BAG Beschluss v. - 1 ABR 65/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ArbGG § 83a Abs. 2; BetrVG § 99 Abs. 4

Instanzenzug: ArbG Bremen, 10h BV 124/03 vom ArbG Bremen, 10h BV 124/03 vom LAG Bremen, 2 TaBV 4/05 vom

Gründe

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob das zunächst auf die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu 51 Versetzungen und die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit vorläufiger personeller Maßnahmen gerichtete Verfahren erledigt ist.

A. Die Arbeitgeberinnen sind bundesweit agierende Unternehmen im Bereich der Telekommunikation. Sie beschäftigten in einer Betriebsstätte in B insgesamt 72 Arbeitnehmer. Für diese wurde im Frühjahr 2002 ein Betriebsrat errichtet. Ab Dezember 2002 führten die Arbeitgeberinnen unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats bundesweit eine Neustrukturierung der betrieblichen Organisationseinheiten durch. Die Region Nord, zu der B gehört, wurde auf die Standorte H und Be reduziert. Die B Vertriebsgruppe wurde zum der neu gebildeten Vertriebsdirektion H zugeordnet. Außerdem wurden die B Mitarbeiter zu neuen Teams zusammengefasst. Das zu 4) beteiligte Betriebsratsmitglied widersprach seiner Zuordnung zum H Betrieb. Die Arbeitgeberinnen beteiligten den Betriebsrat B nicht nach § 99 BetrVG. Der Betriebsrat erwirkte daraufhin beim Arbeitsgericht einen Beschluss, durch den die Arbeitgeberinnen zur Aufhebung der Versetzungen der B Mitarbeiter verpflichtet wurden. Die Arbeitgeberinnen machten die Maßnahmen nicht rückgängig, sondern beantragten beim Betriebsrat die Zustimmung zur Neuzuordnung der B Mitarbeiter zum Standort H, darunter auch des zu 4) beteiligten Betriebsratsmitglieds. Zugleich teilten sie mit, die personellen Maßnahmen würden gem. § 100 BetrVG vorläufig durchgeführt. Der Betriebsrat verweigerte innerhalb einer Woche nach Zugang seine Zustimmung. Der Durchführung vorläufiger personeller Maßnahmen widersprach er. Der für den Betrieb H errichtete Betriebsrat stimmte der Aufnahme der betroffenen Arbeitnehmer in den H Betrieb zu.

Mit einem am beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragten die Arbeitgeberinnen die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der B Mitarbeiter nach H sowie die Feststellung, dass die vorläufigen personellen Maßnahmen dringend erforderlich seien. Sie haben die Auffassung vertreten, es lägen schon keine nach § 99 BetrVG zustimmungspflichtigen Maßnahmen vor. Jedenfalls sei die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu ersetzen. Die Maßnahmen hätten vor Einleitung der Zustimmungsverfahren nicht rückgängig gemacht werden können, da der B Betrieb stillgelegt sei.

Die Arbeitgeberinnen haben, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, beantragt,

1. die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der Service-Techniker, Monteure und Systemspezialisten

1. L B, Pers.-Nr. 9140104

2. G B, Pers.-Nr. 9144403

[3. ...]

4. U Br, Pers.-Nr. 103655

5. J Bu, Pers.-Nr. 103663

6. I D, Pers.-Nr. 39826

7. M Da, Pers.-Nr. 20511

8. M Di, Pers.-Nr. 6801310

9. D Di, Pers.-Nr. 6565030

10. T Dö, Pers.-Nr. 9144429

11. G E, Pers.-Nr. 9144387

12. M F, Pers.-Nr. 6564710

13. E Fr, Pers.-Nr. 6564645

14. W G, Pers.-Nr. 6565022

15. E H, Pers.-Nr. 9144668

16. H Go, Pers.-Nr. 6564686

17. G Ha, Pers.-Nr. 6564660

18. R H, Pers.-Nr. 914460

19. G Ho, Pers.-Nr. 7161

20. A J, Pers.-Nr. 9144718

21. G K, Pers.-Nr. 9127861

22. C. Kü, Pers.-Nr. 6803068

23. W Kü, Pers.-Nr. 6564983

24. L L, Pers.-Nr. 9140096

25. H Lü, Pers.-Nr. 9144262

26. J M, Pers.-Nr. 9144437

27. R Mi, Pers.-Nr. 9144379

28. J P, Pers.-Nr. 32128

29. P R, Pers.-Nr. 6564728

30. H Re, Pers.-Nr. 9144445

31. H Ri, Pers.-Nr. 6564694

32. M Ro, Pers.-Nr. 6564637

33. P S, Pers.-Nr. 9144353

34. K Sc, Pers.-Nr. 9144452

35. P St, Pers.-Nr. 6564991

36. L T, Pers.-Nr. 6801054

37. M W, Pers.-Nr. 9144536

38. W Wi, Pers.-Nr. 9144684

39. O Bo, Pers.-Nr. 16030

gem. § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen,

die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Service-Technikers

40. V D, Pers.-Nr. 9144361

gem. § 103 Abs. 3 Satz 2 BetrVG iVm. § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen,

die Zustimmung zur Versetzung der Vertriebsleiter, Verkaufsbeauftragten, Kommunikationsberater, Sachbearbeiter der Montageauftragvorbereitung, technischen Gruppenleiter und Projektleiter

41. S Ba, Pers.-Nr. 28217

[42. ...]

43. R Ge, Pers.-Nr. 9027376

44. F Ki, Pers.-Nr. 13763

45. A Le, Pers.-Nr. 28308

46. E Pr, Pers.-Nr. 28035

47. M Rei, Pers.-Nr. 3000501

48. T Ret, Pers.-Nr. 11361

49. C Sch, Pers.-Nr. 1665793

50. F Schu, Pers.-Nr. 9144346

51. N Se, Pers.-Nr. 9144700

52. U Ti, Pers.-Nr. 48116

53. S Z, Pers.-Nr. 1667237

gem. § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen und

4. festzustellen, dass die vorläufigen personellen Maßnahmen der Zuordnung der zu 1. bis 3. aufgeführten Arbeitnehmer ab dem dringend erforderlich ist.

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, der Betrieb in B sei zu keinem Zeitpunkt stillgelegt worden. Die Arbeitgeberinnen hätten vor Einleitung der Zustimmungsverfahren zunächst die mitbestimmungswidrig tatsächlich durchgeführten Maßnahmen aufheben müssen.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen der Arbeitgeberinnen im Wesentlichen entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Betriebsrats die Anträge vollständig abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde haben die Arbeitgeberinnen zunächst die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses begehrt.

Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist anlässlich der regelmäßigen Betriebsratswahlen am der Betriebsrat B neu gewählt worden. Die Wahl ist beim Arbeitsgericht angefochten worden. Der Senat hat daraufhin das Rechtsbeschwerdeverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Wahlanfechtungsverfahrens ausgesetzt. Mit Beschluss vom hat das Arbeitsgericht die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Der Beschluss ist rechtskräftig.

Die Arbeitgeberinnen haben daraufhin das Verfahren für erledigt erklärt. Der Betriebsrat hat innerhalb von zwei Wochen mitgeteilt, er stimme der Erledigterklärung nicht zu. Der Beteiligte zu 4) hat sich nicht geäußert.

B. Das Verfahren war auf die Erledigterklärung der Arbeitgeberinnen in entsprechender Anwendung des § 83a Abs. 2 ArbGG einzustellen. Es ist ein erledigendes Ereignis eingetreten.

I. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat das Gericht in Fällen, in denen der Antragsteller eines Beschlussverfahrens das Verfahren für erledigt erklärt und andere Verfahrensbeteiligte der Erledigungserklärung widersprechen, zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Darauf, ob der gestellte Antrag bis dahin zulässig und begründet war, kommt es - anders im Urteilsverfahren - nicht an (vgl. grundlegend - BAGE 65, 105 = AP ArbGG 1979 § 83a Nr. 3 = EzA ArbGG 1979 § 83a Nr. 1, zu B I 3, 4 der Gründe; zuletzt - Rn. 18, BAGE 117, 123 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 51 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 10). Ein erledigendes Ereignis sind tatsächliche Umstände, die nach Anhängigkeit des Beschlussverfahrens eingetreten sind und dazu führen, dass das Begehren des Antragstellers jedenfalls nunmehr als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müsste. Ist ein erledigendes Ereignis eingetreten, ist das Verfahren einzustellen ( - aaO, zu B I 5 der Gründe).

II. Vorliegend haben die Arbeitgeberinnen als Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt. Ein erledigendes Ereignis ist eingetreten. Nachdem das Arbeitsgericht die Wahl des B Betriebsrats rechtskräftig für unwirksam erklärt hat, fehlt den Zustimmungsersetzungsanträgen der Arbeitgeberinnen das Rechtsschutzbedürfnis.

1. Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung (vgl. Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. vor § 253 Rn. 18 mwN). Es ist das berechtigte Interesse an der Inanspruchnahme der Gerichte. Fehlt es, ist ein Antrag als unzulässig abzuweisen. Während das Rechtsschutzbedürfnis bei Feststellungsanträgen in Gestalt des rechtlichen Interesses an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung gem. § 256 Abs. 1 ZPO stets gesondert zu prüfen ist, ist es bei Leistungs- und Gestaltungsklagen regelmäßig gegeben (vgl. Musielak/Foerste ZPO 5. Aufl. vor § 253 Rn. 7). Es folgt in der Regel aus der Nichterfüllung des behaupteten Anspruchs. Ob der behauptete Anspruch besteht, ist grundsätzlich eine Frage der Begründetheit. Besondere Umstände können aber bereits das Verlangen, in die materiellrechtliche Sachprüfung einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen ( -, zu I 2 der Gründe mwN). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn ein einfacherer oder billigerer Weg zur Verfügung steht oder wenn der Antragsteller offensichtlich gerichtlicher Hilfe zur Erreichung seines Ziels nicht bedarf.

2. Hiernach haben die Arbeitgeberinnen an den Zustimmungsersetzungsanträgen kein Rechtsschutzbedürfnis. Sie bedürfen der begehrten gerichtlichen Entscheidung offensichtlich nicht.

a) Ein Antrag des Arbeitgebers gem. § 99 Abs. 4 BetrVG auf Ersetzung der Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme setzt die rechtliche Existenz des Betriebsrats voraus. Gibt es den Betriebsrat, dessen Zustimmung gerichtlich ersetzt werden soll, nicht (mehr), so kann der Arbeitgeber die personelle Einzelmaßnahme endgültig durchführen, ohne sich betriebsverfassungswidrig zu verhalten. Er benötigt hierzu gerichtliche Hilfe offenkundig nicht. Damit fehlt seinem Begehr auf Zustimmungsersetzung das Rechtsschutzbedürfnis. Gleiches gilt für eine nach § 103 Abs. 3 Satz 1 und 2 iVm. Abs. 2 BetrVG beantragte Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung eines Betriebsratsmitglieds.

b) Vorliegend existiert der Betriebsrat, dessen Zustimmung gerichtlich ersetzt werden soll, seit der rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit seiner Wahl durch den arbeitsgerichtlichen Beschluss vom nicht mehr. Die Arbeitgeberinnen können die personellen Maßnahmen durchführen, ohne dass sie hierzu noch die Zustimmung des vormals für die Betriebsstätte B errichteten Betriebsrats benötigen.

Fundstelle(n):
SAAAC-80633

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein