BGH Urteil v. - I ZR 51/05

Leitsatz

[1] a) Die Anforderungen an die Angabe von Preisen gemäß § 1 PAngV bestehen allein im Blick auf die unmittelbar angebotenen oder beworbenen Produkte, nicht auch für Produkte, die für die Verwendung der angebotenen oder beworbenen Produkte erforderlich oder mit diesen kompatibel sind.

b) Das Anbieten von Telefonendgeräten und Telefonanschlussdienstleistungen enthält im Hinblick auf die dem Durchschnittskunden bekannten Möglichkeiten, die Verbindungsdienstleistungen durch einen anderen Anbieter erbringen zu lassen ("Pre-Selection" oder "Call-by-Call"), nicht zugleich auch ein Angebot von Verbindungsdienstleistungen und ist für den Durchschnittskunden insoweit auch nicht irreführend.

Gesetze: PAngV § 1 Abs. 1 Satz 1; UWG § 5

Instanzenzug: LG München I, 9 HKO 18377/03 vom OLG München, 29 U 3386/04 vom

Tatbestand

Die Beklagte, die Deutsche Telekom AG, bezeichnet einen von ihr angebotenen ISDN-Telefonanschluss im Festnetz wie auch eine ihrer Tarifstrukturen für Entgelte von Verbindungen im Festnetz mit "T-ISDN xxl". Bei der Nutzung eines "T-ISDN xxl"-Telefonanschlusses werden - wie auch sonst - die Verbindungen von der Beklagten hergestellt und gemäß dem Tarif "T-ISDN xxl" abgerechnet, sofern nicht der Kunde seine Verbindungen durch dauerhafte Voreinstellung ("Pre-Selection") oder durch das Wählen einer bestimmten Kennziffer bei jeder einzelnen Verbindung ("Call-by-Call") durch einen anderen Anbieter herstellen lässt.

Die Beklagte bietet ferner das Versenden von Textnachrichten im Short Message Service (SMS) an. Diese Möglichkeit besteht auch für Kunden, die ihre Telefonverbindungen von einem anderen Anbieter herstellen lassen.

Im Juni 2003 verbreitete die Beklagte eine Werbebroschüre, bei der die beiden ersten Seiten wie folgt verkleinert wiedergegeben gestaltet waren:

Die Klägerin, die ein Mobilfunknetz betreibt, sieht hierin eine irreführende Werbung, weil die Beklagte mit dem Versprechen "50 freie SMS inklusive" auch ihren Tarif "T-ISDN xxl" bewerbe, ohne über die bei Inanspruchnahme dieses Tarifs anfallenden Verbindungsentgelte aufzuklären. Wegen der Kopplung zwischen dem beworbenen Telefonanschluss und dem Verbindungstarif handele die Beklagte auch der Preisangabenverordnung zuwider und zudem deshalb wettbewerbswidrig, weil sie die Grenzen der Gebühren für ihre Verbindungsdienstleistungen nicht aufzeige. Die Klägerin hat die Beklagte deswegen auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, zwischen den Parteien bestehe wegen der unterschiedlichen Märkte für Festnetz-Telefondienstleistungen und Mobilfunk-Dienstleistungen schon kein Wettbewerbsverhältnis. Da die Verbindungen von einem "T-ISDN xxl"-Anschluss durch andere Anbieter hergestellt werden könnten, gingen die angesprochenen Verkehrskreise auch nicht davon aus, dass mit der Werbung für einen solchen Anschluss zugleich Telefontarife beworben würden. Die Verbindung der Werbung für einen Anschluss mit dem Angebot, 50 SMS-Nachrichten kostenlos zu versenden, begründe ebenfalls kein einheitliches Angebot für Anschluss- und Verbindungsdienstleistungen. Es handele sich um ein aus einem kostenpflichtigen Teil und einem kostenlosen Teil gebildetes zulässiges Paketangebot. Auch seien die SMS-Festnetzdienstleistungen nicht Teil eines Telefontarifs, so dass es sowohl an der behaupteten Irreführung als auch an dem geltend gemachten Verstoß gegen die Preisangabenverordnung fehle. Zudem sei ein Anbieter von Festnetz-Telefondienstleistungen hinsichtlich seiner Informationspflichten durch § 27 Abs. 1 TKV privilegiert und die Beklagte ihren insoweit bestehenden Pflichten nachgekommen. Der Klageanspruch sei im Übrigen verjährt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch unter den Gesichtspunkten des Rechtsbruchs (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG und § 1 UWG a.F., jeweils i.V. mit § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 PAngV) und der Irreführung (§ 5 Abs. 1 UWG, § 3 UWG a.F.) für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

Gegenstand der angegriffenen Werbung seien neben den in der Broschüre genannten Geräten und dem Anschluss "T-ISDN xxl" auch die mit dem Tarif "T-ISDN xxl" abgerechneten Verbindungsleistungen. Unentschieden bleiben könne, ob das Versprechen von 50 kostenlosen SMS-Nachrichten eine Werbung für die sonstigen von der Beklagten angebotenen kostenpflichtigen Verbindungsdienstleistungen darstelle. Das einheitliche Bewerben dieser Leistungen und des Anschlusses ergebe sich aus dem funktionalen Zusammenhang zwischen einem Telefonanschluss und Verbindungsdienstleistungen: Ein Anschluss sei sinnlos, wenn über ihn keine Verbindungen hergestellt werden könnten, und die Inanspruchnahme von Verbindungsdienstleistungen setze einen Anschluss voraus. Diese funktional aufeinander bezogenen Leistungen biete die Beklagte einheitlich an; denn es bedürfe keiner gesonderten Willensbetätigung der Benutzer des beworbenen Anschlusses, um auch die Verbindungsdienstleistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen, sondern im Gegenteil einer besonderen Willensbetätigung, um die Verbindungsdienstleistungen eines anderen Anbieters anzunehmen. Ihrer sich daraus ergebenden Verpflichtung, auch die mit der Verbindungsherstellung verbundenen Kosten hinreichend deutlich zu machen, sei die Beklagte nicht nachgekommen. Da die Gebühren für die hergestellten Verbindungen nicht dargestellt würden, könne der angesprochene Verkehr die mit der Inanspruchnahme dieses Tarifs verbundene wirtschaftliche Belastung anhand der Angaben in der Werbebroschüre zu den Kosten eines "T-ISDN xxl"-Anschlusses nicht einschätzen. Der Umstand, dass die Beklagte ihre Verpflichtung gemäß § 27 Abs. 1 TKV erfüllt habe, lasse den Verstoß gegen die Preisangabenverordnung unberührt. Das Verhalten der Beklagten sei daher unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs sowie wegen Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise wettbewerbswidrig. Der Klageanspruch sei auch nicht verjährt.

II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte müsse in der beanstandeten Werbebroschüre nicht nur die Grundgebühr für den "T-ISDN xxl"-Telefonanschluss und die Preise für die dort angebotenen Telefongeräte, sondern auch die Entgelte nennen, die sie für die darüber herzustellenden Verbindungen berechne.

1. Die Beklagte verstößt insoweit nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, gegen die Bestimmungen der Preisangabenverordnung und handelt daher nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 UWG a.F.) wettbewerbswidrig. Für den durchschnittlichen Abnehmer von Telefondienstleistungen ist erkennbar, dass in der beanstandeten Werbebroschüre lediglich Telefonendgeräte und Telefonanschlüsse, nicht dagegen Verbindungsdienstleistungen angeboten werden.

a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV hat derjenige, der Letztverbrauchern gegenüber Waren oder Dienstleistungen gewerbsmäßig anbietet oder unter Angabe von Preisen bewirbt, die dafür zu zahlenden Endpreise anzugeben. Bei Leistungen können, soweit es üblich ist, gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 PAngV stattdessen Verrechnungssätze angegeben werden. Die Angaben müssen nach § 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV der allgemeinen Verkehrsauffassung und den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit entsprechen.

b) Die genannten Anforderungen bestehen allerdings allein im Blick auf die unmittelbar angebotenen oder beworbenen Produkte. Sie gelten dagegen nicht auch für Produkte, die lediglich - wie etwa benötigte Verbrauchsmaterialien, Zubehör- und Ersatzteile, Kundendienstleistungen und Leistungen, die mittels der angebotenen oder beworbenen Produkte in Anspruch genommen werden können - für die Verwendung der angebotenen oder beworbenen Produkte erforderlich oder mit diesen kompatibel sind. Der Anbieter oder Werbende ist daher nach der Preisangabenverordnung auch dann nicht zur Angabe der Preise solcher weiterer erforderlicher oder kompatibler Produkte verpflichtet, wenn er diese selbst in seinem Angebotsprogramm hat und daher gegebenenfalls immerhin indirekt mitbewirbt.

c) Der Senat hat allerdings eine nach der Preisangabenverordnung bestehende Verpflichtung der Anbieter von Mobiltelefonen bejaht, die für den Verbraucher mit dem Abschluss eines Netzkartenvertrags verbundenen Kosten deutlich kenntlich zu machen. Dem lag allerdings zugrunde, dass der kostenlose oder fast kostenlose Erwerb des Mobiltelefons mit dem Abschluss eines Netzkartenvertrags erkauft wurde, bei dem vielfach nicht unbeträchtliche Anschlussgebühren sowie insbesondere für einen bestimmten Zeitraum im Voraus festgelegte monatliche Grundgebühren und Gesprächsgebühren anfielen (vgl. BGHZ 139, 368, 376 ff. - Handy für 0,00 DM). Im Unterschied dazu steht es den Erwerbern der Produkte, welche die Beklagte in der von der Klägerin beanstandeten Werbebroschüre angeboten hat, frei, die Verbindungsdienstleistungen entweder generell im Wege einer dauerhaften Voreinstellung ("Pre-Selection") oder durch das Wählen einer bestimmten Kennziffer bei jeder einzelnen Verbindung ("Call-by-Call") durch einen anderen Anbieter erbringen zu lassen. Diese Möglichkeiten sind dem durchschnittlich informierten und verständigen Abnehmer von Telefondienstleistungen geläufig und können von ihm auch ohne jede Schwierigkeit in Anspruch genommen werden. Dementsprechend ist aus seiner Sicht mit dem Erwerb der von der Beklagten in der beanstandeten Werbebroschüre beworbenen Produkte - anders als bei einem allein über den Verbindungsdienst eines bestimmten Mobilfunkbetreibers einsetzbaren Mobiltelefon - noch keine Entscheidung oder immerhin nicht ohne Weiteres abzuändernde Vorentscheidung im Hinblick auf die Wahl des Anbieters der mit dem Gerät in Anspruch zu nehmenden Telefondienstleistungen verbunden. Der in der mündlichen Revisionsverhandlung erörterte Umstand, dass zumindest in der Vergangenheit wohl der größere Teil der Anschlussinhaber die von der Beklagten angebotenen Verbindungsdienstleistungen auch weiterhin in Anspruch genommen hat, führt insoweit zu keiner abweichenden Beurteilung.

d) Die Beklagte hat auch nicht dadurch gegen die Preisangabenverordnung verstoßen, dass sie in der von der Klägerin beanstandeten Broschüre für ihre SMS-Dienstleistungen ohne die Angabe von Preisen geworben hat. Eine Verpflichtung zur Angabe der (End-)Preise besteht bei einer Werbung - anders als bei einem Angebot - gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV nur dann, wenn diese unter Angabe von Preisen erfolgt.

2. Der durchschnittlich informierte und verständige Abnehmer von Telefondienstleistungen wird mit der beanstandeten Werbebroschüre auch nicht i.S. der § 5 UWG, § 3 UWG a.F. irregeführt. Insbesondere wird in der Broschüre ihm gegenüber nicht der unzutreffende Eindruck erweckt, der Erwerb der dort beworbenen Produkte verpflichte ihn dazu, weiterhin auch die Verbindungsdienstleistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Ebenso wenig hat er Anlass, die Werbung in der Broschüre als konkreten Hinweis auf die Verbindungsdienstleistungen der Beklagten zu verstehen.

III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht deshalb im Ergebnis als zutreffend dar (§ 561 ZPO), weil in der beanstandeten Werbeanzeige der Wert der beim Erwerb eines "T-ISDN xxl"-Anschlusses versprochenen 50 kostenlosen SMS-Nachrichten nicht genannt ist. Eine aus dem Verbot, die Entscheidungsfreiheit des Kunden durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen (§ 4 Nr. 1 UWG, § 1 UWG a.F.), abzuleitende Verpflichtung zur Angabe des Wertes der einzelnen Leistungen besteht bei Kopplungsangeboten und ebenso bei Zugaben nur ausnahmsweise dann, wenn ohne die Wertangabe die Gefahr besteht, dass der Verbraucher entweder durch unzureichende Information (vgl. BGHZ 151, 84, 89 - Kopplungsangebot I) oder durch Täuschung über den tatsächlichen Wert des Angebots und insbesondere über den Wert einer angebotenen Zusatzleistung (vgl. BGHZ 154, 105, 109 - Gesamtpreisangebot; , GRUR 2006, 161 Tz. 27 = WRP 2006, 69 - Zeitschrift mit Sonnenbrille) in unlauterer Weise beeinflusst wird. Davon aber kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.

IV. Danach ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzuweisen.

Fundstelle(n):
DB 2008 S. 1431 Nr. 26
OAAAC-81787

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja