Leitsatz
[1] Ein von dem Schuldner gegen den Treuhänder wegen der Ausschüttung unpfändbaren Vermögens erwirkter Schadensersatzanspruch fällt als Einzelschaden, der einen Ausgleich für diese die Gläubiger rechtswidrig begünstigende Maßnahme bildet, nicht in die Insolvenzmasse und unterliegt keiner Nachtragsverteilung.
Gesetze: InsO § 60; InsO § 203 Abs. 1 Nr. 3
Instanzenzug: AG Schweinfurt, IN 108/02 vom LG Schweinfurt, 41 T 154/07 vom
Gründe
I.
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde auf den von ihr in Verbindung mit einem Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung gestellten Eigenantrag am das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt H. , W. , zum Insolvenzverwalter bestellt. Nach Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss vom und Bestellung des Insolvenzverwalters zum Treuhänder wurde das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom aufgehoben. Der Schuldnerin wurde am Restschuldbefreiung erteilt.
Während der Dauer des Insolvenzverfahrens bezog die Schuldnerin eine Rente der LSV von monatlich 254,27 bzw. 261,65 €, eine Rente der BfA von monatlich 821,56 bzw. 844,37 €, welche die BfA wegen eines Verrechnungsersuchens (§ 52 SGB I) der A. , einer Gläubigerin der Schuldnerin, auf monatlich 623,78 € kürzte, sowie ein Arbeitseinkommen aus geringfügiger Beschäftigung von monatlich höchstens 240 €. Im Zeitraum von Oktober 2003 bis März 2005 belief sich die Differenz zwischen dem Pfändungsfreibetrag von monatlich 930 € und den der Schuldnerin - die Rente der LSV wurde unmittelbar an den Treuhänder ausbezahlt - zur Verfügung stehenden monatlichen Mitteln auf 1.549,22 €. Auf die von der Schuldnerin erhobene Klage wurde der Treuhänder im Berufungsrechtszug durch das Landgericht Würzburg verurteilt, diesen Betrag an die Schuldnerin zu bezahlen.
Der Treuhänder teilte dem Amtsgericht am mit, den Ausschüttungsbericht für das letzte Jahr der Wohlverhaltensphase und die gesamte Wohlverhaltensphase erst nach Abschluss dieses Rechtsstreits vorlegen zu können. Mit Beschluss vom hat das Amtsgericht angeordnet, dass die Anordnung der Nachtragsverteilung für den Betrag von 1.549,22 € ausdrücklich vorbehalten bleibt, weil der Insolvenzbeschlag des Guthabens auf dem Treuhandkonto trotz formeller Beendigung des Verfahrens unverändert fortbestehe. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht die "Nachtragsverwaltung" hinsichtlich etwaiger Schadensersatzforderungen der Schuldnerin gegen den Treuhänder, Rechtsanwalt H. , W. , angeordnet und zum Treuhänder für die Nachtragsverteilung Rechtsanwalt B. , W. , bestimmt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 204 Abs. 2 Satz 2 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der vordergerichtlichen Entscheidungen.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Nachtragsverteilung erfasse Forderungen, denen Schadensersatzansprüche gegen den Treuhänder zugrunde lägen. Die Anordnung einer Nachtragsverteilung sei nach Erteilung der Restschuldbefreiung zulässig. Die Schuldnerin könne sich nicht ohne weiteres auf die Unpfändbarkeit des auszuzahlenden Betrages berufen, weil es sich dabei nicht um Arbeitseinkommen, sondern um einen Schadensersatzanspruch handele.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Die angefochtene Entscheidung verstößt bereits gegen das auch im Beschwerdeverfahren zu beachtende (BGHZ 159, 122, 124) Verschlechterungsverbot. Das Amtsgericht hat die Nachtragsverteilung "für die auf dem Treuhandkonto befindlichen Beträge ausdrücklich vorbehalten". Auf die hiergegen von der Schuldnerin eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht "hinsichtlich etwaiger Schadensersatzforderungen der Schuldnerin gegen den Treuhänder eine Nachtragsverteilung angeordnet". Die Beschwerdeentscheidung enthält damit im Verhältnis zur Ausgangsentscheidung in zwei Punkten eine Verschärfung: Das Amtsgericht hat die Nachtragsverteilung auf die auf dem Konto vorhandenen Beträge beschränkt, das Landgericht hingegen auf Schadensersatzansprüche der Schuldnerin erstreckt. Außerdem ist im Unterschied zu der Erstentscheidung eine künftige Nachtragsverteilung zwingend durchzuführen. Diese Änderungen zum Nachteil der Schuldnerin sind mit dem Verbot der reformatio in peius nicht zu vereinbaren.
