Ablehnung der Einfuhr von nicht zugelassenen Arzneimitteln
Gesetze: ZK Art. 75, AMG § 2, AMG § 21
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) versandte im Juli 2001 ein Paket aus Indonesien nach Deutschland, das u.a. drei Packungen zu je neunzig Stück des Präparats „V” sowie zwei Packungen zu je neunzig Stück des Präparats „I” enthielt. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt —HZA—) lehnte insoweit die Annahme einer Zollanmeldung mit der Begründung ab, dass es sich nach dem Ergebnis einer gesundheitsbehördlichen Begutachtung bei diesen Produkten um Arzneimittel handele, die nicht ohne Zulassung eingeführt werden dürften. Zugleich wurden die Waren vom HZA sichergestellt.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der Sicherstellungsverfügung und die Herausgabe der Waren mit der Begründung begehrt, dass es sich bei diesen nicht um Arzneimittel, sondern um Nahrungsergänzungsmittel handele, wies das (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern —ZfZ— 2005, 384) ab. Auf die wegen Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde der Klägerin hob der beschließende Senat das Urteil gemäß § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück (Senatsbeschluss vom VII B 74/05, BFH/NV 2006, 1309).
Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage erneut ab. Das FG urteilte, dass die Sicherstellung der Waren gemäß Art. 75 Buchst. a Anstrich 4 des Zollkodex i.V.m. § 2 Abs. 1, § 21 und § 74 des Arzneimittelgesetzes (AMG) zu Recht erfolgt sei, da es sich bei den fraglichen Präparaten um Arzneimittel handele. Ihre Arzneimitteleigenschaft folge aus dem Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 AMG, für den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) die an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung des Produkts, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstelle (Verkehrsauffassung), maßgebend sei. Von diesem Begriff würden nicht nur Präparate erfasst, die pharmakologisch wirksam seien und sich als Heilmittel medizinisch bewährt hätten. Vielmehr seien auch solche Präparate im Einzelfall als zulassungspflichtige Arzneimittel einzustufen, deren pharmakologische Auswirkungen noch ungeklärt, die eindeutig völlig wirkungslos oder sogar gesundheitsschädlich seien. Diese am Einzelfall orientierte Abgrenzung ermögliche insbesondere, u.a. darauf abzustellen, in welcher Weise das Produkt durch den Hersteller in der Öffentlichkeit dargestellt werde. Im Streitfall werde mit dem Vorbringen der Klägerin davon ausgegangen, dass die streitigen Präparate keine pharmakologischen Wirkungen hätten, weshalb die insoweit seitens der Klägerin beantragte Beweiserhebung unterbleiben könne. Gleichwohl handele es sich aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers bei den Präparaten um Arzneimittel. Dies folge zum einen aus ihrer besonderen Zusammensetzung und Aufmachung, im Übrigen aber auch aus den Umständen, wie die Präparate nach Zeitungsberichten von Seiten der Herstellerfirma gegenüber den Verbrauchern präsentiert würden, sowie aus entsprechenden Internet-Auftritten der Herstellerfirma.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO stützt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
a) Die von der Beschwerde bezeichnete Frage, ob von dem Grundsatz, dass bei Anfechtungsklagen der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebend ist, eine Ausnahme zu machen ist, wenn es um die Abgrenzung von Arznei- und Lebensmitteln geht, ist weder klärungsbedürftig noch stellt sie sich im Streitfall. Die streitige materiell-rechtliche Frage, ob die zur Einfuhr angemeldeten Waren Arznei- oder Lebensmittel sind, ist für den im Streitfall maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt ohne Bedeutung. Vielmehr beantwortet sich die Frage, von welcher Sach- und Rechtslage das Gericht auszugehen hat, nach dem Klagebegehren und der zur Erreichung des Klageziels richtigen Klageart (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 100 Rz 10). So ist es zwar grundsätzlich anerkannt, dass bei Anfechtungsklagen maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist, bei Verpflichtungsklagen und allgemeinen Leistungsklagen hingegen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts; dieser Grundsatz gilt indes nicht ausnahmslos.
