Hinzuschätzung bei fehlendem Nachweis über die Mittelherkunft
Gesetze: AO § 162, AO § 90, AO § 158
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger betrieb in den Streitjahren (1999 bis 2001) drei .-Läden. Bei einer Außenprüfung beanstandete der Prüfer des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamt —FA—) u.a. eine Einlage von 75 000 DM. Die Klägerin hatte einen entsprechenden Betrag von ihrem Privatkonto auf ein betriebliches Konto des Klägers überwiesen. Auf dem Konto der Klägerin waren im Jahr 1999 drei Zuflüsse im Gesamtbetrag von 77 027,79 DM zu verzeichnen gewesen. Der Kläger erklärte die Herkunft der Mittel mit einer Schenkung in Höhe von 60 000 DM von seinem mittlerweile verstorbenen Vater, der seinerzeit in den USA gelebt habe. Nach Ansicht des Prüfers handelte es sich um einen ungeklärten Vermögenszuwachs, der zu einer Hinzuschätzung berechtigte. Dementsprechend erhöhte er den Gewinn und die Umsätze des Jahres 1999.
Das FA wies die Einsprüche gegen die aufgrund der Außenprüfung ergangenen Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2001, gegen die Gewerbesteuer-Messbescheide 1999 und 2001 sowie gegen den Bescheid über die Zerlegung des Gewerbesteuer-Messbetrages 2001 zurück.
Die anschließend erhobene Klage hatte hinsichtlich der erwähnten Hinzuschätzung Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, der Kläger habe die Überweisung eines Betrages von 75 000 DM von einem Privatkonto der Klägerin auf sein Konto nachgewiesen. Der Einwand des FA, selbst bei unterstellten Schenkungen aus den USA von 60 000 DM verbleibe eine ungeklärte Differenz von 17 000 DM, greife nicht durch, weil dieser Betrag angesichts der hohen gewerblichen Einkünfte des Klägers aus erklärten Gewinnen stammen könnte. Die Hinzuschätzung sei nicht bereits deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger nach Ansicht des FA keinen Nachweis über die Herkunft des eingezahlten Geldes habe führen können. Ein Steuerpflichtiger müsse für seine privaten Sparkonten weder eine Buchführung einrichten noch einen Herkunftsnachweis führen. Es könne auch nicht angenommen werden, dass alle Einzahlungen, für die kein Buch- oder Herkunftsnachweis erbracht werde, aus steuerpflichtigen Quellen stammten. Der Steuerpflichtige sei zwar zur Auskunftserteilung und Mitwirkung verpflichtet. Ihn treffe jedoch keine Pflicht, einen in sich geschlossenen Nachweis über die Herkunft seines Privatvermögens zu führen. Dies gelte erst recht für das Privatvermögen der Klägerin. Von einem ungeklärten Vermögenszuwachs hätte nur dann gesprochen werden können, wenn mit Hilfe einer Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung nachgewiesen worden wäre, dass die auf dem Privatkonto eingezahlten Beträge nicht aus ungebundenen Entnahmen oder aus anderen versteuerten oder steuerbefreiten Einkunftsquellen hätten stammen können. Der Prüfer habe sich jedoch keiner dieser Schätzungsmethoden bedient.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich das FA mit der Beschwerde, mit der es die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie Verfahrensverstöße geltend macht.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Das Vorbringen des FA rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO). Der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung stellt einen Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung dar. In beiden Fällen muss es sich um eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage handeln (z.B. Senatsbeschluss vom III B 202/05, BFH/NV 2006, 1653). Eine Rechtssache erfordert nur dann eine Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung, wenn diese über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 41). Mit dem Vortrag, der BFH habe noch nicht über einen Fall entschieden, bei dem eine ungeklärte Einlage mit Mitteln geleistet worden sei, die von einem Konto der Ehefrau des Steuerpflichtigen stammten, wird kein Allgemeininteresse an der Klärung einer Rechtsfrage dargetan.
2. Die Rechtssache erfordert auch keine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO). Das FG hat keinen Rechtssatz aufgestellt, mit dem es von einem Rechtssatz des BFH abgewichen ist. Es hat in den Urteilsgründen u.a. ausgeführt, dass ein Steuerpflichtiger nicht verpflichtet sei, einen in sich geschlossenen Nachweis über die Herkunft seines Privatvermögens zu führen. Diese Formulierung entspricht einem fast wortgleichen Rechtssatz im (BFH/NV 1988, 12) sowie im Senatsurteil vom III R 82/97 (BFH/NV 2000, 1462). Der vom FA in der Beschwerdegründung herausgearbeitete, angeblich im (BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462) enthaltene Rechtssatz, wonach ein Steuerpflichtiger, der durch Einlagebuchungen eine Verbindung zwischen Privat- und Betriebskonto hergestellt hat, sich durch Beweisvorsorge in die Lage versetzen muss, die Herkunft der Einzahlungen nachzuweisen, lässt sich der angeführten Entscheidung in dieser Allgemeinheit nicht entnehmen. Vielmehr geht aus dem Urteil in BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462 hervor, dass die Entscheidung, ob und in welchem Maße aus der Verletzung von Mitwirkungspflichten für den Steuerpflichtigen nachteilige Schlussfolgerungen hinsichtlich der Herkunft von Geldzuflüssen gezogen werden können, von der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls abhängt und nicht verallgemeinert werden kann. Dementsprechend hat der BFH im Urteil in BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462 wegen der unterschiedlichen Sachverhaltsgestaltung auch keinen Widerspruch zum BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 12 gesehen. Letztlich rügt das FA, das FG habe trotz unzureichender Mitwirkung des Klägers bei der Klärung der Herkunft der Geldzuflüsse keine für ihn nachteiligen Schlussfolgerungen gezogen. Dies rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
3. Schließlich liegt auch kein Verfahrensmangel vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
a) Eine Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) durch Übergehen eines Beweisantrages scheidet aus. Das FA hatte im finanzgerichtlichen Verfahren die Erstellung einer Geldverkehrsrechnung durch einen sog. Buchsachverständigen vorgeschlagen. Ob es sich hierbei um einen Beweisantrag oder lediglich um eine Anregung handelte (vgl. hierzu Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 81 FGO Rz 37), kann offen bleiben. Jedenfalls kann das FA die unterbliebene Erstellung einer Geldverkehrsrechnung deshalb nicht als Verfahrensmangel rügen, weil es dies nicht bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung getan hat.
Auf die Einhaltung des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes kann ein Beteiligter —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Ist für ihn erkennbar, dass das FG einen vor der mündlichen Verhandlung beantragten Beweis nicht erheben will, und unterlässt er es, dies zu rügen, so hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust zur Folge (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom III B 179/06, BFH/NV 2007, 1181, m.w.N.). Nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG hat der Vertreter des FA nicht beanstandet, dass das FG dem Vorschlag, eine Geldverkehrsrechnung erstellen zu lassen, nicht nachkam.
b) Mit dem Vortrag, das FG habe ein Schreiben vom nicht berücksichtigt, in dem der Kläger um Beantwortung mehrerer Fragen zu den Geldzuflüssen gebeten worden sei, rügt das FA, das FG habe gegen die Verpflichtung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, den Inhalt der vorliegenden Akten vollständig zu berücksichtigen. Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise —ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts— in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt (, BFH/NV 2007, 2286). Das FG darf bei seiner Überzeugungsbildung nicht eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unberücksichtigt lassen oder bei seiner Entscheidung vom Nichtvorliegen einer solchen Tatsache ausgehen. Eine Verletzung von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt hingegen nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den Vorstellungen eines Beteiligten gewürdigt hat (, BFH/NV 2006, 2289). Insoweit handelt es sich allenfalls um einen nicht zur Zulassung der Revision führenden materiell-rechtlichen Fehler, nicht jedoch um einen Verfahrensverstoß (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 2286, und in BFH/NV 2006, 2289, m.w.N.).
Im Streitfall hat das FG das Schreiben des FA vom durchaus zur Kenntnis genommen, wie sich aus dessen Erwähnung im angefochtenen Urteil ergibt (S. 8/9 der Urteilsgründe). Entgegen der Ansicht des FA war es der Auffassung, der Kläger habe über die Herkunft der umstrittenen Geldzuflüsse hinreichend Auskunft gegeben. Darin ist allenfalls ein materiell-rechtlicher Mangel zu sehen, jedoch kein Verfahrensverstoß.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
FAAAC-85299