Übergehen eines Beweisantrags; Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht sowie Hinweispflicht des FG; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Gesetze: FGO § 76, FGO § 96, FGO § 115 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Beschwerdebegründung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) entspricht nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert eine ordnungsgemäße Begründung i.S. von § 116 Abs. 3 FGO, dass sich der Beschwerdeführer mit den Gründen der Vorentscheidung auseinandersetzt. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss aus sich heraus erkennen lassen, dass der Beschwerdeführer anhand der Gründe des finanzgerichtlichen Urteils sein bisheriges Vorbringen überprüft hat (vgl. z.B. , BFHE 136, 521, BStBl II 1983, 48). Sie muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss erkennen lassen, welche Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art nach Ansicht des Beschwerdeführers das angefochtene Urteil als unrichtig erscheinen lassen und welche Gesichtspunkte dem entgegengestellt werden (BFH-Entscheidungen vom IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470; vom I R 108/81, BFHE 144, 40, BStBl II 1985, 523).
Eine Verweisung auf die Begründung in einem anderen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist deshalb grundsätzlich nicht ausreichend, denn die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss aus sich selbst heraus erkennen lassen, dass der Beschwerdeführer sich mit der angegriffenen Entscheidung auseinandergesetzt hat. Ausnahmsweise reicht, dass eine Abschrift des in Bezug genommenen Schriftsatzes eingereicht und ausdrücklich zum Gegenstand des Vortrags gemacht wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII R 307/81, BFH/NV 1987, 793, und vom VIII R 104/83, BFH/NV 1988, 306, jeweils m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zwar ausdrücklich auf ihr Vorbringen in den Verfahren X B 92/07, X B 100/07, X B 101/07 und X B 103/07 sowie in einem späteren Schriftsatz auf das Verfahren X B 132/07 Bezug genommen, jedoch keine Abschrift der in jenen Rechtssachen eingereichten Schriftsätze beigefügt.
Damit ist zu prüfen, ob der verbleibende Inhalt der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde für sich allein den oben beschriebenen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beschwerde genügt. Diese Frage ist unter Berücksichtigung der Schriftsätze vom und vom zu verneinen.
2. Die von der Klägerin gerügten Unrichtigkeiten im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils sind nicht im Rechtsmittelverfahren beim BFH, sondern nur mit einem fristgebundenen Antrag auf Tatbestandsberichtigung beim Finanzgericht —FG— (§ 108 FGO) geltend zu machen (Senatsbeschluss vom X B 206/05, BFH/NV 2006, 1877).
3. Die Klägerin legt einen Verstoß des FG gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht in der gebotenen Weise dar.
a) Die formgerechte Rüge mangelnder Sachaufklärung durch Nichterhebung angebotener Beweise setzt voraus, dass der Beschwerdeführer die ermittlungsbedürftigen Tatsachen (Beweisthemen), die angebotenen Beweismittel, die genauen Fundstellen (Schriftsatz oder Terminsprotokoll, in denen die Beweismittel benannt worden sind, die das FG nicht erhoben hat), das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme, inwieweit das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann, darlegt und ausführt, dass —sofern die Voraussetzungen des § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben sind— bei nächster sich bietender Gelegenheit die Nichterhebung der Beweise gerügt worden ist oder dass die Absicht des FG, die angebotenen Beweise nicht zu erheben, nicht rechtzeitig erkennbar war, um dies noch vor dem FG rügen zu können (Senatsbeschluss vom X B 142/03, nicht veröffentlicht —n.v.—).
b) Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Schriftsatz der Klägerin vom enthält weitgehend nur unbeachtliche Bezugnahmen auf die Begründungen anderer Beschwerdeverfahren und die dort erhobenen Einwände, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt. Im Streitfall erhebt die Klägerin nur den Einwand, das FG sei „aufgetreten, als wüsste es über alles Bescheid” und habe „Zeugen nicht hören wollen”. Dieses Vorbringen genügt nicht den vorgenannten Grundsätzen.
4. Die weitere Rüge, das FG habe „in einer Art Sippenhaft” die Feststellungen und Zurechnungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) aus dem Fahndungsbericht übernommen, führt nicht zur Zulassung der Revision. In der damit sinngemäß erhobenen Rüge der fehlerhaften Beweiswürdigung durch das FG liegt keine Rüge eines Verfahrensfehlers, sondern ein Angriff auf die materiell-rechtliche Auffassung des FG. Diese rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision (s. hierzu z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 76 und 82, m.w.N. aus der Rechtsprechung).
5. Die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO) wegen einer Überraschungsentscheidung des FG und unterbliebenen Sachvortrags und Rechtsgesprächs in der mündlichen Verhandlung wird nicht hinreichend dargelegt.
a) Das FG trifft eine Überraschungsentscheidung und verstößt damit gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, §§ 76 und 96 FGO, wenn es seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (Beschlüsse des , BVerfGE 84, 188, sowie des , BFH/NV 2002, 944; vom X B 56/01, BFH/NV 2002, 947, und vom XI B 22/06, BFH/NV 2007, 909, m.w.N.). Der Verfahrensmangel wird nicht schlüssig dargelegt. Allein die Behauptung, dieses Verfahren habe ein „Schattendasein” geführt, kann keine Überraschungsentscheidung begründen. Die Klägerin führt zudem weder aus, was sie noch hätte vortragen wollen, noch inwiefern ihr Vortrag zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können.
b) Mit der Rüge, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem entgegen § 92 Abs. 2, § 93 Abs. 1 FGO der Sachbericht in den mündlichen Verhandlungen nicht vorgetragen und über die Sache kein Rechtsgespräch geführt worden sei, legt die Klägerin den behaupteten Verfahrensmangel nicht schlüssig dar.
Da etwaige Verstöße im Zusammenhang mit § 92 Abs. 2 FGO und § 93 Abs. 1 FGO zu den Mängeln gehören, auf die gemäß § 295 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO verzichtet werden kann (, n.v.), muss in der Beschwerdebegründung darauf eingegangen werden, ob eine solche Rüge in der nachfolgenden mündlichen Verhandlung erhoben worden ist oder aus welchem Grund dies nicht möglich war. Derlei Ausführungen fehlen. Die Klägerin hat nach den Niederschriften zu den mündlichen Verhandlungen weder beantragt, den Sachbericht des Streitfalles vortragen zu lassen, noch hat sie die Rüge erhoben, es sei kein Rechtsgespräch geführt worden. Zum Fortbestehen ihres Rügerechts äußert sich die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht, obwohl sie dieses nach Aktenlage verloren hat. Es ergibt sich außerdem aus den Niederschriften der mündlichen Verhandlungen vom und , dass der wesentliche Inhalt der Akten für die zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren (§ 73 Abs. 1 Satz 1 FGO) unter Einbeziehung der Streitsache vorgetragen und mit den Beteiligten erörtert worden (mündliche Verhandlung vom ) oder den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme vor Schließung der mündlichen Verhandlung am eingeräumt worden ist. Gemäß § 94 FGO i.V.m. § 165 ZPO ist (bis zum Nachweis der Fälschung und Protokollberichtigung, vgl. § 165 Satz 2 ZPO) davon auszugehen, dass das Protokoll richtig ist (Gräber/Koch, a.a.O., § 94 Rz 22) und sowohl Sachvortrag als auch Rechtsgespräch stattgefunden haben.
Fundstelle(n):
WAAAC-81861