Beschwerde gegen Beschluss des FG über die Zurückweisung von Befangenheitsanträgen gegen Gerichtspersonen nur bei willkürlicher Zurückweisung; Antrag auf Terminsverlegung wegen einer Terminskollision
Gesetze: FGO § 128, FGO § 124, FGO § 134, ZPO § 227
Instanzenzug: , 1 K 1199/07, 1 K 1200/07, 1 K 1201/07
Gründe
I. Das Finanzgericht (FG) des Saarlandes hat mit Beschlüssen vom 1 V 1233/05 und 1 V 1234/05 Anträge der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) auf Fortsetzung zweier Verfahren betreffend die Abänderung von Beschlüssen über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) bestimmter Steuerbescheide des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) zurückgewiesen. Hiergegen hatte die Klägerin, die der Ansicht war, keine Fortsetzungsanträge gestellt zu haben, Nichtzulassungsbeschwerden erhoben, die der Senat mit Beschluss vom I B 42, 43/07 (juris) als nicht statthaft und damit unzulässig verworfen hat.
Außerdem hat die Klägerin gegen die FG-Beschlüsse vom Anhörungsrügen erhoben, die vom FG mit Beschlüssen vom 1 V 1068/07 und 1 V 1069/07 als unbegründet zurückgewiesen wurden.
Sodann hat die Klägerin gegen die FG-Beschlüsse vom „Nichtigkeitsklage(n) gemäß § 134 i.V.m. § 579 ff. ZPO i.V.m. § 155 FGO” erhoben, die vom FG unter Hinweis auf den (BFH/NV 1998, 990) in Nichtigkeitsanträge umgedeutet und mit Beschlüssen vom 1 V 1097/07 und 1 V 1098/07 als unbegründet zurückgewiesen worden sind. Die hiergegen erhobenen Beschwerden hat der Senat mit Beschlüssen vom I B 59/07 (juris) und I B 60/07 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen gerichtete Anhörungsrügen (I S 17/07 und I S 18/07) blieben ohne Erfolg.
Schließlich hat die Klägerin sowohl gegen die FG-Beschlüsse vom betreffend die Zurückweisung der Anhörungsrügen als auch gegen die FG-Beschlüsse vom betreffend die Zurückweisung der Nichtigkeitsanträge beim FG wiederum „Nichtigkeitsklage(n) gemäß § 134 i.V.m. § 579 ff. ZPO i.V.m. § 155 FGO” erhoben.
Das FG hat die Klagen mit Urteilen vom 1 K 1198/07, 1 K 1199/07, 1 K 1200/07 und 1 K 1201/07 als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es jeweils ausgeführt, ein Wiederaufnahmeverfahren in Form der Nichtigkeitsklage gemäß § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 578 der Zivilprozessordnung (ZPO) könne nur gegen rechtskräftige Endurteile erhoben werden. Für die Wiederaufnahme eines durch Beschluss beendeten Verfahrens bedürfe es demgegenüber eines Nichtigkeitsantrags. Einen solchen habe die Klägerin, die trotz der in den vorangegangenen Verfahren vom FG vollzogenen Umdeutung ihrer früheren „Nichtigkeitsklagen” in Wiederaufnahmeanträge nochmals ausdrücklich Nichtigkeitsklagen erhoben habe, ausdrücklich nicht stellen wollen. Die Urteile sind dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 26. Juni (1 K 1198/07, 1 K 1199/07 und 1 K 1200/07) bzw. am (1 K 1201/07) zugestellt worden.
Die Klägerin begehrt mit ihren Beschwerden die Zulassung der Revisionen gegen die FG-Urteile und begründet dies mit diversen Verfahrensfehlern des FG. Die Begründungsfristen für die Nichtzulassungsbeschwerden sind verlängert worden bis zum für das Verfahren I B 109/07 (betreffend die Sache 1 K 1200/07) bzw. bis zum (übrige Verfahren). Die Begründungen der Nichtzulassungsbeschwerden betreffend die Verfahren I B 111/07, I B 112/07 und I B 113/07 sind vollständig erst nach Ablauf des beim BFH eingegangen. Die Klägerin hat insoweit Wiedereinsetzung in die versäumten Beschwerdebegründungsfristen beantragt.
Das FA hat keinen Antrag gestellt.
