Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: KSchG § 1 Abs. 5; KSchG § 1 Abs. 3
Instanzenzug: ArbG Ludwigshafen, 4 Ca 1317/04 vom LAG Rheinland-Pfalz, 11 Sa 289/06 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten - soweit noch von Interesse - über die Wirksamkeit einer von der Beklagten auf betriebliche Gründe gestützten ordentlichen Kündigung.
Die 1974 geborene Klägerin trat 1998 als Kassiererin/Verkäuferin in die Dienste der Beklagten, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt und deutschlandweit in einer Vielzahl von Filialen Elektroartikel vertreibt. In § 2 des Arbeitsvertrags heißt es:
"Tätigkeit und Arbeitsgebiet
1. Das Arbeitsgebiet umfasst, soweit vorhanden, die in der Stellenbeschreibung ausgeführten Tätigkeiten.
2. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers auch eine andere seiner Stellung und seinen Fähigkeiten entsprechende, zumutbare Tätigkeit innerhalb der P-Unternehmensgruppe zu übernehmen."
Die Beklagte hat in ihrer Zentrale in B eine zentrale Personalabteilung für alle Filialen eingerichtet. Dort werden die Personalakten geführt. In den einzelnen Filialen, so auch in der Filiale der Klägerin, wird eine Urlaubs- und Abwesenheitskartei geführt. Arbeitsverträge, Kündigungen, Abmahnungen und sonstige arbeitsvertragliche Änderungen werden von der zentralen Personalabteilung in B schriftlich umgesetzt. Die Frage, ob und wie viele betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden, wird zentral von der Personalabteilung in B entschieden. Betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsverfahren nach den §§ 99, 102 BetrVG werden ebenfalls von der Zentrale in B aus durchgeführt.
Im Fall notwendig werdender verhaltens- und personenbedingter Kündigungen teilt der jeweilige Marktleiter dies dem Personalleiter in der Personalabteilung mit. Der Personalleiter steht dann beratend dem Marktleiter zur Seite. Sollte es zu einer Kündigung kommen, spricht diese der Personalleiter aus. Die Personalführung vor Ort, zB die Zeiterfassung, Einsatzplanung, Urlaubsplanung, das Direktionsrecht sowie das Führen von Mitarbeitergesprächen obliegt dem Marktleiter in der jeweiligen Filiale.
Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien vom August 1998 war die Klägerin anfangs in der Filiale L Rh beschäftigt und wurde später auf ihren Wunsch in die Filiale L R versetzt. Hierüber erhielt sie ein von der Zentrale in B ausgefertigtes Schreiben. Ein Gespräch mit dem Marktleiter der Filiale L R hatte vor der Versetzung nicht stattgefunden. Bei der Eröffnung einer weiteren Filiale in S wurde sie für einige Tage in diese Filiale versetzt. Außerdem erhielt sie aus der Zentrale in B verschiedentlich weitere Schriftstücke über Vertragsänderungen, die Arbeitszeitdauer und Lohnerhöhungen betrafen. Die Änderungen waren nicht mit dem jeweiligen Marktleiter verhandelt worden.
Am entschloss sich die Beklagte, die Filiale in L R zum zu schließen. Grund hierfür waren Verluste. Die Filiale wurde auch tatsächlich zum angegebenen Zeitpunkt geschlossen.
Die Beklagte vereinbarte mit dem für die Filiale der Klägerin zuständigen, nach § 3 BetrVG vereinbarten Betriebsrat einen Interessenausgleich, dem eine Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer beigefügt war. Auf dieser Namensliste steht auch die Klägerin. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom zum . Eine Sozialauswahl führte die Beklagte nicht durch, insbesondere nicht mit Mitarbeitern anderer Filialen in der Umgebung.
Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Ihre Beschäftigungsfiliale sei kein eigenständiger Betrieb. Da lediglich die Schließung eines Betriebsteils vorliege, fehle es bereits an einem betriebsbedingten Kündigungsgrund. Aus demselben Grunde lägen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG nicht vor. Die Klägerin, die die Beklagte zur Bekanntgabe der Namen und Sozialdaten sämtlicher bei ihr beschäftigter Verkäuferinnen/Kassiererinnen erfolglos aufgefordert hat, hält die Sozialauswahl für grob fehlerhaft. Die Beklagte habe den auswahlrelevanten Personenkreis verkannt. Auf Grund der vertraglichen Versetzungsklausel habe die Beklagte sie in andere Filialen versetzen können.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom - zugegangen am - ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hält die Kündigung für rechtswirksam. Nach § 1 Abs. 5 KSchG sei die Betriebsbedingtheit zu vermuten und die Sozialauswahl nur auf ihre etwaige grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen. Grob fehlerhaft sei die Sozialauswahl nicht, weil der Beurteilung des auswahlrelevanten Personenkreises durch die Betriebspartner Präferenz eingeräumt werden müsse. Außerdem sei die Beschäftigungsfiliale ein eigenständiger Betrieb gewesen. Die Klägerin habe es versäumt, sozial besser gestellte Arbeitnehmer in anderen Filialen zu benennen. Deren Namen und Sozialdaten habe sie vom Betriebsrat erfahren können. Die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag sei zu unbestimmt und damit unwirksam. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
Die Revision ist unbegründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam.
Die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft iSd. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG. Der Vortrag der Klägerin belege so substantiiert, wie es der Klägerin möglich gewesen sei, dass es sich bei der Beschäftigungsfiliale nicht um einen selbständigen Betrieb handele. Dagegen reiche das Gegenvorbringen der Beklagten nicht aus, um den Vortrag der Klägerin zu entkräften. Auf eine etwaige Unwirksamkeit der vertraglichen Versetzungsklausel könne sich die Beklagte nach § 242 BGB nicht berufen, zumal sie von der Klausel tatsächlich Gebrauch gemacht habe.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis, wenn auch nicht in allen Teilen der Begründung.
I. Die Würdigung, die Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil die von der Beklagten getroffene Sozialauswahl grob fehlerhaft (iSd. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG) sei, steht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.
1. Der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit bezieht sich auch dann auf die Bildung des auswahlrelevanten Personenkreises, wenn es um die Frage geht, ob Arbeitnehmer einer anderen Arbeitsstätte in die Auswahl einzubeziehen sind ( -). Grob fehlerhaft ist eine soziale Auswahl nur, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt ( -). Durch § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG soll den Betriebspartnern ein weiter Spielraum bei der Sozialauswahl eingeräumt werden. Das Gesetz geht davon aus, dass ua. durch die Gegensätzlichkeit der von den Betriebspartnern vertretenen Interessen und durch die auf beiden Seiten vorhandene Kenntnis der betrieblichen Verhältnisse gewährleistet ist, dass dieser Spielraum angemessen und vernünftig genutzt wird. Nur wo dies nicht der Fall ist, sondern der vom Gesetzgeber gewährte Spielraum verlassen wird, so dass der Sache nach nicht mehr von einer "sozialen" Auswahl die Rede sein kann, darf grobe Fehlerhaftigkeit angenommen werden.
2. Diesen Vorgaben genügt die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht. Es hat allein aus dem Umstand, dass der Sozialauswahl die - nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts: falsche - Annahme zugrunde lag, die Beschäftigungsfiliale sei ein eigenständiger Betrieb, entnommen, die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft. Dagegen ist die Sozialauswahl wegen nicht richtiger Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises nur dann grob fehlerhaft, wenn die Fehlerhaftigkeit dieser Bestimmung selbst grob ist, also "ins Auge springt" ( -). Solange, wie in dem der Entscheidung vom zugrunde liegenden Fall, gut nachvollziehbare und ersichtlich nicht auf Missbrauch zielende Überlegungen für die - etwa sogar auch fehlerhaft - getroffene Eingrenzung des auswahlrelevanten Personenkreises sprechen, ist die Grenze der groben Fehlerhaftigkeit unterschritten. Zu der Frage, ob hier eine solche grobe Verkennung vorlag, hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar, weshalb die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).
1. Die Klage ist begründet. Ob die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die der Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstünden, bedingt ist, kann offenbleiben. Jedenfalls ist sie sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, weil die Sozialauswahl nicht ausreichend vorgenommen wurde.
a) Die Betriebsbedingtheit der Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermuten.
aa) Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Abs. 2 bedingt ist, wenn bei der Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind. Die Vermutungsbasis, dass eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorlag und für die Kündigung des Arbeitnehmers kausal war und dass der Arbeitnehmer ordnungsgemäß in einem Interessenausgleich benannt ist, hat dabei der Arbeitgeber substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen (Senat - 2 AZR 254/06 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12; ebenso zu § 1 Abs. 5 KSchG aF: Senat - 2 AZR 55/98 - BAGE 88, 375, zu II 1a der Gründe; - 2 AZR 111/02 -AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11, zu C II der Gründe).
bb) Die Beklagte hat sich darauf berufen, es habe eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung eines ganzen Betriebs vorgelegen (§ 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG). Nach den - freilich in Bezug auf § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG getroffenen -Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte die Voraussetzungen für eine Betriebsstilllegung jedoch nicht ausreichend dargelegt. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich nicht, dass es sich bei der stillgelegten Filiale um einen Betrieb oder wesentlichen Betriebsteil handelt.
(1) Betrieb ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden ( - BAGE 68, 67, zu B II 1 der Gründe; - 1 ABR 26/01 -AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 8, zu B II 1 a der Gründe). Ein Betriebsteil ist zwar auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert, ihm gegenüber aber organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt ( - aaO mwN). Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb iSv. § 1 BetrVG (Senat - 2 AZR 254/06 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12).
(2) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe jedenfalls für die Beschäftigungsfiliale der Klägerin keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines selbständigen Betriebs vorgetragen. Es hat keineswegs, wie die Revision geltend macht, schlichtweg die fehlende Unterschriftsbefugnis des Filialleiters als entscheidend angesehen. Es hat sich im Gegenteil eingehend mit dem Vortrag der Parteien und insbesondere der Beklagten befasst, auch soweit die Beklagte behauptet hatte, der Filialleiter der Klägerin habe dieselben Kompetenzen gehabt wie ein Filialleiter in H. Dieses Vorbringen hat das Landesarbeitsgericht deshalb für nicht ausreichend angesehen, weil es konkrete Darlegungen zu den Kompetenzen des H Filialleiters vermisst hat. Für die Würdigung des Landesarbeitsgerichts spricht auch die unbestritten gebliebene Feststellung, dass sämtliche betriebsverfassungsrechtlichen Fragen nicht vom Filialleiter der Klägerin bearbeitet wurden, sondern - und zwar ausschließlich - von der Zentrale in B. Der Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass in grenzwertigen Personalfragen die Zentrale in B entschied, hat die Revision nicht widersprochen. Die Richtigkeit des vom Landesarbeitsgericht gewonnenen Ergebnisses belegt auch die unbestritten gebliebene Behauptung der Klägerin, sie sei in ihre letzte Beschäftigungsfiliale durch ein Schreiben der Zentrale versetzt worden, ohne dass mit dem Filialleiter ein Gespräch geführt worden wäre. Der weitere Umstand, dass nicht hinsichtlich eines einzigen der zahlreichen von der Klägerin benannten vertraglichen oder sonstigen Einzelvorgänge eine auch nur teilweise Mitwirkung des Filialleiters auch nur angedeutet worden wäre, rundet schließlich den Befund ab.
(3) Dass der Senat in der Entscheidung vom (- 2 AZR 36/05 -) angenommen hat, bei der dortigen Filiale der Beklagten in H habe es sich um einen eigenständigen Betrieb gehandelt, kann nichts an dem vorstehenden Ergebnis ändern. Es handelte sich in dem damaligen Fall um eine andere Filiale und es ging um einen anderen Zeitraum. Dass die Stellungen der Filialleiter von Fall zu Fall unterschiedlich sein konnten, ist vom Landesarbeitsgericht auf Grund der Erklärungen des von der Beklagten selbst in den Berufungstermin entsandten Mitarbeiters festgestellt worden. Überdies beruhten die Feststellungen in dem Urteil vom (aaO) auf dem dort von den Parteien vorgetragenen und vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachenstoff, der sich maßgeblich von den hier vorgetragenen Tatsachen unterschied.
cc) Das Vorliegen anderer Formen der Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG hat die Beklagte nicht behauptet. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Filiale einen wesentlichen Betriebsteil gebildet hätte. Auch mit der Revision macht die Beklagte Derartiges nicht geltend, wie sie in der Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage ausdrücklich erklärt hat.
b) Da die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG nicht vorliegen, kommt es auch nicht darauf an, ob die Sozialauswahl grob fehlerhaft iSd. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG war.
c) Ob die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt war, kann dahinstehen.
d) Die Kündigung ist nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG unwirksam. Die Beklagte hat bei der Auswahl der Klägerin die im Gesetz aufgeführten sozialen Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt. Dies ist jedenfalls zu vermuten.
aa) Hat der Arbeitgeber entgegen § 1 Abs. 3 KSchG keine Sozialauswahl vorgenommen, so spricht eine vom Arbeitgeber auszuräumende tatsächliche Vermutung dafür, dass die Auswahl auch im Ergebnis sozialwidrig ist ( - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33; - 2 AZR 580/88 - BAGE 62, 116). Der Arbeitgeber muss dann darlegen, weshalb trotz der gegen § 1 Abs. 3 KSchG verstoßenden Überlegungen ausnahmsweise im Ergebnis soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt sein sollen ( - EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 47).
bb) Die Beklagte hat unstreitig keine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG vorgenommen, weil sie davon ausgegangen ist, die Filiale L R bilde einen eigenständigen Betrieb, so dass bei Entlassung aller Arbeitnehmerinnen sich eine Sozialauswahl erübrige. Die Unterlassung einer sozialen Auswahl bei der Kündigung der Klägerin war damit nach § 1 Abs. 3 KSchG nur dann nicht zu beanstanden, wenn entweder festgestellt war, dass die Filiale L tatsächlich einen eigenständigen Betrieb der Beklagten bildete, oder nach dem Parteivorbringen davon auszugehen war, dass in den anderen Filialen der Beklagten keine mit der Klägerin vergleichbaren Arbeitnehmer tätig waren.
cc) Weder das eine noch das andere ist der Fall.
(1) Die Klägerin hatte, wie ausgeführt, hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ihre Beschäftigungsfiliale kein eigenständiger Betrieb war.
Dass die Darlegungen der Beklagten nicht ausreichten, trotz dieser Anhaltspunkte den Schluss auf das Vorliegen eines eigenständigen Betriebs zu rechtfertigen, wurde oben ebenfalls im Einzelnen ausgeführt. Bei dieser Lage ist die Beklagte ihrer - sekundären - Darlegungslast (vgl. - EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 47) nicht nachgekommen.
(2) Dass mit der Klägerin vergleichbare Arbeitnehmerinnen in den in Betracht kommenden anderen Filialen nicht beschäftigt würden, hat die Beklagte selbst nicht behauptet.
(3) Der Einwand der Revision, die Klägerin habe entgegen § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG vergleichbare Arbeitnehmer aus anderen Filialen und deren Sozialdaten nicht benannt, kann nicht verfangen. Die Klägerin hatte die Beklagte insoweit zur Auskunft aufgefordert (§ 1 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. KSchG). Dem hätte die Beklagte nachkommen müssen. Da sie es nicht getan hat, ist die Behauptung der Klägerin, der Arbeitgeber habe soziale Gesichtspunkte insoweit nicht ausreichend berücksichtigt, als unstreitig anzusehen (vgl. - BAGE 62, 116).
dd) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte könne sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf eine vielleicht gegebene Unwirksamkeit der im Vertrag enthaltenen Versetzungsklausel berufen. Es verstößt gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, wenn sich die Beklagte als Verwenderin einer uU nach § 305c Abs. 2 BGB (Überraschung) oder § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (unangemessene Benachteiligung) unwirksamen Klausel einerseits wiederholt auf diese Klausel berufen hat und dann deren Unwirksamkeit geltend macht, um darzulegen, die Klägerin dürfe sich auf diese Klausel rechtens nicht stützen. Die Vorschriften, auf die sich die Beklagte beruft, dienen dem Schutz des Verbrauchers vor Vertragsgestaltungen, die ihn in nicht mehr hinzunehmender Weise benachteiligen oder überraschen. Der Versuch der Beklagten, diesen Schutz einerseits nicht zu gewähren, andererseits seine rechtliche Wirkung in eine prozessuale Waffe umzuschmieden, mit deren Hilfe eigene soziale Pflichten abgewehrt werden sollen, ist zumindest widersprüchlich.
C. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision fallen der Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2008 S. 2356 Nr. 43
DB 2008 S. 1577 Nr. 28
NJW 2008 S. 2940 Nr. 40
TAAAC-83093
1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein