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FG Berlin-Brandenburg Beschluss v. - 7 B 9160/05 B

Gesetze: AO § 69 S. 1, AO § 34, AO § 191 Abs. 1, AO § 119 Abs. 1, UStG 1999 § 17 Abs. 1 S. 2, UStG 1999 § 17 Abs. 2 Nr. 1, UStG 1999 § 13c, FGO § 69 Abs. 2 S. 2, FGO § 69 Abs. 3 S. 1

Haftungsauslösendes grobes Verschulden einer Geschäftsführerin durch Nichteinschaltung eines Steuerberaters zur Beurteilung der Umsatzsteuerfolgen eines Forderungsverzichts

Inhaltliche Bestimmtheit eines Umsatzsteuerhaftungsbescheids

Erlass eines Haftungsbescheids wegen Jahresumsatzsteuer vor Ergehen des Jahressteuerbescheids zulässig

Berücksichtigung der Lohnsteuer bzw. der Anfechtung eines Forderungsverzichts der Gläubiger des Steuerschuldners bei der Berechnung der Umsatzsteuerhaftung nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung

§ 13c UStG bei Steuerentstehung vor nicht anwendbar

Leitsatz

1. Hat eine finanziell angeschlagene GmbH hinsichtlich ihrer Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen in Millionenhöhe einen Forderungsverzicht der verbundenen Unternehmen gegen Besserungsschein vereinbart, so haftet die Geschäftsführerin der GmbH gemäß § 69 AO aufgrund grob fahrlässiger Pflichtverletzung nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung für nicht angemeldete und später ausgefallene Umsatzsteuer, wenn sie die Umsatzsteuervoranmeldung der GmbH für das Quartal des Forderungsverzichts durch eine Buchhalterin hat erstellen lassen, ohne sich bei einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe über die umsatzsteuerlichen Auswirkungen des Forderungsverzichts zu informieren, wenn deswegen die aus dem Forderungsverzicht der Gläubiger herrührende Korrektur des Vorsteuerabzugs der GmbH nach § 17 UStG nicht angemeldet worden ist, für die Umsatzsteuerrückzahlung ans Finanzamt auch keine finanziellen Rücklagen gebildet worden sind und die GmbH später zur Nachzahlung dieser Umsatzsteuer nicht mehr in der Lage ist.

2. Ein Umsatzsteuer-Haftungsbescheid, der als Haftungsansprüche mehrere Voranmeldungszeiträume und die Jahresumsatzsteuer aufführt, ist auch dann nicht inhaltlich unbestimmt, wenn nach einer Umsatzsteuersonderprüfung die Prüfungsfeststellungen aus technischen Gründen in einem unzutreffenden Quartal zusammengefasst worden sind und das so im Haftungsbescheid nachvollzogen wurde, wenn sich aber aus der Begründung des Haftungsbescheid ergibt, dass der Haftungsschuldner im Ergebnis für die Jahresumsatzsteuer in Anspruch genommen werden sollte.

3. Die Finanzbehörde kann auch nach Ablauf des Jahresbesteuerungszeitraums und auch nach Erlass eines Jahresumsatzsteuerbescheides noch Haftungsbescheide für einzelne Voranmeldungszeiträume erlassen; sie ist nach Ablauf des Veranlagungszeitraums auch dann schon berechtigt, Haftungsansprüche wegen der Jahresumsatzsteuer geltend zu machen, wenn noch kein Jahressteuerbescheid gegen den Steuerschuldner ergangen ist.

4. Nimmt das Finanzamt den Haftungsschuldner wegen ausgefallener Umsatzsteuer nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung in Anspruch, ist im Rahmen der Berechnung der Tilgungsquote die im Haftungszeitraum getilgte Lohnsteuer weder bei den Gesamtverbindlichkeiten noch bei den geleisteten Zahlungen zu berücksichtigen. Wird ein von Gläubigern des Steuerschuldners zunächst gewährter Forderungsverzicht nach Ablauf des Haftungszeitraums durch eine Anfechtung bestritten, ist die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten im Haftungszeitraums um die Anfechtungsansprüche zu erhöhen (Ausführungen zum Beginn des Haftungszeitraums und zur Berechnung der Haftungsquote und des Haftungsbetrags).

5. § 13c UStG kommt nicht zur Anwendung, wenn die Umsatzsteuerforderungen bereits vor dem entstanden sind.

Tatbestand

Fundstelle(n):
BBK-Kurznachricht Nr. 15/2008 S. 774
OAAAC-81641

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