II. Die gemäß § 121 Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Nichtzulassungsbeschwerden bleiben ohne Erfolg. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin in den Verfahren I B 111/07, I B 112/07 und I B 113/07 die Begründungsfrist nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ohne Verschulden (§ 56 Abs. 1 FGO) versäumt hat, insbesondere, ob bei Übermittlung jeweils mehrere Hundert Seiten umfassender Begründungsschriften mit jeweils nochmals mehreren Hundert Seiten Anlagen per Telefax wegen der voraussehbaren technischen Probleme noch ohne Weiteres mit einem fristgerechten Eingang gerechnet werden durfte. Die Beschwerden sind jedenfalls unbegründet, weil die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), soweit sie hinreichend dargetan sind, nicht vorliegen.
1. Der Klägerin ist der gesetzliche Richter (vgl. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, § 119 Nr. 1 FGO) nicht vorenthalten worden. Der 1. Senat des FG war für die Entscheidung über die Streitverfahren zuständig. Nach den Gliederungspunkten A. II. 1. Buchst. a) und d) des Geschäftsverteilungsplans des FG für das Jahr 2007 (GVPl 2007) war dem 1. Senat u.a. die Zuständigkeit für die Körperschaftsteuer und für den Gewerbesteuermessbetrag von Körperschaften übertragen. Die Zuständigkeit in diesen Sachen erstreckte sich gemäß den Gliederungspunkten C. I. 1. Buchst. h) und l) GVPl 2007 auch auf AdV-Verfahren und die Wiederaufnahme des Verfahrens.
2. Die Übertragung der Berichterstattung in allen vier Verfahren auf einen Berichterstatter kann schon deshalb nicht gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters verstoßen haben, weil dem erkennenden Senat des FG nur drei Berufsrichter angehört haben. Ein etwaiger Verstoß gegen einen senatsinternen Mitwirkungsplan hätte aber —abgesehen vom Fall der Übertragung auf den Einzelrichter— nur dann Auswirkungen auf die Vorschriftsmäßigkeit der Besetzung des erkennenden Gerichts i.S. von § 119 Nr. 1 FGO haben können, wenn der Senat zum Zeitpunkt der Entscheidung überbesetzt gewesen wäre (vgl. Beermann in Beermann/Gosch, AO, FGO, § 119 FGO Rz 21.6).
3. Ohne Erfolg rügt die Klägerin Verfahrensfehler, soweit ihre gegen die Berufsrichter des erkennenden Senats des FG gerichteten Ablehnungsgesuche erfolglos geblieben sind. Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen können nach § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Deshalb unterliegen sie nach § 124 Abs. 2 FGO nicht der Prüfung im Revisionsverfahren. Anderes gilt nur dann, wenn die unberechtigte Ablehnung eines Befangenheitsantrages die Vorenthaltung des gesetzlichen Richters zur Folge hat, was nur bei einer greifbar gesetzwidrigen, d.h. willkürlichen Zurückweisung eines Befangenheitsantrages der Fall ist (vgl. (PKH), BFHE 208, 26, BStBl II 2005, 139; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 6, m.w.N.). Dafür ist in den Streitsachen nichts erkennbar.
Insbesondere entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass bei rechtsmissbräuchlichen und deshalb offenbar unzulässigen Ablehnungsgesuchen, die hier nach den Darlegungen des FG vorgelegen haben, ggf. eine Entscheidung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter ohne vorherige Einholung einer dienstlichen Äußerung in den Gründen der Hauptsacheentscheidung getroffen werden kann (, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 714; Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 51 Rz 68, 71, 73, m.w.N.). Die vom FG für die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit der Ablehnungsgesuche angeführten Gründe —die Pauschalität der geltend gemachten Ablehnungsgründe und die offenkundige Absicht, die Durchführung des angesetzten Termins zur mündlichen Verhandlung zu verhindern— lassen sich auf konkrete Sachumstände stützen und können deshalb nicht als willkürlich angesehen werden.
4. Das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) ist durch Ablehnung des Antrags auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom nicht verletzt worden. Das Gericht ist zwar grundsätzlich verpflichtet, einen anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen, wenn hierfür erhebliche Gründe i.S. des § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vorliegen. Ein erheblicher Grund kann auch darin bestehen, dass der Beteiligte oder sein Bevollmächtigter einen anderen Termin wahrzunehmen hat (vgl. , BFH/NV 2004, 654, m.w.N.). Jedoch ist nicht zu beanstanden, dass das FG die Terminsverlegung hier abgelehnt hat, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin der gemäß § 227 Abs. 2 ZPO an ihn gerichteten richterlichen Aufforderung, die behauptete Terminskollision durch Vorlage einer gerichtlichen Ladung zu dem anderen Gerichtstermin glaubhaft zu machen, ohne Angabe von Gründen nicht nachgekommen ist. Entgegen der Sicht der Klägerin ist das Gericht durch eine anwaltliche Versicherung über das Bestehen einer Terminskollision an einer Aufforderung zur Glaubhaftmachung nach § 227 Abs. 2 ZPO nicht gehindert. Auch war das FG jedenfalls angesichts des Umstandes, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Verweigerung der Vorlage einer Ladung sachlich nicht begründet hat, nicht gehalten, von sich aus Erkundigungen bei dem angegebenen Gericht einzuziehen.
5. Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe einen gesetzlichen Beteiligtenwechsel auf Beklagtenseite missachtet, weil mit Inkrafttreten des § 20a der Abgabenordnung —AO— (durch das Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe vom , BGBl I 2001, 2267, BStBl I 2001, 602) nicht mehr das beklagte FA, sondern das FA X für die Ertragsbesteuerung der Klägerin zuständig geworden sei, kann sie damit in den vorliegenden Nichtigkeitsklagen schon deshalb nicht gehört werden, weil sie selbst in ihren im Jahr 2007 —also lange nach dem behaupteten Zuständigkeitswechsel— eingereichten Klageschriften das FA als Beklagten angegeben und hieran trotz der von ihr gegen dessen Passivlegitimation erhobenen Einwände festgehalten hat. Die Klagen wären deshalb, wenn das beklagte FA tatsächlich nicht passiv prozessführungsbefugt gewesen wäre, auch aus diesem Grund als unzulässig anzusehen. Im Übrigen sind Beteiligte der Nichtigkeitsklage nur die Beteiligten des Vorprozesses (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 134 FGO Rz 10; Bergkemper in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO, FGO, § 134 FGO Rz 17).
6. Die Rüge, das FG sei bei der Fortsetzung der ursprünglichen AdV-Verfahren ohne Antrag tätig geworden, ist zur Darlegung eines in den Streitsachen beachtlichen Verfahrensfehlers nicht geeignet. Sie betrifft nicht die Einhaltung der Verfahrensregeln der streitgegenständlichen Nichtigkeitsklagen. Die Rügen waren vielmehr Bestandteil der materiell-rechtlichen Begründung, aus der die Klägerin die Nichtigkeit der angefochtenen FG-Beschlüsse abgeleitet hat. Eine Prüfung der Nichtigkeit der Beschlüsse hat das FG aber in der Konsequenz der von ihm angenommenen Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklagen nicht vorgenommen. Sie kann deshalb nicht zum Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde gemacht werden.
7. In Bezug auf die materielle Begründung der Klageabweisung durch das FG, dass nämlich Nichtigkeitsklagen nur gegen verfahrensbeendende Urteile statthaft seien und wegen der besonderen Gegebenheiten der Streitfälle die ausdrücklich als solche bezeichneten Nichtigkeitsklagen nicht in nach der BFH-Rechtsprechung (, BFHE 152, 426, BStBl II 1988, 586) gegen verfahrensbeendende Beschlüsse statthafte Nichtigkeitsanträge umgedeutet werden könnten, hat die Klägerin keinen Revisionszulassungsgrund dargetan. Der Vortrag, die Nichtigkeitsklagen seien begründet und müssten deshalb auch zulässig sein, reicht zur Darlegung eines solchen nicht aus.
8. Der Senat hat auch die hier nicht erwähnten Einwände in der Beschwerdebegründung gegen die Verfahrensweise des FG zur Kenntnis genommen. Er hält sie jedoch ebenfalls nicht für durchgreifend und sieht insoweit gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer Begründung ab.
9. Für die von der Klägerin beantragte Zurückverweisung der Sachen an das FG wegen der ihrer Auffassung nach verfahrensfehlerhaften Zurückweisung ihrer Tatbestandsberichtigungs- und Urteilsergänzungsanträge durch Beschlüsse des ist eine verfahrenrechtliche Grundlage nicht zu erkennen. Diese Entscheidungen des FG sind nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren.
Fundstelle(n):
PAAAC-87351