Anders als die Beschwerde meint, handelt es sich im Streitfall zum einen nicht nur um eine Anfechtungsklage, sondern auch um eine Leistungsklage, soweit die Klägerin die Herausgabe der sichergestellten Waren beansprucht. Zum anderen ficht die Klägerin die Sicherstellungsverfügung des HZA an, weil sie der von ihr begehrten Herausgabe der sichergestellten Waren entgegensteht. Mit der angefochtenen Sicherstellungsverfügung wird der Klägerin kein einmaliges Tun oder Unterlassen auferlegt; vielmehr hindert sie als ein Dauerverwaltungsakt die Herausgabe der Waren, weshalb auch für die gegen diesen Dauerverwaltungsakt gerichtete Anfechtungsklage die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht —OVG— vom 11 LC 180/05, Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht —ZLR— 2006, 721). Darüber hinaus kommt die Herausgabe an die Klägerin nur in Betracht, nachdem die von Indonesien nach Deutschland versandten Waren zum freien Verkehr abgefertigt worden sind. Obwohl nicht ausdrücklich in den Klageantrag aufgenommen, handelt es sich also vorliegend nach dem erkennbaren Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) auch um eine Verpflichtungsklage mit dem Ziel, das HZA zu verpflichten, die für die Waren abgegebene Zollanmeldung anzunehmen. Auch die Verpflichtungsklage erfordert eine Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
All dies bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Die Rügen der Beschwerde, dass das FG trotz Vorliegens einer Anfechtungsklage nicht die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am zugrunde gelegt und sich bei seiner Tatsachenfeststellung auf zeitlich später liegende Erkenntnisquellen gestützt habe, sind nicht begründet.
b) Welcher Erkenntnismittel sich das FG bei der Frage bedient, ob ein Produkt nach der Verkehrsauffassung als ein Arzneimittel anzusehen ist, gehört zu der dem FG als Tatsachengericht obliegenden Tatsachenfeststellung, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden kann, ob das FG von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen, seine Entscheidung insoweit nachvollziehbar begründet und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist.
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG im Rahmen seiner Gesamtwürdigung, wonach die streitigen Waren nach der Verkehrsauffassung als Arzneimittel wahrgenommen werden, Internet-Auftritte mit den Titeln „.” und „.” herangezogen hat. Anders als die Beschwerde meint, lässt sich den Bestandteilen von Internetanschriften wie „com” oder „uk” nicht entnehmen, dass sich die jeweilige Internetseite nicht an Verbraucher in Deutschland richtet; grundsätzlich sind alle Internetseiten uneingeschränkt aus allen Ländern zugänglich. Die Frage, ob die in englischer Sprache abgefassten Internetseiten für deutsche Verbraucher zu verstehen sind, ist vom FG als Tatsacheninstanz zu beantworten. Die im Wortlaut wiedergegebenen Auszüge, auf die sich das FG stützt, lassen jedenfalls entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht erkennen, dass diese derart mit schwer verständlichen Fachausdrücken befrachtet sind, dass sie für deutsche Verbraucher mit durchschnittlichen Englischkenntnissen kaum verständlich sind. Wenn vor diesem Hintergrund das FG die zitierten „reports”, weil sie in der Regel von Patienten mit deutsch klingenden Namen und/oder Wohnsitz in Deutschland verfasst sind, dahin gewertet hat, dass sie erkennen lassen sollen, dass die streitigen Produkte Medikamente sind, die in Deutschland erfolgreich angewendet werden und in ihrer Wirkung die Möglichkeiten der herkömmlichen Schulmedizin und Pharmazie übertreffen, so ist dies eine mögliche Tatsachenwürdigung, die nachvollziehbar begründet ist und weder auf Denkfehlern beruht noch Erfahrungssätze verletzt.
Soweit die Beschwerde ausführt, dass sich die Vitaminpräparate dem durchschnittlich informierten Verbraucher als Nahrungsergänzungsmittel darstellen und dass die Ansicht des FG falsch sei, dass das Produkt „V” eine Kombination von Nährstoffen enthalte, die zusammengefasst unter der Produktgruppe „Vitaminpräparate des .” bekannt sei, wendet sie sich lediglich gegen die Tatsachenfeststellung und -würdigung des FG, bezeichnet jedoch keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung.
c) Soweit die Beschwerde unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom Rs. C-219/91 (EuGHE 1992, I-5485) rügt, dass das FG seine Entscheidung auch auf einen Artikel der Zeitung „.” gestützt hat, ergeben sich ebenfalls keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Mit diesem Artikel werden, anders als die Beschwerde meint, die streitigen Präparate nicht von Seiten einer vom Hersteller unabhängigen Stelle aus eigenem Antrieb heraus als Arzneimittel beworben oder dargestellt. Vielmehr beschreibt der Artikel —soweit seine Aussagen vom FG herangezogen worden sind— lediglich, dass das Produkt „V” eine von den A (Ausland) aus weltweit vertriebene Kombination von Nährstoffen enthalte, die zusammengefasst unter der Produktgruppe „Vitaminpräparate des .” bekannt sei, und dass seitens des . bzw. der Fa. . diese hochdosierten Präparate als ein alternatives Heilmittel der „.” propagiert würden. Es handelt sich mithin um eine Schilderung, wie die Herstellerfirma selbst ihre Präparate gegenüber Verbrauchern darstellt. Was ihre gerichtliche Verwertbarkeit angeht, kommt es somit nur auf die vom FG als Tatsacheninstanz zu beantwortende Frage an, ob diese Schilderung zutreffend ist. Diese Frage hat das FG unter Hinweis auf den Internet-Auftritt des . und der Fa. . in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht.
d) Auch der 3 C 38.06 (ZLR 2007, 378), auf den sich die Beschwerde beruft, betrifft keine für den Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen. Der Beschluss des BVerwG bezieht sich auf ein Produkt, welches nach den Feststellungen der Vorinstanz einen pharmakologischen Wirkstoff enthält und somit unter die Definition des Funktionsarzneimittels fallen kann, während die Vorinstanz die Frage, ob sich das Produkt gegenüber dem Verbraucher als Arzneimittel präsentiert, ausdrücklich offengelassen hat (Urteil des Niedersächsischen OVG in ZLR 2006, 721). Das FG ist im Streitfall hingegen davon ausgegangen, dass die streitigen Präparate keine pharmakologischen Wirkungen hätten, sondern allenfalls Wirkungen, die über jene eines Nahrungsergänzungsmittels nicht hinausgingen, und hat seine Auffassung, dass die Präparate als Arzneimittel anzusehen seien, ausschließlich auf ihre Darstellung gegenüber dem Verbraucher gestützt. Dass ein Präparat nach der Neufassung der Definition des Arzneimittels durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 136/34) nicht mehr als sog. Präsentationsarzneimittel angesehen werden kann, ist weder nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. a der Neufassung der Richtlinie ersichtlich noch ergibt es sich aus dem vorgenannten allein ein Funktionsarzneimittel betreffenden Beschluss des BVerwG; vielmehr machen die 3 C 21.06 (ZLR 2007, 757), 3 C 23.06 (ZLR 2007, 772) und 3 C 22.06 (ZLR 2008, 80) deutlich, dass das Gericht den Begriff des Präsentationsarzneimittels (Arzneimittel nach Bezeichnung) auch in der Neufassung der Humanarzneimittelrichtlinie enthalten sieht.
Wenn das FG auf S. 50 der Urteilsausfertigung von Arzneimitteln „nach der Funktion” spricht, verwendet es einen unzutreffenden Begriff, da es tatsächlich das Vorliegen eines Präsentationsarzneimittels geprüft und bejaht hat. Klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben sich daraus jedoch nicht.
e) Soweit die Beschwerde bestreitet, dass die Stellungnahme des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte —wie vom FG angenommen— auf den Kenntnisstand und den Horizont eines Durchschnittsverbrauchers abstelle, wendet sie sich gegen die Tatsachenwürdigung des FG, bezeichnet jedoch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
2. Da der Streitfall keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwirft, ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht gegeben.
3. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) in Form der Divergenz liegt nicht vor. Das FG-Urteil weicht nicht von höchstrichterlichen Entscheidungen ab.
a) Es besteht keine Divergenz zu dem (ZLR 2000, 375). Der BGH hat in jener Entscheidung unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung ausgeführt, dass für die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel oder Lebensmittel seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung entscheidend sei, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstelle. Die Verkehrsanschauung knüpfe regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung an, die wiederum davon abhänge, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach hätten. Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung eines Produkts könne durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentrete. Der BGH hat zwar in vorgenannter Entscheidung zum letztgenannten Kriterium die Auffassung vertreten, dass die Darreichungsform (Capsetten) und die Verpackung (Blisterstreifen in einer Faltschachtel) keine ausreichenden Hinweise auf ein Arzneimittel seien, weil es üblich geworden sei, dass Nahrungsergänzungsmittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten würden. Um solche Darreichungsformen oder Verpackungsarten geht es im Streitfall jedoch nicht. Vielmehr hat es das FG als für ein Arzneimittel sprechend angesehen, dass die Verpackungen den Aufdruck „.” bzw. „.” sowie die detaillierte Angabe der Inhaltsstoffe trügen. Eine Divergenz zum BGH-Urteil in ZLR 2000, 375 liegt somit nicht vor.
Soweit es im vorgenannten BGH-Urteil heißt, dass ein verständiger Durchschnittsverbraucher im Allgemeinen nicht annehmen werde, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat tatsächlich ein Arzneimittel sei, wenn es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen habe, weicht das FG-Urteil nicht ab, weil die streitigen Präparate nach den getroffenen Feststellungen nicht als Nahrungsergänzungsmittel angeboten, sondern als Arzneimittel präsentiert werden.
b) Gleiches gilt hinsichtlich der behaupteten Divergenz zu den Urteilen des BVerwG in ZLR 2007, 757 und 772 sowie in ZLR 2008, 80: In jenen Fällen ging es um als Nahrungsergänzungsmittel angebotene Produkte und um die Frage, ob es sich dabei um Funktionsarzneimittel handelt.
c) Es besteht auch keine Divergenz zu dem EuGH-Urteil in EuGHE 1992, I-5485. Auf die Ausführungen unter II.1.c wird insoweit verwiesen.
4. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen ebenfalls nicht vor.
a) Soweit die Beschwerde im Einzelnen den aktuellen Internet-Auftritt der Rechtsnachfolgerin der Fa. . schildert um darzulegen, dass dort keine Aussagen zur therapeutischen Wirkung der Produkte getroffen werden, handelt es sich um im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unzulässiges neues Tatsachenvorbringen.
b) Die Rüge, es stelle eine Überraschungsentscheidung dar, dass das FG auf die Inhalte eines Internet-Auftritts aus dem Jahr 2004 zurückgegriffen habe, ist nicht begründet. Um eine Überraschungsentscheidung handelt es sich, wenn ein bisher nicht erörterter Gesichtspunkt zur Grundlage der Entscheidung gemacht wird, der dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht hat rechnen müssen (Senatsbeschluss vom VII B 45/01, BFH/NV 2001, 1580; Beschlüsse des , BFH/NV 2003, 293; vom III B 94/02, BFH/NV 2003, 1591, jeweils m.w.N.).
So verhält es sich im Streitfall jedoch nicht. Vielmehr hat das FG bereits im ersten Rechtsgang seine Entscheidung in ZfZ 2005, 384 auf den —auch in seine Gerichtsakte aufgenommenen— Internet-Auftritt der Fa. . gestützt und ausgeführt, dass danach „V” als ein Basis-Multivitamin-Programm vorgestellt und in detaillierten Patientenberichten ausgelobt werde, das im Zusammenwirken mit den anderen Präparaten der „.” sofortige und wirksame Hilfe gegen Herzattacken, Schlaganfälle, Arterienverhärtung und Kreislaufstörungen sowie gegen Krebserkrankungen und Tumore aller Art verspreche. Die sachkundig vertretene Klägerin musste somit damit rechnen, dass das FG auch im zweiten Rechtsgang im Rahmen der Tatsachenfeststellung nicht auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abstellen und (u.a.) den genannten Internet-Auftritt zur Grundlage seiner Entscheidung machen würde. Es hätte nahe gelegen, spätestens in der mündlichen Verhandlung das FG auf die —nunmehr im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde beschriebene— aktuelle und anders lautende Vermarktung im Internet hinzuweisen. Die Beschwerde legt nicht dar, weshalb es sich dem FG ohne einen solchen Hinweis von Seiten der Klägerin hätte aufdrängen müssen, dass sich der Internet-Auftritt der Herstellerfirma geändert haben und keine Aussagen zu angeblichen therapeutischen Wirkungen der Vitaminpräparate mehr treffen könnte.
c) Soweit sich die Beschwerde mit den Inhalten des Artikels aus der Zeitung „.” auseinandersetzt, legt sie keinen Verfahrensfehler des FG dar. Im Übrigen hat das FG die Aussage, dass mit . verbundene Institutionen die Vorstellungen der Verbraucher in Bezug auf die arzneiliche Wirkung der Vitaminpräparate beeinflussten, seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Auch hat das FG —anders als es die Beschwerde darstellt— den „Fall X” nicht mit gesundheitsschädlichen Wirkungen der streitigen Präparate in Verbindung gebracht.
d) Das FG hat schließlich auch nicht verfahrensfehlerhaft die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur pharmakologischen Wirkung der streitigen Vitaminpräparate unterlassen. Nach dem insoweit maßgeblichen Rechtsstandpunkt des FG kam es hierauf in Anbetracht der Präsentation der Präparate als Arzneimittel gegenüber dem Verbraucher nicht an, weshalb es das Fehlen pharmakologischer Wirkungen der Präparate als wahr unterstellen und insoweit von einer Beweiserhebung absehen durfte.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1557 Nr. 9
EAAAC-84514