b) Davon abgesehen sind die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben, weil die Voraussetzungen einer Nachtragsverteilung (§ 203 Abs. 1 InsO) nicht durchgreifen.
aa) Das Insolvenzgericht hat gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO eine Nachtragsverteilung anzuordnen, wenn nach dem Schlusstermin Gegenstände der Masse ermittelt werden. Eine Nachtragsverteilung hat noch nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu erfolgen, falls unbekannte Vermögensgegenstände des Schuldners aufgefunden werden (Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung 8. Aufl. § 17 Rn. 187).
bb) Im Streitfall ist indessen entgegen der Auffassung der Vordergerichte kein neues Schuldnervermögen aufgetaucht.
(1) Die Schuldnerin hat mit ihrem Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung nach Maßgabe des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO die pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge an einen von dem Gericht zu bestimmenden Treuhänder abgetreten. Mit der Treuhänderbestellung durch das Insolvenzgericht und der Amtsübernahme sind diese Forderungen auf den Treuhänder übergegangen (, ZIP 2006, 1651 f Rn. 14 ff). Sämtliche pfändbaren Forderungen der Klägerin auf Zahlung von Dienst- und Rentenbezügen sind damit Bestandteil der Insolvenzmasse.
(2) Ein der Schuldnerin etwa gegen den Treuhänder zustehender Schadensersatzanspruch fällt nicht als neuer Gegenstand in die Masse.
Schadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter oder Treuhänder bilden einen neuen Vermögensgegenstand, wenn es sich um einen etwa auf der Veruntreuung von Massegegenständen beruhenden Gesamtschaden handelt (MünchKomm-InsO/Hintzen, 2. Aufl. § 203 Rn. 15; MünchKomm-InsO/Brandes, aaO §§ 60, 61 Rn. 116). Vorliegend geht es indessen um einen Einzelschaden der Schuldnerin, weil sie ihren Ersatzanspruch aus der Verteilung von Beträgen an die Gläubiger herleitet, die gemäß § 292 Abs. 1 Satz 3, § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850c ZPO wegen Unpfändbarkeit nicht Bestandteil der Insolvenzmasse waren (MünchKomm-InsO/Brandes, aaO §§ 60, 61 Rn 65). Erweist sich die Rechtsauffassung der Schuldnerin als zutreffend, durften die unpfändbaren Bezüge nicht an die Gläubiger ausgeschüttet werden. War die Auskehr der Mittel an die Gläubiger rechtswidrig, kann ein Schadensersatzanspruch, der die unrechtmäßige Ausschüttung im Interesse der Schuldnerin kompensieren soll, nicht in die Masse fallen, die, weil entsprechende Beträge tatsächlich dort vorhanden waren und zugunsten der Gläubiger verteilt wurden, andernfalls zu Unrecht doppelt begünstigt würde. Vielmehr steht ein etwaiger Schadensersatzanspruch alleine der Schuldnerin zu, die durch die Verteilung unpfändbarer Vermögensgegenstände einen Einzelschaden erlitten hat. Der Schadensersatzanspruch kann als Kompensation für entgegen dem Pfändungsverbot des § 850c ZPO zugunsten der Gläubiger tatsächlich vorgenommene Ausschüttungen nicht der Masse als neuer Gegenstand (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO) zustehen. Mithin sind die Voraussetzungen einer Nachtragsverteilung, auch wenn die gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg erhobene Revision ohne Erfolg bleibt, nicht gegeben. Hat die Revision Erfolg, wird ein Schadensersatzanspruch also verneint, scheidet ein neuer Massegegenstand von vornherein aus.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
WM 2008 S. 1691 Nr. 36
CAAAC-87244
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja