Verdeckte Gewinnausschüttungen bei irrtümlicher Annahme einer Leistungspflicht
Leitsatz
Leistet der Geschäftsführer einer GmbH in der irrtümlichen Annahme einer vertraglichen Leistungspflicht eine Zahlung an einen vormaligen Gesellschafter, liegt hierin jedenfalls dann eine vGA, wenn die Begründung der nach der Vorstellung des Geschäftsführers bestehenden Leistungspflicht als vGA zu beurteilen wäre.
Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: (EFG 2006, 1608) (Verfahrensverlauf),
Gründe
A.
Streitpunkte sind, ob eine Zahlung an eine frühere Gesellschafterin der Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) anzusehen ist und ob in der Bilanz der Klägerin zum eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (Drohverlustrückstellung) bzw. eine Verbindlichkeitsrückstellung zu bilden war. Streitjahre sind 1996 bis 1999.
Sachverhalt vGA:
Die Klägerin, eine GmbH, betrieb in den Streitjahren als eines von mehreren Unternehmen eines Verkehrsverbundes (VV) die Personenbeförderung im Omnibus-Überlandlinienverkehr. Ihre alleinige Gesellschafterin war zunächst die X-GmbH. Diese veräußerte die Beteiligung mit Vertrag vom zum zu jeweils 12,5 % an insgesamt acht kommunale Verkehrsgesellschaften. In dem Anteilsveräußerungsvertrag bekundeten die Vertragsparteien Einigkeit darüber, dass bestimmte Nachzahlungen oder Erstattungen (u.a. gemäß § 45a des Personenbeförderungsgesetzes —PBefG—), die sich für die vergangenen Geschäftsjahre der Klägerin ergeben, zu Lasten oder zu Gunsten der X-GmbH gehen sollten, soweit sie nicht zum bilanzmäßig erfasst sein würden. Die Ansprüche sollten unter Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen ermittelt und binnen eines Monats nach ihrer Entstehung fällig werden.
Während des Jahres 1996 erhielt die Klägerin eine das Jahr 1995 betreffende Erstattung nach § 45a PBefG. Sie passivierte in der Bilanz zum eine diesbezügliche Verbindlichkeit gegenüber der X-GmbH von 2 862 569 DM und überwies diesen Betrag im November 1997 auf Anweisung ihres Geschäftsführers G, der zu diesem Zeitpunkt auch Geschäftsführer der X-GmbH war, an diese. Nachdem die Klägerin im weiteren Verlauf zu der Erkenntnis gelangt war, dass der X-GmbH aus dem Anteilsveräußerungsvertrag ein Zahlungsanspruch bezüglich der Erstattung nicht gegen die Klägerin, sondern gegenüber den Anteilserwerbern zugestanden hatte, forderte sie die im November 1997 geleistete Zahlung von der X-GmbH zurück. Diese verweigerte die Rückzahlung. Die Klägerin änderte ihre Bilanzen nunmehr dahin, dass sie die passivierte Verbindlichkeit gegenüber der X-GmbH zum erfolgswirksam ausbuchte und in der Bilanz zum (nach Vornahme von Verrechnungen) eine Erstattungsforderung gegen die X-GmbH im Betrag von 2 791 413,53 DM aktivierte, diese jedoch wegen der Zahlungsverweigerung auf 0 DM wertberichtigte. Die Parteien des Anteilskaufvertrages führten hinsichtlich eines weiteren Erstattungsbetrages von 24 Mio. DM (betreffend die Jahre 1991 bis 1994) einen Zivilrechtsstreit, der mit einem oberlandesgerichtlichen Urteil vom Februar 2002 endete, nach welchem die Anteilserwerber gegenüber der X-GmbH zur Zahlung verpflichtet waren. Das Landgericht als Vorinstanz hatte die Erwerber demgegenüber verurteilt, der X-GmbH die Beträge aus dem Vermögen der Klägerin zu beschaffen. Im Rahmen eines in der Folge abgeschlossenen Vergleichs hat die Klägerin gegenüber der X-GmbH den Rückzahlungsanspruch bezüglich der streitgegenständlichen Auszahlung inzwischen realisiert.
Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) sah in der Zahlung vom November 1997 eine vGA und rechnete deshalb dem Gewinn der Klägerin unter Herstellung der Ausschüttungsbelastung für das Jahr 1997 einen Betrag von 2 791 413 DM hinzu.
Sachverhalt Drohverlustrückstellung:
Die Klägerin führte in den Streitjahren den Linienverkehr (§ 42 PBefG) auf den einzelnen Strecken auf der Grundlage jeweils mehrjähriger Genehmigungen der zuständigen Bezirksregierung gemäß §§ 9 ff. PBefG durch. Nach einem ab geltenden neuen Einnahmenaufteilungsvertrag des VV sollten die von den einzelnen Verkehrsunternehmen erzielten Beförderungseinnahmen in den Folgejahren schrittweise um einen „Fremdnutzerausgleich” vermehrt oder vermindert werden. Die Klägerin ermittelte bzw. prognostizierte unter Berücksichtigung der Auswirkungen des neuen Einnahmenaufteilungsvertrages für den Zeitraum 1997 bis 2001 auf der Basis sog. Spartenergebnisrechnungen der Jahre 1997 und 1998 und aus einer hieraus abgeleiteten Prognoseberechnung für die Folgezeit für bestimmte Sparten des Personenverkehrs folgende Verluste:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1997 | 1 400 000 DM |
1998 | 6 650 000 DM |
1999 | 7 515 000 DM |
2000 | 3 758 000 DM |
2001 | 2 017 000 DM |
Gesamt: | 21 340 000 DM |
Im Wege einer im Jahr 1999 vorgenommenen Bilanzberichtigung bildete die Klägerin in ihrer Bilanz zum hinsichtlich der prognostizierten Verluste eine Drohverlustrückstellung im Betrag von 21 340 000 DM und löste diese in den Bilanzen der Folgejahre sukzessive gewinnerhöhend auf.
Das FA erkannte die Drohverlustrückstellung und deren nachfolgende Auflösungen im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Behandlung der Streitjahre (1996 bis 1999) und der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den nicht an.
Das Finanzgericht (FG) Köln hat dem gegen die Behandlung der Zahlung vom November 1997 als vGA gerichteten Begehren der Klägerin stattgegeben. Es änderte die die Streitjahre 1997 und 1998 betreffenden Bescheide dahin, dass für 1997 die Hinzurechnung der vGA unterblieb und dass die Körperschaftsteuer für 1998 unter Einbeziehung eines entsprechend höheren Verlustvortrags aus dem Vorjahr festgesetzt wurde. Die die Nichtberücksichtigung der Drohverlustrückstellung betreffende Klage hat es abgewiesen. Sein Urteil vom 13 K 67/03 wurde der Klägerin am zugestellt und ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1608 abgedruckt.
Gegen das Urteil richten sich die Revisionen beider Beteiligten. Die Klägerin hat ihr Rechtsmittel mit am —mithin nach Ablauf der gemäß § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) am endenden Revisionsbegründungsfrist— eingegangenen Schriftsatz begründet und zugleich wegen der Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Nach ihrer Darstellung hat die mit der Fristenerfassung betraute Mitarbeiterin der von ihr mit der Prozessvertretung beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nach Zustellung des FG-Urteils versehentlich nicht zusätzlich zu der bereits von der Fristenkontrollsoftware automatisch erfassten Frist zur Einlegung der Revision auch die Revisionsbegründungsfrist in das Fristenkontrollblatt eingetragen. So sei zwar die Akte dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt Y rechtzeitig vor Ablauf der Frist zur Revisionseinlegung vorgelegt worden, nicht aber ein weiteres Mal vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist. Hilfsweise verfolgt die Klägerin ihr Begehren im Rahmen einer Anschlussrevision.
Das FA beantragt (sinngemäß), das angefochtene Urteil bezogen auf die geänderten Steuerbescheide für 1997 und 1998 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide des FA dahin abzuändern, dass zum eine Rückstellung im Betrag von 21 340 000 DM zu passivieren ist.
Beide Beteiligten beantragen, die Revision der jeweils anderen Seite zurückzuweisen.
B.
Die Revision des FA hat Erfolg, während Revision und Anschlussrevision der Klägerin unzulässig sind.
I.
Die Revision der Klägerin ist wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist unzulässig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO kann nicht bewilligt werden.
1. Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Hiernach schließt jedes Verschulden —also auch einfache Fahrlässigkeit— die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VII R 32/90, BFH/NV 1994, 553; vom VIII B 42/02, BFH/NV 2005, 1821; vom III R 65/05, BFH/NV 2007, 945). Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung —ZPO—).
2. Im Streitfall trifft nach dem von der Klägerin geschilderten Sachverhalt die mit ihrer Prozessvertretung beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein Verschulden an der Fristversäumnis. Der von dieser mit der Bearbeitung der Sache betraute Rechtsanwalt Y hätte nämlich nach Vorlage der Handakte zur Anfertigung der Revisionsschrift prüfen müssen, ob in dem Fristenkontrollblatt eine Revisionsbegründungsfrist eingetragen ist. Hätte er dies getan, wäre ihm das versehentliche Unterlassen des Fristeintrags seitens der Kanzleiangestellten nicht verborgen geblieben.
Ein Prozessbevollmächtigter hat den Ablauf einer Rechtsmittelbegründungsfrist eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden oder sich sonst die Notwendigkeit einer Überprüfung aufdrängt (vgl. Beschlüsse des , Versicherungsrecht 1984, 662; vom VI ZB 2/92, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1992, 1632; vom VII ZB 8/97, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1998, 938; vom VI ZB 41/06, NJW 2007, 1599; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 20 „Revisionsbegründungsfrist”). Deshalb obliegt dem Prozessbevollmächtigten bei Fertigung der Revisionsschrift neben der Kontrolle der Frist zur Einlegung der Revision auch die Prüfung, ob im Fristenkontrollblatt eine Revisionsbegründungsfrist notiert ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn —wie im Streitfall— die in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten verwendete Fristenkontrollsoftware automatisch nur die Revisionseinlegungsfrist, nicht aber auch die Revisionsbegründungsfrist erfasst. Dadurch ergibt sich organisationsbedingt ein erhöhtes Risiko, dass die manuelle Erfassung der Revisionsbegründungsfrist durch das Kanzleipersonal versehentlich unterlassen wird und das Fehlen der Erfassung unbemerkt bleibt. Auf die Frage, ob die Revisionsbegründungsfrist nach der am in Kraft getretenen Neuregelung des Fristbeginns gemäß § 120 Abs. 2 FGO durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom (BGBl I 2000, 1757) weiterhin nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen gehört, hinsichtlich derer der Prozessbevollmächtigte bei der Prüfung und Überwachung des Personals zu besonderer Sorgfalt gehalten ist (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 945; vom III R 43/03, BFH/NV 2005, 1312, m.w.N.), kommt es hier nicht an. Denn das Vertreterverschulden besteht im Streitfall darin, dass Y bei Vorlage der Akte nicht darauf geachtet hat, dass überhaupt eine Revisionsbegründungsfrist im Fristenkontrollblatt eingetragen war. Ob eine solche Prüfungspflicht bestanden hat, hat mit der Fristberechnung als solcher nichts zu tun und ist deshalb unabhängig von deren Schwierigkeitsgrad zu beurteilen.
Ebenso wenig bedarf der Erörterung, ob ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin darin zu sehen ist, dass in deren schriftlicher Büroanweisung zur Fristen- und Terminkontrolle nicht ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass bei der Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil sowohl die Revisions- als auch die Revisionsbegründungsfrist einzutragen sind, die verwendete Fristenkontrollsoftware aber nur die Revisionsfrist automatisch erfasst. Gleiches gilt für die Frage, ob ein etwaiges Organisationsverschulden durch die von der Klägerin vorgetragene mündliche Anweisung zur Fristeintragung an die dafür zuständige Mitarbeiterin durch den „Teamleiter” kompensiert worden sein könnte.
3. Das Verschulden des Rechtsanwalts Y ist der Klägerin zuzurechnen. Da dieser die Revisionsschrift im Namen der prozessbevollmächtigten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einer AG, unterzeichnet hat, ist davon auszugehen, dass er als deren Unterbevollmächtigter gehandelt hat. Ein Verschulden des Unterbevollmächtigten ist dem vertretenen Prozessbeteiligten zuzurechnen (vgl. , BFH/NV 1989, 311).
II.
Auch die hilfsweise Geltendmachung der Revisionsanträge im Rahmen der Anschlussrevision ist unzulässig.
1. Die Anträge auf Abänderung der Bescheide über die Steuerfestsetzungen und Feststellungen betreffend die Streitjahre 1996 und 1999 können im Rahmen der Anschlussrevision nicht geltend gemacht werden. Die gemäß § 155 FGO i.V.m. § 554 ZPO im Finanzgerichtsprozess statthafte Anschlussrevision ist kein Rechtsmittel im eigentlichen Sinne, sondern ein prozessualer Antrag innerhalb des vom Gegner eingelegten Rechtsmittels (Hauptrevision). Wenn Gegenstand des angefochtenen Urteils mehrere Verwaltungsakte sind und die Hauptrevision sich nur gegen einen dieser Verwaltungsakte richtet, kann das angefochtene Urteil daher hinsichtlich der anderen Verwaltungsakte mit einer Anschlussrevision nicht mehr angegriffen werden (vgl. Senatsurteil vom I R 22/79, BFHE 142, 276, BStBl II 1985, 69; , BFH/NV 2007, 1813, m.w.N.).
Im Streitfall bezieht sich die Revision des FA nur auf die Körperschaftsteuerbescheide 1997 und 1998 und die Bescheide über die Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 47 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1996) auf den und auf den . Die weiteren von der Klage umfassten Bescheide sind hingegen mit Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bestandskräftig geworden und können nicht mehr zum Gegenstand der Anschlussrevision gemacht werden.
2. Aber auch im Hinblick auf die Körperschaftsteuerbescheide 1997 und 1998 sowie die Feststellungsbescheide nach § 47 Abs. 2 KStG 1996 auf den und auf den ist die Anschlussrevision unzulässig, weil es insoweit an einem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin fehlt. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anschlussrevision dagegen, dass das FG —weil es die von ihr gebildete Drohverlustrückstellung für 1996 nicht anerkannt hat— die vorbezeichneten Bescheide nicht dahin abgeändert hat, dass zum und zum (gewinnerhöhende) Teilauflösungen der Drohverlustrückstellung nach § 52 Abs. 6a Satz 2 des Einkommensteuergesetzes 1997 —EStG 1997— (jetzt § 52 Abs. 13 EStG 2002) um 25 % bzw. 15 % des Rückstellungsbetrages berücksichtigt werden.
Auf die Jahre 1997 und 1998 bezogen macht die Klägerin mit der Anschlussrevision mithin die Berücksichtigung eines höheren Gewinns geltend; sie fordert letztlich eine höhere Körperschaftsteuer, als sie vom FA —unter Einschluss der streitgegenständlichen vGA— festgesetzt worden ist. Die Festsetzung einer zu niedrigen Steuer ist aber grundsätzlich nicht als Verletzung eines subjektiven Rechts des Steuerpflichtigen anzusehen (vgl. , BFHE 193, 383, BStBl II 2001, 338; , BFH/NV 2007, 699) und kann deshalb, wenn sie vom FG bestätigt wird, auch kein Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer Anschlussrevision begründen.
Soweit der BFH ausnahmsweise eine Rechtsverletzung in Fällen bejaht hat, in denen die Festsetzung der zu niedrigen Steuer die Folge eines Bilanzansatzes ist, der sich in vorhergehenden Veranlagungszeiträumen zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ausgewirkt hat (, BFHE 143, 238, BStBl II 1985, 394; , BFH/NV 2006, 22; Senatsurteil vom I R 2/06, BFHE 215, 230, BStBl II 2007, 469), vermag dies ein Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr zu begründen, wenn der ungünstige Bilanzansatz aus dem früheren Veranlagungszeitraum unanfechtbar geworden ist. Das ist hier der Fall, nachdem die Steuerfestsetzung für 1996 ohne Berücksichtigung der Drohverlustrückstellung nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist in Bestandskraft erwachsen ist.
III.
Die Revision des FA ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO zur Abweisung der Klage. Das FA hat die Ende 1997 von der Klägerin an die X-GmbH geleistete Zahlung im Betrag von 2 791 413 DM zu Recht als vGA behandelt und insoweit für 1997 die Ausschüttungsbelastung nach § 27 KStG 1996 hergestellt.
1. Unter einer vGA i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1996 ist eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1996 auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Urteile vom I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626; vom I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131; vom I R 108/05, BFH/NV 2007, 107).
2. Nach diesen Maßstäben ist die streitbefangene Zahlung als vGA zu Gunsten der früheren Gesellschafterin X-GmbH zu beurteilen.
a) Die Zahlung hat das Vermögen der Klägerin verringert und den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1996 —ohne Berücksichtigung der Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1996 zu ermittelnden (vgl. Senatsurteil vom I R 6/94, BFHE 175, 412, BStBl II 1997, 89)— Unterschiedsbetrag auf den reduziert. Nach den Feststellungen des FG und nach übereinstimmender Sicht der Beteiligten hat eine Leistungspflicht der Klägerin nicht bestanden und ist deshalb mit der Zahlung nicht zugleich eine zuvor bestehende Verbindlichkeit der Klägerin gewinnerhöhend erloschen.
Der Verringerung des Unterschiedsbetrages steht nicht entgegen, dass nach Annahme des FG infolge der Zahlung auf eine in Wirklichkeit nicht bestehende eigene Schuld gegenüber der X-GmbH in gleicher Höhe ein zivilrechtlicher Erstattungsanspruch der Klägerin gegen diese aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches) entstanden ist. Der Erstattungsanspruch darf schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil zivilrechtliche Ansprüche der Gesellschaft gegen den Gesellschafter, die sich aus einem als vGA zu qualifizierenden Vorgang ergeben, stets als Einlageforderung gegen den Gesellschafter zu behandeln sind, die erfolgsneutral zu aktivieren und somit nicht geeignet ist, die durch die vorangegangene vGA eintretende Vermögensminderung auszugleichen (vgl. , BFHE 158, 338, BStBl II 1989, 1029; vom I R 118/93, BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92; Beschluss vom I B 164/98, BFH/NV 2000, 749; , BFHE 207, 103).
Im Übrigen war der Erstattungsanspruch —wie das FG ebenfalls festgestellt hat— von der X-GmbH bestritten worden und deshalb zum ohnehin nicht aktivierungsfähig. Denn bestrittene Forderungen dürfen aufgrund des auch im Steuerrecht zu beachtenden Vorsichtsprinzips (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997 i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches —HGB—) erst am Schluss jenes Wirtschaftsjahres aktiviert werden, in dem über den Anspruch rechtskräftig entschieden wird oder in dem eine Einigung mit dem Schuldner zustande kommt (, BFHE 157, 121, BStBl II 1991, 213; vom I R 91, 92/02, BFH/NV 2004, 182; , BFHE 191, 403, BStBl II 2000, 588; vom VIII R 60/03, BFHE 212, 535, BStBl II 2006, 650).
b) Die Vermögensminderung ist entgegen der Annahme des FG durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. An einen gesellschaftsfremden Dritten hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eine Zahlung ohne Aussicht auf eine die Vermögensminderung kompensierende Gegenleistung nicht vorgenommen. An der gesellschaftlichen Veranlassung ändert es nichts, dass nach den —den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden— tatrichterlichen Feststellungen des FG G die Zahlung geleistet hat, weil er damit einer nach seiner Vorstellung im Anteilsveräußerungsvertrag zwischen der X-GmbH und den Anteilserwerbern vom festgelegten eigenen Zahlungspflicht der Klägerin gegenüber der X-GmbH bezüglich der für die Zeit bis Ende 1995 vereinnahmten Erstattungen nach § 45a PBefG hat nachkommen wollen, eine solche Zahlungspflicht objektiv aber nicht bestanden hat.
aa) Neben der objektiven Vermögensminderung setzt die vGA grundsätzlich keine subjektiven Handlungserfordernisse, mithin keine bestimmte Ausschüttungsabsicht und keine Einigung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft über die „verdeckte” Zuwendung voraus (, BFHE 167, 90, BStBl II 1992, 605). Die handelnde Person muss weder den Tatbestand der vGA kennen noch das Geschehene rechtlich zutreffend würdigen (Senatsurteil vom I R 107/69, BFHE 97, 524, BStBl II 1970, 229). Nur wenn es —was bei der streitgegenständlichen Zahlung nicht im Raum steht— an jeglichem finalen Zuwendungswillen in Richtung eines Vermögenstransfers zu Lasten der Gesellschaft und zu Gunsten des Gesellschafters fehlt und feststeht, dass die Vorteilsverschiebung nicht aus gesellschaftlichen Gründen erfolgt ist, kann eine vGA mangels konkreter Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis ausscheiden (vgl. Gosch, KStG, § 8 Rz 276, 285; Schulte in Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl., § 8 Rz 156, jeweils m.w.N.).
bb) Soweit zum Teil angenommen wird, ein subjektiver Entschuldigungsgrund —z.B. die Unerfahrenheit des Handelnden— könne auf das Fehlen einer konkreten Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis schließen lassen (vgl. Gosch, a.a.O., § 8 Rz 277; Wassermeyer, Der Betrieb 2001, 2465; a.A. Blümich/Rengers, § 8 KStG Rz 374), kommt der Rechtsirrtum des G als ein derartiger Entschuldigungsgrund nicht in Betracht. Denn auch auf der Grundlage der Vorstellung des G hätte die Zahlung an die vormalige Gesellschafterin den Vollzug einer vGA bewirkt. Wäre die Klägerin nämlich —entsprechend der Vorstellung des G— aus dem Anteilsveräußerungsvertrag tatsächlich gegenüber der als Gesellschafterin ausscheidenden X-GmbH zur Zahlung verpflichtet gewesen, wäre in der Begründung einer solchen Verbindlichkeit eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensminderung —und damit eine vGA— zu sehen. Die Verankerung der nicht durch eine Gegenleistung kompensierten Zahlungspflicht im Anteilsveräußerungsvertrag hätte aus wirtschaftlicher Sicht dazu gedient, den der X-GmbH zustehenden Anteilskaufpreis für die Geschäftsanteile zu justieren, so dass der Beweggrund für die Begründung der Verbindlichkeit ausschließlich in der Interessensphäre der Anteilseigner und nicht im betrieblichen Bereich der Klägerin gelegen hätte. Mithin hat sich der Irrtum des G lediglich auf den rechtlichen Bestand des Zahlungsanspruchs, nicht aber auch auf den Charakter der Zuwendung als vGA bezogen.
Anders als die Klägerin meint, ist es in diesem Zusammenhang nicht von wesentlicher Bedeutung, dass auf der Grundlage der Vorstellung des G die vGA bereits in der vermeintlichen Begründung der Zahlungspflicht durch den im Jahr 1996 abgeschlossenen Anteilsveräußerungsvertrag gelegen hätte —und folglich die Hinzurechnung der vGA bereits für das Wirtschaftsjahr 1996 vorzunehmen gewesen wäre—, während nach objektiver Rechtslage —mangels Begründung einer Zahlungspflicht und Passivierung einer entsprechenden Verbindlichkeit im Vorjahr— die vGA erst mit dem Vermögensabfluss im Jahr 1997 eingetreten ist. Denn bei der Prüfung der subjektiven Vorstellung des G im Rahmen eines möglichen Entschuldigungsgrundes kann es nur um die Kenntnis vom grundsätzlichen vGA-Charakter der Zuwendung gehen, nicht aber darum, ob der Geschäftsführer subjektiv auch das zutreffende Wirtschaftsjahr erkennt, in dem die vGA buchungstechnisch zu erfassen ist.
c) Die Bewertung als innerbetriebliche Schadenszufügung ohne Bezug zum Gesellschaftsverhältnis lässt sich entgegen der Auffassung des FG nicht damit begründen, dass G die Auszahlung in Unkenntnis der Anteilserwerber getätigt hat, die zum Zahlungszeitpunkt Gesellschafter der Klägerin gewesen sind. Zwar können Bilanzierungsfehler, die eine Vermögensverlagerung zugunsten der Gesellschafter abbilden, unter Umständen dann nicht zur Annahme einer vGA führen, wenn sie ohne Kenntnis und Billigung der Gesellschafter erfolgt sind (vgl. Senatsurteil vom I R 88/97, BFH/NV 1998, 1374; Senatsbeschluss vom I B 38/99, BFH/NV 2000, 751 —Leitsatz—; , BFHReport 2004, 779; Gosch, a.a.O., § 8 Rz 666). Im Streitfall geht es jedoch nicht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine bilanzielle Fehlbuchung mit einer realen Vermögensminderung gleichgesetzt werden kann. Hier ist die vGA nämlich nicht in einer fehlerhaften bilanziellen Darstellung der Vermögenslage zu sehen —die nicht bestehende Verbindlichkeit wurde im Wege der Bilanzberichtigung wieder ausgebucht—, sondern es ist zu einem tatsächlichen Vermögenstransfer zugunsten der vormaligen Gesellschafterin gekommen. Insoweit reicht für die Zurechnung der Handlung des G zur Klägerin dessen Organstellung als Geschäftsführer (vgl. Senatsurteil in BFHE 158, 338, BStBl II 1989, 1029; BFH-Urteil in BFHE 167, 90, BStBl II 1992, 605). Ein Einverständnis der Gesellschafter ist —wie oben ausgeführt— nicht erforderlich.
d) Die X-GmbH war zum Zahlungszeitpunkt noch geeignete Empfängerin einer vGA, weil Leistungen an frühere Gesellschafter als vGA beurteilt werden können, wenn sie —wie hier aus Sicht des G der Fall— mit Blick auf deren frühere Gesellschafterstellung erbracht werden (, BFHE 123, 321, BStBl II 1978, 33; vom I R 36/93, BFH/NV 1994, 827; BFH-Beschluss in BFHReport 2004, 779; Blümich/Rengers, § 8 KStG Rz 395; Gosch, a.a.O., § 8 Rz 211).
3. Die Ausschüttungsbelastung nach § 27 Abs. 1 KStG 1996 ist für das Jahr 1997 herzustellen. Denn es handelt sich bei der in diesem Jahr abgeflossenen vGA um eine „andere Ausschüttung” gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1996.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 55
BFH/PR 2008 S. 434 Nr. 10
BStBl II 2011 S. 55 Nr. 1
DB 2008 S. 1777 Nr. 33
DStR 2008 S. 1530 Nr. 32
DStRE 2008 S. 1108 Nr. 17
DStZ 2008 S. 585 Nr. 17
EStB 2008 S. 313 Nr. 9
FR 2009 S. 29 Nr. 1
GStB 2008 S. 38 Nr. 10
GmbH-StB 2008 S. 255 Nr. 9
GmbHR 2008 S. 940 Nr. 17
HFR 2008 S. 944 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2008 S. 2974
SJ 2008 S. 8 Nr. 16
StB 2008 S. 311 Nr. 9
StBW 2008 S. 5 Nr. 16
StBW 2008 S. 6 Nr. 16
StBp. 2008 S. 267 Nr. 9
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2008 S. 610
ZIP 2008 S. 1765 Nr. 38
MAAAC-86059