Anspruch auf Akteneinsicht
Gesetze: FGO § 78
Instanzenzug:
Gründe
I. Streitpunkt ist die Gewährung von Akteneinsicht.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, hat beim Finanzgericht (FG) Köln Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer 2000, 2001 und 2002 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom erhoben (Az. des FG: 10 K 1400/07). In der Klageschrift hat sie Akteneinsicht in die Gerichtsakten sowie in die durch das Gericht beigezogenen Akten des Besteuerungsverfahrens beantragt.
Das FA hat daraufhin mit Schreiben vom „3 Bände Steuerakten (Rb-Akte, USt-Akte, Betriebsprüfungsakte)” übersandt. Diese Akten übersandte das FG am dem FA X, wo der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin am 14. und Einsicht nahm.
Bei den Gerichtsakten 10 K 1400/07 befindet sich darüber hinaus eine weitere Akte des FA, nämlich die Akte „Haftung”.
Mit Schriftsatz vom machte die Antragstellerin geltend, die gewährte Akteneinsicht sei „völlig untauglich” gewesen. Der vorgelegte Akteninhalt sei nicht nummeriert gewesen. Ferner seien „die Akten zur Umsatzsteuer 2000 bis 2002 nicht vorgelegt” worden. Diese Akten seien „Grundlage für die falsche Festsetzung der Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer”. Wegen der fehlenden Nummerierung sei eine Bezugnahme auf den Akteninhalt nicht möglich.
Zur weiteren Rechtsverfolgung und zur weiteren Begründung des anhängigen Klageverfahrens würden „sämtliche” von dem FA geführten Steuerakten der Antragstellerin zur Einsichtnahme benötigt. Dazu gehörten insbesondere die Feststellungsakten, die Umsatzsteuerakten, die Bilanzakten, die Betriebsprüfungsakten und weitere vorhandene Nebenakten.
Das FG lehnte den „Antrag auf Einsicht in sämtliche beim FA geführten Akten” ab. Es führte zur Begründung u.a. aus, das FA habe folgende Akten übersandt:
- "1 Bd. Umsatzsteuerakte (enthaltend die Jahre 1998 bis 2002 einschließl. Einspruchsentscheidung zur USt 2000 bis 2002),
- 1 Bd. BP-Akten
- 1 Bd. Rechtsbehelfsakte zu Hinterziehungszinsen USt 2000 bis
2002”.
Nach § 78 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) habe die Antragstellerin nur Anspruch auf Einsicht in die Akten, die das Gericht für seine Entscheidung benötige. Zur Entscheidung des Rechtsstreits reichten die Umsatzsteuerakten einschließlich der Rechtsbehelfsakten aus. Die Antragstellerin habe nicht dargelegt, wieso die Feststellungs-, Bilanz- und weitere Akten für den Rechtsstreit von Bedeutung sein könnten.
Der hiergegen erhobenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.
II. Die gemäß § 128 Abs. 1 FGO statthafte Beschwerde (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VII B 55/91, BFH/NV 1992, 403; vom VI B 63/02, BFH/NV 2004, 207) ist unbegründet. Das FG hat dem Gesuch der Antragstellerin auf Einsicht in weitere Steuerakten des FA zu Recht nicht entsprochen.
1. Gemäß § 78 Abs. 1 FGO haben die Beteiligten Anspruch auf Einsicht in die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten. Zu den letztgenannten Akten gehören die den Streitfall betreffenden, dem FG gemäß § 71 Abs. 2 FGO vorgelegten Akten der beteiligten Behörde, hier also jene des FA (, BFH/NV 2001, 622; Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 78 Rz 3).
Ein Anspruch auf Einsicht in Akten, die dem Gericht nicht vorliegen, besteht nicht (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2001, 622; vom VII B 321/02, BFH/NV 2004, 499; vom VII B 347/02, BFH/NV 2004, 511; vom XI B 59/06, BFH/NV 2007, 737).
2. Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin am 14. und beim FA X Akteneinsicht genommen.
a) Der Senat geht nach Durchsicht der FG-Akte davon aus, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin dabei sämtliche vom FA dem FG vorgelegten Steuerakten, also auch die Akte „Haftung” eingesehen hat. Diese Akte wird zwar weder in dem Schreiben vom , mit dem das FA die Steuerakten übersandt hat, noch in dem Schreiben des FA X vom über die erfolgte Akteneinsicht, noch in dem angefochtenen Beschluss des FG erwähnt. Nach Aktenlage muss diese Akte aber vom FA mit dem Schreiben vom übersandt —aber versehentlich in diesem Schreiben und dann fortlaufend nicht erwähnt— worden sein; einen gegenteiligen Anhaltspunkt gibt es nicht.
Ebenso wenig gibt es nach Lage der Akten einen Anhaltspunkt für die Richtigkeit der nicht belegten Behauptung der Antragstellerin, die Umsatzsteuerakte sei ihr nicht zur Einsichtnahme vorgelegt worden.
b) Hiervon ausgehend besteht nach der dargelegten Rechtsprechung kein Anspruch der Antragstellerin auf Einsicht in weitere Steuerakten.
c) Dass die vom FA vorgelegten Steuerakten nicht nummeriert (paginiert) sind, ist unerheblich.
Es entspricht einem allgemein im Recht der Dokumentationspflichten anerkannten Rechtsgrundsatz —der auch auf die Verwaltungsaktenführung anzuwenden ist—, dass eine dem äußeren Anschein nach ordnungsgemäß geführte Dokumentation grundsätzlich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat (vgl. Urteil des Oberverwaltungsgerichts —OVG— Rheinland-Pfalz vom 7 A 10880/91, Deutsches Verwaltungsblatt —DVBl— 1991, 1367, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht —NVwZ— 1992, 384). Die dem FG vorgelegten Steuerakten vermitteln —wovon sich der Senat im Einzelnen überzeugt hat— den Eindruck inhaltlicher Geschlossenheit. Dem inhaltlichen Zusammenhang der Vorgänge nach drängt sich in keiner Weise das Fehlen irgendwelcher Vorgänge auf. Dazu hat die Antragstellerin auch nichts vorgetragen.
Soweit die Antragstellerin das Fehlen einer durchlaufenden Paginierung —was zutrifft— rügt, ist eine solche zwar wünschenswert; sie kann aber durch andere nachvollziehbare Ordnungsprinzipien, wie das Einheften nach der zeitlichen Reihenfolge der Vorgänge, ersetzt werden (vgl. Urteil des OVG Rheinland-Pfalz in DVBl 1991, 1367, NVwZ 1992, 384).
Dementsprechend hat auch der BFH eine fehlende Paginierung der einem FG vom FA vorgelegten Akten nicht beanstandet (vgl. , BFH/NV 2002, 674).
Entgegen der Behauptung der Antragstellerin ist trotz fehlender Nummerierung der Steuerakten eine Bezugnahme auf den Akteninhalt möglich (vgl. z.B. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10 C 99.3695, NVwZ 2000, 693, Bayerische Verwaltungsblätter 2001, 251).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAC-82771