Grundsätze für die Bearbeitung von Haftungsfällen i. S. d. § 13c UStG bei rückständiger Umsatzsteuer
1. Allgemeines
Durch das Steueränderungsgesetz 2003 (StÄndG) vom ist eine Haftung bei Abtretung, Verpfändung oder Pfändung von Forderungen (§ 13c UStG) in das Umsatzsteuergesetz eingefügt worden. Diese Gesetzesänderung ist am in Kraft getreten. Einzelheiten zu der Anwendung der Haftungsvorschrift enthält auch das BStBl. 2004 I S. 514.
Weitergehende Erläuterungen zur Anwendung des § 13c UStG in den Fällen der (Sicherungs-)Abtretung, insbesondere der Globalzession, enthält das BStBl. 2006 I S. 207.
§ 13c UStG regelt eine Haftung für die Fälle, in denen ein leistender Unternehmer (Steuerschuldner) seinen Anspruch auf Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz (Forderung) abtritt, der Abtretungsempfänger die Forderung einzieht oder an einen Dritten überträgt und der Steuerschuldner die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer bei Fälligkeit nicht oder nicht rechtzeitig entrichtet. § 13c UStG umfasst auch die Fälle, in denen Forderungen des leistenden Unternehmers verpfändet oder gepfändet werden (s. .
Haftungstatbestände nach § 13c UStG sind von Amts wegen festzustellen. Eine Anzeigepflicht durch den eventuell Haftenden sieht die gesetzliche Regelung nicht vor.
Ein Ansatzpunkt für die Feststellung, ob Umsatzsteuerbeträge nicht entrichtet worden sind und damit verbunden die Prüfung, ob ggf. Forderungen an einen Dritten abgetreten worden sind, ist u. a. die Übersendung von Rückstandsanzeigen (RAS) an die Einheitliche Erhebungsstelle.
Weitere Ansatzpunkte können sich auch im Rahmen von Außenprüfungen oder im Rahmen der Veranlagung ergeben.
2. Haftung nach § 13c UStG
2.1 Tatbestandsmerkmale:
Der Haftungstatbestand umfasst grundsätzlich alle Formen der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung von Forderungen. Insbesondere fällt unter § 13c UStG die Abtretung bestimmter künftiger Forderungen aus bestehenden Geschäftsverbindungen zugunsten eines Dritten im Zusammenhang mit Waren- oder Bankkrediten (Sicherungsabtretung, Globalzession).
Die Abtretung ist grundsätzlich nicht formbedürftig. Unmittelbare Folge der Abtretung ist der Wechsel der Gläubigerstellung.
Die Abtretung, Verpfändung oder Pfändung von Forderungen kann auf einen Teilbetrag der Gesamtforderung. nicht jedoch auf einen (fiktiven) Nettobetrag beschränkt werden. Vielmehr erstreckt sich die Haftung auf die im abgetretenen, verpfändeten oder gepfändeten Betrag enthaltene Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer, für die gehaftet wird, ist somit aus dem abgetretenen, verpfändeten oder gepfändeten Betrag herauszurechnen. Eine Inanspruchnahme des Abtretungsempfängers kommt nach § 13c UStG in Betracht, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Steuerschuldner (Leistungsgeber) ist Unternehmer,
Abtretungsempfänger bzw. Pfand- oder Vollstreckungsgläubiger ist Unternehmer,
die Steuerschuld wurde bei Fälligkeit nicht entrichtet und
die abgetretene bzw. ver- oder gepfändete Forderung wurde vom Abtretungsempfänger vereinnahmt.
2.1.1 Steuerschuldner ist Unternehmer
§ 13c UStG sieht eine Haftung nur dann vor, wenn der Leistende Unternehmer i. S. d. § 2 UStG ist. Kleinunternehmer gem. § 19 UStG sowie Unternehmer, die die Durchschnittsatzbesteuerung nach § 24 UStG anwenden, fallen nur dann in den Anwendungsbereich des § 13c UStG, sofern eine Zahllast entsteht.
