Feststellung eines Betriebsgrundstücks; Nachholung einer Artfeststellung durch Ergänzungsbescheid
Leitsatz
Ob ein Grundstück zu mehr als der Hälfte seines Werts dem Gewerbebetrieb dient (§ 99 Abs. 2 BewG), bestimmt sich nach dem Verhältnis, in dem der nach den Grundsätzen der jeweils maßgeblichen Vorschrift (§§ 146 bis 148 BewG) ermittelte Wert des ganzen Grundstücks zu dem Betrag steht, mit dem der Grundstücksteil der dem Gewerbebetrieb dient, in den Wert des ganzen Grundstücks eingegangen ist. Die Prüfung, ob ein Grundstück Betriebsgrundstück ist und zu welchem Gewerbebetrieb es ggf. gehört, hat das Lagefinanzamt nach § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BewG eigenständig vorzunehmen.
Gesetze: BewG § 99, BewG § 95, BewG § 19, BewG § 138
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Vater (V) des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) schenkte diesem mit Vertrag vom unter gleichzeitiger Auflassung und Eintragungsbewilligung ein Grundstück. Das Grundstück mit einer Gesamtfläche von 2 445 qm war mit einem großflächigen Gebäude und einer daran angrenzenden Garage (Nutzfläche 31,50 qm) bebaut. In dem Gebäude befanden sich eine Lagerhalle nebst Kühlräumen (Kellergeschoss und Erdgeschoss; Nutzfläche 724,32 qm) sowie zwei Gaststätten (Erdgeschoss und Obergeschoss; Nutzfläche 1 649,51 qm). Der nicht bebaute Teil des Grundstücks diente als Hoffläche. V hatte die Lagerhalle für den Betrieb seines Getränkehandels genutzt. Die Gaststätten waren an andere Gewerbetreibende verpachtet; die vereinbarten Nettokaltmieten betrugen für 1997 117 078 DM, für 1998 107 824 DM und für 1999 119 872 DM. V hatte in seinen Einkommensteuererklärungen die den Getränkehandel betreffenden Einkünfte als gewerbliche, die aus der Gaststättenverpachtung erzielten Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung behandelt. Das für die Besteuerung des Einkommens zuständige Finanzamt war diesen Angaben gefolgt. Bei der Feststellung des Einheitswertes waren auf den mit Bescheid vom für das Grundstück die Grundstücksart „Geschäftsgrundstück” und die Vermögensart „Betriebsvermögen” festgestellt worden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) stellte mit Bescheid vom den Grundstückswert auf . DM fest, ohne sich zur Art der wirtschaftlichen Einheit zu äußern. Auf den Einspruch, mit dem der Kläger sich auch dagegen wandte, dass die Art des Grundstücks als „Betriebsgrundstück” nicht festgestellt worden sei, minderte das FA den Grundstückswert mit Einspruchsentscheidung vom auf . DM. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück; die Artfeststellung „Betriebsgrundstück” sei nicht möglich.
Die mit dem Ziel eingelegte Klage, das FA zu einer solchen Feststellung zu verpflichten, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass das Grundstück bei V zum Grundvermögen gehört habe, weil es zu weniger als der Hälfte seines Werts dessen Gewerbebetrieb gedient habe (§ 99 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung —BewG—). Der Wert dieses Nutzungsanteils sei nach dem gleichen Verfahren, wie es für die Ermittlung des Werts des ganzen Grundstücks anzuwenden sei, im Streitfall also nach dem Ertragswertverfahren für bebaute Grundstücke gemäß § 146 BewG, zu ermitteln. Danach ergebe sich für den verpachteten Anteil des Grundstücks eine nach § 146 Abs. 2 BewG maßgebliche Jahresmiete von 114 924 DM. Dies entspreche, ausgehend von der genutzten Gebäudefläche von 1 649,51 qm, einer monatlichen Miete von 5,80 DM/qm. Um für den restlichen, eigengewerblich genutzten Anteil des Grundstücks, ausgehend von der genutzten Gebäudefläche von 724,32 qm, ebenfalls eine Jahresmiete von 114 924 DM annehmen zu können, hätte die übliche Miete gemäß § 146 Abs. 3 BewG monatlich mindestens 13,22 DM/qm betragen müssen. Ein solcher Mietpreis sei nach den damaligen Gegebenheiten des Immobilienmarktes für Lagerhallen nicht zu erzielen gewesen.
Während des Klageverfahrens fanden bei V und beim Kläger steuerliche Außenprüfungen statt. Nach deren Ergebnis gehörte das (streitgegenständliche) Grundstück teils zum Betriebsvermögen und teils zum Privatvermögen. Der Grund und Boden sei mit einer Fläche von 2 018 qm dem Betriebsvermögen zuzurechnen, im Übrigen (427 qm) habe er der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gedient.
Mit Änderungsbescheid vom erhöhte das FA nach weiteren tatsächlichen Ermittlungen den Grundstückswert und stellte ihn auf . DM fest. Bei der Wertberechnung setzte es für den eigengenutzten Teil des Grundstücks eine übliche Miete in Höhe von 3 DM/qm an. Gegen diesen Bescheid ist das Einspruchsverfahren anhängig.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, das FG habe zu Unrecht bei der Ermittlung der Nutzungsanteile i.S. des § 99 Abs. 2 Satz 1 und 2 BewG das Ertragswertverfahren gemäß § 146 BewG angewendet. Es müsse auch berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Grund und Boden dem Gewerbebetrieb diene. Die Wertermittlung habe daher entsprechend den Grundsätzen des § 147 BewG zu erfolgen. Unter Berücksichtigung von Gebäudewert und Bodenwert ergebe sich ein über dem hälftigen Wert liegender betrieblicher Anteil.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwertes auf den vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom in der Weise zu ergänzen, dass als Art der wirtschaftlichen Einheit die Eigenschaft „Betriebsgrundstück” festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass das FA zur Feststellung der Art des Grundstücks als Betriebsgrundstück durch Ergänzungsbescheid (§ 179 Abs. 3 der Abgabenordnung —AO—) nicht verpflichtet war. Das Grundstück war bei V kein Betriebsgrundstück, weil es nicht zu mehr als der Hälfte seines Werts dessen Gewerbebetrieb diente (§ 99 Abs. 2 Satz 1 und 2 i.V.m. § 95 Abs. 1 BewG).
1. Das FG konnte über die Verpflichtungsklage auf Erlass eines Ergänzungsbescheids durch Sachurteil entscheiden.
a) Es bedurfte nicht der nochmaligen Durchführung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO). Der Einspruch des Klägers gegen den Feststellungsbescheid vom richtete sich auch dagegen, dass das FA in diesem Bescheid eine notwendige Feststellung unterlassen habe; dieses Begehren hat das FA im Einspruchsverfahren geprüft. Einer nochmaligen Durchführung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens bedarf es in einem solchen Falle nicht, weil der Zweck des Vorverfahrens, nämlich zusätzlicher Rechtsschutz für den Steuerpflichtigen durch vollständige Überprüfung der Sache (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO) und Selbstkontrolle der Verwaltung, gewahrt ist (so auch von Wedel in Beermann/Gosch, AO § 348 Rz 4).
b) Der Änderungsbescheid vom über die Feststellung des Grundstückswerts ist nicht Gegenstand des Verfahrens geworden (§ 68 FGO). Ist bei der Feststellung des Grundbesitzwerts die Artfeststellung als Betriebsgrundstück (§ 138 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BewG) unterblieben, ist die Artfeststellung durch Ergänzungsbescheid (§ 179 Abs. 3 AO) nachzuholen (vgl. , BFHE 207, 55, BStBl II 2005, 463). Das Ergänzungsverfahren ist ein selbständiges Verwaltungsverfahren; dies gilt unabhängig davon, ob die bei der Feststellung des Grundbesitzwerts zu treffenden Einzelfeststellungen selbständige oder unselbständige Bestandteile jener Feststellung sind (zu deren Selbständigkeit bei der Einheitsbewertung vgl. , BFH/NV 1991, 726). Der Ergänzungsbescheid lässt den ergänzten Feststellungsbescheid unberührt, da durch ihn bereits getroffene Feststellungen weder geändert noch aufgehoben werden können (vgl. , BFH/NV 1989, 141, m.w.N.). Hieraus folgt umgekehrt, dass auch ein geänderter ergänzter Feststellungsbescheid den Ergänzungsbescheid weder ändert noch ersetzt. Die Voraussetzungen des § 68 FGO liegen daher nicht vor.
2. Das streitgegenständliche Grundstück war bei V kein Betriebsgrundstück, weil es nicht zu mehr als der Hälfte seines Werts dessen Gewerbebetrieb diente (§ 99 Abs. 2 Satz 1 und 2 i.V.m. § 95 Abs. 1 BewG).
a) Grundbesitz (§ 19 BewG) ist nach § 12 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) mit dem Grundbesitzwert anzusetzen, der nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Teils des BewG (Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz für die Erbschaftsteuer ab und für die Grunderwerbsteuer ab ) auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) festgestellt wird. Die nach § 138 Abs. 3 Satz 1 BewG u.a. für Betriebsgrundstücke i.S. des § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG zu ermittelnden Grundstückswerte sind nach § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG gesondert festzustellen, wenn sie für die Erbschaftsteuer erforderlich sind (Bedarfsbewertung). In dem Feststellungsbescheid sind nach § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BewG auch Feststellungen zu treffen über die Art der wirtschaftlichen Einheit, bei Betriebsgrundstücken, die zu einem Gewerbebetrieb gehören (wirtschaftliche Untereinheit), auch über den Gewerbebetrieb.
b) Betriebsgrundstück i.S. des § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG ist der zu einem Gewerbebetrieb gehörige Grundbesitz, soweit er, losgelöst von seiner Zugehörigkeit zu dem Gewerbebetrieb, zum Grundvermögen gehören würde. Unter welchen Voraussetzungen Grundbesitz zu einem Gewerbebetrieb gehört, richtet sich abweichend von der Grundnorm des § 95 Abs. 1 Satz 1 BewG, wonach das Betriebsvermögen alle Teile eines Gewerbebetriebes i.S. des § 15 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes umfasst, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören, nach § 99 BewG. Gemäß Abs. 2 Satz 1 und 2 der Vorschrift kann ein Grundstück nur im Ganzen entweder Betriebsgrundstück sein oder zum Grundvermögen gehören. Als Betriebsvermögen gilt es, wenn es zu mehr als der Hälfte seines Werts dem Gewerbebetrieb dient. Der Anteil, zu dem das ganze Grundstück dem Gewerbebetrieb dient, kann dabei nicht losgelöst von der Bewertungsmethode, nach der das ganze Grundstück bewertet worden ist, ermittelt werden. Ob das Grundstück zu mehr als der Hälfte seines Werts dem Gewerbebetrieb dient, bestimmt sich daher nach dem Verhältnis, in dem der nach den Grundsätzen der jeweils maßgeblichen Vorschrift (§§ 146 bis 148 BewG) ermittelte Wert des ganzen Grundstücks zu dem Betrag steht, mit dem der Grundstücksteil, der dem Gewerbebetrieb dient, in den Wert des ganzen Grundstücks eingegangen ist. Die Prüfung, ob ein Grundstück Betriebsgrundstück ist und zu welchem Gewerbebetrieb es ggf. gehört, hat das Lagefinanzamt nach § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BewG eigenständig vorzunehmen (, BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443).
c) Gemäß diesen Grundsätzen bildete das streitbefangene Grundstück kein Betriebsgrundstück. Der Grundstückswert ist zutreffend nach § 146 BewG ermittelt. Es handelt sich um ein bebautes Grundstück (§ 146 Abs. 1 BewG). Soweit es verpachtet ist, wurde eine durchschnittliche Jahresmiete in der vom FG festgestellten Höhe von 114 924 DM bezahlt (§ 146 Abs. 2 Satz 1 und 2 BewG); soweit es eigengenutzt wurde, ist nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG eine übliche Miete zu ermitteln gewesen (§ 146 Abs. 3 Satz 2 BewG). Damit scheidet eine Bewertung nach § 147 BewG aus, wie sich aus Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift ergibt. Aus der Ermittlung des Grundbesitzwerts lassen sich auch die Anteile entnehmen, zu denen der gewerblich genutzte und der privat genutzte Teil des Grundstücks mit Gebäude in die Bewertung eingegangen sind. Die Abgrenzung der gewerblichen von der privaten Nutzung ist nicht zu beanstanden. Die Zuordnung der Freifläche zu den unterschiedlichen Nutzungen ist im Rahmen der Bewertung nach § 146 BewG ohne Bedeutung, da ausschließlich an die Erträge (erzielte bzw. übliche Miete) angeknüpft wird. Daraus ergibt sich im Streitfall eine gewerbliche Nutzung zu weniger als der Hälfte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1456 Nr. 9
HFR 2008 S. 1118 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2008 S. 6
YAAAC-83985