber aaO, § 7 Rn. 4; Kübler/Prütting/Paulus aaO, § 7 Rn. 3), wirkt sich hier nicht aus.
bb) Der Sache nach bedeutet der Übergang vom Sekundäranspruch zu dem nur auf Duldung der Zwangsvollstreckung beschränkten Primäranspruch eine Beschränkung des Klagebegehrens, somit keine Klageänderung (§ 264 Nr. 2 ZPO). Der Sekundäranspruch reicht weiter als der Primäranspruch, weil die Zahlungsklage unmittelbar zur Befriedigung seines gleichfalls auf eine Geldsumme gerichteten Hauptanspruchs (vgl. hierzu BGHZ 112, 356, 362) führt.
cc) Die Kläger haben bereits in der Klageschrift deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Überlassungsvertrag vom als anfechtbare Rechtshandlung angesehen haben und der hieraus abgeleitete Anspruch auf Wertersatz auf einer unzutreffenden Wertung des aus der Anfechtung folgenden Anspruchs beruhte. Die Kläger wollten mit ihrer Klage den gesamten Überlassungsvertrag zu Fall bringen und auf das hierdurch seitens des Schuldners Weggegebene zugreifen. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, die Beklagte habe mit Zustellung der Klage gewusst, dass die Kläger den durch den Überlassungsvertrag vorgenommenen Vermögenserwerb - bezogen auf den dem Schuldner zuzuordnenden Miteigentumsanteil - nicht hinnehmen würden (vgl. , ZIP 2008, 888, 889 Rn. 11 f). Ein schützenswertes Interesse der Beklagten ist unter diesen Umständen entgegen der Ansicht der Revision nicht ersichtlich.
c) Die Klageerhebung beim örtlich unzuständigen Landgericht München I war fristwahrend, weil das örtlich unzuständige Gericht die Klage zugestellt und erst anschließend die Sache an das Landgericht Kempten verwiesen hat (vgl. BGHZ 90, 249, 251).
d) Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Kläger die von ihnen verfolgten titulierten Forderungen hinreichend konkret aufgeführt haben. Zur Auslegung des Klageantrags kann auch auf die Klagegründe zurückgegriffen werden (Huber, aaO, § 7 Rn. 10 f).
3. Entgegen der Ansicht der Revision kann den Klägern hinsichtlich der Geltendmachung des vom Schuldner abgegebenen Schuldanerkenntnisses vom kein rechtsmissbräuchliches Fehlverhalten vorgeworfen werden. Wegen der in § 2 AnfG geregelten Subsidiarität der Einzelgläubigeranfechtung steht es dem Anfechtungsgläubiger nicht frei, seinen Schuldner zu schonen und stattdessen die Empfänger anfechtbar erworbener Zuwendungen in Anspruch zu nehmen (, ZIP 1996, 1516, 1518; Huber aaO, § 2 Rn. 21). Gegen diesen Grundsatz haben die Kläger nicht verstoßen, weil unstreitig der Schuldner, der Ehemann der Beklagten, vermögenslos ist. Eine Schonung zu Lasten der Beklagten scheidet daher aus.
Bei dem vom Schuldner abgegebenen Schuldanerkenntnis handelt es sich um ein abstraktes Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB). Dies ergibt sich aus der in der notariellen Urkunde verwendeten Bezeichnung Schuldanerkenntnis sowie dem Umstand, dass die Urkunde einen Verpflichtungsgrund für die Zahlungszusage weder ausdrücklich erwähnt noch andeutet (vgl. , MDR 1988, 207; v. - XII ZR 66/97, MDR 1999, 162, 163). Soweit die Beklagte hinsichtlich des Schuldanerkenntnisses einwendet, es habe lediglich zur Sicherung eines gegen die F GmbH gerichteten Anspruchs gedient, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Dann bestünde ein Gesamtschuldverhältnis zwischen dem Anerkennenden und der GmbH (vgl. , WM 2007, 1613, 1614 Rn. 11); die Kläger könnten als Gläubiger von ihrem Wahlrecht (§ 421 Abs. 1 Satz 1 BGB), gegen welchen Gesamtschuldner sie vorgehen wollen, Gebrauch machen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 1629 Nr. 23
WM 2008 S. 1695 Nr. 36
ZIP 2008 S. 2136 Nr. 45
VAAAC-87897
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja