Leitsatz
[1] a) Entscheidungen, in denen die Regulierungsbehörde durch Festlegungen zum Datenaustausch Bedingungen und Methoden für den Netzzugang festlegt, sind Allgemeinverfügungen.
b) Zur Erreichung der Ziele des § 1 Abs. 2 EnWG kann die Regulierungsbehörde auch Festlegungen zum Datenaustausch zwischen dem Netzbetreiber und einer im Sinne von § 3 Nr. 38 EnWG verbundenen Vertriebsorganisation treffen.
c) Sofern dies zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs für alle Energieversorger erforderlich und verhältnismäßig ist, ist die Regulierungsbehörde befugt, die Verwendung der bundeseinheitlich festgelegten Netzzugangsprozesse und -formate auch für den Datenaustausch innerhalb eines vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens vorzuschreiben.
Gesetze: EnWG § 29 Abs. 1; VwVfG § 35; StromNZV § 27 Abs. 1
Instanzenzug: OLG Düsseldorf, VI-3 Kart 358/06 (V) vom
Gründe
I. Die Betroffene ist ein vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen. Ihre Abteilungen Netz und Vertrieb nutzen ein gemeinsames Datenverarbeitungssystem.
Mit der angefochtenen Festlegung (Vfg. Nr. 33/2006, Amtsbl. BNA 14/2006, S. 1911) hat die Bundesnetzagentur angeordnet, dass ab dem bei den - näher bezeichneten - Geschäftsprozessen, die zur Anbahnung und Abwicklung der Netznutzung bei der Belieferung von Letztverbrauchern mit Elektrizität erforderlich sind, bestimmte Nachrichtentypen des Datenformats EDIFACT zu verwenden sind. In der Verfügung ist weiterhin bestimmt:
"5. 1Neben der Verwendung des in Ziffer 2 genannten Datenformats und der in Ziffer 3 genannten Nachrichtentypen können zur Abwicklung der Geschäftsprozesse nach Ziffer 1 freiwillige bilaterale Vereinbarungen zur Verwendung eines anderen Datenformats oder anderer Nachrichtentypen sowie zur Anpassung einzelner Prozessschritte getroffen werden. 2Dies gilt unter der Voraussetzung, dass allen Dritten diese Vereinbarung zur Abwicklung der Geschäftsprozesse nach Ziffer 1 unter Verwendung des von Ziffer 2 abweichenden Datenformats oder der in Ziffer 3 genannten Nachrichtentypen auf Anfrage ebenfalls angeboten wird. 3Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen haben den Wortlaut einer solchen Vereinbarung der Bundesnetzagentur vorzulegen, die Möglichkeit einer solchen Vereinbarung auf ihrer Homepage zu veröffentlichen und Netznutzern auf Nachfrage ein ausformuliertes Angebot über den Abschluss einer solchen Vereinbarung vorzulegen, das ohne weitere Verhandlungen angenommen werden kann.
6. 1Der Datenaustausch im Rahmen der Anwendung der Geschäftsprozesse nach Ziffer 1 kann für eine mit dem Betreiber eines Elektrizitätsversorgungsnetzes im Sinne von § 3 Nr. 38 EnWG verbundene Vertriebsorganisation von Ziffer 2 und 3 abweichen. 2Soweit dabei auf einen gemeinsamen Datenbestand zurückgegriffen wird, können einzelne Prozessschritte, die in den Geschäftsprozessen nach Ziffer 1 vorgegeben sind und die der Informationsübermittlung dienen, entfallen. 3Ein Gebrauchmachen von dieser Ausnahme setzt voraus, dass dies gegenüber den übrigen Lieferanten diskriminierungsfrei erfolgt. 4Insbesondere sind den übrigen Lieferanten Informationen zu gleichwertigen Zeitpunkten sowie in gleichwertigem Umfang und gleichwertiger Qualität zur Verfügung zu stellen. 5Gegenüber der Bundesnetzagentur ist vom Netzbetreiber vor Gebrauchmachen von der Möglichkeit des Satz 1 nachzuweisen, wie die Diskriminierungsfreiheit unter Beachtung der in Satz 3 genannten Kriterien sichergestellt wird. 6Ferner hat der Netzbetreiber bei Gebrauchmachen von der Möglichkeit des Satz 1 eine Protokollierung des anfallenden Informationsaustauschs anzufertigen, um die Beachtung der Kriterien des Satzes 4 erforderlichenfalls nachweisen zu können. 7Die Protokollierung des Informationsaustauschs kann maschinell erfolgen und ist 18 Monate aufzubewahren und der Bundesnetzagentur auf Verlangen vorzulegen. 8Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen haben der Bundesnetzagentur eine schriftliche Fassung der Rechte und Pflichten der verbundenen Vertriebsorganisation im Hinblick auf den Informationsaustausch und den Informationszugang vorzulegen. 9Die Bundesnetzagentur behält sich vor, Dritten, die ein berechtigtes Interesse nachweisen, dieses Schriftstück zugänglich zu machen. 10Für die Dauer des Gebrauchmachens von der Option des Satzes 1 hat dies der Netzbetreiber im Internet anzuzeigen. 11Die vorstehenden Regelungen dieser Ziffer werden bis zum befristet."
Mit der Beschwerde hat die Betroffene, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse, die Festlegung zu 6 Sätze 5 bis 11 angegriffen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen (OLG Düsseldorf, RdE 2007, 166).
Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der die Betroffene den Antrag auf Aufhebung der Festlegung zu 6 Sätze 5 bis 11 weiterverfolgt.
Die Bundesnetzagentur tritt dem Rechtsmittel entgegen.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass es sich bei der angegriffenen Festlegung, die sich an die Betreiber von Stromnetzen richtet, um einen Verwaltungsakt in Gestalt einer Allgemeinverfügung handelt, zu deren Erlass die Bundesnetzagentur aufgrund von § 29 Abs. 1 EnWG befugt ist. Dies greift die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg an.
a) Nach § 29 Abs. 1 EnWG trifft die Regulierungsbehörde Entscheidungen über die Bedingungen und Methoden für den Netzanschluss oder den Netzzugang nach den hierzu erlassenen Rechtsverordnungen durch Genehmigung gegenüber dem Antragsteller oder durch Festlegung gegenüber einem Netzbetreiber, einer Gruppe von oder allen Netzbetreibern. Eine solche Entscheidung durch Festlegung kann die Regulierungsbehörde nach § 27 Abs. 1 Nr. 11 StromNZV zu bundeseinheitlichen Regelungen zum Datenaustausch zwischen den betroffenen Marktteilnehmern insbesondere hinsichtlich Fristen, Formaten sowie Prozessen treffen, die eine größtmögliche Automatisierung ermöglichen. Wie die Einzelgenehmigung oder -festlegung ist auch eine derartige - gegenüber einer Gruppe oder allen Netzbetreibern Fristen, Formate und Prozesse für den Datenaustausch regelnde - Festlegung ungeachtet ihrer generellen Wirkung als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Sie stellt nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung keine Rechtsverordnung dar, zu deren Erlass das Gesetz die Regulierungsbehörde nicht ermächtigt, sondern eine Allgemeinverfügung.
aa) Allgemeinverfügung ist nach der Definition des § 35 Satz 2 VwVfG ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
Die Allgemeinverfügung hat damit mit der Rechtsnorm die Eigenschaft gemeinsam, dass sich die Regelung an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet. Sie unterscheidet sich von der Rechtsnorm dadurch, dass sie wie der in § 35 Satz 1 VwVfG geregelte (Einzel-)Verwaltungsakt verbindliche Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ist. Es wird kein abstrakter, sondern ein konkreter Sachverhalt geregelt.
Dabei ergibt sich freilich aus der Funktion der Allgemeinverfügung, eine Regelung mit Verbindlichkeit gegenüber einem durch allgemeine Merkmale bestimmten Personenkreis zu treffen, dass die Regelung gleichwohl genereller Natur ist. Dies schließt es regelmäßig aus, dass der geregelte Sachverhalt sowohl sachlich als auch räumlich, zeitlich und hinsichtlich des betroffenen Personenkreises konkretisiert wird. So hat sich die Rechtsprechung bei der Qualifikation des am häufigsten diskutierten Grenzfalls (BVerwGE 59, 221, 224) zwischen Rechtsnorm und Verwaltungsakt, dem Verkehrszeichen, als Verwaltungsakt von der Erwägung leiten lassen, dass das Verkehrszeichen eine konkrete örtliche Verkehrssituation regelt (BVerwGE 27, 181, 183; 59, 221, 225). Sowohl hinsichtlich ihres zeitlichen Geltungsanspruchs als auch hinsichtlich des Adressatenkreises ist die Regelung jedoch offen. Die Allgemeinverfügung ist damit nicht absolut trennscharf von der abstrakten Regelung zu unterscheiden. Vielmehr muss die Grenze des generell-konkret durch Verwaltungsakt Regelbaren unter Berücksichtigung der Eigenart der geregelten Materie so bestimmt werden, dass sie für den zu ordnenden Sachbereich eine sachgerechte Abgrenzung zwischen Normsetzung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber und Normvollzug durch die zuständige Verwaltungsbehörde ermöglicht. Dabei ist es dem Gesetzgeber durch das Grundgesetz nicht verwehrt, für den Vollzug hinreichend bestimmter gesetzlicher Vorschriften die Form einer Allgemeinverfügung vorzusehen, wenn er die Maßstäbe und das Verfahren der Entscheidungsfindung mit einer dem Sachbereich angemessenen Genauigkeit regelt (BVerfGE 106, 275, 307 f.; BVerwGE 70, 77, 82).
bb) Nach dem Energiewirtschaftsgesetz hat die Regulierungsbehörde Netzzugangsbedingungen und -methoden durch Verwaltungsakt festzulegen. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 60a Abs. 2 EnWG, der die Festlegung nach § 29 Abs. 1 EnWG ausdrücklich als Allgemeinverfügung bezeichnet (ebenso U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage, § 35 Rdn. 297). In Übereinstimmung damit ermächtigt § 24 Satz 1 Nr. 1 EnWG die Bundesregierung nicht nur dazu, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Bedingungen für den Netzzugang oder Methoden zur Bestimmung dieser Bedingungen festzulegen. Nach § 24 Satz 1 Nr. 2 EnWG kann die Bundesregierung vielmehr durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auch regeln, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen die Regulierungsbehörde diese Bedingungen und Methoden festlegen kann. Das Gesetz ermächtigt den Verordnungsgeber mithin dazu, der Regulierungsbehörde die allgemeine Festlegung von Netzzugangsbedingungen zu übertragen, und wählt damit für behördliche Regelungen dieser Art die Handlungsform der Allgemeinverfügung.
cc) Diese gesetzliche Regelung trägt der Eigenart des Regulierungsrechts Rechnung. Die Regulierung der Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze dient den Zielen der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas und der Sicherung eines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen (§ 1 Abs. 2 EnWG). Für die Stromnetze regelt die Stromnetzzugangsverordnung die Bedingungen für Einspeisungen von elektrischer Energie in Einspeisestellen der Elektrizitätsversorgungsnetze und die damit verbundene zeitgleiche Entnahme von elektrischer Energie an räumlich davon entfernt liegenden Entnahmestellen dieser Netze (§ 1 StromNZV). In diesem gesetzlichen Rahmen getroffene Entscheidungen (Festlegungen) der Regulierungsbehörde zu Bedingungen und Verfahren des Stromnetzzugangs sind regelmäßig nicht auf die Abwehr einer konkreten Gefahr oder die Untersagung eines konkreten Missbrauchs gerichtet, sondern dazu bestimmt, in dem durch das Energiewirtschaftsgesetz und die Stromnetzzugangsverordnung vorgegebenen Rahmen durch generelle Handlungsanweisungen das Verhalten der Marktteilnehmer in typischerweise im Rahmen ihrer geschäftlichen Betätigung häufig wiederkehrenden einzelnen Situationen so zu steuern, dass sich die Wettbewerbskräfte auf dem Strommarkt bestmöglich entfalten können. Der Gesetzesvollzug durch die Regulierungsbehörde besteht daher anders als etwa im Ordnungsrecht weithin nicht in der Regelung konkreter Einzelfälle, sondern in der Konkretisierung der allgemeinen Regelungen des Gesetz- und Verordnungsrechts auf der Ebene einzelner typischer und regelmäßig wiederkehrender Geschäftsprozesse.
Gegenstand der Festlegung von Datenaustauschprozessen und -formaten, wie sie hier in Streit stehen, sind infolgedessen zumeist nicht die Bedingungen der Nutzung eines konkreten örtlichen Netzes und damit auch nicht die Benutzung einer - zudem nicht öffentlichen - Sache. Regelungsgegenstand ist vielmehr das Verhalten des Netzbetreibers in jedem einzelnen Nutzungsfall, in dem zur Anbahnung, vertraglichen Ausgestaltung und Abwicklung der Netznutzung bestimmte Geschäftsprozesse anfallen, die gegebenenfalls als solche normativ vorgegeben sind, aber vom Netzbetreiber im einzelnen unterschiedlich ausgestaltet und praktiziert werden können. Die Festlegung hat in diesem Zusammenhang die Funktion, die normativen Anforderungen an das Wettbewerbsverhalten des Netzbetreibers auf der Ebene des einzelnen Geschäftsprozesses unter Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten durch eine konkrete Verhaltensanweisung auf einen typisierten Einzelfall anzuwenden. Diese situative Bezogenheit der Festlegung auf einen wiederkehrenden einzelnen Geschäftsprozess lässt die Allgemeinverfügung als geeignete und damit dem Gesetzgeber offenstehende Handlungsform für den Vollzug des Regulierungsauftrags durch die Regulierungsbehörde erscheinen (im Ergebnis ebenso Burgi, DVBl. 2006, 269, 274; kritisch für Methodenfestlegungen nach § 21a Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 und § 24 Satz 1 Nr. 2 EnWG Britz, RdE 2006, 1, 3 ff.).
Dem steht auch nicht entgegen, dass sich die Festlegung an alle Netzbetreiber richten kann. Denn damit ist der Adressatenkreis nach allgemeinen Merkmalen bestimmt oder zumindest bestimmbar und entspricht somit dem für eine Allgemeinverfügung als eine generell-konkrete Regelung vorgesehenen Adressatenkreis.
b) Auch die angefochtene Festlegung hält sich in den Grenzen einer solchen Allgemeinverfügung.
Dass sie für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen gilt und vorbehaltlich des in Nr. 8 vorgesehenen Widerrufs auch in ihrer zeitlichen Geltung nicht begrenzt ist, steht, wie auch für Dauerverwaltungsakte anerkannt, nicht im Widerspruch zur Funktion der Festlegung, einen bestimmten einzelnen Geschäftsprozess zu regeln. Entscheidend ist, dass nicht Sachverhalte geregelt werden, von denen ungewiss ist, ob sie sich überhaupt und in welcher Gestalt ereignen werden, sondern Sachverhalte, die, wenn auch in unbestimmter Anzahl, häufig wiederkehren und bei jedem Auftreten durch die Regulierung so gestaltet werden sollen, wie es der Zweck des Gesetzes erfordert. Ebendies tut auch die angefochtene Verfügung, indem sie zur Abwicklung der in Nr. 1 bezeichneten einzelnen Geschäftsprozesse das Datenformat EDIFACT vorschreibt und in Nr. 3 für einzelne Datenübermittlungsvorgänge jeweils einen bestimmten EDIFACT-Nachrichtentyp verbindlich macht und hiervon für den internen Datenaustausch nur unter den Bedingungen der angefochtenen Nr. 6 Sätze 5 bis 10 und befristet (Nr. 6 Satz 11) dispensiert.
c) Die materielle Rechtmäßigkeit der Festlegung zieht die Rechtsbeschwerde - mit Ausnahme der Nr. 6 Sätze 5 bis 11 - nicht in Zweifel. Die Standardisierung der Geschäftsprozesse und der für diese zu verwendenden Datenformate erlaubt es dem Zugangspetenten, mit jedem Netzbetreiber in einem einheitlichen Format und durch einheitliche Vorgänge zu kommunizieren. Die Standardisierung führt, wie in der Begründung der angefochtenen Verfügung zutreffend ausgeführt wird, damit zu einer Verringerung der beim Zugangspetenten anfallenden Kosten, da er die Geschäftsprozesse mit einem erhöhten Automatisierungsgrad abwickeln kann. Dies ist insbesondere für bundesweit tätige neue Stromanbieter von Bedeutung, die in einer Vielzahl von Netzgebieten Kunden gewinnen wollen und dabei jeweils mit mit dem örtlichen Netzbetreiber verbundenen Vertriebsgesellschaften konkurrieren.
2. Die Rechtsbeschwerde rügt weiterhin, die Bundesnetzagentur sei durch § 27 Abs. 1 StromNZV nicht dazu ermächtigt, auch den Datenaustausch zwischen dem Netzbetreiber und einer im Sinne von § 3 Nr. 38 EnWG verbundenen Vertriebsorganisation zu regeln (angefochtene Festlegung zu 6). Die Regulierungsbehörde dürfe Festlegungen nach § 27 StromNZV nur zur Verwirklichung eines effizienten Netzzugangs und der in § 1 Abs. 1 EnWG genannten Zwecke erlassen. Das Beschwerdegericht habe hingegen die Regulierungsbehörde rechtsfehlerhaft zu Festlegungen auch zur Verwirklichung der in § 1 Abs. 2 und 3 genannten weiteren Zwecke des Energiewirtschaftsgesetzes für befugt erachtet und deswegen die Regelungen zum - bereits effizienten - Datenaustausch innerhalb eines vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens (Festlegung zu 6 Sätze 3 bis 10) zur Verhinderung einer Diskriminierung anderer Stromlieferanten für zulässig gehalten. Überdies sei es unverhältnismäßig, dass ein von den allgemeinen Regeln abweichender Datenaustausch nur befristet beibehalten werden dürfe (Festlegung zu 6 Sätze 1, 2 und 11).
Auch dieser Angriff hat keinen Erfolg. Die Festlegung zu 6 hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung und ist auch im Übrigen rechtmäßig.
a) Die Regulierungsbehörde ist grundsätzlich befugt, auch den internen Datenaustausch innerhalb eines vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens den allgemeinen Regeln für den Datenaustausch zu unterwerfen.
aa) Nach § 22 StromNZV erfolgt der Datenaustausch zur Anbahnung und zur Abwicklung der Netznutzung zwischen Betreibern von Elektrizitätsversorgungsnetzen und Netznutzern elektronisch. Der Datentransfer hat unverzüglich in dem von der Regulierungsbehörde vorgegebenen, bundesweit einheitlichen Format zu erfolgen. Die Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen stellen sicher, dass der Datenaustausch in einheitlichen Prozessen erfolgt, die eine größtmögliche Automatisierung ermöglichen. Nach § 27 Abs. 1 Nr. 11 StromNZV kann die Regulierungsbehörde demgemäß zur Verwirklichung eines effizienten Netzzugangs und der in § 1 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes genannten Zwecke unter Beachtung der Anforderungen eines sicheren Netzbetriebs Entscheidungen zu bundeseinheitlichen Regelungen zum Datenaustausch zwischen den betroffenen Marktteilnehmern, insbesondere hinsichtlich Fristen, Formaten sowie Prozessen, die eine größtmögliche Automatisierung ermöglichen, durch Festlegungen nach § 29 Abs. 1 EnWG treffen.
Diese Ermächtigung der Regulierungsbehörde zu den Datenaustausch betreffenden Festlegungen durch die Stromnetzzugangsverordnung ist durch die Verordnungsermächtigung nach § 24 EnWG gedeckt und daher ihrerseits rechtswirksam. Wie unter I 1 a bb ausgeführt, kann die Bundesregierung nach § 24 Satz 1 EnWG durch Rechtsverordnung die Bedingungen für den Netzzugang oder Methoden zur Bestimmung dieser Bedingungen festlegen und regeln, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen die Regulierungsbehörde ihrerseits diese Bedingungen und Methoden festlegen kann. Namentlich können nach § 24 Satz 2 Nr. 2 EnWG die Rechte und Pflichten der Beteiligten, insbesondere die Zusammenarbeit und Pflichten der Betreiber von Energieversorgungsnetzen einschließlich des Austauschs der erforderlichen Daten und der für den Netzzugang erforderlichen Informationen, einheitlich festgelegt werden.
bb) Marktteilnehmer im Sinne des § 27 Abs. 1 Nr. 11 StromNZV sind Netzbetreiber und Netznutzer. Zu diesen gehören auch Netzbetreiber und Stromlieferanten, die einem vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 3 Nr. 38 EnWG angehören und daher nach den §§ 6 bis 8 EnWG zur rechtlichen und operationellen Entflechtung verpflichtet sind.
Zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass auch zwischen den Unternehmen eines vertikal integrierten Versorgers ein Datenaustausch im Sinne des § 24 Satz 2 Nr. 2 EnWG und der §§ 22, 27 StromNZV unabhängig davon stattfindet, ob Daten übermittelt werden oder auf einen (gemeinsamen) Datenbestand zugegriffen wird. Ein Datenaustausch vom Netzbetreiber zum Netznutzer findet immer dann statt, wenn der Netznutzer auf Daten zugreift, die vom Netzbetreiber für den Zugriff des Netznutzers zur Verfügung gestellt worden sind. Nur ein solches Verständnis wird der Bedeutung gerecht, die der Bereitstellung und der Verfügbarkeit von netz- und netznutzungsbezogenen Informationen für den Wettbewerb unter den netznutzenden Unternehmen zukommt. Demgemäß schreibt § 9 Abs. 1 EnWG in Umsetzung der Art. 12 und 16 der Richtlinie 2003/54 (EG) auch eine informationelle Entflechtung (BT-Drucks. 15/3917 S. 54) insoweit vor, als vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen und Netzbetreiber sicherzustellen haben, dass die Vertraulichkeit wirtschaftlich sensibler Informationen, von denen sie in Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit als Netzbetreiber Kenntnis erlangen, gewahrt wird. Auch im vertikal integrierten Unternehmensverbund darf daher der integrierte Netznutzer nur Zugriff auf die Daten seiner Kunden und weder auf die Daten der Kunden anderer Netznutzer noch auf Daten dieser Netznutzer haben. Dieser informationellen Entflechtung hat der Gesetzgeber dadurch sogar besondere Bedeutung beigemessen, dass er - wiederum entsprechend der Richtlinie - keine De-minimis-Regelung vorgesehen hat, wie sie in § 7 Abs. 2 und § 8 Abs. 6 EnWG für die rechtliche und operationelle Entflechtung geschaffen worden ist (vgl. Otto, RdE 2005, 261, 267).
b) Festlegungen der Regulierungsbehörde zum Datenaustausch dienen entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht nur der Sicherstellung eines effizienten, sondern gleichermaßen der Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs.
Nach § 24 Satz 3 EnWG ist bei Rechtsverordnungen nach Satz 2 Nr. 1 und 2 der Vorschrift das Interesse an der Ermöglichung eines effizienten und diskriminierungsfreien Netzzugangs im Rahmen eines möglichst transaktionsunabhängigen Modells unter Beachtung der jeweiligen Besonderheiten der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft besonders zu berücksichtigen. Die Verordnungsermächtigung macht damit deutlich, dass sich der Zweck der Regulierungsermächtigung nicht in der Sicherung eines effizienten Netzzugangs unter Ausklammerung der Zielsetzung des § 1 Abs. 2 EnWG erschöpft, einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb sicherzustellen. Vielmehr soll gerade der Wettbewerb eine preisgünstige und effiziente Stromversorgung sicherstellen. Ein solcher Wettbewerb setzt wiederum wegen der Leitungsgebundenheit der Energieversorgung vor allem einen diskriminierungsfreien Netzzugang voraus. Betreiber von Energieversorgungsnetzen haben deshalb nach § 20 Abs. 1 EnWG jedermann nach sachlich gerechtfertigten Kriterien diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren; sie haben in dem Umfang zusammenzuarbeiten, der erforderlich ist, um einen effizienten Netzzugang zu gewährleisten, und haben den Netznutzern die für einen effizienten Netzzugang erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen.
Die Befugnisse der Regulierungsbehörde sind daher nicht darauf beschränkt, gegen ein missbräuchliches Verhalten eines Netzbetreibers, insbesondere eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, einzuschreiten (§ 30 Abs. 2 EnWG). Vielmehr soll die Regulierung von vornherein nicht nur effiziente, sondern auch diskriminierungsfreie Bedingungen für den Netzzugang sicherstellen.
c) Allerdings ist die Regulierungsbehörde nach § 27 Abs. 1 Nr. 11 StromNZV nur insoweit befugt, auch für den Datenaustausch innerhalb eines vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens die Verwendung der bundeseinheitlichen Prozesse und Formate vorzuschreiben, als dies zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs erforderlich und verhältnismäßig ist. Auch diese Voraussetzungen sind indessen erfüllt.
aa) Unterschiedliche Formen des Datenaustauschs zwischen Netzbetreiber und verbundenem Versorger einerseits und Netzbetreiber und außenstehendem Versorger andererseits sind grundsätzlich für eine diskriminierende Handhabung anfällig. Insbesondere beim Auftreten von Störungen im Kommunikationsweg oder bei der Fortentwicklung der zur Kommunikation verwendeten technischen Lösung liegt es nicht fern, dass der internen Kommunikation höhere Priorität beigemessen wird.
Es ist mithin nicht zu beanstanden und wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen, dass die Bundesnetzagentur die mit der Festlegung zu 6 Sätze 1 und 2 eingeräumte Möglichkeit, innerhalb vertikal integrierter Energieversorgungsunternehmen (für eine Übergangsfrist) von den Festlegungen zu 2 und 3 abweichende Formen des internen Datenaustausches zu verwenden, davon abhängig gemacht hat, dass der Datenaustausch diskriminierungsfrei gehandhabt wird und den übrigen Lieferanten Informationen zu gleichwertigen Zeitpunkten sowie in gleichwertigem Umfang und gleichwertiger Qualität zur Verfügung gestellt werden (Festlegung zu 6 Sätze 3 und 4).
bb) Ebenso hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei auch die lediglich befristete Zulassung eines solchen von den allgemein vorgeschriebenen Formaten abweichenden internen Datenaustauschs für verhältnismäßig erachtet.
Die Bundesnetzagentur hat es zu Recht für erforderlich gehalten, durch die in den Sätzen 5 bis 10 der Festlegung zu 6 getroffenen Anordnungen Vorkehrungen gegen eine diskriminierende Handhabung unterschiedlicher Datenaustauschwege zu treffen. Ohne solche - eine ständige Überwachung erfordernde - Vorkehrungen kann ein diskriminierungsfreier Datenaustausch nur durch einheitliche Datenformate und -austauschprozesse sichergestellt werden.
Die mit einem Verzicht auf den Zugriff auf einen gemeinsamen Datenbestand verbundene Kostenbelastung und der Verlust von Synergieeffekten könnten zwar die Maßnahme gegenüber einer unbefristeten Zulassung (überwachter) abweichender Datenaustauschprozesse grundsätzlich insbesondere dann als unverhältnismäßig erscheinen lassen, wenn das Diskriminierungspotential unterschiedlicher Datenaustauschprozesse, zu dem das Beschwerdegericht keine näheren Feststellungen getroffen hat, eher gering sein sollte. Das Beschwerdegericht hat jedoch - von der Rechtsbeschwerde unangefochten - festgestellt, dass es eines solchen Verzichts nicht bedarf, weil die Festlegung zu 5 es den vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen ermöglicht, die bislang intern genutzten Systeme weiterhin zu verwenden, wenn sie nur den Zugang zu diesen Systemen externen Versorgern in gleichem Umfang und in gleicher Weise öffnen, wie dies gegenüber dem internen Vertrieb der Fall ist. Die hiergegen erhobenen Rügen der Rechtsbeschwerde greifen nicht durch.
Soweit sie geltend macht, ein Angebot nach der Festlegung zu 5 sei für außenstehende Energielieferanten notwendigerweise uninteressant, ist dies unerheblich. Je weniger Interesse Außenstehende daran haben können, sich der für den internen Datenaustausch vorgesehenen Wege zu bedienen, desto weniger beschwert es die Betroffene, wenn sie ein entsprechendes Angebot unterbreiten muss. Auch sonst macht sie nicht geltend, im Beschwerdeverfahren dargetan zu haben, dass und inwiefern ihr ein solches Angebot technisch oder wirtschaftlich nicht möglich oder nicht zumutbar wäre.
Ebenso unerheblich ist der Einwand, es sei widersprüchlich, dass die Festlegung zu 6 Vorkehrungen zur Sicherung der diskriminierungsfreien Handhabung befristet zugelassener interner Datenaustauschformate und -prozesse vorsehe, während die Festlegung zu 5 hierauf verzichte. Im Übrigen erklärt sich diese Differenzierung ohne weiteres daraus, dass die Festlegung zu 5 identische und damit notwendigerweise diskriminierungsfreie Datenaustauschprozesse voraussetzt, während die Festlegung zu 6 nur einen gleichwertigen Datenaustausch verlangt und es demgemäß erforderlich macht sicherzustellen, dass die Gleichwertigkeit auch tatsächlich erzielt wird.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 1654 Nr. 23
WM 2008 S. 1845 Nr. 39
PAAAC-85958
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja