BFH Beschluss v. - XI B 191/07

Beträge, die der Unternehmer für Investitionen zahlt als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt; Anspruch auf rechtliches Gehör; Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde kein Revisionszulassungsgrund

Gesetze: UStG § 10 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde kann keinen Erfolg haben. Teilweise entspricht schon die Beschwerdebegründung nicht den vom Gesetz gestellten Anforderungen. Im Übrigen liegt keiner der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Zulassungsgründe vor.

1. Zwar ist nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO zuzulassen, wenn dem Finanzgericht (FG) ein schwerwiegender Fehler bei der Anwendung und Auslegung revisiblen Rechts unterlaufen ist, der die erstinstanzliche Entscheidung als objektiv willkürlich und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheinen lässt (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VII B 357/06, BFH/NV 2008, 113; vom XI B 83/07, BFH/NV 2007, 2141, jeweils m.w.N.). Derartige Umstände hat die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aber weder i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO substantiiert dargelegt, noch sind sie ersichtlich. Soweit sie die Gründe der Vorentscheidung als „schlicht abwegig” oder „nicht mehr nachvollziehbar” beurteilt, handelt es sich um Wertungen, die der Senat nicht teilt.

Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ist allein kein Revisionszulassungsgrund. Gegenteiliges lässt sich auch nicht Gräber/Ruban (Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 68) entnehmen. Auch dort wird für die Revisionszulassung eine objektive Willkür bzw. eine greifbare Gesetzwidrigkeit der Vorentscheidung vorausgesetzt.

2. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) begehrt, entspricht die Beschwerdebegründung nicht den von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gestellten Anforderungen. Eine ordnungsgemäße Divergenzrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer rechtserhebliche abstrakte Rechtssätze im Urteil des FG und in der Divergenzentscheidung so genau bezeichnet, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 116 Rz 42, m.w.N.). Die Klägerin hat lediglich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) einen abstrakten Rechtssatz abgeleitet und dargestellt, es aber unterlassen, diesem einen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz des FG gegenüber zu stellen. Letztlich rügt sie auch insoweit nur, das FG habe die vertraglichen Vereinbarungen unzutreffend ausgelegt.

Entsprechendes gilt für den Einwand der Klägerin, das FG habe zu Unrecht nicht die Rechtsprechung des (Slg. 1994, I-01679, Randnr. 9) berücksichtigt, wonach Entgelt nur sei, worüber der Unternehmer effektiv selbst verfügen könne. Die Klägerin hat auch insoweit keinen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz des FG-Urteils dargelegt. Im Übrigen ist der Fall, über den der EuGH in Slg. 1994, I-01679 zu entscheiden hatte, gänzlich anders gelagert, so dass auch deswegen eine Zulassung wegen Divergenz ausscheidet (vgl. dazu z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 53, m.w.N.). Der dortige Unternehmer, ein Aufsteller von Geldspielautomaten, war auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet, mindestens 60 % der Spieleinsätze an die Spieler auszuzahlen. Die Klägerin kann hingegen die streitigen Zahlungen der Landkreise ungekürzt für Investitionen verwenden.

Aus den genannten Gründen folgt auch aus einer verkürzten und nach Auffassung der Klägerin im Ergebnis vom FG unrichtig wiedergegebenen Rechtsprechung des BFH noch kein Grund für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

3. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung bzw. aus Gründen der Notwendigkeit der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alternative FGO) zuzulassen. Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass sich aus den Urteilen des (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2005, 1970) und des (EFG 2006, 601) Abweichungen zur Vorentscheidung ergeben können. Eine Zulassung der Revision scheidet gleichwohl aus, weil der V. Senat des BFH mittlerweile mit Urteilen vom V R 60/05 und V R 63/05 die Urteile der FG aufgehoben hat. Soweit er im Fall des FG Düsseldorf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Übernahme der Abfallentsorgung und dem zur Stärkung des Eigenkapitals überlassenen Veräußerungsgewinn verneint hat, weil dieser nicht auf Grund eines gegenseitigen Vertrages gezahlt wurde, sondern aus Gründen, die im Gesellschaftsverhältnis begründet waren, liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen einer nachträglichen Divergenz (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 44) nicht vor. Das FG hat nicht festgestellt und die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass der die streitigen (Zusatz-)Entgelte zahlende Landkreis ihr Gesellschafter gewesen sei.

4. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen Verletzung des Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes („Überraschungsentscheidung”) zuzulassen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) hat schon in der Einspruchsentscheidung vom die Zurückweisung des Einspruchs sowohl auf das Vorliegen eines umsatzsteuerlichen Entgelts als auch auf § 14 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993 gestützt. Nachdem es in der mündlichen Verhandlung an der zweiten Begründungsalternative nicht mehr festhielt, musste die Klägerin damit rechnen, dass das FG über die Alternativbegründung in der Einspruchsentscheidung, nämlich ob die Zuwendungen der Landkreise umsatzsteuerlich „Entgelt” waren, entscheiden würde. Dabei war das FG nicht verpflichtet, die einzelnen für seine Entscheidung erheblichen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten (vgl. , BFH/NV 2007, 962).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1549 Nr. 9
DAAAC-83979