2.1.2 Abtretungsempfänger ist Unternehmer
Nicht erforderlich für die Haftung ist, dass die Abtretung, Verpfändung oder Pfändung der Forderung für den unternehmerischen Bereich des Abtretungsempfängers, Pfandgläubigers oder Vollstreckungsgläubigers erfolgt. Nichtunternehmer können dagegen gem. § 13c UStG nicht in Haftung genommen werden. Zu den Nichtunternehmern gehören auch Juristische Personen des öffentl. Rechts, soweit nicht ein Betrieb gewerblicher Art vorliegt (§ 2 Abs. 3 UStG):
2.1.3 Fälligkeit der Umsatzsteuer
§ 13c UStG setzt voraus, dass der leistende Unternehmer die Steuer, bei deren Ermittlung der steuerpflichtige Umsatz ganz oder teilweise berücksichtigt wurde, für den der Anspruch auf Gegenleistung (Forderung) abgetreten, verpfändet oder gepfändet wird, zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat.
2.1.4 Vereinnahmung
Die Haftung setzt voraus, dass der Abtretungsempfänger, Pfandgläubiger oder Vollstreckungsgläubiger die abgetretene, verpfändete oder gepfändete Forderung ganz oder teilweise vereinnahmt hat. Wurde die Forderung teilweise vereinnahmt, erstreckt sich die Haftung nur auf die Umsatzsteuerbeträge, die im tatsächlich vereinnahmten Betrag enthalten sind.
In den Fällen der Sicherungsabtretung gilt die Forderung durch den Abtretungsempfänger auch dann als vereinnahmt, soweit der leistende Unternehmer die Forderung selbst einzieht und den Geldbetrag an den Abtretungsempfänger weiterleitet oder soweit der Abtretungsempfänger die Möglichkeit des Zugriffs auf den Geldbetrag hat.
Im Einzelnen s. hierzu BStBl. 2006 I S. 207.
In den Fällen des Forderungsverkaufs gilt die Forderung nicht durch den Abtretungsempfänger als vereinnahmt, soweit der leistende Unternehmer für die Abtretung der Forderung eine Gegenleistung in Geld vereinnahmt (z. B. bei entsprechend gestalteten Asset Backed Securities (ABS)-Transaktionen). Voraussetzung ist, dass dieser Geldbetrag tatsächlich in den Verfügungsbereich des leistenden Unternehmers gelangt. Davon ist nicht auszugehen, soweit dieser Geldbetrag auf ein Konto gezahlt wird, auf das der Abtretungsempfänger die Möglichkeit des Zugriffs hat.
Im Einzelnen s. hierzu BStBl. 2006 I S. 207.
Hat der Abtretungsempfänger, Pfandgläubiger oder Vollstreckungsgläubiger die abgetretene Forderung ganz oder teilweise an einen Dritten abgetreten, gilt dieses Rechtsgeschäft insoweit als Vereinnahmung. d. h. er kann für die im Gesamtbetrag der weiter übertragenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer in Haftung genommen werden. Dies gilt unabhängig davon, welche Gegenleistung er für die Übertragung der Forderung erhalten hat.
2.2 Inanspruchnahme des Haftenden
Die Haftungsinanspruchnahme ist frühestens in dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Steuer fällig war und nicht oder nicht vollständig entrichtet wurde. Hat der Abtretungsempfänger, Pfandgläubiger oder Vollstreckungsgläubiger die Forderung zu diesem Zeitpunkt noch nicht vereinnahmt, ist der Zeitpunkt der nachfolgenden Vereinnahmung maßgebend.
2.3 Begrenzung der Haftung und Haftungsausschluss
Die Haftung ist der Höhe nach auf den Betrag der im Fälligkeitszeitpunkt nicht entrichtenen Steuer und auf die im vereinnahmten Betrag der abgetretenen, verpfändeten oder gepfändeten Forderung enthaltene Umsatzsteuer begrenzt (zweifache Begrenzung).
Der Abtretungsempfänger, Pfandgläubiger oder Vollstreckungsgläubiger kann sich der Haftungsinanspruchnahme entziehen, soweit er als Dritter Zahlungen i. S. d. § 48 AO zugunsten des leistenden Unternehmers bewirkt.
2.4 Hauptanwendungsfälle
2.4.1 Haftung im Insolvenzfall
Bei der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung von Forderungen handelt es sich um typische Kreditsicherungsmittel privater Gläubiger. Sie dienen ausschließlich zur Durchsetzung der Ansprüche des Kreditgebers im Falle einer Krise des Steuerschuldners und begründen in der Insolvenz des Kreditnehmers ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung zugunsten des Kreditgebers.
2.4.2 Kreditsicherung mittels Globalzession
Kreditinstitute gewähren Darlehen oder Kredite gegenüber Unternehmern prinzipiell nur, wenn diese mittels Globalzession besichert werden. Demzufolge lassen sich die kreditgebenden Banken alle bestehenden und künftigen Forderungen des Unternehmers sicherungshalber abtreten, um im Krisenfall dennoch die vollständige Tilgung ihrer Darlehen zu erlangen.
Tritt der Sicherungsfall ein und vereinnahmt das Kreditinstitut daraufhin die abgetretenen Forderungen selber, erfüllt dies regelmäßig den Haftungstatbestand nach § 13c UStG. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine Vereinnahmung durch das Kreditinstitut auch vorliegt, wenn die Zahlung auf einem Konto des Unternehmers eingeht, welches über die vereinbarte Kreditlinie hinaus belastet ist (s. .
3. Feststellungen durch die UVSt bzw. AMS/ApSt
Erkenntnisse über evtl. Haftungstatbestände des § 13c UStG können durch die v. g. Arbeitsbereiche u. a. bei der materiell-rechtlichen Prüfung von USt-Voranmeldungen/USt-Erklärungen erlangt werden.
4. Feststellungen durch die Einheitliche Erhebungsstelle (ErSt)
1.
Erkenntnisse über evtl. Abtretungen, Pfändungen oder Verpfändungen i. S. d. § 13c UStG können durch die ErSt insbesondere im Rahmen einer Aufklärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse (Anträge auf Stundung oder Erlass, Anträge auf Vollstreckungsaufschub, Eidesstattliche Versicherungen, Drittschuldnererklärungen), im Rahmen von Forderungspfändungen oder im Rahmen eines Insolvenzverfahrens (Berichte der Insolvenzverwalter) erlangt werden. Soweit die ErSt Erkenntnisse über Abtretungen, Pfändungen oder Verpfändungen von Forderungen des Schuldners erlangt, sind diese Informationen umgehend im Wege der Haftungsanfrage (Vorlage Voll_172) an den zuständigen Arbeitsbereich weiter zu geben (vgl. Vollstreckungskartei „Haftung” Karte 2). Dabei soll – soweit möglich – auch mitgeteilt werden, ob die Forderungen ggf. vom Abtretungsempfänger oder Pfandgläubiger eingezogen worden sind. Vor Durchführung einer entsprechenden Haftungsanfrage sind in der Regel Vollstreckungsmaßnahmen beim Schuldner durch den Vollstreckungsdienst durchzuführen, (vgl. Vollstreckungskartei „Heftung” Karte 1).
5. Feststellungen im Rahmen von Außenprüfungen
Werden im Rahmen einer Außenprüfung Feststellungen getroffen, dass Forderungen von Abtretungsempfängern oder Pfändungsgläubigern vereinnahmt oder an Dritte weitergegeben wurden, so ist dem zuständigen Finanzamt eine Kontrollmitteilung zu übersenden. Dadurch erhält das zuständige Finanzamt die Möglichkeit, den Haftungstatbestand zu prüfen.
Einen Ansatz im Rahmen der Außenprüfungen bieten die Aufzeichnungspflichten des § 22 Abs. 4d UStG. Hiernach sind sowohl der Steuerschuldner als auch der in Betracht kommende Haftungsschuldner verpflichtet, Aufzeichnungen über Abtretungen, Pfändungen und Verpfändungen zu führen.
Weitere Anhaltspunkte können auch die Rückstellungskonten liefern. Die mögliche Inanspruchnahme gem. § 13c UStG stellt eine ungewisse Verbindlichkeit dar, für die der Kaufmann eine Rückstellung gem. § 249 Abs. 1 S. 1 HGB zu bilden hat.
6. Haftungsinanspruchnahme und Zahlungen auf die Umsatzsteuerschuld
6.1 Haftungsinanspruchnahme
Sind die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftungsbescheides gegeben, ist der Abtretungsempfänger in Haftung zu nehmen. Ein Ermessen besteht insoweit nicht. Vor Erlass eines Haftungsbescheides ist dem Abtretungsempfänger rechtliches Gehör zu gewähren. Mit der Festsetzung der Haftungsschuld wird ein Gesamtschuldverhältnis i. S. d. § 44 AO begründet.
6.2 Zahlungen aufgrund der Haftungsinanspruchnahme
Zahlt der Abtretungsempfänger aufgrund des Haftungsbescheides i. S. d. § 13c UStG den Betrag, für den dieser mit dem Haftungsbescheid in Anspruch genommen worden ist, ist die rückständige Umsatzsteuer des leistenden Unternehmers insoweit getilgt.
Zahlt der Abtretungsempfänger den Betrag aus dem Haftungsbescheid nicht oder nicht vollständig bis zum Fälligkeitstag, sind Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Abtretungsempfänger einzuleiten (s. Vollstreckungskartei „Haftung” Karte 2 Tz. 2.2.2).
6.3 Zahlungen des leistenden Unternehmers
Erfolgen durch den leistenden Unternehmer Zahlungen auf die Umsatzsteuerschuld, so dass eine vollständige Tilgung der in Vollstreckung befindlichen Umsatzsteuerbeträge erfolgt ist, ist der Haftungsbescheid gegen den Haftungsschuldner, sofern durch diesen keine Zahlungen geleistet worden, zu widerrufen.
Erfolgen Zahlungen auf die Umsatzsteuerschuld sowohl durch den Steuerschuldner als auch durch den Abtretungsempfänger, die insgesamt über die offenen Umsatzsteuerrückstände hinausgehen, ist § 37 Abgabenordnung (AO) entsprechend anzuwenden.
7. Zuständigkeit
7.1 Allgemein
Der Haftungsbescheid ist in den Fällen des § 13c UStG durch das Finanzamt zu erlassen, das für die Umsatzsteuer des leistenden Unternehmers örtlich zuständig ist.
7.2 Haftungsprüfung und Haftungsbescheid
Die Bearbeitung von Haftungsfällen obliegt grundsätzlich den Amtsprüfern des gehobenen Dienstes. Aus Vereinfachungsgründen kann die weitere Bearbeitung der Haftungsfälle nach entsprechender Mitteilung der einheitlichen Erhebungsstelle beim USt-Hauptsachbearbeiter/AMS-Leiter zentralisiert werden.
Dieser hat zu prüfen, ob und inwieweit der Abtretungsempfänger für die nicht oder nicht rechtzeitig entrichtete Umsatzsteuer in Haftung genommen werden kann. Des Weiteren hat er zu prüfen, ob und ggf. inwieweit der Abtretungsempfänger die abgetretene Forderung vereinnahmt hat (s. Tz. 18 ff.).
Der zuständige Amtsprüfer bzw. der USt-Hauptsachbearbeiter/AMS-Leiter erlässt den Haftungsbescheid. Eine Kopie des Haftungsbescheides ist der Einheitlichen Erhebungsstelle zuzuleiten.
8. Statistik und Mustervorlagen
Die jeweils zuständigen Amtsprüfer bzw. die USt-Hauptsachbearbeiter/AMS-Leiter haben über die Anzahl der Haftungsfälle des § 13c UStG mit dem Vordruck „Statistik_§ 13 c” (s. Anlage) fortlaufend für jedes Kalenderhalbjahr statistische Anschreibungen zu führen.
Diese Liste ist jeweils zum 30. Juni und 31. Dezember jeden Jahres als Gesamtliste des Finanzamts durch den USt-Hauptsachbearbeiter/AMS-Leiter an die OFD Hannover zu übersenden.
Auf Bundesebene werden bundeseinheitliche Vordrucke für die Bearbeitung der Haftungsvorgänge nach § 13c UStG entwickelt. Bis zur endgültigen Umsetzung bittet die OFD die folgenden Vordrucke zu verwenden:
USt_S_41_Haftungsanfrage_13 c_UStG
USt_S_41_Haftungsbescheid_13 c_UStG
Zur Erleichterung der Umsetzung der auf § 13c UStG beruhenden Haftungsverfahren sind für die Haftungsanfrage der Erhebungsstelle die Vordrucke „Voll_172” und „Voll_172a” als Vorlage bereitgestellt worden.
„Statistik_§ 13 c”
OFD Hannover
Aufstellung über die Haftungsfälle des § 13c UStG
Finanzamt: ……………………….
Zeitraum: …………………………
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Lfd. Nr. | St.
Nr. des leistenden Unternehmers | Zahlungen I. S. d. § 48 AO | |||
Abtretungsempfänger | Datum des Haftungsbescheides | Betrag der
Haftungs- inanspruchnahme | |||
Oberfinanzdirektion
Hannover v. - S 7279 a - 1 - StO
183
Fundstelle(n):
LAAAC-79997